Die Wassernixe

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»So verhält es sich in der That schon lange; ich kann mich nicht entsinnen, wann es anders wär' gewesen.«

»Es läßt sich nicht läugnen. Es würde indeß mit einer klugen Politik schlecht übereinstimmen, bei Beurtheilung der Menschen den Schein der Raschheit anzunehmen. Wenn dasselbe Vorurtheil meiner eigenen Verwaltung vorgeworfen werden kann, so beweist dies nur um so klarer, wie sehr falsch die Sachen zu Hause dargestellt werden. Mir fehlte blos Zeit um meinen Geist aufzuklären, man hat sie mir aber nicht gegeben. Nur noch ein Jahr, mein würdiger Sir, und der Verwaltungsrath würde mit lauter Van's besetzt gewesen seyn.«

»In dem Fall, Mylord, hätte sich allerdings die unglückliche Lage, in der Sie sich jetzt befinden, vermeiden lassen.«

»Und ist es denn zu spät, dem Uebel Einhalt zu thun? Man sollte doch endlich einmal die Königin enttäuschen, ihre Gunst wieder zu gewinnen suchen. Und nichts als Gelegenheit braucht es, daß solche Gerechtigkeit ausgeübt werde. Mir blutet das Herz. Sir, wenn ich denke, daß diese Schande Jemand trifft, der dem königlichen Geblüt so nahe steht!Lord Cornbury, der lasterhafte Gouverneur von New-York, war der Enkel des großen Grafen Clarendon und ein leiblicher Vetter der Königin Anna 's ist ein Makel in dem Wappenschild der Krone, und jedem treuen Unterthan muß daran gelegen seyn, ihn zu tilgen; überdies gehört gar nicht viel dazu, bloß gewisse – Herr Alderman Myndert van Beverout – ?«

»Mylord ehemaliger Gouverneur!« versetzte der Andere, als er bemerkte, daß jener fortzufahren zauderte.

»Was halten Sie von dieser Einführung der Hannöverschen Familie? – Soll ein Deutscher die Krone eines Plantagenet tragen?«

»Sie ward von einem Holländer getragen.«

»Getroffen! ein Holländer hat sie getragen, und zwar würdiglich. Die beiden Völker sind verwandt, und in Ihrer Antwort liegt Vernunft. Wo hatte ich meinen Verstand, daß ich nicht früher den Beistand deiner Rathschläge suchte. Vortrefflichster! Ja Myndert, es ruht ein wahrer Segen auf allem was Niederländer unternehmen!«

»Sie sind emsig im Verdienen, im Vergeuden langsam.«

»Wenn« doch der Aufwand nicht der Ruin so manches würdigen Unterthans wäre! Aber Zufall – Chance – Glück – oder wie Sie es nennen wollen, fährt bisweilen ganz unverantwortlich dazwischen, und wirft den Wohlstand eines Mannes von Stande über den Haufen. Beständigkeit in der Freundschaft, Sir, bete ich an; mein Grundsatz ist, daß die Menschen auf ihrem Wege durch dies finstre Lebensthal einander hülfreiche Hand reichen sollten – Herr Stadtrath Van Beverout – »Mylord Cornbury.«

»Ich wollte sagen, daß ich meinen schmerzlichen Gefühlen wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen würde, wenn ich die Provinz verließe, ohne vorher mein Bedauern darüber ausgedrückt zu haben, daß mir die Verdienste der ursprünglichen Eigenthümer derselben, und die Ihrigen insbesondere, nicht früher bekannt geworden sind.«

»Ist denn Hoffnung vorhanden, daß Ew. Herrlichkeit Gläubiger nachgeben werden, oder hat der Graf Mittel zur Oeffnung der Gefängnißthür bewilligt?«

»Sie bedienen sich höchst scherzhafter Ausdrücke, Sir! – doch ich liebe vor allen andern Eigenschaften die edle Offenherzigkeit. Die Gefängnißthür, wie Sie es so deutlich nennen, könnte freilich geöffnet werden, und glücklich wäre der Mann, der den Riegel zurückschöbe. Es schmerzt mich, wenn ich an den Unwillen der Königin denke, der früher oder später auf das Haupt meiner tollkühnen Verfolger fallen wird. Dagegen tröstet mich der Gedanke an die Gunst, welche sie Denjenigen zutheilen wird, die sich in meiner gegenwärtigen Noth als Freunde gezeigt haben. Gekrönte Häupter sehen es nicht gern, wenn selbst der Niedrigste ihres Geblüts der Schande ausgesetzt wird, weil der Makel einen Fleck auf den Hermelin der Majestät zurückwerfen könnte. – Herr Alderman – ?«

»Mylord?«

»Wie geht's den flamländischen Wallachen?«

»Danke sehr, Mylord, vortrefflich; die Schelme sind fett wie Butter! Die armen Teufel haben Aussicht auf etwas Ruhe, da Geschäfte mich nach meinem Landhause rufen. Es sollte ein Gesetz geben, Lord Gouverneur, welches den Schwarzen, der Nachts ein Pferd reitet, zum Galgen bringt.«

»Ich habe über eine, solchem herzlosen Verbrechen angemessene Strafe schon nachgedacht, allein unter der Verwaltung dieses Herrn Hunter ist wenig Hoffnung dazu. Ja, Sir, könnte ich nur noch eine Audienz bei meiner königlichen Base erlangen, so sollte diesem Betruge bald gesteuert werden, und die Kolonie würde wieder gute Tage haben. Nicht mehr sollten die Leute eines Geschlechts über Leute eines Jahrhunderts herrschen. Aber vorsichtig, mein theurer Sir! daß nur ja Niemand von unsrem Plane Luft bekomme; die Idee ist eine ächt holländische, und Männer dieser Herkunft sollten die politischen wie die Geldvortheile... – Mein werther Van Beverout – ?«

»Mein guter Lord?«

»Ist die blühende Alida gehorsam? Glauben Sie mir, seit ich mich in der Kolonie aushalte, habe ich an keinem Familienereigniß wärmeren Antheil genommen, als an dieser wünschenswerthen Verbindung. Die Bewerbung des jungen Patroon von Kinderhook ist eine Angelegenheit der ganzen Provinz. Es ist ein verdienstvoller junger Mann.«

»Hat ein vortreffliches Gut, Mylord!«

»Und einen Ernst, der weit über seine Jahre geht.«

»Ich garantire was man will, daß er bei jedem Quartalanfang zwei Drittheile seiner Einkünfte zu seinem Kapitel schlägt.« »Er scheint von der Luft zu leben.«

»Oho, mein alter Freund, der verstorbene Patroon,« fuhr der Rathsherr, die Hände reibend, fort; »hat erkleckliche Kapitalien hinterlassen, abgesehen vom Landgut.«

»Welches keine Schafhürde ist.«

»Es reicht vom Hudson bis zur Gränze von Massachusetts. Hunderttausend Morgen Hügel- und Thalgrund, mit wirtschaftlichen Holländern gut bevölkert.«

»Ein höchst achtbares Besitzthum, und ein wahres Goldbergwerk in Zukunft! Solchen Leuten, Sir, muß man sich gefällig zeigen. Wir sind es seiner Stellung schuldig, ihn in unsern Plan: die Königin von ihrer Täuschung zu befreien, einzuweihen. Was wollen die leeren Prätensionen so eines Kapitäns Lublow sagen gegen die Ansprüche eines solchen Gentleman?«

»Er hat in der That ein vortreffliches und dabei immer zunehmendes Vermögen.«

»Diese Ludlow, Eir, Leute, welche wegen Verschwörungen gegen die Krone landesflüchtig werden mußten, sind treuen Unterthanen ein Aergerniß; und gegen viele von englischem Blut abstammende Bewohner dieser Provinz läßt sich mit nur zu vielem Recht dieselbe Einwendung machen. Ich muß es leider sagen, sie nähren Zwietracht, trüben die Gemüther des Volks und sind rechthaberische Zänker um Privilegien und Zunftrechte. Im holländischen Charakter hingegen liegt eine Ruhe, die demselben Würde verleiht. Die Nachkommen der Holländer sind Männer, auf die man sich verlassen kann; wo man sie heute verläßt, da sieht man sie morgen wieder. Ja, ja, wie wir Staatsmänner zu sagen pflegen: wir wissen wo sie anzutreffen sind. Scheint es Ihnen nicht besonders anstößig, daß man den Befehl des einzigen königlichen Kreuzers auf der Station diesem Kapitän Ludlow gegeben hat?«

»Ich sähe es lieber, Mylord, wenn er in Europa diente.« erwiderte der Alderman mit leiserer Stimme und nach einem vorsichtigen Blick rückwärts. »Letzthin ging ein Gerücht, daß sein Schiff wirklich die Inselgewässer durchsuchen soll.«

»Die Dinge fangen an, eine sehr schiefe Richtung zu nehmen, würdigster Sir; um so nöthiger ist es, daß Jemand bei Hofe sey, der der Königin die Augen öffne, und die Neuerer hier vertreibe, damit Männer, deren Namen in der Kolonie geschichtlich sind, jene Stellen besetzten.«

»Das könnte freilich dem Kredit Ihrer Majestät nicht schaden.«

»Ein neuer Juwel in ihrer Krone wär's! Bekäme Eure Nichte diesen Kapitän Ludlow zum Gemahl, so würde die Familie ihren Charakter gänzlich verändern. Wie ist es doch? ich habe ein so schlechtes Gedächtniß – eure Mutter, Myndert, war eine – eine –«

»Das gottselige Weib war eine geborene Van Busser.«

»Aber deine Schwester vermählte sich mit einem Hugenotten, und die schöne Alida hat schon zur Hälfte fremdes Blut in den Adern. Heirathet sie nun vollends einen Ludlow, so ist der Sauerteig des Geschlechts zerstört! Der Mensch hat, wie ich glaube, nicht einen Heller.«

»Das möcht' ich nun gerade nicht behaupten, Mylord, denn ich schade ungern dem Kredit irgend eines Menschen, und wäre er mein ärgster Feind; allein wenn er auch wohlhabend ist, so hat er doch noch lange nicht das Vermögen des jungen Patroon von Kinderhook.«

»In der That, man müßte ihn nach Westindien schicken. – Myndert – ?«

»Mylord?«

»Meinen Gesinnungen für Herrn Oloff Van Staats würde Gewalt angethan werden, wenn er von den Vortheilen unseres Projekts ausgeschlossen bliebe. Zu seinen Gunsten erbitte ich mir dieses Freundschaftsftück von Ihnen: Ihr Beide schaffet dann in gleichen Theilen die erforderliche Summe herbei, eine gemeinschaftliche Verschreibung macht die Sache fest, und da wir unser Geheimniß für uns behalten, so läßt sich gar nicht zweifeln, daß wir mit gehöriger Klugheit zu Werke gehen werden. Dies Papier enthält den Betrag der Summe.«

»Zweitausend Pfund, Mylord!«

»Verzeihen Sie, Theuerster, nicht ein Heller mehr als Eintausend kommt auf jeden von Ihnen Beiden. Gerechtigkeit gegen Van Staats verlangt, daß Sie ihn Theil nehmen lassen. Nähme ich nicht Rücksicht auf seine Bewerbung um Ihre Nichte, so würde ich den jungen Herrn mit nach Hofe nehmen, um dort für sein Glück zu sorgen.«

»In der That, Mylord, die Summe übersteigt um Vieles meine Mittel. Die hohen Pelzpreise letzten Winter und ausgebliebene Zahlungen haben unser Silber versiegelt« –

»Die Prämie wäre bedeutend.«

 

»Baares Geld wird jeden Tag knapper, so daß das Antlitz eines Carolus eine fast eben so große Seltenheit ist, wie das eines Schuldners« –

»Die Zahlung sicher.«

– »Der sich überall, nur nicht bei seinem Gläubiger zeigt« – »Der Handel durchaus ein holländischer.«

– »Und die letzten Briefe aus Holland rathen, unser Gold für eine bevorstehende außerordentliche Bewegung in der Handelswelt aufzusparen.«

»Herr Alderman Myndert Van Beverout!«

»Mylord Viscount Cornbury.«

»Plutus erhalte dich, Sir – aber nimm dich in Acht! obgleich ich die Morgenluft wittere und zurück muß, so ist es doch nicht verboten, die Geheimnisse meines Kerkers zu verkünden. In jenem Käfig ist Einer, welcher flüstert, der »Streicher durch die Seen« sey an der Küste! Sey umsichtig, würdiger Bürger, sonst dürfte auf diesen Gewässern noch der zweite Theil der Tragödie Kidd gespielt werden.«

»Dergleichen Verhandlungen überlasse ich Vornehmern,« war die beißende Antwort des nochmals sich steif verbeugenden Rathsherrn. »Unternehmungen, mit welchen sich der Graf von Bellemont, Gouverneur Fletcher und Mylord Cornbury beschäftigt haben, sind über den Ehrgeiz eines bescheidenen Kaufmanns erhaben.«

»Adieu, festhaltender Sir; sey nicht zu ungeduldig nach den außerordentlichen holländischen Bewegungen!« sagte Cornbury mit einem erzwungenen Lachen, während er insgeheim den Stich, den ihm der Andere gegeben, recht gut fühlte, da man sich überall erzählte, daß nicht blos er, sondern auch seine Vorfahren im Amte Theil genommen hatten an mehreren gesetzlosen Thaten der amerikanischen Flibustier. »Sey wachsam, sonst dürfte Demoiselle Barbérie die Reinheit der stehenden Pfütze deines Geblüts noch einmal durchkreuzen.«

Sie verbeugten sich gegenseitig, doch jeder auf die ihm eigenthümliche Weise. Der Alderman war unerschüttert, steif und ceremoniös; der Lord, selbst bei so heftigem innerem Verdruß, leicht und ungenirt. Besiegt in einem Versuche, zu dem nur eine so verzweifelte Lage und ein fast eben so verzweifelter Charakter anspornen konnten, ging der entartete Sprößling des tugendhaften Clarendon seiner Haft entgegen, mit dem Schritte eines Menschen, der sich eine Ueberlegenheit über seines Gleichen anmaßt; zugleich aber mit einem, durch beständige Ruchlosigkeit so verstockten Gemüth, daß von jeder höhern Eigenschaft kaum noch eine Spur zurückgeblieben war.

Zweites Kapitel.


»Sein Wort ist gut wie Schrift, sein Eid Orakel; In Liebe echt, im Denken mackellos.«
Die zwei Herren aus Verona.

Nicht leicht war's, den Rathsherrn Beverout in seiner philosophischen Gemüthsruhe zu stören, indessen hätte man sich nicht geirrt, wenn man das Spiel der unteren Muskeln seines Gesichts als Selbstgefälligkeit über seinen Sieg, und die zusammengezogenen Theile um die Stirn als ein klares Bewußtseyn der eben bestandenen Gefahr auslegte. Die linke Hand wühlte in der Tasche unter kleinen spanischen Geldmünzen, von welchen unser Kaufmann, wenn er ausging, stets einen Vorrath bei sich hatte; und mit einem Rohr in der rechten schlug er taktmäßig und kräftig das Pflaster; eine Aeußerung seines entschlossenen Wesens. So setzte er noch einige Minuten seinen Gang fort, und trat bald aus den niedriger gelegenen Straßen in eine, welche am Rande der an diesem Theile der Insel sich erhebenden Felskrone entlang lief. Hier machte er bald vor der Thür eines Hauses Halt, das in jener Provinzialstadt ganz das Aussehen der Wohnung eines Patriciers hatte.

Zwei falsche Giebel, mit eisernen Wetterhähnen auf den Spitzen, bildeten Felder im Dach, und der länglich enge Eingang war aus den rothen Quadersteinen des Landes gebaut. Das Material des übrigen Gebäudes bestand, wie gewöhnlich, aus kleinen, harten, holländischen Backsteinen, und war mit einer zarten Milchfarbe angestrichen.

Ein einziger Schlag mit dem gewichtigen glänzenden Klöpfer brachte einen Bedienten an die Thür. Die Schnelligkeit, mit welcher dem Rufe entsprochen ward, bewies, daß der Alderman, ungeachtet der frühen Stunde, kein unerwarteter Gast war. Auch zeigte sich keine Ueberraschung auf dem Gesichte des schwarzen Thürstehers, als er den Eintritt Begehrenden erblickte; vielmehr deutete jede seiner Bewegungen darauf hin, daß man auf den Empfang des Besuchs vorbereitet war. Der Alderman nahm indeß die Einladung, einzutreten, nicht an, lehnte sich an das eiserne Gitter des Stoop, und ließ sich mit dem Neger in ein Gespräch ein. Dieser war wohlbetagt, hatte ein graues Haupt, eine Nase, die fast auf gleicher Ebene mit dem übrigen Gesicht lag, Runzeln in den verworrenen Zügen, und eine sich unter der Last der Jahre krümmende, obgleich noch immer feste Gestalt.

»Grüß' dich wacker, alter Cupido;« hob der Bürger an, in jener aufrichtig herzlichen Weise, mit welcher damals die Eigenthümer Sklaven, die sie leiden konnten, anzureden pflegten. »Ein reines Gewissen ist eine gute Nachtmütze, und du siehst ja freundlich aus, wie die Morgensonne! Hoffentlich hat mein Freund, der junge Patroon, nicht minder gut geschlafen, und zum Beweis schon sein Gesicht gezeigt.«

Der Neger antwortete in jener langsamen, abbrechenden Weise, die ältlichen Sklaven so eigen ist:

»Er viel wacht, Masser Alerman. Ich glaube, er nicht schläft seine halbe Zeit, kürzlich. Alle seine Thätigkeit und Lebhaftigerei fort! und er nicht thut etwas, als rauchen. Ein Gentlum, der raucht allezeit, Masser Alerman, wird ein melarcholischer Mann, am Ende. Ich wirklich glaub, es muß geben in York eine junge Frauenzimmer, die sein Tod seyn wird, einmal.«

»Wir wollen schon Mittel finden, ihm die Pfeife aus dem Munde zu nehmen,« sagte der Andere, den Schwarzen pfiffig anschauend, als wenn er seine Meinung mehr andeuten als äußern wollte. »Romane und hübsche Mädchen machen was sie wollen mit unserer Philosophie, so lange wir jung sind, wie du aus Erfahrung weißt, alter Cupido.«

»Ich jetzt nicht mehr gut bin zu nichts dererlei, gar nichts,« erwiederte ruhig der Schwarze. »Hab' mal Zeit gelebt, wo wenig farbige Mensch in York, hat gehabt mehr Hochachtung beim schönen 'Schlecht, aber das schon lange her. Nun, die Mudher von ihrem Euclid, Masser Alerman, war ein hübsches Frau, obschon ihre Aufführung nur mittelmäßig war. Dazumalen war ich selbst jung, un ich pflegte in Alermans Vater sein Haus zu besuchen, eher die Engländer ankamen un wie oller Patroon noch eine junge Mann war. Golly! ich sehr lieb den Euclid, obschon das junge Hunt nimmer zu mir kommt.«

»Das ist ein Schlingel! Kaum kehr ich den Rücken um, so sitzt der Schelm schon auf einem der Wallache seines Herrn.«

»Er sehr jung ist, Masser Mynert; Nimmand kriegt Einer Weisheit bevor ein graues Haar.«

»Er hat volle vierzig, und der Spitzbube wird unverschämter, je älter er wird. Das Alter ist ein ehrwürdiger und achtbarer Stand, wenn es Ernst und Ueberlegung mitbringt; aber wenn ein junger Laffe Langeweile macht, so ist ein alter Narr verächtlich. Ich steh dafür, du warst nie so unbesonnen oder so herzlos, Cupido, ein abgemattetes Thier des Nachts zu reiten.«

»Gutt, ich wer' ziemlich alt, Masser Mynert, un nicht alles mehr weiß, was ich hab gethan, als ich war noch jung. Doch hier ist der Herr Patroon, welcher versteht dem Alerman dererlei zu sagen, besser als ein armer Sklav.«

»Wünsch wohl aufgestanden zu haben und einen glückbringenden Tag!« rief der Alderman, indem er einen hohen, langsam einherschreitenden, vornehm aussehenden jungen Mann begrüßte, der fünf und zwanzig Jahr alt seyn mochte, aber mit der Gravität eines Fünfzigers herannahte. »Die Winde schweigen, als wären sie besprochen, und kein schönerer Tag hat je am Himmel geglänzt, weder in der reinen Atmosphäre Hollands, noch in Alt-England selbst. Potz Colonien und Gönnerschaft! wenn das Volk jenseits des Meers mehr Vertrauen zu Mutter Natur, und eine geringere Meinung von sich selbst hätte, es würde das Athemholen in den Plantagen erträglich genug finden. Aber die eingebildeten Spitzbuben sind wie der Balgentreter, welcher glaubt, er bringe die Musik hervor, und der allerbucklichste Kauz unter ihnen hält sich für gerader und gesünder als den Besten in den Colonien. Sieh einmal dort unsere Bai, so glatt als wenn sie von zwanzig Dämmen umschlossen wäre; gewiß, die Reise kann auf einem Kanal nicht sicherer seyn.«

»Das sehr gutt ist, wenn die Reise sicher,« murmelte Cupido, der sich aus Anhänglichkeit zu seinem Herrn allerhand um dessen Person zu thun machte. »Ich halte es für besser allzeit zu reisen auf dem Land, wenn ein Gentlum besitzt so viel wie Masser Oloff. War 'ne Zeit, wo ein Fährboot ging unter mit Leuten, eine Menge; und Niemand jemals ist heraufgekommen, um zu sagen, wo er ist gefallen hinab.«

»Hier steckt ein Irrthum!« unterbrach der Rathsherr, seinen jungen Freund beunruhigt anblickend. »Ich zähle vierundfünfzig Jahre, und kann mich keines solchen Unglücks entsinnen.«

»'Sis doch sehr zunderbar, wie leicht vergißt der junge Volk! Sechs Leute in jenem Boot ertrunken sind. Eine zwei Yankih, ein Franzos aus Canada, und ein armer Frauenzimmer von Jarseys. Alle jemande waren sehr leid über den armen Frauenzimmer!«

»Deine Rechnung stimmt ja nicht, Meister Cupido,« versetzte der Alderman, der nirgends mehr zu Hause war und nie geläufiger, als in arithmetischen Dingen. »Zwei Yankihs, ein Franzose und dein Frauenzimmer aus Jersey, machen nur vier.«

»Gutt, kann seyn, 's war nur eine Yankih, ich aber ganz gewiß weiß, daß alle ertrinken, denn der Gubbenör seine schönen Pferde auch hat verloren, in jenem Fährboot.«

»Wahrhaftig, der alte Knabe hat doch Recht, denn nun erinnere ich mich des Unglücks mit den Pferden, als wenn es erst gestern geschehen wäre. Indeß, der Tod ist der Monarch der Erde, und Niemand von uns darf hoffen, seiner Sense zu entwischen, wenn die bestimmte Stunde da ist! Doch Pferde gibt es heut keine zu verlieren, wir können also immerhin unsere Seereise mit heiteren Gesichtern und leichten Herzen antreten, Patroon. Gehen wir?«

Oloff Van Staats, oder der Patroon von Kinderhook, wie man ihn aus Höflichkeit in der Kolonie gewöhnlich nannte, besaß viel persönlichen Muth. Gleich den meisten Nachkommen der Holländer, zeichnete ihn bei Gefahren Festigkeit, und da, wo es Widerstand galt, ausdauernde Gegenkraft aus. Der Grund zu dem kleinen, eben vorgefallenen Wortkampf zwischen seinem Freund und seinem Sklaven, war daher nicht etwa, daß sie ihn für zaghaft gehalten hätten, sondern daß der Eine zärtlich wie ein Vater um seine Sicherheit besorgt war, der Andere seinerseits besondere Ursache zu wünschen hatte, daß der junge Mann das Vorhaben, die Seefahrt mitzumachen, nicht aufgeben möchte. Der junge Mann machte dem Streit ein Ende, indem er dem Knaben, welcher den Mantelsack trug, ein Zeichen gab und sich bereit erklärte, mitzukommen.

Cupido zögerte an dem Eingang, bis sein Herr um die Ecke war, schüttelte dann den Kopf, voll von den Ahnungen, welche Unwissenheit und Aberglaube einzugeben geeignet sind, trieb hierauf die junge Brut von Schwarzen, welche sich an die Thür gedrängt hatten, ins Haus zurück und schloß endlich alles mit scrupulöser Genauigkeit und Sorgfalt hinter sich zu. Wiefern die Ahnungen des Negers durch die That gerechtfertigt wurden, wird sich im Laufe der Erzählung zeigen.

Die breite Gasse, in welcher Oloff's Wohnung lag, war nur einige hundert Ellen lang. An dem einen Ende stand das Fort, am andern zog sich eine hohe Verpallisadirung entlang, welche man mit dem Namen, die Stadtmauer, beehrte, und die als Schutzwehr gegen plötzliche Einfälle der Indianer diente, denn die niedriger liegenden Bezirke der Colonie wurden damals nicht blos stark, der Jagd wegen, von Wilden besucht, sondern viele Indianer hatten dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt.

Man muß mit dem allmähligen Anwachs der Stadt sehr vertraut seyn, um in dieser Beschreibung die herrliche Straße wieder zu erkennen, die sich heut mehrere englische Meilen hin durch den Mittelpunkt der Insel zieht. Von dieser Allee, damals wie noch jetzt »der breite Weg« genannt, stiegen unsere Abenteurer, im Gespräch begriffen, in den tiefer gelegenen Theil der Stadt hinab.

»Bei so einem Neger, wie der Cupido, bleibt das Dach auf dem Hause, wenn der Herr abwesend ist, Patroon;« bemerkte der Aldermann, als sie die Stoop verlassen hatten. »Er sieht aus wie ein Hängeschloß, und es muß sich schon ohne störende Träume schlafen lassen, wenn man einen solchen Wächter in der Nähe hat. Hätt' ich doch meinen Stallschlüssel mitgebracht und ihn dem ehrlichen Kerl eingehändigt!«

 

»Ich hörte meinen Vater immer sagen, daß die seinigen unter seinem Kissen am sichersten lägen,« erwiederte mit unerschütterlichem Gleichmuth der Eigenthümer der hunderttausend Morgen.

»Oh, der Fluch Kain's! Auf einem Katzenrücken soll man doch nie einen Marderpelz suchen; aber, Herr Van Staats, als ich diesen Morgen zu Ihnen ging, wollte es mein Geschick, daß ich den gewesenen Gouverneur antreffen mußte, den seine Gläubiger in den Frühstunden, wo er sich von unbequemen Mahnern ungesehen glaubt, frische Luft schöpfen lassen. Sie haben hoffentlich das Glück gehabt, Patroon, Ihr Geld zurückbezahlt zu bekommen, ehe das königliche Mißfallen den Menschen heimsuchte.«

»Ich habe das gute Glück gehabt, ihm nie welches anzuvertrauen.«

»Das war noch besser, denn es wäre eine unfruchtbare Auslage gewesen; große Gefahr des Kapitals und keine Zinsen. Inzwischen sprachen wir von allerhand Angelegenheiten, und unter andern erdreisteten wir uns auch, ein Wort über Ihre Liebesbewerbung um meine Nichte fallen zu lassen.« »Weder die Wünsche von Oloff Van Staats, noch die Neigung der schönen Barbérie, sind Gegenstände für den Gouverneur und seinen Rath,« sagte trocken der Patroon.

»Sind auch nicht als solche behandelt worden. Der Viscount gab gute Worte, und wäre er nicht gar zu unbillig gewesen, so würden wir uns wohl verständigt haben.«

»Es freut mich, daß die Unterredung mit einiger Zurückhaltung geführt wurde.«

»Der Mensch übersprang allerdings alle Vernunftgrenzen, denn er verlor sich in persönliche Anspielungen, die kein kluger Mann billigen konnte. Inzwischen gab er Hoffnung, daß die Coquette doch noch nach den Inseln wegbeordert werden dürfte.«

Wir haben schon erwähnt, daß Oloff Van Staats ein hübscher junger Mann war, der eine ansehnliche Person, hohen Wuchs und die Manieren eines gebildeten Mynheer hatte; ein Britte blos als Unterthan, war er in seinen Gefühlen, Sitten und Ansichten ganz Holländer. Bei der Anspielung auf die Gegenwart seines anerkannten Nebenbuhlers stieg ihm das Blut in's Gesicht: ob aber dieser Aufwallung Stolz oder Aerger zum Grunde lag, war mehr, als sein Gefährte zu entdecken vermochte.

»Wenn Kapitän Ludlow eine Küstenfahrt in den Westindien dem Dienste in diesen Gewässern vorzieht, so wünsche ich ihm Glück in seinem Bestreben,« lautete die zurückhaltende Antwort.

»Er macht den Liberalen, hat aber weiter nichts, als einen hochtönenden Namen und leere Koffer,« bemerkte der Alderman etwas kurz. »Meines Dafürhaltens müßt' er es uns Dank wissen, wenn wir den Admiral ersuchten, daß er einen so verdienten Offizier dahin schicken möchte, wo er Gelegenheit findet, sich auszuzeichnen. Die Freibeuter machen ja den Zuckerhandel zu einer wahren Teufelsjagd, und weiter im Süden fangen selbst die Franzosen an, lästig zu werden.«

»Er hat allerdings den Ruf eines wachsamen Kreuzers.« »Hol' der Blixum diese philosophische Kälte! Wenn Sie bei Alida Glück machen wollen, Patroon, so müssen Sie die Affaire mit mehr Lebendigkeit betreiben. Das Mädchen hat etwas vom Franzosen in ihrem Temperament, und mit Ihrem besonnenen und schweigsamen Wesen werden Sie den Tag nicht gewinnen. Dieser Besuch nach ›Lust in Ruh‹ ist Amor's eigenes Machwerk, und ich hoffe Euch Beide so einverstanden zurückkehren zu sehen, wie der Statthalter und die General-Staaten, wenn sie nach einem tüchtigen Zank wegen der jährlichen Geldbewilligung, die Sache freundschaftlich ausgeglichen haben.«

»Der Erfolg dieser Bewerbung liegt mir mehr als alles, am ....« Der junge Mann, gleichsam über seine eigene Geschwätzigkeit verwundert, brach kurz ab, stieß die Hand in die Weste, die er in der Eile beim Anziehen nicht ganz zugeknöpft hatte, und bedeckte mit der breiten Fleischmasse denjenigen Theil des menschlichen Körpers, welchen die Dichter keineswegs als den Sitz der Liebe zu bezeichnen pflegen.

»Magen? Wenn das Ihre Meinung ist, Sir, so werden Sie Ihre Hoffnung nicht getäuscht finden.« versetzte der Alderman etwas beißender als sich mit seiner Behutsamkeit vertrug. »Die Erbin von Myndert Van Beverout wird keine Braut ohne Mitgift seyn, und auch Monsieur Barbérie hat seine Lebensrechnungen nicht geschlossen, ohne für die Bilanz gehörig Sorge zu tragen – aber was zum Teufel! dort stoßen die Schiffer vom Kai ab ohne uns. Trab' voraus, Brutus, und sag' ihnen, sie sollen die gesetzliche Minute abwarten. Die Halunken sind nie präcis; bald fahren sie ab, ehe ich fertig bin, bald lassen sie mich in der Sonne stehen und warten, als wenn ich ein getrockneter Klippfisch wäre. Pünktlichkeit ist die Seele der Geschäfte: ein Mann von meinen Gewohnheiten liebt es nicht, der Zeit zuvorzulaufen, noch hinter ihr zurückzubleiben.«

Mit diesen und ähnlichen Worten machte der gute Städter, welcher das Thun und Lassen Anderer gern überall nach dem seinigen eingerichtet hätte, seinem Unmuth Luft, und eilte dabei mit seinem Reisegefährten vorwärts, um das langsam bewegte Boot, das sie aufnehmen sollte, noch einzuholen. Eine gedrängte Schilderung der Scene hat vielleicht einiges Anziehende für eine Generation, die, verglichen mit jener Zeit, eine späte genannt werden kann.

Eine tiefe, schmale Bucht drang an diesem Punkt eine Viertelmeile weit in die Insel. An beiden Ufern standen Häuserreihen, so daß das Ganze das Ansehen eines holländischen Kanals gewann. Da man sich nothwendig nach dem natürlichen Laufe des Einschnitts richten mußte, so hatte die Straße eine dem Neumond ähnliche Biegung genommen. Die Häuser waren im strengsten holländischen Styl, niedrig, winkelig, reinlich bis zum Aengstlichen, und alle mit Giebelfronten. Keinem fehlte der unschöne und unbequeme Eingang, die sogenannte Stoop, noch die Fahne oder der Wetterhahn, noch die Dachfenster, noch endlich die abgestuften Mauern mit Zinnen. Von der Spitze einer dieser Mauern ragte ein mäßiger eiserner Krahn in die Straße herüber, an dessen Ende ein kleines Boot von demselben Metall sich hin und her schaukelte, zum Zeichen, daß dies das Schifferhaus sey.

Wahrscheinlich hatte die angeborne Liebe zur Künstlichkeit und Umschränkung in der Schifffahrt die Bürger einen solchen Fleck zum Abfahrtsort so vieler Fahrzeuge wählen lassen; denn allerdings boten die beiden Flüsse, mit ihren breiten, freien Kanälen, mehr als einen Punkt dar, welcher zweckmäßiger gewesen wäre.

Schon wimmelte die Straße mit etlichen vierzig Schwarzen, die ihre Reisigbesen in die Bai tauchten, und die Haupt- und Seitenwege mit Wasser besprengten. Diese täglich wiederkehrende Arbeit, leicht an und für sich, machten sie sich noch leichter durch laute Scherze und helles Gelächter, worin die ganze Straße, wie angesteckt von der sorgenfreien, freudigen Geistesstimmung, im vollen Chor einstimmte. Die Sprache dieses leichtherzigen, lärmenden Völkchens war holländisch, aber schon durch englische Wendungen und Wörter verdorben. Und wahrscheinlich ist es dieser Gang, den der Sprachwechsel genommen, welcher viele Nachkommen der alten Kolonisten auf die Meinung bringt, daß die letztere Sprache überhaupt nur ein verdorbener Dialekt der ersteren sey. Nun geht's aber diesen guten Leuten so, wie gewissen belesenen englischen Gelehrten, welche, wenn sie anfangen die Nase in die Werke der Festländer zu stecken, gleich literarische Diebstähle riechen: sie wissen nicht, daß Englands Sprache dem in Rede stehenden Dialekt eben so viel geliehen hat, als sie je aus den reineren Quellen der holländischen Schule geschöpft.

Hier und da guckten ernste Bürger, die Nachtmütze noch auf dem Kopf, aus obern Fenstern, und lauschten den barbarischen Sprachverdrehungen und den von Mund zu Mund fliegenden Spässen mit unbezwinglicher, von keiner Ausgelassenheit des Straßenvölkchens zu erschütternder Gravität.