De Temps en Temps

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3

Aurelie schlief tief und ruhig in ihrem Bett. Das Gespräch tat ihr gut. Endlich konnte sie wieder einschlafen, ohne lange wach zu liegen. Sie hatte ein gutes und friedliches Gefühl als sie sich ins Bett legte. Maja lag auf ihr und wühlte manchmal im Schlaf mit ihren Pfoten an der Decke herum. Scheinbar fing sie im Traum gerade die eine oder andere Maus. Doch dann kam er, der Traum. Wie jede Nacht fing er so schön an. Harmonisch und mit so viel Liebe und Zärtlichkeiten. Sie spürte, wie viele liebevolle Gefühle von diesem Menschen ausgingen, der sie da so fest in seinen Armen hielt. Nie wieder wollte sie ihn gehen lassen, am liebsten für immer weiterschlafen, damit dieser Traum nie endet.

Doch dieses Mal war irgendetwas anders als sonst. Sie konnte einen Geruch, einen Duft wahrnehmen, der sonst nie da gewesen war. Es duftete nach frisch gebackenen Croissants, Marcarons und Crêpes. Das Wichtigste aber war, dass sie ihn plötzlich riechen konnte, als er sie an sich zog, und ihr Gesicht mit seinen Händen umschloss, um ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund zu geben. Sie spürte seine weichen Lippen auf ihren. Ihr Herz raste wie wild. Tausend Gefühle schossen ihr durch den Kopf. Geborgenheit, Vertrautheit, Zuhause, Wärme aber am wichtigsten, Liebe.

Ihr wurde heiß und kalt gleichzeitig. Sie spürte, wie ihr Körper sich unter den Berührungen seiner Lippen anspannte. Im nächsten Moment schaute sie ihm in die Augen. Seine Augen, seine tiefen braunen Augen, strahlten sie mit so viel Wärme an. Sie kannte diese Augen so gut und doch verlor sie sich jedes Mal aufs Neue in ihnen. Sie trat einen kleinen Schritt zurück und konnte ihm so besser ins Gesicht schauen. Er lächelte sie an und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Dieses Lächeln kannte sie. Dieses Gesicht kannte sie. Es war Finn. Finn Martinez. Aurelie wurde wach. Sie schreckte auf. Was war das? Baut ihr Unterbewusstsein jetzt sein Gesicht in den Traum ein, weil sie vorhin mit Anna über ihn geredet hatte? Aber selbst wenn, woher kam plötzlich dieser vertraute Geruch? Und warum lief der Traum ein Stück weit anders ab als sonst?

Nie hatte sie sein Gesicht gesehen. An der Stelle, wo er sie küsste, ging sonst immer die Ladentür auf und die Männer kamen herein, um sie zu holen. Gut, vielleicht wäre dies ja auch als Nächstes passiert, wenn sie sein Gesicht nicht gesehen hätte. Aurelie warf die Decke zur Seite und sprang aus dem Bett heraus. Maja kam sofort miauend unter der Decke hervor und war gar nicht begeistert, dass sie geweckt wurde. Aurelie ging in das Zimmer ihrer Schwester und öffnete leise die Tür. „Anna bist du wach?“, flüsterte sie leise in den dunklen Raum hinein. Doch es kam keine Antwort. Leise schlich sich Aurelie ans Bett ihrer Schwester. Sollte sie Anna jetzt wecken und ihr erzählen, was sie gesehen hatte? Nein, besser nicht. Lass sie schlafen. Sie kann nichts dafür, dass du beginnst, Gespenster zu sehen. Aurelie legte sich mit zu Anna ins Bett. Sie kuschelte sich an ihre Schwester heran. Sie wollte nicht allein sein. Einfach nur schlafen und nicht mehr weiter über all das nachdenken. „Wehe du klaust mir die ganze Decke“, sagte Anna mit einem Lächeln, welches man nicht sah, aber hörte. „Nein mach ich nicht, versprochen.“ Dann schliefen die Schwestern, mit dem Gefühl von tiefer Verbundenheit, ein.

Am nächsten Morgen wurde Aurelie durch das laute Kratzen an der Tür geweckt. Anna lag nicht mehr neben ihr. Maja mauzte laut vor der Zimmertür. Aurelie stand auf und ging durch Annas chaotisches Zimmer zur Tür, um sie Maja zu öffnen. Die kleine, dicke Katze kam sofort ins Zimmer gerannt und sprang aufs Bett. Aurelie setzte sich verschlafen zu ihrer Katze und griff nach ihrem Handy, um zu schauen, wie spät es war. „Oh Gott, schon so spät.“ Sofort war sie hellwach. Das Café hatte bereits seit einer Stunde geöffnet und sie lag immer noch im Bett. Schnell sprang sie unter die Dusche, gab Maja ihr Futter und machte sich auf den Weg. Sie hoffte nur, dass Anna den Laden schon geöffnet hatte und dass die Kaffeemaschine heute Morgen nicht schon wieder rumzickte, und Anna somit Schwierigkeiten bereitete. Sie zog die weiße Wohnungstür hinter sich zu und wäre dabei fast mit Frau Meier, im Treppenhaus, zusammengestoßen. „Immer langsam Kindchen“, lachte Frau Meier. “Du hast es aber eilig heute Morgen.“

„Guten Morgen Frau Meier. Entschuldigen Sie bitte. Ich habe verschlafen und bin ziemlich spät dran. Deshalb muss ich mich jetzt etwas beeilen, falls Anna Hilfe im Café braucht.“ „Da musst du dir keine Sorgen machen, da waren wir eben kurz. Anna macht das ganz toll. Sie arbeitet doch auch schon lange genug für dich.“ Da bemerkte Aurelie die Transportbox in der Hand der Nachbarin. „Wen haben Sie denn da drin? Geht es ihrem Max wieder besser? War der Termin gestern doch erfolgreich?“ Frau Meier schaute erst kurz traurig auf die Box, ehe sie Aurelie eine Antwort gab. „Nein leider nicht. Der Tierarzt musste meinen Liebling gestern einschläfern. Kurz danach, ich war gerade zu Hause angekommen, rief mich eine Freundin an. Ihre Hündin bekam Welpen.

Leider geht es der Hündin nicht gut und sie produziert auch keine Milch für die Kleinen, sodass meine Freundin jetzt 4 Welpen mit der Flasche aufzieht und ich helfe ihr dabei. Wir waren eben beim Tierarzt und wollten auch gleich zurück zur Hundemama. Ich habe aber meine Lesebrille heute Morgen zu Hause vergessen, deshalb sind wir noch mal kurz reingekommen.“ Dann fügte Frau Meier noch lächelnd hinzu. „Aber schau mal, einer der Welpen sieht aus wie mein Max. Vielleicht ist er ja gestern wieder geboren, Aurelie. Wäre das nicht schön? Wenn jemand, den wir über alles lieben und so vermissen, wiedergeboren werden würde? Wenn er groß genug ist, werde ich ihn auf jeden Fall zu mir nehmen. Max wird er dann aber nicht heißen. Ich denke, da fällt mir bestimmt ein genauso schöner Name ein. So Kindchen, ich muss weiter. Die Kleinen müssen nach Hause.“ Frau Meier verabschiedete sich von Aurelie. Wiedergeburt. Da war es wieder, dieses Wort, an welches sie nicht glauben wollte. Wiedergeburt, was heißt das schon?! Geht die Seele wirklich nach dem Tod in einen anderen Körper über? Bekommt man wirklich die Chance, noch einmal zu leben? Aber wenn ja, warum? Weil man noch etwas erledigen muss oder weil man ein schlechtes Leben hatte und so eine zweite Chance auf sein Happy Life bekommt? Für Aurelie stand immer fest, nach dem Tod ist aus die Maus. Da kommt nichts mehr. Doch jetzt wusste sie nicht, wie sie sich sonst so manches erklären sollte.

Sie parkte ihr kleines blaues Auto auf dem Parkplatz vor ihrem im Vintage Stile gestalteten Café und ging hinein. „Guten Morgen Schlafmütze. Na gut geschlafen?“ Anna lächelte sie an, während sie ihrer Schwester einen starken Kaffee machte. „Hier du siehst aus, als ob du den gebrauchen kannst.“ „Danke, Anna.“ Aurelie ließ sich auf einem der Barhocker nieder, welche am Tresen standen.

Dann nahm sie einen großen Schluck aus der roten Kaffeetasse und sagte dann mit entschlossener Stimme: „Ich mache es!“ Anna schaute sie verwundert an. „Was machst du? Habe ich etwas verpasst?“ „Ich geh zu einer Rückführung. Ich meine, wenn Max wiedergeboren wird, warum dann nicht auch ein Mensch, und sonst bekomm ich ja nie heraus, was das alles bedeutet. Und wenn das nichts bringt, dann geh ich zum Seelenklempner und lasse mich einweisen.“ Anna überlegte kurz. „Wer ist Max? Du meinst doch nicht etwa den Hund von Frau Meier?“

„Doch. Sie musste ihn einschläfern lassen und ein paar Stunden später wird ein Welpe geboren, der ihrem Max verblüffend ähnlich sieht. Vielleicht gibt es ja doch so etwas wie Wiedergeburt.“

„Oh man, Aurelie, jetzt greifst du aber nach jedem Strohhalm.“ Anna schaute etwas skeptisch „Ich denke, es ist aber ein Versuch wert“, gab Aurelie ihrer Schwester als Antwort. „Ja die Sache mit der Wiedergeburt will ich dir ja auch nicht ausreden, aber dass Max wiedergeboren wurde, glaube ich nicht. Er ist ein Welpe. Die sehen alle gleich aus.“ „Ja, vielleicht hast du recht. Aber ich muss es versuchen. Hilfst du mir? Unterstützt du mich?“ Anna ging um den Tresen herum und nahm ihre Schwester in die Arme. „Bei allem, was du tun willst. Bei allem, was wir tun müssen, um zu erfahren, was mit dir los ist.“

Am Abend hatte Aurelie unzählige Institute angerufen, um sich in Hypnose legen zu lassen. Leider hatten die aber, bis auf einen, monatelange Wartezeiten. „In Ordnung. Dann bis nächste Woche. Auf Wiederhören.“ Aurelie legte auf. Sie war erleichtert. „Und hast du was gefunden?“, fragte Anna und reichte ihr eine Tasse Tee, um sich dann neben sie auf die Balkonbank zu setzen. „Ja. Nächste Woche Donnerstag. Bei denen hat vorhin jemand abgesagt. Ansonsten müsste ich da auch ewig warten, ehe was frei ist.“

„Bist du nervös?“ Aurelie überlegt. „Etwas. Aber am meisten bin ich froh, wenn das alles ein Ende hat. Wenn ich wieder schlafen kann, ohne jede Nacht zu sterben.“ Eine Weile schwiegen sich die Schwestern an und schauten in den Sternenhimmel. „Warum bist du gestern Abend zu mir gekommen?“, unterbrach Anna die Stille mit ihrer Frage. Aurelie überlegte. Die Wahrheit sagen oder lieber etwas erfinden, was glaubwürdiger war? Nein, lieber die Wahrheit. Ihr Leben war eh schon viel zu kompliziert in letzter Zeit und Anna als ihre einzige Vertraute anzulügen, wäre falsch. „Ich hatte wieder diesen Traum. Ich konnte aber Gerüche wahrnehmen und ich habe sein Gesicht gesehen. Dann bin ich aufgewacht. Ich wollte nicht allein sein und bin deshalb zu dir gekommen.“

„Und warum hast du mich nicht geweckt? Solche Neuigkeiten musst du mir sofort erzählen. Wie sah er denn aus? Ich hoffe doch gut, denn bei den Typen, die du mir in diesem Leben mitgebracht hast, scheinst du in deinem ersten Leben einen echt heißen Typen gehabt zu haben.“ Da mussten beide lachen und das war ein gutes Gefühl. Endlich mal wieder lachen ohne Sorgen und ohne schlechte Gefühle. Einfach nur von ganzen Herzen laut lachen. „So schlimm waren die gar nicht. Sie waren besonders. Also jeder auf seine eigene Art“, sagte Aurelie lachend. „Besonders?! Ich erinnere mich noch an einen Typen, der nur schlafen konnte, wenn Maja mit im Bett lag. Oder der Typ, der immer ein unechtes Sixpack unter seinen Sachen hatte, damit du denkst, er geht ins Fitnessstudio. Und du hast noch einige von solchen komischen Typen gehabt.“ Dann wurde Annas Stimme wieder ernster. „Aber nie schien einer dabei zu sein, bei dem du dich glücklich und geborgen gefühlt hast. Nie war die große Liebe dabei. Vielleicht ist da ja wirklich was in deinem Kopf, was sagt, du brauchst keinen anderen Mann, du gehörst schon zu jemandem.“ Anna machte eine Pause, da sie bemerkte, wie schwer ihrer Schwester das alles fiel. Dann fuhr sie mit ruhiger Stimme fort. „Wer ist denn nun dein Unbekannter?“ „Finn“, kurz und knapp. Tat gar nicht weh.

 

„Finn, wie der Sänger Finn?“, fragte Anna etwas irritiert.

„Ja. Also es waren seine Augen. Es ist wieder nicht ganz er gewesen. So wie ich nicht immer ich bin. Er sah ihm sehr, sehr ähnlich. So wie das bei mir auch ist. Ich war wieder in diesem Café und der Traum fing auch wie immer an. Ich hatte eine Torte in der Hand und stellte sie in die Auslage. Da kam er von hinten, umarmte mich und zog mich an sich. Er küsste mich und dann sah ich sein Gesicht. Dann wurde ich wach. Nur konnte ich dieses Mal auch frische Backwaren riechen. Französische Backwaren. Ich denke aber, mein Verstand spielt mir einen Streich. Wir hatten kurz vorher von ihm geredet. Mein Unterbewusstsein hat sein Gesicht bestimmt nur deshalb eingebaut.“ Anna überlegte kurz und meinte dann: „Ja oder du hast mit dem Gefühl recht, dass er auch eine Rolle in diesem Chaos spielt.“

Einen Moment lang herrschte Ruhe auf dem Balkon der Schäfer-Schwestern. Dann stand Aurelie auf. „Ich werde jetzt schlafen gehen. Danke fürs Zuhören, aber ich muss ins Bett. Wir wollen doch nicht, dass du morgen wieder mit der bösen Kaffeemaschine allein kämpfen musst.“Dann ging sie kurz rein, nur um dann noch einmal kurz zurückzukommen. Sie umarmte Anna und sagte: „Aber recht hast du, wenn es so wäre, wie du sagst, hätte ich im letzten Leben wirklich einen Traum von einem Mann an meiner Seite gehabt.“

Sie lächelte ihre Schwester an und ging ins Bett. Anna blieb lächelnd sitzen und ging einige Minuten später auch ins Bett. Aurelie schlief die Nacht gut. Endlich ohne jegliche Träume.

4

Eine Woche später wurde Aurelie dann doch langsam nervös. Sie saß mit Anna zusammen im dezent gelb gestrichenen Wartezimmer der Praxis und hoffte, bald hereingerufen zu werden. „Da, der vor uns ist gerade raus. Jetzt müsstest du gleich dran sein“, sagte Anna zur Aurelie, um sie etwas zu beruhigen. Und dann war es so weit. „Frau Schäfer?“

„Ja, ich.“ Aurelie stand auf und reichte der netten Frau die Hand. Sie war, wie Aurelie auch, um die 1,65 m groß und hatte dunkles kurzes Haar und trug eine schwarze Brille vor ihren grünen Augen. „Hallo, ich bin Ilona. Wenn es okay ist, würde ich gerne Du sagen? Das stärkt die Vertrauensbasis und Vertrauen ist das, was hier und heute am wichtigsten ist.“

„Ja natürlich.“

„Sehr schön. Dann hier entlang, Aurelie.“ Aurelie winkte ihrer Schwester noch mal zu und ging dann mit Ilona ins Behandlungszimmer. Es war ein schönes Zimmer. Ruhig, und vom Fenster aus konnte man einen kleinen Park sehen. Die Wände waren in Erdfarben gestrichen. Orange, Gelb und ein wenig Terrakotta. Man fühlte sich gleich warm und wohl in diesem Raum.

An der einen Wand ohne Fenster stand ein kleines Sofa mit einigen kuscheligen Kissen, aber man konnte es bestimmt auch als Gästebett nutzen. Es sah auf jeden Fall gemütlich aus. In der Mitte des Raums standen 2 weiße Sessel. „Komm, Aurelie, setzen wir uns erst mal. Möchtest du etwas trinken? Vielleicht ein Wasser?“ Aurelie nahm dankend an. Sie war froh, etwas in den Händen zu haben. Sie war so nervös und aufgeregt. Das Glas in den Händen zu halten, beruhigte sie etwas. „Tut gut oder?“, fragte Ilona.

„Was?“ Aurelie wurde durch Ilonas Frage aus ihrer Nervosität und ihren Gedanken gerissen „Das Glas Wasser. Es tut gut, etwas in den Händen zu halten. Beruhigt und man fühlt sich nicht mehr so nervös, aufgeregt und hilflos.“

„Ja“, Aurelie lächelte „Ich bin wirklich ziemlich nervös. Es hat mich auch viel Überwindung gekostet, herzukommen. Und ohne die Unterstützung meiner Schwester würde ich heute bestimmt auch nicht hier sitzen.“

„Es ist immer gut, wenn man sich jemandem anvertraut. Dann hat man oft nicht so eine große Blockade bei der Hypnose, da man bereit ist, sich zu öffnen. Am Telefon haben wir schon mal kurz geredet.

Aber ich bitte dich, mir noch einmal von deinem Traum zu erzählen und welche Antworten du suchst.“ Aurelie nahm einen Schluck und begann zu erzählen. „Ich habe seit 10 Jahren immer wieder diesen Traum, in dem ich erst glücklich bin und dann qualvoll sterbe. Und dann ist da noch dieses Geschäft. Ich will wissen, ob es dieses Café, oder was es auch darstellen mag, gab oder gibt und wenn ja, wo es ist. Warum mich diese Männer mitnehmen und mir so etwas Schreckliches antun. Und ich möchte herausfinden, wer dieser Mann ist, der mir scheinbar so viel bedeutet.“

Dann machte sie eine kurze Pause und nahm einen Schluck aus dem Glas. „Na ja oder vielleicht erfahren wir gleich auch nur, dass ich nicht zur Hypnose gehöre, sondern in die Psychiatrie.“

„Also ich verspreche dir, egal, was wir gleich herausfinden, dass du nicht in die Psychiatrie gehörst. Ich habe hier schon viele Leute unter Hypnose erlebt und keiner davon gehörte in die Psychiatrie. Die meisten Leute konnten danach endlich verstehen, warum ihnen Gerüche, Personen oder Gegenden so bekannt vorkamen.

Einige von ihnen fühlten sich an Orten, an denen sie nie zuvor waren, so zu Hause und angekommen wie sonst nirgendwo. Auch wenn es nicht leicht zu glauben oder zu verstehen ist, es gibt die Wiedergeburt. Und wer du warst oder was dir passiert ist, das finden wir zwei jetzt heraus.“

Aurelie machte es sich auf der Liege bequem und schloss die Augen. Sie war fest entschlossen, das jetzt durchzuziehen und am Ende des Tages wäre alles wieder gut. Sie wüsste, was der Traum bedeutet und könnte so endlich wieder in Ruhe schlafen. Die Hypnose begann und Aurelie ließ sich ganz darauf ein. Sie hörte auf die Worte der Therapeutin und spürte, wie sie langsam immer ruhiger wurde. Wie alles um sie herum plötzlich verschwand und an dessen Stelle plötzlich dieses Bistro trat … „Aurelie, wo bist?“, fragte Ilona ruhig.

„Ich bin in meinem Café oder Bistro. Ich kann es noch nicht genau sagen.“

„In deinem Café, welches du mit deiner Schwester führst?“ „Nein. Ich bin in einer kleinen Stadt oder in einem Dorf. Ich weiß es nicht. Ich stehe in diesem kleinen Bistro und warte auf jemanden.“

„Was siehst du um dich herum? Kannst du etwas sehen, woran du erkennst, wo du bist?“

„Ich gehe auf die Straße. Es ist ein wunderschöner kleiner Ort. Es ist alles so still. Man hört die Vögel zwitschern und die Kirchglocke läutet. An der Fassade des Hauses steht etwas in einer anderen Sprache. Könnte Französisch oder Niederländisch sein. Ich weiß es nicht.“

„Das ist nicht schlimm, gehe wieder in das Gebäude. Was siehst du da?“

„Ich sehe 3 Tische mit jeweils 3 bis 4 Stühlen. Es hat große Fenster, die viel Tageslicht hereinlassen. Auf den Tischen stehen Blumen. Lavendel und Schlafmohn. Auf der anderen Seite des Raumes steht ein Tresen. In der Auslage stehen Torten und Kuchen. Es gibt aber auch Brot, Baguette, Brötchen und Croissants.“

„Hast du es gebacken?“

„Nein nicht alles. Ich habe die Torten gemacht. Das kann ich gut und sie schmecken auch immer allen Leuten. Die anderen Sachen hat mein Mann gebacken.“

„Wo ist dein Mann?“ „Er ist in der Backstube, sie befindet sich im Nebenraum. Er probiert bestimmt schon wieder neue Sachen aus. Damit überrascht er mich gerne. Ich höre ihn aber mit Geschirr klappern, er wird also bald nach vorne kommen und mir stolz zeigen, was er Neues gezaubert hat.“

„Wie fühlst du dich im Moment?“

„Gut und wohl. Ich fühle mich zu Hause. Angekommen. Ich gehöre hier her und ich vermisse das alles so schrecklich. Ich will hier nicht wieder weg. Ich will bei ihm bleiben.“ Aurelie beginnt zu weinen und wird unruhig. „Du musst ruhig atmen, Aurelie. Versuch, ganz ruhig zu bleiben.“ Ilona streicht ihr behutsam über den Handrücken. Aurelie wird ruhiger und atmet wieder gleichmäßig. Die Tränen fließen ihr nicht mehr die Wangen hinunter. „Ist es der Ort aus deinem Traum?“

„Ja. Ich war hier schon so oft und weiß, dass das hier uns gehört. Dass es unser großer Traum war. Doch dann kamen sie und haben alles kaputtgemacht.“ Aurelie liegt ganz ruhig da. Sie redete nicht weiter, sekundenlang herrschte Schweigen. „Ich höre Schritte. Sie kommen aus der Backstube immer näher. Ich will mich umdrehen, aber da werde ich schon vor hinten umarmt. Meine braunen leicht gewellten Haare werden vorsichtig zur Seite geschoben und ich werde in den Nacken geküsst. Es ist mein Mann. Er dreht mich um und nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich zärtlich auf den Mund. Dann legt er seine Hand auf meine Hüfte und zieht mich an sich heran. Dabei streicht er mir eine Strähne aus dem Gesicht und sagt mir, dass er mich vermisst hat. Er sagt, ich war so schrecklich lange weg und er habe mich schon überall gesucht. Es wurde Zeit, dass ich endlich wieder nach Hause gekommen bin.“

„Kannst du sein Gesicht sehen?“

„Ja. Es ist ein bildschönes Gesicht. Er hat dunkelbraune Augen, in denen man sich verlieren kann. Seine Haare sind dunkelbraun, fast schwarz und kurz. Vielleicht etwas strubbelig, aber das kann auch davon kommen, dass er bis eben in der Backstube war. Ich würde ihn auf Mitte 20 schätzen, älter aber auf keinen Fall. Er ist größer als ich. Vielleicht so 1,80 m. Ich fühle mich in seiner Nähe so geborgen. Es ist so ein warmes, schönes Gefühl, bei ihm zu sein. Ich liebe ihn so sehr. Er bedeutet mir einfach alles.“ Aurelie macht eine Pause und erzählt dann weiter, was sie sieht. „Er geht zum Tresen hinüber und holt eine Quiche in Herzform.

Er gibt sie mir und sagt, dass er die für mich gemacht hat. Ich soll sie gleich probieren und ihm sagen, wie sie mir schmeckt. Ich kann sie aber nicht probieren. Draußen auf der Straße wird es laut. Sehr laut. Es fahren schwere Lastwagen vorbei. Es könnten militärische sein. Einer der Wagen hält vor unserer Tür an. Ich bekomme Angst. Er nimmt mich in den Arm und sagt: Julie alles wird gut. Ich werde dich beschützen. Es springen mehrere Männer aus den Wagen heraus und kommen zu uns hereingestürmt.

Sie schreien laut herum und rufen immer wieder, wo sind sie? Wir wissen aber nicht, was sie meinen. Dann versuchen sie, uns mit Gewalt voneinander zu trennen. Sie reißen uns auseinander und schlagen auf meinen Mann ein. Ich rufe immer wieder seinen Namen, aber sie lassen nicht von ihm ab.“ Die Therapeutin hält Aurelies Hand fest und streicht ihr sanft über diese. „Kannst du mir den Namen deines Mannes sagen?“

„Mathis. Er heißt Mathis.“

„Wo bringen sie Mathis hin?“

„Sie ziehen ihn nach hinten in die Backstube und schreien ihn immer wieder an und wollen wissen, wo wir sie versteckt haben.“

„Kannst du die Männer beschreiben?“

„Sie tragen grüne Uniformen und haben die französische Flagge aufgenäht. Jetzt widmen sich einige der Männer wieder mir. Sie zerren mich auf den Laster, mit dem sie gekommen sind. Es ist dunkel. Ich sehe nichts. Alles wird schwarz um mich herum. Ich werde bewusstlos.“

„Kannst du mir sagen, wo die Männer dich hinbringen?“

„Als ich wieder zu mir komme, werde ich in einen kleinen Raum gezerrt. Es ist dunkel, kalt und nass. Vor dem Raum stehen zwei Wachmänner. Sie unterhalten sich und reden davon, dass ich die bin, die die Deutschen verstecken soll. Aber das stimmt nicht. Der Krieg ist vorbei und wir haben uns eine Existenz aufgebaut. Wir haben nichts mit den Deutschen zu tun.“ Aurelie wird unruhig. So unruhig, dass Ilona beschließt, die Hypnose an dieser Stelle erst einmal zu beenden und sie holt sie aus der Trance zurück. „Willkommen zurück, meine Liebe“, sagt sie und reicht Aurelie ein Glas Wasser. „Wie geht es dir?“ Aurelie trinkt das ganze Glas leer und antwortet dann: „Gut, denke ich. Aber etwas müde und erschöpft. Können wir weitermachen? Ich habe noch einige Fragen.“ Ilona lächelt sie an und meint dann „Beim nächsten Mal. Wir müssen das stückchenweise machen. Wir haben heute schon sehr viel über dein früheres Leben erfahren. Schöne und nicht so schöne Sachen. Die musst du jetzt erst mal verarbeiten. Ich werde dich nun zu deiner Schwester bringen. Und nächste Woche sehen wir uns wieder. Dann finden wir heraus, was aus dir geworden ist und vielleicht auch, wo du herstammst.“

 
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