Restons Amis - Wir bleiben Freunde

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5

15. Juli.1950. Mathis war in der Backstube und probierte gerade ein neues Rezept für eine Quiche aus, als er Julie rufen hörte. Er wusch sich das Gesicht und die Hände und ging zu seiner Geliebten nach vorne.

Julie stand vor dem Verkaufstresen und schaute die Erdbeertorte an, die sie eben neben die in vielen Farben leuchtenden Marcarons gestellt hatte. „Schau mal Mathis“, sagte sie zu ihm, als er mit leicht strubbeligem Haar in den Raum kam. „Sieht sehr gut aus“, begann er freudig zu antworten. „Ich sag doch, so ein Tresen mit Glasfront ist perfekt für uns. Aber warte mal, ich habe eine Quiche gemacht, die musst du unbedingt versuchen.“

Schnell lief Mathis zurück in die Backstube. Einen Augenblick später reichte er ihr ein Stück seiner Quiche Lorraine auf einem Teller. Julie probierte das Stück.

„Himmlisch. Die schmeckt super. Wir müssen sie unbedingt mit in den Verkauf aufnehmen.“ Mathis nahm ihr den Teller ab und stellte ihn auf einen der Tische neben ihnen. Dann zog er Julie an sich und küsste sie. „Ich liebe dich Julie.“ Sie lächelte ihn an.

„Ich dich auch Mathis.“ Doch bevor die beiden sich noch einmal küssen konnten, wurden sie von einem lauten Dröhnen, welches von vorbeifahrenden Lastern kam, gestört. Es hielten 2 Militärwagen vor ihrer Tür. Mathis zog Julie fester an sich.

In diesem Moment ging bereits die Türe auf. Ein groß gewachsener Mann mit kaltem, finsterem Blick und breiten Schultern kam, gefolgt von vier weiteren, in den Raum gestürmt. Sie rissen Julie und Mathis brutal auseinander.

Auf die Frage, was sie hier wollten, bekamen sie keine Antwort. Zwei Männer schlugen auf Mathis ein, während zwei andere Männer Julie nach draußen in den Laster zogen.

Sie schrie nach Mathis, doch ihre Rufe erreichten ihn nicht. Unterdessen wurde Mathis nach hinten in die Backstube gezerrt. Er wurde von zwei kräftigen Männern festgehalten, während ihn ein dritter immer wieder anschrie „Wo habt ihr sie versteckt? Wo habt ihr die Deutschen versteckt, ihr Landesverräter!“

Doch Mathis wusste nicht, was die Männer wollten. Sie mussten sich geirrt haben oder im falschen Haus sein. Er und Julie würden nie etwas tun, was gegen das Gesetz war. Julie. Seine Gedanken drehten sich um seine Frau. Hoffentlich würden sie ihr nichts tun. Hoffentlich würden sie sie gehen lassen und alles würde sich aufklären.

Doch da traf Mathis schon der nächste Schlag. Er blutete aus Nase und Mund. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Wahrscheinlich wäre er längst zusammengebrochen, wenn er nicht von den Männern rechts und links, festgehalten worden wäre. Mathis sagte ihnen immer wieder, sie sollen ihn gehen lassen und das sie sich irren, doch keiner von ihnen ließ von ihm ab. Und so traf Mathis ein weiterer Schlag, der ihn zum Sturz brachte.

Er stürzte nach hinten und schlug mit dem Kopf und Nacken auf der Tischkante des Backtisches auf. Mathis fiel tot zu Boden. Aus seiner blutenden Kopfwunde floss das Blut und ließ ihn bald in einer größeren Blutlache liegen.

Die Männer verließen still den Raum und ließen Mathis zurück …

6

Es roch metallisch und unangenehm, als Mathis sich in seiner Backstube umschaute. Überall lagen Töpfe, Schüsseln und Mehl verstreut. Er erinnerte sich nicht mehr daran, was passiert war. Vielleicht wusste Julie, was das Durcheinander in der Backstube zu bedeuten hatte. Er ging nach vorne ins Bistro. Julie war nicht da. Wo konnte sie bloß sein?

Die Tür war nicht abgeschlossen. Merkwürdig, Julie würde nie gehen und die Türe auflassen, wenn er in der Backstube war. Schließlich wusste sie, dass wenn er mit Backen beschäftigt war, alles um sich herum vergaß und nicht bemerken würde, wenn jemand in den Laden kam. Mathis schaute sich im Verkaufsraum um.

Die Stühle und Tische waren teilweise zerstört und lagen kaputt auf dem Boden. Die Blumenvasen lagen in Scherben ebenfalls auf dem weiß gefliesten Boden verstreut. Mathis bekam Angst. War etwas mit Julie passiert, während er in der Backstube war?

Aber wie konnte er es nicht bemerkt haben? So wie es hier aussah, konnte er den Kampf oder was auch immer passiert war, unmöglich überhört haben. Er rief immer wieder ihren Namen, doch es antwortete ihm niemand. Da hörte er hinter sich Schritte. Begeistert fuhr er herum und rief: „Julie!“ Doch es war nicht Julie.

Es war Karine, die gerade ins Bistro kam und die Türe hinter sich schloss. „Mathis? Julie? Seid ihr da? Ist alles okay bei euch? Ich wollte nach euch schauen, weil ihr heute nicht wie besprochen bei uns zum Mittagessen wart.“

„Karine, schön, dich zu sehen. Weißt du, was mit Julie passiert ist?“, fragte er sie ganz euphorisch. Doch sie konnte ihn nicht hören und ging an ihm vorbei und schaute sich besorgt in dem Raum um. Mathis versuchte immer wieder, mit Karine zu reden, doch sie reagierte gar nicht. Mathis verstand nicht, was das sollte. Warum redete sie nicht mit ihm? Und was war mit dem Bistro passiert? Sein Kopf begann zu schmerzen. Er fühlte sich so hilflos.

In diesem Moment erblickte Karine eine Blutpfütze auf dem Boden. Sie war von den umgestürzten Tischen verdeckt gewesen. Sofort spannte sich Mathis’ Körper an. Julie musste etwas zugestoßen sein. Er musste unbedingt wissen, wo seine Frau ist und ob es ihr gut ging. „Julie?“, rief Karine besorgt.

Doch sie bekam keine Antwort. Mathis hatte es aufgegeben, mit Karine zu reden und folgte ihr in die Backstube. „Mathis, bist du hier?“, fragte Karine, als sie die Backstube betrat. Da entfuhr ihr ein schrecklicher Schrei. Sie sah Mathis in einer Blutlache liegen. Sie sackte zusammen und schrie noch einmal. Dann lief sie unter Schock zu dem toten Mathis und nahm ihn in die Arme.

Karine schüttelte ihn und rief immer wieder seinen Namen, aber er war kalt. Sehr kalt. Karine verstand, dass er tot war. Mathis stand daneben. Auch er begann zu verstehen, was mit ihm passiert war. Er war tot. Der unangenehme und metallische Geruch, den er vorhin wahrnahm, war das Blut gewesen, das sich in der gesamten Backstube verteilte.

Mathis wurde bewusst, dass etwas Schreckliches passiert sein musste, aber was? Und wo war Julie? Er hoffte inständig, dass seine Frau lebte und es ihr gut ging. Mathis blickte noch einmal auf die in der Blutlache kniende Karine hinunter. Er sah seinen kalten, blassen, toten Körper in ihren Armen und war sich sicher, egal was passiert war, er würde nicht eher ruhen eher er Julie gefunden hatte.

7

70 Jahre später …

Aurelie Schäfer lag in ihrem Bett. Neben ihr lag eingekuschelt ihr Freund Finn Meier und schlief tief und fest. Die beiden waren seit fast einem Jahr wieder ein Paar. Davor hatten sie sich 70 Jahre nicht gesehen, da sie tot waren. Einst waren sie Julie und Mathis Dupont. Doch durch eine Reinkarnation und viel Glück bekamen die beiden nun die Chance auf ein zweites Leben miteinander.

Aurelie schlief unruhig. Sie spürte, wie sie sich im Schlaf hin und her wälzte und aufwachen wollte, aber es ging nicht. Dann schreckte sie plötzlich hoch. Aurelie schaute sich im Zimmer um. Alles war still und geräuschlos. Sie hörte nur das leise Atmen von Finn neben sich und vernahm auch Majas leises Schnurren aus deren Körbchen.

Sie strich sich ihre langen, braunen Haare aus dem Gesicht und atmete tief ein und aus. Der Mond schien mit einem warmen Weiß durch die dünnen Vorhänge in ihr Zimmer. Plötzlich bemerkte sie die junge Frau, die im Lichtstrahl des Mondes stand und sie ansah.

Es war Karine, die dort stand und ihr direkt in die Augen blickte. Aurelie schrie und weckte somit auch Finn auf. Er nahm sie sofort besorgt in die Arme. „Alles okay? Was hast du?“

Aurelie schaute versteinert auf die Stelle neben ihrem Schreibtisch, wo eben noch die vermeintliche Karine stand und sie angesehen hatte. Es war nicht die Karine gewesen, die sie im vergangenen Jahr in Cernay getroffen hatte. Sondern Karine, so wie sie damals ausgesehen hatte, wo sie Julies beste Freundin gewesen war. „Ja, es ist alles gut. Ich scheine schlecht geträumt zu haben. Du kannst ruhig weiterschlafen.“ Finn schaltete die kleine Lampe auf seinem Nachtisch an und schaute Aurelie sorgenvoll ins Gesicht, denn so recht konnte er seiner Freundin nicht glauben, dass mit ihr alles in Ordnung war. Dafür kannte er sie zu lange und viel zu gut. „Ich hole dir mal ein Glas Wasser. Du siehst ziemlich fertig aus.“

Doch noch bevor er den Raum verlassen konnte, hörten die zwei im Flur ein lautes Poltern. Schnell sprangen sie aus dem Bett und öffneten die Zimmertüre. Aurelie hatte Angst, im nächsten Moment in Karines tief dunkelbraune Augen zu schauen. Dies würde schließlich bedeuten, dass eben wäre kein Traum gewesen und sie hätte wirklich ihre alte Freundin gesehen.

Doch so war es nicht. Im Flur stand Anna. Aurelies jüngere Schwester und Mitbewohnerin. Anna schien stark betrunken zu sein. Sie hielt sich an dem kleinen rostbraunen Schrank, der neben der Eingangstür stand, fest. „Oh ich habe euch wohl geweckt, das tut mir leid“, versuchte Anna mehr schlecht als recht zu sagen. Aurelie stützte ihre Schwester, bevor sie noch stürzte. „Sag mal, was ist denn mit dir passiert? Ich dachte, du bist mit Chris unterwegs.“

„Pah der kann mir gestohlen bleiben, der Arsch.“ Anna kämpfte mit den Tränen. „Der hat mich einfach verlassen. Kannst du dir das vorstellen? Einfach so. Zack, weg war er.“ Aurelie schaute hilfesuchend zu Finn, der Anna daraufhin auf den Arm nahm und sie in ihr Zimmer trug. „Du bist ein toller Mann, Finn“, sagte Anna leicht lallend zu ihm. „Du trägst eine Frau auf Händen, selbst wenn sie leicht betrunken ist und du würdest einer Frau nie so wehtun. Sie erst zum Essen ausführen, ihr schöne Augen machen, nur um ihr dann zu sagen, dass sie toll ist, aber nicht die ist, die du suchst.“

 

Finn legte Anna auf ihr Bett und Aurelie half ihrer Schwester dabei, die blaue Jeansjacke auszuziehen. „Wo warst du denn die ganze Zeit gewesen? Du bist um 20 Uhr los und jetzt ist es kurz vor 4 Uhr am Morgen.“ Anna schaute Aurelie an.

„Noch so früh? Und warum haben die mich dann schon rausgeworfen?! Frechheit.“ Anna kuschelte sich in ihr Bett. „Deckst du mich bitte zu?“, fragte sie fast schon schlafend ihre Schwester. Aurelie deckte sie daraufhin zu und ließ das Rollo noch herunter.

Wenn Anna morgen früh aufwachte, würde sie bestimmt kein großes Interesse an viel Sonnenlicht haben. Dann verließen Finn und sie das Zimmer. „Ich mag deine Schwester echt, wir haben ihr viel zu verdanken, aber ganz schlau werde ich nicht aus ihr“, sagte Finn etwas verwirrt zu seiner Freundin. „Sie dachte halt, dass Chris der Richtige ist. Seitdem wir uns wieder gefunden haben, träumt sie nun mal auch von der großen, ewigen Liebe.“

Finn schlüpfte unter seine blauweiß gestreifte Bettdecke und beugte sich zu Aurelie hinüber. „Ja, wir können wirklich unglaublich glücklich sein, dass wir uns wieder gefunden haben. In den ersten Jahren nach meinem Tod bin ich fast verzweifelt, weil ich nicht wusste, was aus dir geworden ist. Und nachdem ich dann das zweite Mal starb, war ich mir sicher, dich niemals wiedersehen zu können. Und heute sind wir beide hier. Zusammen und das hoffentlich dieses Mal für die Ewigkeit.“

Er küsste sie zärtlich und strich ihr liebevoll über die Wange. „Noch länger als die Ewigkeit. Das verspreche ich dir“, antworte sie ihm. „Doch jetzt lass uns schlafen. Wir haben morgen noch viel zu tun.“

Er lächelte sie an, gab ihr einen flüchtigen Kuss und schaltete dann das Licht aus. Wenige Minuten später schlief er wieder fest und bemerkte nicht, dass seine Freundin immer noch wach neben ihm saß. Aurelie hatte sich Maja ins Bett geholt. Sie hielt ihre Glückskatze fest im Arm und kraulte ihr den Bauch. Erst fast zwei Stunden später kuschelte sie sich an Finn heran und wollte nun auch endlich wieder schlafen.

Der Traum von Karine hatte ihr einfach keine Ruhe gelassen. Ihr nicht erlaubt, weiter zu schlafen. Doch warum träumte sie von ihr? Seit sie aus Frankreich zurück waren, hatten sie kaum über die Vergangenheit geredet. Sie wollten das Hier und Jetzt genießen, und nicht zulassen, dass die Vergangenheit auch ihr jetziges Leben bestimmte. Der letzte Gedanke, über den sie vor dem Einschlafen nachdachte, war der, ob sie es Finn erzählen sollte, oder lieber nicht? Er würde bestimmt besorgt sein. Andererseits kannte er sich gut mit Geistern aus. War er ja schließlich vor einem Jahr selber noch einer gewesen. „Karine, ein Geist.

So ein Quatsch“, dachte Aurelie, war sie sich doch sicher, dass sie nur geträumt hatte. Es war bestimmt einfach nichts weiter als ein Traum …

8

Als Aurelie am Morgen erwachte, konnte sie durch das gekippte Fenster die Vögel zwitschern hören. Sie Sonne schien hell und es kam ihr so vor, als würde es ein wunderschöner Maitag werden. Sie konnte den Duft von frischen, warmen Brötchen wahrnehmen. Am wichtigsten war für sie aber der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee, der sich langsam in der Wohnung bemerkbar machte.

Aurelie sprang aus dem Bett, öffnete die Vorhänge und schaute hinunter in den kleinen Gemeinschaftsgarten, der hinter dem Haus war. Dort sah sie Frau Meier, die gerade dabei war, ihre Wäsche aufzuhängen. Ihr kleiner Hund Maximilian schien aber lieber spielen zu wollen, und klaute der alten Dame immer wieder saubere Wäsche aus dem Korb. Aurelie lächelte glücklich, nahm sich saubere Kleider aus dem Schrank und ging kurz ins Badezimmer. Dort nahm sie einen vertrauten Geruch wahr. Sie konnte sich aber nicht erinnern, woher sie ihn kannte. Sie war sich aber sicher, dass sie diesen Duft kannte, ihn aber schon länger nicht mehr gerochen hatte.

Sie zerbrach sich darüber nicht weiter den Kopf und machte sich stattdessen lieber fertig für den Tag. Wenige Minuten später war sie bereits bei Finn in der Küche. Er wollte ihr gerade Kaffee einschenken, als sie ihn von hinten umarmte. „Guten Morgen, was ist denn mit dir los?“, fragte er sie lachend. „Nichts. Ich habe einfach nur gute Laune.

Heute wird ein toller Tag.“ Sie nahm am Tisch Platz und griff gleich nach einem Brötchen. „Was machen wir denn heute? Ich meine, wenn heute so ein schöner Tag ist.“ Aurelie biss gerade von ihrem Brötchen ab, dann antwortet sie ihm. „Ich denke, die Farbe im Café wird trocken sein. Wir können also heute die neuen Möbel an ihren Platz stellen und das Geschirr abwaschen und einräumen. Dann sind wir fertig und können Dienstag wie geplant wiedereröffnen.“

„Gut. Ich weiß nur nicht, ob wir das zu zweit schaffen. Deine Eltern kommen erst in einigen Tagen aus dem Urlaub zurück, und Anna sah nicht so aus, als ob man sie heute ansprechen darf.“

„Du hast recht. Ich schau mal lieber nach ihr.“ Aurelie legte ihr Marmeladenbrötchen auf den Teller und ging hinüber zu Annas Zimmertüre. Sie klopfte, aber es kam keine Antwort. Vorsichtig öffnete Aurelie die Tür. Es war dunkel im Zimmer und roch stark nach Alkohol. „Anna, bist du wach?“, sagte sie leise. Keine Antwort. Aurelie ging zum Fenster und kippte es an. „Mach das wieder zu!“ Anna lag unter ihrer Decke und knurrte leise vor sich hin. „Wie geht es dir? Soll ich dir eine Kopfschmerztablette holen?“

„Nein, nur Kaffee bitte.“

„Dann komm unter deiner Decke vor. Finn hat Frühstück gemacht und wir brauchen deine Hilfe im Café.“ Anna schnaufte. „Ich komme in 5 Minuten.“

Aurelie verließ das Zimmer und ging zurück zu Finn. „Und lebt sie noch?“, fragte er sie, als Aurelie zurück in die schlauchförmige Küche kam. „Ja, aber sie scheint einen Kater zu haben.“

„So wie sie die Nacht aussah, wundert mich das gar nicht.“ Tatsächlich tauchte Anna 5 Minuten später am Frühstückstisch auf. Sie schenkte sich eine große Tasse mit Kaffee ein und trank ihn aus.

Es schien sie nicht weiter zu stören, dass er heiß war. „So, jetzt bin ich wieder ich. Lasst mich noch schnell duschen und dann können wir los.“ Aurelie hielt ihre Schwester, die gerade die Küche verlassen wollte, an der Hand fest. „Willst du über gestern reden?“

Anna schaute Aurelie dankend an. „Nein, um ehrlich zu sein, eher nicht. Jedenfalls für den Moment nicht und ich denke eh, dass alles gesagt ist. Chris ist ein Idiot und ich finde meinen Traummann halt zu einem anderen Zeitpunkt.“ Darauf verließ sie die Küche.

Eine knappe Stunde später fuhren die drei vor dem Café auf den Parkplatz. Anna war die Erste, die aus dem Auto ausstieg. Sie zeigte auf die große Fensterfront und meinte: „Oh nein, kann der Vogel nicht woanders hinkacken. Die Fenster habe ich gestern erst geputzt.“ Aurelie lächelte ihre Schwester an und sagte zu ihr „Dann weißt du ja, wie es geht.“

Aurelie schaute nun selber in Richtung der beschmutzten Scheibe. Im Café stand Karine und schaute sie an. Sie stand hinter der Fensterscheibe und blickte starr und mit festem Blick in ihre Richtung. Sie trug eine lockere, weiße Bluse und eine cremefarbene Stoffhose. Ihre langen, braunen Haare fielen ihr leicht über die Schultern. Vor Schreck ließ Aurelie ihre Tasche und den Autoschlüssel fallen. „Na so schlimm ist der Fleck jetzt auch nicht“, meinte Anna darauf scherzend.

Aurelie löste ihren Blick. „Was? Ach so ja, ich kann das dann auch wegmachen. Lasst uns reingehen.“ Beim erneuten Blick in Richtung Fenster war Karine verschwunden.

Finn hatte bereits die Türe aufgeschlossen. Zögernd betrat Aurelie ihren Laden. Sie schaute sich um. Aber sie konnte Karine nirgendwo sehen. War es vielleicht nur eine Einbildung gewesen? Oder eine Spiegelung? Nein, Aurelie war sich sicher, dass sie eben in die braunen Augen von Karine geschaut hatte. Es war wieder nicht die 93-jährige Karine gewesen, sondern die junge so bezaubernde Karine.

Aurelie stellte ihre Tasche auf einem Tisch ab und nahm sich das Fensterputzmittel und ging nach draußen, um die Fenster zu putzen. Die Luft tat gut. Sie ließ ihr wieder einen klaren Kopf bekommen. War es denn wirklich Karine gewesen, die sie da angeblickt hatte? Aber wenn ja, was wollte sie? Und warum sah sie Karine immer in ihrer jungen Gestalt? „Kommst du mal kurz? Finn will wissen, wo er das kleine Regal hinstellen soll.“

Anna stand in der Tür und riss Aurelie mit ihrer Bitte aus deren Gedanken. „Klar, ich bin eh fertig. So schlimm war es gar nicht.“ Die nächsten Stunden waren ganz normal. Karine war nicht mehr zu sehen und Aurelie dachte nicht mehr viel darüber nach.

Es war kurz vor 18 Uhr, die drei wollten gleich Schluss machen und nach Hause fahren, da wurde Aurelie plötzlich kalt. Sie holte sich eine dünne Jacke aus ihrem Wagen. Als sie zurück ins Café kam, stand Karine am Eingang. „Du kannst mich sehen oder? Ich merke doch, wie du mich immer wieder ansiehst. Und ich glaube, dass ich dich kenne und du mich auch. Du kommst mir so bekannt vor.“

Aurelie lief weiter, versuchte, nicht auf das zu hören, was ihre alte Freundin ihr versuchte zu erzählen. „Bleib doch mal bitte stehen. Ich muss mit dir reden. Ich denke, ich brauche deine Hilfe.“ Aurelie ging zum Tresen, dort nahm sie sich ein Geschirrtuch und begann, Anna zu helfen, das Geschirr zu trocknen. Karine stand vor dem Tresen und redete weiter auf Aurelie ein. „Alles okay, Schwesterchen? Du siehst aus, als ob du einen Geist gesehen hast!“

„Sie sieht mich nicht und weiß scheinbar trotzdem, dass ich da bin!“, sagte Karine und deutet dabei auf Anna. „Dann kannst du auch mit mir reden!“, forderte sie Aurelie auf. Diese warf jedoch das Geschirrtuch auf den Tresen und rief laut: „Ich will dich aber nicht sehen oder hören können. Ich will einfach nur in Ruhe dieses Leben hier leben, ohne dass die Vergangenheit kommt und mir sagt, was ich zu tun habe.“ Dann verließ sie etwas überfordert das Café. Sie musste raus. Es wurde ihr alles zu viel. Die Nacht und auch vorhin waren keine Einbildung gewesen.

Sie hat wirklich den Geist ihrer alten Freundin gesehen. Aurelie blieb stehen. Wenn sie ihren Geist gesehen hatte, würde das ja heißen, dass Karine gestorben war. Aurelies Magen verdrehte sich. Sie setzte sich auf eine Bank und wischte sich die ersten Tränen, die auf ihren Wangen nach unten liefen, weg. Karine, ihre liebe, gute Karine.

Die wundervolle alte Dame, ohne die sie Mathis damals vielleicht gar nicht gefunden hätte. Karine, die immer für sie da war und so unter ihrem Verschwinden gelitten hatte. Sie war tot und brauchte jetzt ihre Hilfe. Aber warum kam sie zu ihr? Karine wusste nichts von Julies Wiedergeburt als Aurelie Schäfer.

Doch egal, aus welchen Gründen Karine zu ihr gekommen war, sie musste ihr die Chance geben, sich zu erklären. Falls sie nicht wusste, dass sie tot war, brauchte sie erst recht die Hilfe ihrer Freundin. Aurelie zog ein Taschentuch aus ihrer Jackentasche und putzte sich die Nase und die letzten Tränen aus dem Gesicht.

Dann stand sie auf. Sie musste zurück. Zurück zu Finn und Anna, die sich bestimmt schon wunderten, was das eben war. Und auch zurück zu Karine, die hoffentlich immer noch im Café war und auf sie wartete. Oder wenigsten später noch einmal wieder kommen würde.

Aurelie atmete noch einmal tief durch, wischte sich die nun wirklich letzte Träne mit dem Handrücken aus dem Gesicht und lief zurück zum Café.

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