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Koste Es Was Es Wolle

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Koste Es Was Es Wolle
Koste Es Was Es Wolle
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Kapitel 18

Luke hielt das Handy an sein Ohr und verließ den Raum. Das Stimmengewirr des Hauptraums kam ihm entgegen. Er wollte diesen Anruf nicht entgegennehmen. Teilweise auch deshalb nicht, weil er noch nicht nach Hause geschickt werden wollte, nicht nach all dem, was heute Morgen geschehen war, nicht wenn so viel auf dem Spiel stand. Aber es ging um mehr, viel mehr.

Luke erinnerte sich an den Tag, als er Don das erste Mal getroffen hatte. Damals war Luke ein siebenundzwanzig Jahre alter Offizier gewesen. Er war sechs Monate zuvor zum Offizier ernannt worden und war gerade erst in die Delta Force aufgenommen worden, dem Eliteeinsatzteam und der Anti-Terrorismus Einheit der Armee. Es war sein erster Tag gewesen und Luke war nervös. Don war sein neuer Oberbefehlskommandant. Don gab ihm ein paar Anweisungen, während Luke vor seinem Schreibtisch stand.

„Ja Herr Oberst“, sagte Luke dabei einmal.

Don seufzte schwer. „Junge, eine Sache will ich hier klarstellen. Du bist hier nicht mehr in der Armee, wie du sie bisher kanntest. Das ist die Delta Force. Wir werden zusammen leben, zusammen kämpfen und vielleicht eines Tages zusammen sterben. Nenn mich Don oder Morris. Du kannst mich auch Volltrottel nennen. Ist mir egal. Aber du nennst mich auf keinen Fall Sir oder Oberst. Das kannst du dir für die anderen Abteilungen des Militärs aufheben. Verstanden?“

„Ja…“ sagte Luke, dem das Sir beinahe wieder rausgerutscht wäre. „Don.“

Don lächelte. „Gut. Der Volltrottel kommt dann später.“

Jahre später als Don die Delta Force verließ, um das Spezialeinsatzkommando zu gründen, zählte Luke zu seinen ersten Rekruten.

„Don?“ antwortete er jetzt.

„Luke. Wie geht es dir, wie läuft es?“

„Gut. Mir geht es gut. Wie war das Briefing?“

„Es hat noch gar nicht stattgefunden. Wir sind vor zehn Minuten erst aus dem Helikopter gestiegen. Ich werde wohl noch eine Weile warten müssen, bevor es losgeht. Du kennst das ja. Feuer unterm Hintern machen und dann ewig warten müssen.“

„Richtig“, sagte Luke.

„Ich glaube, sie wollen mich ausrangieren“, sagte Don.

Luke nickte. „Ja. Ich weiß.“

„Die Leitung hat mich vor kurzem angerufen. Ron Begleys Chef vom Verfassungsschutz. Ich kenn die ganze Geschichte mit dem Diplomaten.“

„Don, ich hab mich da ein bisschen zu sehr mitreißen lassen. Wenn du das Spezialeinsatzkommando jetzt deshalb verlierst, dann tut mir das sehr leid. Aber es tut mir nicht leid, dass ich das getan habe.“

„Ganz ruhig, Junge. Warum glaubst du habe ich dich letzte Nacht angerufen? Damit du dazukommst und dich an die Regeln hältst? Wenn es das wäre, was ich gewollt hätte, dann hätte ich dich schlafen lassen. Von dieser Sorte Mensch gibt es mehr als genug hier. Mehr als wir brauchen. Nein, darum mache ich mir keine Sorgen. Ich hätte nicht weniger von dir erwartet.“

„Begley wusste wo ich war“, sagte Luke. „Er kam mit einem Haufen Stadtpolizisten reinspaziert.“

„Natürlich hat er das. Wir haben eine Weile schon einen Maulwurf. Sechs Monate vielleicht länger.“

Luke fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. Ein Maulwurf also, als gäbe es nicht schon genug Ärger. Er schaute den Gang hinauf, an dessen Ende in Nähe der Wasserspender ein Pulk aus ruhig murmelnden Geheimdienstbeamten stand. Einer blickte in seine Richtung und sprach hinter vorgehaltener Hand.

Luke hatte es langsam satt. Er brauchte jetzt seine Tasche. Es war fast Zeit für einen Augenöffner.

„Wer war es?“ fragte Luke.

Don schien nicht besonders erpicht darauf, ihm diese Information preiszugeben. „Luke…“

„Komm schon, Don. Ich werde die Wahrheit schon ertragen können.“

„Ich hatte bisher keine Zeit, um die Sache einwandfrei aufzuklären. Aber ich habe einen Verdacht. Die Gerüchteküche in puncto Spezialeinheit brodelt schon seit Monaten. Wir scheinen eine paar Leute zu haben, die das Schiff wohl gerne verließen, bevor es untergeht.“

„Nenn mir einen Namen.“

„Trudy Wellington.“

„Don…“

Don schnitt ihm das Wort ab. „Schon gut. Ich weiß, was du jetzt sagen wirst. Sie ist unsere beste Geheimdienstmitarbeiterin. Da hast du völlig recht. Und du hast eine Zeit lang mit ihr geschlafen. Ich weiß alles darüber. Ich nämlich auch. Jetzt bereue ich das zutiefst. Wenn Margaret das jemals herausfindet, bin ich tot. Aber es ist nicht nur das. Ich habe Trudy ein paar Dinge erzählt, die ich ihr hätte besser nicht erzählen sollen. Bettgeflüster. Ich nehme an, du weißt wie das läuft. Ich befürchte, dass die Spezialeinheit nun ein offenes Buch für viele andere ist. Glaub mir, ich fühle mich wie ein Idiot.“

Luke antwortete nicht. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte.

„Luke, ich fühle mich so alt.“

„Don-“

„Es kann auch sein, dass es noch mehr gibt“, fuhr er fort. „Ich meine außer Trudy. Dinge sind nach außen gedrungen, über die nicht einmal sie Bescheid wusste. Wir kämmen die Büros jede Woche durch. Wir entschlüsseln alles, was es an Kommunikation gibt. Unsere Netzwerke werden runtergefahren. Und trotzdem…“

Seine Stimme verlor sich für einen Moment.

„Die Spezialeinheit hat sich in ein Wespennest verwandelt, Luke. Es gibt niemanden, dem ich noch trauen kann. Weißt du das? Ein Grund, weshalb ich dich letzte Nacht angerufen habe war, dass ich das Ding wieder zum Laufen bringen wollte. Ich wollte, dass es sich wie früher anfühlt. Wir zusammen das anpacken, mit der Faust auf den Tisch hauen und den bösen Jungs ein letztes Mal richtig einheizen.“

Luke atmete einmal tief durch. Er hatte das Gefühl, dass das Gespräch noch eine Stunde so weitergehen konnte, ohne dass er auch nur ein Wort sagte.

„So jetzt der Teil, auf den du gewartet hast“, sagte Don. „Nur, dass du es weißt, ich habe keinen Einfluss und keine Wahl in dieser Angelegenheit. Es kommt von ganz oben.“

Dons Tonfall veränderte sich. Plötzlich klang es so, als würde er einige vorbereitete Notizen ablesen. „Luke, in Folge einiger Straftaten, die du während der Ausführung deiner Pflichten dir zu Schulden hast kommen lassen, muss ich dich suspendieren. Du bist mit sofortiger Wirkung von deiner Funktion als Kommandeur des Spezialeinsatzkommandos befreit. Für die Zeit der bevorstehenden Untersuchungen zwecks deiner Delikte bist du zeitweise beurlaubt. Du wirst eventuell vorgeladen und kannst dich vor Gericht selbst verteidigen. Während dieser Zeit werden dir dein Gehalt und Zulagen weiterhin nur dann gezahlt, wenn du dich dazu entschließt mit uns vollständig in den Untersuchungen zusammenzuarbeiten.“

Luke fand schließlich seine Stimme wieder. „Ich war bereits freigestellt“, erwiderte er.

„Du bist der beste Ermittler, beste Anti-Terrorismus Agent und einer der besten Soldaten, mit denen ich jemals zusammengearbeitet habe“, sagte Don. „Bitte gib dein Abzeichen und deine Waffe an Trudy ab. Der Besitz von privaten Waffen erfordert eine private Waffenlizenz, solltest du keine haben.“

„Doch, habe ich.“

„Es tut mir aufrichtig leid, Luke.“

Der Anruf war vorbei. Sekunden später konnte Luke sich nicht mehr daran erinnern, wie das Gespräch zu Ende gegangen war. Vielleicht hatte er einfach aufgelegt. Er blieb noch einige Minuten im Flur stehen, das Handy immer noch an sein Ohr gepresst. Dann wandelte er zurück in das Büro. Er schien seine Beine nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Seine Füße erschienen so weit weg.

Trudy war dort. Sie blickte ihn an.

„Was hat Don gesagt?“

Eine Schlacht der Gefühle wütete in ihm und er musste sie unter Kontrolle bringen. Er wollte nicht diese Sorte Mensch sein. Eifersüchtig. Sauer. Verletzt. Aber genau so war er. Er war dieser Mensch. Er war ein verheirateter Mann und doch verzehrte er sich nach dieser Frau. Er hatte geglaubt, dass es dort etwas zwischen ihnen gegeben hatte. Der Gedanke, dass sie alles nur aus Kalkül getan hatte… Der Gedanke, dass sie es mit Don getrieben hatte, vielleicht sogar zur selben Zeit… Mit wem sonst hatte sie etwas? Wohin verkaufte sie ihre brisanten Informationen? Er brauchte Zeit, um all dies zu verdauen.

Luke künstelte ein Lächeln und dieses Lächeln allein versöhnte ihn ein klein wenig. Es fühlte sich fast echt an. „Don hat gesagt, dass wir dranbleiben sollen. Sie wollen mich suspendieren, aber er wird dagegen vorgehen. Du kennst Don. Er ist eine harte Nuss.“

„Wirklich?“, fragte sie. „Er wird deine Suspendierung anfechten?“

Ihr Gesicht zu lesen, war fast zu einfach. Sie glaubte ihm kein Wort.

„Ja“, sagte Luke. „Er hat seine Meinung im Laufe unseres Gesprächs geändert. Er weiß, dass etwas nicht stimmt. Don und ich haben anderes zusammen durchgestanden, da wird er nicht einfach das Handtuch schmeißen. Ich bin also noch dabei, zumindest für den Moment. Was hast du Neues?“

Sie zögerte. „Also…“

Luke schnipste mit den Fingern. „Trudy, wir stehen mit dem Rücken an der Wand. Wir müssen wach bleiben. Lieferwagen, Lastwagen, was ist daraus geworden?“

Sie nahm ihr Tablet zur Hand. „Es bewegt sich etwas. Die lokale Polizei hat den Hot Dog Wagen hochgenommen. Du hattest Recht. Der Russe betreibt ein Restaurant für Prostituierte und Zuhälter. Hot Dogs, italienische Würste, Chips, Red Bull, Pepsi, Mountain Dew. Aber auch Oxycodon, Methamphetamine, Ecstasy, Beruhigungsmittel, Diazepam… alles mögliche. Sie haben ihn auf der Rückbank seines Wagens mit zwei Prostituierten gefunden. Aber alles halb so wild. Die Drei wurden schlafend gefunden in ihren Klamotten.“

„Was sonst?“

„Der gestohlene Krankenwagen wurde in einem Parkhaus eines Lagers für Fleischwaren in Newark, New Jersey gefunden. Die Newarker Polizei hat das übernommen. Übel. Das Lager hat als Lagerraum für menschliche Organe vor allem Lebern und Nieren hergehalten. In einem Hinterraum haben sie zwei Lungen gefunden, die in einer Plastikvorrichtung am Leben gehalten wurden. Eine Maschine pumpte Sauerstoff in die Lungen und die Lungen atmeten. Ein Polizist hat sie als“ – sie blickte auf ihr Tablet – „riesige rosa Fleischflügel beschrieben.“

 

„Und der Wäschereiwagen?“

„Nichts so weit. Wir haben das Unternehmen angerufen, die Dun-Rite Wäscherei. Der Besitzer war da. Er ist rausgegangen und hat die Wagen gezählt. Er meinte, sie seien vollständig. Einundzwanzig Wagen. Er hat auch gesagt, dass sie nur relativ große Wagen benutzen – er hat eine komplette Flotte von umgebauten Bäckereitransportern gekauft. Sie fahren keine kleinen Lieferwagen der Sorte, wie wir sie in der Überwachung gesehen haben. Er hat uns vorgeschlagen, dass wir selbst einen Blick darauf werfen.“

„Haben wir?“

Sie nickte. „Ein Beamter ist auf dem Weg dorthin.“

„Also hat jemand das Firmenlogo kopiert und auf seinen Wagen geklebt.“

„Ja. Und Dun-Rite hat einen Vertrag mit dem Center. Ein Wagen mit diesem Logo hätte also keinerlei Verdacht geweckt, wenn er bei dem Krankenhaus geparkt hätte.“

„Wir müssen diesen Wagen finden“, sagte Luke.

„Wir geben unser Bestes, Luke.“

„Gebt mehr.“

Er entfernte sich von ihr. Dieser Schritt war zu abrupt und sagte zu viel. Er musste ihr alles verraten, was sie zu wissen brauchte. Er ging zu Swanns Station hinüber. Swann arbeitete immer noch an drei Bildschirmen gleichzeitig.

„Hast du was Neues, Swann?“

„Die Schlinge zieht sich zu“, sagte Swann. „Ali Nassar hat einen ganzen Ordner zum Thema Drohnentechnologie auf seinem Computer. Er hat PDF Versionen von Broschüren mit Farbbildchen. Er hat hunderte von Fotos sowie Videos aufgenommen aus der Vogelperspektive. Er hat Kalkulationstabellen, die Besonderheiten, Ladekraft, Waffentechnik, Geschwindigkeit und Höhe vergleichen. Entweder kauft er Drohnen oder schreibt eine Hausarbeit zum Thema.“

„Und das Handy?“

Swann nickte. „Das Handy. Man kann nicht mehr nachvollziehen, wen er angerufen hat. Er muss eine App haben, die die Namen automatisch löscht. Wir bekommen die Namen nur dann heraus, wenn wir mit Genehmigung bei seinem Anbieter nachfragen.“

„Kannst du da nicht reinhacken?“

„Das könnte ich, aber warum sollte ich? Es würde zwölf Stunden dauern, bis dahin wird, was auch immer es sein wird, passiert sein. Davon einmal abgesehen, haben wir ein viel drängenderes Problem. Kurz nach Mitternacht hat Nassar ein One-Way-Flugticket nach Venezuela gekauft. Abflugzeit 14.30 Uhr, vom JFK nonstop nach Caracas, Executive Class. Der Boarding Pass war auf seinem Handy. Die Rechnung und eine zweite Kopie des Boarding Passes waren auf seiner Computerfestplatte.“

„Venezuela?“, sagte Luke.

Swann zuckte die Schultern. „Wir haben keinen Auslieferungsvertrag mit Venezuela.“

„Sicher, aber warum fliegt er nicht nach Iran?“

Swann drehte sich um. Seine Augen stierten durch seine Brille. „Was würde passieren, wenn der Anschlag misslingt? Ich hab erst vor kurzem gehört, dass sie in Iran immer noch Erschießungskommandos haben. Wegen Inkompetenz gefeuert zu werden erhält dabei eine ganz neue Bedeutung.“

„Aber der Punkt ist, dass er das Land verlassen wird“, sagte Luke.

„Ja das wird er. Heute.“

„Er hat das Ticket ungefähr zu dem Zeitpunkt gekauft, als das radioaktive Material gestohlen wurde.“

Swann nickte. „Ich vermute, er hat es in dem Moment gekauft, als klar wurde, dass die Aktion geglückt war.“

„Jetzt haben wir ihn“, sagte Luke. Er schlug Swann auf die Schulter. „Gute Arbeit.“

Luke drehte sich um und sah dass Begley in der Tür stand. Zwei große Kerle in Anzügen standen zu seinen Seiten. Luke blickte im Raum umher. Ed Newsam stand in einer Ecke in der Nähe des Fensters und beobachtete die Straße unter ihm während er einen Orangensaft trank. Trudy sprach mit jemandem am Telefon und schaute gleichzeitig auf ihr Tablet. Ein paar Leute aus der örtlichen Spezialeinheit saßen an ihren Tischen und schienen mit ihren Laptops verschmolzen.

„Stone, was machst du noch hier?“, fragte Begley. Der Raum wurde still, als er das sagte. Alle blickten zu ihm.

Luke grinste. „Ron erst einmal, schön dich zu sehen. Wir haben einen Durchbruch. Ali Nassar hat eine viertel Million Dollar von einem Offshore-Konto an Ken Byrant, die tote Reinigungskraft aus dem Krankenhaus, überwiesen. Nassar hat Millionen von Dollar für militärische Drohnentechnik ausgegeben. Und letzte Nacht hat er zum Zeitpunkt des Überfalls auf das Center ein Flugticket nach Venezuela für heute Nachmittag gebucht.“

Begley schüttelte den Kopf. „Wenig beeindruckend.“

„Wir müssen ihn herholen, Ron. Wir dürfen ihn nicht das Land verlassen lassen. Wenn er es nach Venezuela schafft, wird es sehr schwer sein ihn zurückzuholen.“

Begley blickte zu Ed. „Epilepsie, Newsam? Sehr lustig. Ich habe deine persönliche Akte checken lassen. Du bist kein Epileptiker. Du bist in Afghanistan nicht einmal verletzt worden.“

Ed stand bewegungslos da. Er hob seinen Zeigefinger. „Das ist nicht ganz richtig. Ich war zwei Mal verletzt. Gebrochene Rippen, Gehirnerschütterung und ein gebrochener Arm als unser Humvee in die Luft gesprengt wurde. Der Typ neben mir hat damals sein Bein verloren.“ Er zuckte die Schultern. „Das andere Mal wurde mir in die Wade geschossen. Die Kugel hat ein ganz schönes Loch hinterlassen. Sie mussten meinem Arsch Gewebe entnehmen, um es zu stopfen und den Muskel wiederaufzubauen. Bis heute hat das Arschgewebe eine andere Farbe als das Wadengewebe. Man kann die Umrisse noch sehen. Willst du mal schauen?“

Begley sagte nichts.

„Wie auch immer, das klingt für mich sehr nach Verletzungen. Ich habe zwei Purple Heart Kriegsabzeichen, Uncle Sam scheint also meiner Meinung zu sein.“

„Ich meine nur, dass du nie eine Gehirnverletzung hattest.“

Ed blickte erneut aus dem Fenster. „Das ist was anderes.“

„Begley, hörst du mir zu?“, fragte Luke. „Wir haben hier den Mann, der die Terrorzelle finanziert. Und wir wissen, wie der Angriff vonstatten gehen wird. Als Drohnenangriff. Und das heißt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass es nicht hier passieren wird. Es gibt in Manhattan keinen Platz eine solche Drohne zu lenken. Wir sprechen also von einer sehr gezielt eingesetzten Bombe, einer radioaktiven Bombe, die an einem abgeschlossenen Ort abgeworfen werden wird. Und die Drohne wird wahrscheinlich recht tief, unter der Radargrenze fliegen.“

Begley grinste. „Du hast keine Ahnung, wovon du da sprichst, Stone. Das Ganze wäre sogar lustig, wenn du es nicht so ernst nehmen würdest. Wir haben die Geheimdienstinformationen, die wir brauchen. Wir kennen die Ziele. Ibrahim Abdulraman, erinnerst du dich an ihn? Der Mann ohne Fingerabdrücke? Sein Cousin steckt in einem Gefängnis in Ägypten. Sie befragen ihn seit über einer Stunde.“

„Du meinst, sie foltern ihn“, sagte Stone.

„Was sich nicht wesentlich von dem unterscheidet, was ihr Beiden getan habt, oder?“

„Es ist anders“, sagte Stone. „Wir haben einem Mann die Finger gebrochen, um an sein Computerpasswort zu kommen, dessen Richtigkeit sofort überprüft werden konnte.“

„Es gibt drei potentielle Ziele“, sagte Begley. „Die Wahl hängt vom Ermessen der Angreifer ab und von den Bedingungen, die sie vor Ort vorfinden. Das erste Ziel ist eine unter der Erde gelegene Restaurant-Meile des Grand Central Terminals zur Mittagszeit. Unzählige Leute. Das behandeln wir als das wahrscheinlichste Szenario. Wir haben Leute mit Geiger-Zählern an jedem Eingang des Terminals postiert.“

Luke schüttelte den Kopf. „Darauf würde ich nicht wetten. In Ägypten simulieren sie Situationen, in denen Menschen glauben, sie würden ertrinken. Das weißt du. Sie versetzen ihnen Stromschläge. Sie hängen sie an den Handgelenken auf. Sie spießen sie auf Eisenstäben auf. Die Gefolterten würden alles sagen, damit es aufhört.“

Begley ignorierte ihn und fuhr fort. „Das zweitwahrscheinlichste Szenario ist der PATH Zug von Hoboken nach Manhattan. Diese Züge sind überlaufen und fahren eine lange Zeit unter dem Hudson. Gleiche Vorgehensweise. Wir haben Geiger-Zähler an allen Eingängen beidseitig des Flusses aufgestellt. In der dritten Variante verursachen sie einen Autounfall im Midtown Tunnel und zünden die Bombe nachdem sich der Verkehr rückgestaut hat. Wir überprüfen alle Autos zu beiden Seiten des Tunnels, allerdings ist das auch das am wenigsten wahrscheinliche Szenario. Zu viele Faktoren sind hier zu beachten, um den Angriff zum Erfolg zu führen. Siehst du, was ich meine, Stone? Wir haben das ganze Ding unter Kontrolle.“

„Du liegst falsch, Begley. Du kannst Informationen, die durch Folter zustande gekommen sind, nicht trauen.“

„Nein, du liegst falsch. Weißt du, warum ich dir die Ziele verraten habe? Damit du weißt, wie falsch du gelegen hast. Du jagst einem Phantom nach. Du bist nicht auf dem aktuellen Stand der Dinge und du bist suspendiert. Also geh nach Hause und lass die Erwachsenen das Problem lösen, okay?“

Begley wandte sich an die zwei Männer neben ihm. „Ich will, dass ihr diesen Mann und den Mann neben dem Fenster nach draußen geleitet. Gebt ihnen drei Minuten, um ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen und dann bringt sie hier raus.“

Begley verließ den Raum und hinterließ eine unangenehme Stille.

Luke stand in der Mitte des Raumes, blickte die zwei Männer an, die sie nach draußen bringen sollten. Die Männer beobachteten ihn, ihre Blicke waren teilnahmslos. Alle blickten zu ihm.

Kapitel 19

8.19 Uhr

East Side Manhattans

„Ich vermute wir sind soeben unwichtig geworden“, sagte Ed Newsam.

Der schwarze Geländewagen parkte vor den Zement-Absperrungen neben dem Hubschrauberlandeplatz in der vierunddreißigsten Straße dort, wo sie vor ungefähr fünf Stunden gelandet waren. Der Morgenverkehr brauste an ihnen vorbei. Der Helikopter war noch nicht da, so saßen sie auf der Rückbank des Geländewagens und warteten. Ein großer weißer Sikorsky kam über den Fluss geflogen, während sie warteten.

Er landete und eine Gruppe aufbrausender junger Leute stieg aus. Ein Mann trug enge schwarze Jeans und war oberkörperfrei. Seine Haare waren blau und standen in alle Richtungen, sein schmaler Oberkörper war mit Tattoos bedeckt. Ein anderer spindeldürrer Mann trug einen Blaumann mit passendem Filzhut dazu. Die drei Frauen, mit denen sie kamen, sahen aus wie Prostituiere aus den Neunzigern, sie trugen Miniröcke, Neckholder-Tops und dreizehn Zentimeter hohe Absätze. Die Gruppe stolperte voran, während sie lachte und ihnen Dinge runterfielen. Sie mussten betrunken sein.

Zwei sehr große ältere Männer, einer weiß der andere schwarz, beide glatzköpfig liefen hinter den jungen Leuten. Die großen Männer trugen gewöhnliche schwarze T-Shirts und Jeans.

Sie alle quetschten sich in eine weiße Stretch Limousine. Gleich darauf verschwand die Limo im Verkehr. Ihr Helikopter war schon wieder verschwunden. Er war kurz gelandet, hatte sie ausgespuckt und war wieder abgehoben.

„Machst du dir Sorgen?“, fragte Luke.

Newsam sank in seinem Sitz zurück und setzte seinen normalen Blick auf. „Um was?“

Luke zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Deinen Job zu verlieren?“

Newsam grinste. „Ich glaube nicht, dass sie mich feuern werden. Das ist doch alles Taktik. Irgendjemand da oben schützt Ali Nassar, das ist alles. Wir haben den Richtigen erwischt. Du weißt das und ich weiß es. Wenn heute eine radioaktive Bombe hochgeht, werden Köpfe rollen, aber nicht unsere. Ein paar Leute werden bei Luftangriffen im Nahen Osten sterben. Ali Nassars Leiche wird man verbrannt in einer Gasse in Caracas finden. Nichts davon wird in der Zeitung stehen. Du und ich werden einen netten Bonus bekommen, damit wir den Mund halten. Wir werden die Geschichte in Gänze nie verstehen, vor allem, weil sie keinen Sinn ergibt. Und die Person, die im Hintergrund die Fäden zieht, wird weitermachen wie zuvor.“

Luke grummelte. Diese zynische Art war gängig unter Geheimdienstbeamten. Aber Luke war anders. Er hatte immer versucht, es einfach zu halten. Wir sind die Guten. Auf der anderen Seite sind die Bösen. Dieses Weltbild diente ihm als Schutzwall, den er um sich errichtet hatte. Er musste zugeben, dass dieser Wall heute Morgen Risse bekommen hatte.

„Und wenn die Bombe nicht hochgeht?“

Eds Grinsen wurde nur noch breiter. „Ich vermute, sie werden dann sagen, dass wir einen Mann zusammengeschlagen haben, der lediglich versucht hat die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Welche Rolle spielt das schon? Hast du diese Kinder gerade gesehen? Rockstars, Fernsehstars, was weiß ich? Meine Mädchen würden sie wahrscheinlich auf den ersten Blick erkennen. Hast du die Kerle hinter ihnen gesehen? Bodyguards. Das ist das, was ich gemacht habe, als ich in die Staaten zurückkam. Die Arbeitszeiten sind furchtbar, denn diese Kinder sind wie Wehrwölfe. Sie sind nachtaktiv. Aber sie zahlen gut. Das würde ich wieder machen, wenn ich müsste. Ein Mann wie ich, der nicht einrostet, hat in dieser Welt die Wahl.“

 

Lukes Handy klingelte. Er sah die Nummer. Es war Becca.

„Das ist meine Frau. Da werde ich rangehen.“

„Kein Problem“, sagte Ed. „Ich werde ein Nickerchen machen.“

„Hallo Schatz“, sagte Luke, nachdem er den grünen Knopf gedrückt hatte. Er versuchte seine vergnügte Stimme aufzulegen, mehr ihretwegen als seinetwegen.

„Luke?“

„Ja“, sagte er. „Hi.“

„Schön, deine Stimme zu hören“, sagte sie. „Ich habe mir Sorgen gemacht, aber ich wollte dich nicht stören. Es ist auf allen Kanälen. Das gestohlene radioaktive Material? Ist es das, wo du dran bist?“

„Ja. Genau.“

„Wie läuft es?“

„Ich bin raus aus dem Fall seit zwanzig Minuten. Ich bin eigentlich gerade auf dem Weg nach Hause.“

„Da bin ich erleichtert. Ist das gut oder schlecht?“

„Es ist Politik, so würdest du es wahrscheinlich nennen. Aber ich freue mich darauf, nach Hause zu fahren und das Ganze hinter mir zu lassen. Was machst du Schönes?“

„Gunner und ich haben uns entschlossen zu Hause zu bleiben und uns einen schönen Tag zu machen. Es hat letzte Nacht lange gedauert, bis er eingeschlafen war und mir ging es ähnlich. Du fehlst uns, Luke. Wir wünschten, du würdest diesen Job ein für allemal hinschmeißen. Ich habe festgestellt, dass Gunner gerade einmal vier Tage in diesem Schuljahr verpasst hat und mir stehen auch noch ein paar Tage zu, warum sollte ich also nicht ein paar Tage frei nehmen?“

„Klar“, sagte Luke. „Warum nicht? Was werdet ihr unternehmen?“

„Wir wollten in die Stadt fahren. Ich wollte gerne in das Luft- und Raumfahrtmuseum und er wollte natürlich ins Spionagemuseum.“

Luke lächelte. „Natürlich.“

„Aber mit dem ganzen Terrording bin ich etwas verunsichert. Anscheinend erhöhen sie die Sicherheitsvorkehrungen überall, vor allem an Sehenswürdigkeiten. Das ist schon etwas unheimlich. Deshalb lass ich ihn noch eine Stunde weiterschlafen, damit ich mir was anderes überlegen kann. Wir werden dann wahrscheinlich ein spätes Frühstück haben und dann… mal sehen? Ins Kino? Ich vermute mal, dass die Terroristen kein Kino attackieren werden, zumal im Vorort zur Mittagszeit, oder?“

Jetzt musste er fast lachen. „Ah… ja. Ich glaube nicht, dass sie so einen Aufstand machen würden, wenn das ihr Angriffsziel wäre.“

„Vielleicht gehen wir zur Indoor-Kletterhalle nach dem Kino und essen danach dann Krabbenpuffer zum Mittag.“

„Das klingt nach einem schönen Tag.“

„Sollen wir auf dich warten?“, fragte sie.

„Ich würde sehr gerne mitkommen. Aber ich warte noch auf den Helikopter. Ich habe keine Ahnung, wann ich zu Hause sein werde. Außerdem habe ich vierundzwanzig Stunden kein Auge zugetan.“

Nachdem sie aufgelegt hatten, schloss Luke seine Augen und döste ein wenig. Schnarchte Ed neben ihm? Es klang auf jeden Fall danach. Luke dachte an die Zukunft. Das College Semester war vorbei. Er hatte einige Zusatzkurse gegeben und es hatte ihm Spaß gemacht. Er konnte sich vorstellen, zukünftig noch mehr zu halten, vielleicht einen Master zu machen und irgendwo eine Professur anzutreten. Ein Mann wie er, ehemaliges Mitglied des fünfundsiebzigsten Ranger Regiments und der Delta Force Spezialeinheit, die überall ihre Truppen in der Welt aufstellten und kämpften, ein ehemaliger FBI Anti-Terrorismus Beamter, irgendwo musste es einen Platz für ihn geben.

Er dachte an das nächste Sommersemester. Er und Becca hatten ein kleines Sommerhaus in der Bucht von Chesapeake. Das Haus war seit Generationen in ihrer Familie. Es war wunderschön auf einer Klippe mit Blick auf das Meer gelegen. Eine alte Treppe wandelte die Klippe zu ihrem Boots- und Schwimmsteg hinab. Im Sommer lag dort Lukes altes Motorboot. Gunner hatte ein Alter erreicht, in dem Luke ihm das Schwimmen beibringen konnte. Vielleicht würde Luke ihn dieses Jahr mit auf eine Wasser-Ski-Tour nehmen. Vielleicht würde er ihm beibringen, wie man das Boot steuerte.

Luke bewegte alle diese Bilder in seinem Kopf. Sie alle drei saßen auf dem Hof ihres Sommerhauses, während die Sonne im Westen im Meer unterging. Es war das Ende eines langen Tages mit Schwimmen und Bootsfahrten. Sie aßen gedämpfte Muscheln, eine Flasche gekühlten Weißweines stand auf dem Tisch. Er konnte all die Details lebendig vor sich sehen. Als sie gerade zusammensaßen und lachten, wurde das Idyll durch den Lärm einer Sirene zerbrochen. Sie heulte und heulte, ihr Kreischen hob und senkte sich.

Er öffnete seine Augen. Sein Handy klingelte.

„Wirst du da rangehen?“, fragte Ed Newsam. „Oder soll ich?“

Luke nahm ab, ohne zu prüfen, wer anrief.

„Stone“, sagte er.

„Luke, ich bin es Trudy. Hör zu, ich weiß, dass du mich angelogen hast. Ich weiß, dass du suspendiert wurdest. Darüber können wir ein anderes Mal reden.“

„Okay.“

„Gerade sind ein paar neue Informationen reingekommen. Es steht auf dem Hauptboard. Ein Mann wurde vor vierzig Minuten in kritischem Zustand ins Baltimore Memorial Krankenhaus eingeliefert. Er leidet unter akuten Strahlungserscheinungen und hat mindestens zwei Schusswunden in seinem Rücken. Er wurde von zwei Fischern unter einer Highway-Brücke in Nähe des Baltimore Ufers gefunden.“

„Wer ist er?“

„Er heißt Eldrick Thomas. Auch LT genannt. Oder Abdul Malik. Achtundzwanzigjähriger Afroamerikaner. Geboren und aufgewachsen in Brownsville, Brooklyn. Langes Vorstrafenregister, mehrere Gefängnisaufenthalte in den letzten zehn Jahren. Überfälle, bewaffneter Raub, Waffenbesitz. Er steht kurz davor, für lange Zeit hinter Gittern zu landen.“

„Okay, er ist also ein schlimmer Finger“, sagte Luke.

„Wichtiger noch, er war zweimal zusammen mit Ken Byrant im Kittchen. Einmal für fünf Monate in Rikers Island und einmal für fast zwei Jahre in der Clinton JVA. Er hatte mit der selben Gefängnisgang zu tun, mit der auch Byrant assoziiert war – der Black Gangster Family. Er ist vom Christentum zum Islam konvertiert während seiner Zeit im Gefängnis und hat im Zuge dessen den Namen Adbul Malik angenommen. Er hatte drei Disziplinarverfahren am Hals. In allen Fällen war es zu Auseinandersetzungen mit Mitinsassen gekommen, dabei ging es vor allem um die Notwendigkeit von Dschihad in den Vereinigten Staaten. Eine dieser Verfahren hat ihm eine einmonatige Einzelhaft eingebracht.“

Lukes Interesse war geweckt. Er blickte zu Ed. Ed deutete Lukes Körpersprache und richtete sich in seinem Sitz auf.

„Jetzt aber kommt der Knüller“, sagte Trudy. „Eldrick Thomas und Ken Byrant waren im Gefängnis befreundet. Sie sahen sich so ähnlich, dass sie unter den Insassen und Wärtern als die Zwillinge bekannt waren. Ich habe hier Fahndungsfotos von ihnen auf Swanns Bildschirm. Sie könnten Brüder sein. Wenn du so willst, könntest du sie für ein und dieselbe Person halten.“

„Warum ist er in Baltimore?“, fragte Luke.

„Das weiß niemand.“

„Hat schon jemand mit ihm gesprochen?“

„Nein. Er war bewusstlos, als sie ihn eingeliefert haben. Ihm werden gerade die Kugeln entfernt. Er ist betäubt.“

„Wird er überleben?“

„Sie gehen davon aus, dass er die Operation überleben wird. Darüberhinaus ist alles offen.“

„Warum rufst du mich an?“

Er konnte ihr Lächeln am anderen Ende des Telefons spüren. „Ich dachte nur, dass du es vielleicht gerne wissen wollen würdest.“

„Wer sind meine Helikopter-Piloten?“, fragte Luke.

„Rachel und Jacob“, sagte Trudy. „ich habe sie extra für dich ausgesucht.“

„Zu freundlich“, sagte Luke.

„Gern geschehen.“

Der Anruf war vorbei. Luke blickte auf das Wasser. Ein schwarzer Bell Helikopter kam gerade an. Das war ihr Flug. Seine Tasche stand zwischen seinen Füssen. Er öffnete sie und kramte nach seinen Dexedrine Pillen. Er fand sie und hielt sie vor Eds prüfendes Gesicht.

„Dexies“, sagte Ed. „Von denen habe ich mich in Afghanistan ernährt. Wenn du sie zu lange nimmst, bringen sie dich um, das weißt du hoffentlich.“

Luke nickte.

„Ich weiß.“

Er öffnete die Dose und kippte vorsichtig zwei Kapseln in seine Handfläche. Eine Hälfte der Kapseln war rotbraun, die andere durchsichtig.