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Koste Es Was Es Wolle

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Koste Es Was Es Wolle
Koste Es Was Es Wolle
Darmowy audiobook
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Kapitel 54

3.23 Uhr

Städtische Strafanstalt – Washington, DC

Alles war weiß hier.

Die Wände und der Boden waren weiß. Die Deckenlichter waren hell und weiß. Die elektronischen Metalltüren, die hinter ihm auf- und zuglitten, waren weiß gestrichen.

Sie fertigten Luke ab und steckten ihn zusammen mit sechs weiteren Männern in  eine Arrestzelle. Der Raum war riesig. Er war weiß und seine Wände waren von schmutzigen Handabdrücken bedeckt. Der Boden war weiß und ging ins schäbig graue wohl wegen der tausenden von Schuhsohlen. Es gab ein Pissoir und eine Toilette, die in die Wand eingebaut waren. Der Boden fiel zur Mitte hin leicht ab, da es dort einen kleinen runden Abfluss gab.

Eine dreckige weiße Bank zäunte fast die Hälfte der Wände der Zelle ein. Luke ging in der Zelle mehrere Minuten schnell auf und ab, während die anderen Männer ihn beobachteten. Er war der einzige Weiße in dem Raum. Das störte ihn nicht. Er bemerkte die anderen Männer kaum. Er saß hier einfach nur in der Falle. Es bedeutete Stillstand. Das konnte er nicht ausstehen.

Irgendwo dort draußen befanden sich Becca und Gunner in den Händen von schlechten Menschen. Luke mochte sich irren, aber er spürte, dass sie noch lebten. Wenn das stimmen sollte, dann musste er hier raus und sie finden. Er würde niemals aufgeben, bis er sie gefunden hatte. Und Gott möge denen beistehen, in dessen Gewalt sie sich befanden.

Nein. Das stimmte nicht. Niemand würde ihnen helfen können.

Wenn sie ihnen nur ein Haar krümmten…

Jetzt da er hier drinnen festsaß, spürte er wie Wut in ihm aufstieg.

Die Vize-Präsidentin, das Autorennen, all das – es hatte ihn abgelenkt. Aber jetzt gab es keine Ablenkung mehr.

Natürlich gab es da noch Susan Hopkins. Er hatte sie bei Ed, Brenna und Berg gelassen. Sie waren fähige Männer, vor allem Ed. Aber da Luke noch lebte, sollte er wirklich bei ihnen sein.

Er hätte am liebsten geschrien.

Er ging zur Bank hinüber und setzte sich auf sie. In der nächsten Minute erhob sich ein Typ vom anderen Ende der Bank und schlenderte zu Luke herüber. Er war ein großer junger Typ, durchtrainiert, er trug ein Chicago Bulls Hemd. Ein riesiger Afro umrahmte seinen Kopf. Er grinste, einer seiner Frontzähne war golden.

Er hockte sie vor Luke.

„Hey, Bro, alles klar?“

Gekicher und Getuschel machte die Runde unter den Männern in der Zelle.

Luke blickte zu ihm. „Der Präsident ist tot, Bro.“

Der Typ nickte. „Hab davon gehört. Ich glaube, dass ist mir ziemlich egal. Habe den Mann nie gewählt.“

Luke zuckte mit den Schultern. „Kann ich dir irgendwie helfen?“

Der Typ deutete auf etwas mit seinem Kinn. „Ich habe deine Schuhe gesehen. Sie sind schön.“

Jetzt nickte Luke. Er blickte selbst zu seinem Füßen und den Lederschuhen in denen sie steckten. „Da hast du Recht. Sie sind schön. Meine Frau hat sie mir zu Weihnachten geschenkt.“

„Welche Marke?“

„Ferragamo. Ich glaube sie hat etwa sechshundert Dollar für sie bezahlt. Meine Frau kauft mir gerne schöne Sachen. Sie weiß, dass ich sie mir niemals selbst kaufen würde.“

„Gib sie mir“, sagte der junge Typ.

Luke schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Sie haben emotionalen Wert. Außerdem glaube ich nicht, dass sie dir passen würden.“

„Ich will sie aber.“

Luke blickte sich in der Zelle um. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Er konnte sich vorstellen, dass das für manche eine angespannte und beängstigende Situation war.

„Ich denke, es ist besser, wenn du dich wieder hinsetzt“, sagte er. „Ich habe gerade ziemlich schlechte Laune.“

In die Augen des Jungen trat Verärgerung. „Gib mir diese Schuhe.“

Luke rollte mit den Augen. „Du willst sie? Dann nimm sie dir.“

Der Junge nickte und grinste. Er blickte sich in der Zelle um. Gelächter war zu hören. Der große starke Gangster würde die Schuhe des weißen Mannes stehlen. Er bückte sich nach vorne und griff nach Lukes Füßen.

Luke wartete eine Sekunde, dann trat er dem Jungen in den Mund. Es kam überraschend. Der Kopf des Jungen klappte zurück. Zähne flogen, insgesamt wohl drei. Einer war der goldene Frontzahn. Der Junge fiel nach hinten um. Er landete auf seinen Knien nach vorn über gebeugt, seine Hände presste er gegen den Mund.

Luke seufzte. Er stand auf, trat hinter den Jungen und schlug ihn hart auf die Rückseite seines Nackens, genau dort wo die Wirbelsäule an den Schädel anschloss. Der Junge brach auf dem schmutzigen Boden zusammen. Seine Augen rollten nach hinten. Nach ein paar Sekunden hatte er das Bewusstsein verloren. Sekunden später gab er seltsame Schnarchgeräusche von sich.

Luke blickte sich in der Zelle um. Er hatte schon vorher schlechte Laune gehabt. Der junge Schuhdieb hatte es nur noch schlimmer gemacht. Luke würde jeden Mann hier drinnen halb tot schlagen, wenn es das war, was sie wollten.

„Der Nächste, der mich blöd anmacht, verliert alle seine Zähne“, sagte er laut genug, so dass jeder es hören konnte.

Sie alle starrten zurück, mit gaffenden Mündern, bis sie schließlich alle den Blick wieder abwandten. Ihre Augen, die noch Momente zuvor so blutrünstig dreingeblickt hatten, waren jetzt von etwas anderem erfüllt: Angst.

Kapitel 55

5.45 Uhr

Seewarte der Vereinigten Staaten – Washington, DC

Sein Name war William Theodore Ryan.

Er war der Ur-Ur-Urenkel eines Plantagen-Besitzers mit adliger Abstammung. Seine Leute waren seit Generationen stolze Konföderierte und Rebellen gewesen. Und da war er nun, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so müde gewesen zu sein. Er hatte letzte Nacht kaum geschlafen. Noch vor dem ersten Licht des Tages hatte er darauf bestanden von Flügel R nach Washington zurückzufliegen. Es gab keinen Grund weiter im Untergrund zu bleiben. Die Gefahr war gebannt. Und es würde dem amerikanischen Volk zeigen wie mutig er war. Er würde sich nicht weiter in einem Loch unter der Erde verstecken, während dreihundert Millionen Amerikaner über der Erde mit ihrem Leben weitermachten und sich der Gefahr eines Anschlages aussetzten.

Er musste beim Gedanken daran grinsen.

Er saß in einer Sitzgruppe im Büro der offiziellen Residenz der Vize-Präsidentin. Vor dem Fenster brach das erste Licht am Himmel an. Das Haus war zauberhaft, es war ein großes weißes im Queen-Anne-Stil gebautes Haus mit Giebeln und Turm, das in der hübschen hügeligen Landschaft der Seewarte stand. Es wurde in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erbaut und Generationen von Vize-Präsidenten hatten es ihr Zuhause genannt. Jetzt würde es als Weißes Haus fungieren, bis das Original wieder aufgebaut war.

Auf dem Sofa gegenüber von ihm saß Senator Edward Graves aus Kansas. Später am Tag würde Ed mit zweiundsiebzig Jahren zum ältesten Vize-Präsidenten in der modernen Geschichte Amerikas gemacht werden. Ed Graves war Militärexperte und seit jeher der Vorsitzende des Militärkomitees des Kongresses gewesen. Ed war vor etwa zwanzig Jahren einer seiner Mentoren gewesen.

Zwischen ihnen stand eine schwarze Lautsprechanlage auf dem Tisch. Sie kreischte als ein Staatssekretär des Vereinigten Generalstabs ihnen ein kurzes Update über die Ereignisse im Nahen Osten gab. Die Dinge spitzen sich zu, aber schienen in ihrem Sinne zu verlaufen.

„Sir“, sagte die Stimme, „auf ihren Befehl sind zwei amerikanische F-118 Kampfjets in den iranischen Luftraum um circa 13.45 lokale Zeit eingedrungen, also vor etwa einer halben Stunde.“

„Status?“, fragte Bill Ryan.

„Nach zwei Minuten haben sie sie bemerkt und drei iranische Jets geschickt, wir glauben, dass es sich bei diesen um alte russische Mig Kampfflieger handelt. Die F-118er haben die iranischen Jets kurzerhand zerstört. Der Radar hat mindestens zwölf weitere iranische Jets in dem Gebiet aufgespürt, deshalb haben sich die F-118er in den türkischen Luftraum zurückgezogen. Die Iraner sind an der Grenze umgekehrt.

„Okay“, sagte Ryan. „Was noch?“

„Zwei Abhörstationen, eine in Japan und eine in Alaska, haben gemeldet, dass mindestens sechs russische Raketensilos im Osten Sibiriens in den letzten zwanzig Minuten in Kampfbereitschaft geschaltet wurden. Die Silos haben es vor allem auf die städtischen Gebiete entlang der Westküste, Seattle, Portland und San Francisco miteingeschlossen, abgesehen. Diese Ziele stehen bereits fest.“

„Himmel. Warum tun sie das?“

„Wir sind uns nicht sicher, Sir. Das Timing scheint mit unserem Eindringen in den iranischen Luftraum in Verbindung zu stehen, allerdings deutet das, was wir an Gesprächen abgefangen haben, eher darauf hin, dass es zu einigen Verwirrungen in der russischen Kommandozentrale gekommen ist. Wir glauben nicht, dass es diese Silos auf eigene Faust versuchen wollen, aber sie scheinen ihre Anordnungen missverstanden zu haben.“

Ryan blickte zu Ed. So eine dämliche Aktion erschien typisch für die Russen. Was würden sie tun, Irans wegen einen Atomkrieg starten? Dennoch musste er zugeben, dass es etwas Erhebendes in dieser waghalsigen Politik gab. Er war noch nicht einmal acht Stunden Präsident.

Ryan wandte sich an die Stimme. „Haben wir Raketen, die diese russischen Silos angreifen können?“

„Ja, Sir, die haben wir.“

„Dann stellen Sie diese Raketen auf Bereitschaft und stellen Sie sicher, dass die Russen das mitkriegen. Sie müssen Ordnung in ihren Laden bringen. Wenn wir ihnen unsere Waffen zeigen, dann verstehen sie vielleicht, wie ernst wir es dort drüben meinen.“

Die Stimme am anderen Ende zögerte. „Ja, Sir.“

„Sonst noch irgendetwas?“

„Für den Moment nicht, Sir.“

Ryan schaltete das Telefon aus. Es war sehr ruhig in dem Raum. Er blickte zu Ed Graves.

 

„Irgendwelche Vorschläge?“

Eds Hände lagen auf seinen Knien. Es waren aderige und fleckige Hände, sie ähnelten einem alten Baum. Eds Gesicht war schroff und faltig. Er hatte eine Knollennase, die von Blutadern durchzogen war. Aber seine Augen waren hellwach wie zwei Laserstrahler.

„Es ist albern“, sagte er, „zwei Flugzeuge über die Grenze zu schicken. Warum spielen wir so mit ihnen? Wir wissen wozu sie im Stande sind und wir wissen wozu wir im Stande sind. Sie haben uns zuerst angegriffen, oder? Sie haben unseren Präsidenten getötet.“

Das war ein gewagter Wink von Ed. Bill schämte sich fast ein wenig für ihn.

„Wenn das stimmt, dann müssen wir sie hart rannehmen. Wir müssen Vergeltung üben. Wir haben die fünfte Flotte im Persischen Golf. Lass uns die iranischen Waffen in der Straße von Hormuz unschädlich machen. Wir sollten ihnen die Chance nehmen dort Mienen zu legen. Nimm sie einfach hoch. Boom. Als nächstes schickst du Kampfflugzeuge nach Teheran den ganzen Tag lang. Schick sie zusammen mit zusätzlichen Jets, die garantieren, dass sie dort auch ankommen. All das würde ich gleich heute anfangen.“

Bill nickte. „Sie müssen sich ihren Weg nach Teheran erkämpfen.“

Ed zuckte mit den Schultern. „Unsere Jungs sind die besten. Und bezahlen wir sie nicht schließlich auch genau dafür? Um zu kämpfen? Eine oder zwei Wochen schweres Bomben des Stadtkerns und ich denke unser iranisches Problem wird in Gänze gelöst sein.“

„Und was ist mit den Russen?“

Ed Graves schien eine Weile darüber nachdenken zu müssen. Schließlich zuckte er die Schultern. „Scheiß auf die Russen.“

Es klopfte an der schweren Eichentür.

„Kommen Sie rein.“

Die Tür öffnete sich. Ein junger Mitarbeiter trat ein. Sein Name war Ben und er gehört seit ein paar Jahren zu Ryans Mitarbeitern. Er hatte generell viel Energie, aber heute schien er vor Aufregung geradezu überzulaufen. Das gesamte Team war über Nacht ein paar Sprossen in der Karriereleiter hinaufgeklettert.

„Was kann ich für Sie tun, Ben?“

„Sir, wir haben gerade die Identifikation der Frau, die in dem in die Luft gesprengten Geländewagen saß, der letzte Nacht in dem Gezeitenbecken gelandet ist, reinbekommen. Sie hatten mir aufgetragen Ihnen Bescheid zu geben, sobald ich etwas Neues dazu höre.“

„Ja, das habe ich. Was gibt es Neues?“

„Nach Untersuchung ihrer Zähne wurde festgestellt, dass es sich um eine Frau namens Liza Redeemer handelt.“

Das waren nicht die Worte, die Bill Ryan hatte hören wollen. „Redeemer?“

„Ja, Sir. Sie war dreiunddreißig und lebte auf der Straße. Lange Geschichte von Geistesgestörtheit, Schizophrenie, bipolarer Störung, sie hatte verschiedene Arbeitsstellen. Ihren ursprünglichen Namen Elizabeth Reid hat sie offiziell ändern lassen als sie achtzehn wurde. Es gibt keine Anhaltspunkte, was sie in diesem Wagen zu suchen hatte.“

Ryan nickte. „Okay. Danke.“

Nachdem er den Raum verlassen hatte blickte Ryan erneut zu Ed Graves.

„Wir müssen uns mit Don Morris in Verbindung setzen.“

Kapitel 56

7.15 Uhr

Städtische Strafanstalt – Washington, DC

„Wie hast du geschlafen?“

„Wie ein Baby. Ich habe mir mit sechs weiteren Männern die Zelle geteilt. Nette Jungs. Ich wusste gar nicht wie viele Unschuldige ins Gefängnis wandern.“

Luke trat in das Sonnenlicht vor der Strafanstalt. Es war sehr hell. Seine Hände waren noch immer in Handschellen. Don Morris führte ihn voran. Er, Don und zwei Agenten, die er nicht kannte, liefen die Treppen hinunter auf einen neueren schwarzen Sedan zu, der oberhalb der Straße geparkt stand.

„Das war ein ganz schöner Trick, denn du da aus dem Ärmel geschüttelt hast. Sie mussten sogar die Zähne hinzuziehen um herauszufinden, dass es sich nicht um Susan Hopkins in dem Wagen gehandelt hat. Und das war gerade einmal vor einer Stunde. Sie wissen noch immer nicht, wer sie ist.“

„Oh?“, sagte Luke. „Ich hätte schwören können, dass es Susan gewesen war.“

Don blieb stehen. Er blickte zu Luke. „Spar dir den Scheiß, Stone. Ich habe heute keine gute Laune und ich würde vermuten, du auch nicht. Wir werden dich zum Reden bringen und du wirst uns erzählen wo Susan ist. Das ist dir schon klar, oder? Ach, ich weiß. Luke Stone kann man nicht brechen. Es würde Tage brauchen, um die Information aus ihm herauszubekommen. Ich persönlich denke da anders. Ich glaube, du wirst sehr schnell anfangen zu reden. Wir haben schließlich etwas, das dich dazu anspornen sollte, falls du es vergessen haben solltest.“

„Du hast gesagt, dass du meiner Familie niemals etwas antun würdest.“

Don lächelte. „Das werde ich auch nicht. Deine Familie lebt und ihr geht es gut. Das solltest du wissen. Aber wir müssen wissen wo Susan Hopkins ist.“

„Don, Susan ist die Präsidentin der Vereinigten Staaten.“

Er schüttelte den Kopf. „Das liegt nicht in deiner Entscheidungsmacht, Stone.“

„Nein. Aber in der der Verfasssung.“

Don gab etwas von sich. Es klang wie ein missmutiges Knurren. Er blickte zu den zwei Agenten, die bei ihnen waren. „Können Sie mir und Agent Stone eine Minute Zeit geben?“

Die zwei Männer entfernten sich etwa dreißig Meter von ihnen. Sie standen in Nähe eines geparkten Autos und starrten zu Luke und Don hinüber. Sie schienen nicht anderes zu tun als zu glotzen. Luke vermutete, dass sie wissen mussten, dass er Don auch mit gebundenen Armen und Beinen hätte umbringen können.

Don lehnte sich an den schwarzen Sedan. „Junge, was hast du vor?“

Luke starrte ihn an. Er kannte Don schon so lange und doch hatte er ihn nie wirklich gekannt. „Was hast du vor, Don? Was spielst du hier eigentlich? Ich bin nicht derjenige, der hier gerade einen Staatsstreich inszeniert hat.“

Don schüttelte den Kopf. „Luke, als was auch immer du es bezeichnen magst, es ist längst vorbei. Die Dinge entwickeln sich, wir können die Vergangenheit nicht ändern. Bill Ryan ist Präsident der Vereinigten Staaten, ob du es nun magst oder nicht. Deine Familie schwebt in Gefahr, aber sie ist noch nicht tot und sie sind noch unversehrt. Du kannst sie zurückbekommen. Du musst nur ein bisschen hier mitspielen. Ich kann kaum glauben, wie sehr du dich dagegen wehrst. Du machst hier nicht die Spielregeln.“

„Was hast du von der ganzen Sache, Don? Du machst das alles doch nicht nur, weil Bill Ryan dein alter College-Kumpel ist.“

Don nickte. „Okay. Die Frage geht in Ordnung, wenn sie dir hilft die richtige Entscheidung zu treffen. Ich werde dir eine Antwort geben. Ich habe es satt, Amerika so schwach zu sehen. Ich hab es satt, Amerika so feige zu sehen. Diese Eigenschaften waren mir schon immer fremd und sie sind mir umso fremder durch meine Militärausbildung. Ich kann Schwäche und Feigheit nicht ausstehen. Und ich habe es satt, jedes Jahr aufs Neue nach Unterstützung für das Spezialeinsatzkommando betteln zu müssen. Wir machen eine verdammt gute Arbeit, das hast du selbst gesehen, und trotzdem standen wir kurz davor abgesägt zu werden.“

Luke begann zu verstehen. „Bill Ryan hat dir also dein Budget für das Spezialeinsatzkommando zugesichert?“

Don schüttelte den Kopf. „Nein. Bill Ryan ist nur ein Strohmann, wie dir sicher aufgefallen ist. Andere Kräfte sind hier am Werk. Und diese würden Amerika gerne wieder im alten Glanz erstrahlen sehen genauso wie ich und du. Heute Nachmittag wird Bill verkünden, dass ich seine Wahl für den Posten des Verteidigungsministers sein werde.“

Luke starrte ihn an. Er dachte an die letzte Nacht und an David Delliger, der auf der Fünfzig-Yard-Linie des Stadions der Marineakademie erschossen worden war.

„Bist du dir sicher, dass du diesen Job willst? Ich habe letzte Nacht deinen Vorgänger getroffen. Seine Amtszeit hat ziemlich abrupt geendet.“

Don lächelte. „Dave war keine gute Wahl für den Job. Er kam von Militär, war aber kein Krieger. Diese Zeiten verlangen nach einem Krieger. Ich bin sicher, dass du der erste bist, der das verstehen wird.“

„Don, wenn du mit Iran einen Krieg anfängst, werden die Russen…“

Don hob eine Hand. „Luke, du brauchst mir keinen Vortrag über die Russen zu halten. Ich habe Russen umgebracht, da hast du noch in deine Windeln gemacht.  Ich weiß was die Russen vorhaben. Nichts, das wars. Sie werden dabeistehen und zusehen. Jetzt sag mir bitte wo Susan ist.“

Luke schwieg.

„Rebecca und Gunner werden heute sterben, Luke. Da kannst du dir sicher sein. Und du wirst niemand als dich selbst dafür verantwortlich machen können.“

Luke drehte seinen Kopf weg. „Du bist ein Verräter, Don.“

Oberhalb der Straße in der Richtung, in die Luke gerade blickte, passierte etwas Seltsames. Die zwei Agenten liefen schnell zurück auf sie zu. Hinter ihnen lief eine Gruppe von Männern in Anzügen und Sonnenbrillen, die ihnen auf dem Fußgängerweg folgten. Luke zählte sieben Männer. Er drehte sich um und blickte in die andere Richtung. Vielleicht liefen sie etwas anderem hinterher.

Nein. Ein weiteres halbes dutzend Männer kam von der anderen Seite des Weges. Luke blickte zu den Agenten, die mit Don gekommen waren. Sie rannten plötzlich los. Einer sprang auf die Straße. Er überquerte sie zur Hälfte bevor er von einem Auto angefahren wurde. Das Auto kam quietschend zum Stillstand. Der Agent rollte über die Motorhaube und fiel auf die Straße.  Drei Männer liefen zu ihm, sie hatten ihre Waffen gezogen.

Der andere Beamte lief über einen Rasen in Richtung Parkplatz. Fünf Männer jagten ihm hinterher.

Drei Männer kamen auf Don und Luke von einer Seite aus zu, zwei von der anderen.

Sie zogen ihre Waffen. Ein Mann hielt sein Abzeichen hoch.

„Geheimdienst“, sagte er.

Sie stießen Don mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Sie nahmen ihm seine Waffe ab und legten ihm Handschellen an.

„Was wird mir vorgeworfen?“, fragte Don.

„Wo sollen wir anfangen?“, antwortete der Mann. „Verrat. Innerstaatlicher Terrorismus. Mord. Kidnapping. Anstiftung eines Komplotts. Das sollte für den Anfang reichen.“

Sie nahmen Luke die Handschellen ab. Er massierte seine Handgelenke, langsam kam das Gefühl zurück. „Einige klingen nach Straftaten, auf die die Todesstrafe steht.“

Der Geheimdienstbeamte nickte. „Das ist korrekt.“

„Meine Frau und mein Sohn wurden entführt. Dieser Mann weiß wo sie sind.“

Luke blickte zu Don hinab.

„Wenn ich du wäre“, sagte er, „dann würde ich schnell anfangen zu reden.“

Kapitel 57

7.45 Uhr

Seewarte der Vereinigten Staaten – Washington, DC

Ein schwarzer Geländewagen kam in der runden Einfahrt vor der Vize-Präsidenten-Residenz zum Stehen.

Die Hintertür öffnete sich und Susan Hopkins kam zum Vorschein. Der irakische Arzt hatte ihren Arm und ihr Handgelenkt letzte Nacht bandagiert. Die Behandlung der Verletzungen in ihrem Gesicht lagen außerhalb seiner Kompetenzen – er hatte lediglich ein betäubendes Schmerzmittel für die Verbrennungen angewandt, so dass sie hatte schlafen können.

Sie hatte vor fünfzehn Minuten mit Pierre gesprochen, nachdem sie sichergestellt hatte, dass das Telefonat kein Risiko darstellt. Er hatte geweint und sie fast auch. Sie hatte noch nicht mit den Mädchen gesprochen.

Sie lief den Weg hinauf zum großen Weißen Haus, sie trug eine schusssichere Weste unter ihrem Anzug. Chuck Berg lief hinter ihr, ebenso Walter Brenna.

Das Haus sah toll aus und es hatte nie besser ausgesehen als an diesem Morgen. Sie liebte dieses Haus. Es war in den letzten fünf Jahren ihre Residenz gewesen.

Sie betraten das Foyer.

Etwa ein dutzend Männer in blauer Militärkleidung und Anzügen starrten sie an, als sie eintraten. Sie erkannte ein paar der Männer wieder. Sie waren Geheimdienstbeamte. Alles Ryans Leute.

Sie schauten sie an als sei sie ein Geist. Einer tauschte einen Händedruck mit Chuck Berg. Ein leises Murmeln ging durch die Menge.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte ein Mann in Militärkleidung.

„Ich bin hier um mit William Ryan zu sprechen.“

„Wen soll ich ankündigen?“

„Mein Name ist Susan Hopkins, ich bin die Präsidentin der Vereinigten Staaten.“

Noch mehr Leute drängten in das Foyer. Vielen von ihnen waren groß und trugen blaue Anzüge, unter denen sich Waffen abzeichneten. Eine kleine Frau in Dienstmädchenuniform kam herein. Susan erkannte sie wieder. Sie hieß Esmeralda, aber die Leute riefen sie Esa und sie arbeitete seit mehr als zwanzig Jahren in diesem Haus. Sie erschien verblüfft. Sie blickte zu Susan als wäre sie eine dieser Erscheinungen, die Katholiken Wunder nannten und zu denen sie ehrfürchtig pilgerten. Sie hätte das weinende und in die Kliffe eines Felsens gehauene Gesicht der Jungfrau Maria sein können.

 

„Frau Hopkins?“, fragte Esa. „Sie leben.“

Sie lief zu Susan als würde sie träumen. Die zwei Frauen umarmten sich. Zunächst zaghaft, dann drückte Susan Esa fester an sich heran. Plötzlich brach Susan in Tränen aus. Es fühlte sich so gut an in diesem Moment nicht die einzige Frau zu sein.

„Das bin ich“, sagte sie. „Ich lebe.“

Sie schloss ihre Augen und verharrte in der Umarmung.

„Sie sind nicht die Präsidentin“, sprach eine donnernde Stimme.

Susan ließ von Esa ab. Niemand anderes als William Ryan stieg in diesem Moment die große Marmortreppe hinab. Er sah gesund und munter aus, fit und energetisch, jünger als er eigentlich war. „Ich bin Präsident. Ich habe den Amtseid letzte Nacht abgelegt. Ich habe das Amt aus den Händen des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten empfangen.“

Er hatte die letzte Stufe erreicht und lief nun direkt auf Susan zu. Er war sehr groß. Der thronte über ihr. Sie blickte zu ihm auf. Chuck Berg war zu ihrer rechten Seite. Walter Brenna zu ihrer linken.

„Susan“, sagte Ryan. „Schön dich zu sehen. Aber ich muss dich bitten zu gehen. Du hast in den letzten vierundzwanzig Stunden Furchtbares durchgemacht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du gerade nicht in der Verfassung bist, den Eid abzulegen.“

Ein Gewühl an Militärs und Geheimdienstbeamten waren nun im Foyer versammelt.

Ryan winkte ein paar Militärs herbei. „Würden Sie bitte so freundlich sein und Frau Hopkins nach draußen begleiten? Wir müssen hier weiterarbeiten.“

Susan deutete auf den Mann. „Nehmen Sie diesen Mann fest. Er hat Verrat begangen und ist verantwortlich für den Mord von Thomas Hayes und dreihundert weiteren Menschen.“

Es gab einen Moment, in dem sie nicht wusste, was passieren würde. Alle standen einfach nur da und starrten. Irgendwo tickte eine Uhr. Drei Sekunden, vier Sekunden.

Fünf.

Chuck Berg trat vor. Er nahm ein paar Handschellen von seinem Gürtel.

Er ging auf Ryan zu. „Sir, Sie haben das Recht zu schweigen.“

Ein Militär trat vor ihn. Chuck stieß den Mann weg. Plötzlich entwickelte sich eine Dynamik aus Stoßen und Schubsen. Große starke Männer stießen sich hin und her und rempelten auch Susan an. Dann spürte sie einen stechenden Schmerz.

Jemand war auf ihren Fuß getreten.

Die Zahl der Geheimdienstbeamten übertraf die der Militärs in einem Verhältnis von drei auf einen. Alle Geheimdienstmitarbeiter verhielten sich ihrem Amt entsprechend.

Am Ende kämpfte Ryan gegen sie. Er weigerte sich aufzugeben, aber er hatte keine Wahl. Innerhalb von Sekunden befand er sich mit dem Gesicht nach unten auf dem polierten Parkettboden, wo ihn zwei Geheimdienstbeamte nach unten drückten.

Der Geheimdienst stellte Ryan auf seine Füße. Sein Gesicht war rot von den Anstrengungen. Er blickte finster zu Susan hinüber bevor sie ihn zur Vordertür beförderten.

„Ich bin der Präsident der Vereinigten Staaten!“, schrie er.

Susan wehrte seine Worte mit einer Handbewegung ab.

„Verschwinden Sie aus meinem Haus“, sagte sie.

*

Pierre und die Mädchen würden herfliegen, um sie zu sehen. Der Gedanke daran gab ihr Hoffnung und ein Glücksgefühl. Das brauchte sie jetzt auch.

Die Rolle der Präsidentin würde ihr einiges abverlangen. Die Verschwörung gegen Thomas Hayes hatte nur erfolgreich sein können, weil sie alle Hierarchieebenen miteingeschlossen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war es unmöglich zu wissen welche Personen und Regierungseinheiten daran beteiligt gewesen waren. Für die nächste Zeit ging sie von höchster Gefahrenbereitschaft auf nationaler Ebene aus was ihre eigene Person betraf. Sie würde während öffentlicher Veranstaltungen stets eine schusssichere Weste tragen müssen.

Die Probleme im Nahen Osten würden über Nacht sicherlich nicht gelöst, aber dennoch hatte sie bereits Fortschritte zu verzeichnen. Sie hatte heute kurz mit dem russischen Präsidenten gesprochen. Er hatte ihr mit Hilfe eines Dolmetschers mitgeteilt, wie froh er war, dass sie noch lebte. Er hatte ihr außerdem seine Unterstützung für die Lösung der Konflikte mit Iran angeboten.

Aber noch größere Probleme waren am Horizont aufgetaucht. Am Nachmittag hatte sie zwei Besucher in ihrem Büro empfangen.

„Ich will das Spezialeinsatzkommando weiterhin finanziell unterstützen“, hatte sie gesagt. „Aber ich will, dass es nicht weiter unter dem Schirm des FBIs arbeitet.“

Luke Stone stand am Fenster und blickte hinaus zur Seewarte. „Unter wessen Schirm würden Sie es gerne stellen?“

Sie zuckte die Schultern. „Es könnte zu einem Zweig des Geheimdienstes werden. Oder einfach eine eigene Organisation sein, die direkt der Präsidentin berichterstattet.“

„Das klingt gut“, sagte Ed Newsam. Er saß in einem Rollstuhl, sein verletztes Bein lag auf dem Schreibtisch. Er hielt eine noch nicht angezündete Zigarre in der Hand. „Das klingt sogar sehr gut.“

Stone drehte sich um. „Bis gestern war ich noch beurlaubt. Ich weiß nicht einmal, ob ich noch für das Spezialeinsatzkommando arbeite.“

„Das ist merkwürdig“, sagte sie. „Ich hatte mir überlegt, dass Sie den Direktorenposten übernehmen könnten. Ich habe mich in Ihnen getäuscht, Stone. Das muss ich Ihnen eingestehen. Sie haben in den letzten vierundzwanzig Stunden mein Leben mehr als ein Mal gerettet.“

Stone schüttelte den Kopf. „Ich muss meine Frau und meinen Sohn finden. Die Geschichte hat sich aufgelöst und diese Leute brauchen sie nun nicht mehr. Jede Minute die vergeht…“

Susann nickte. „Ich weiß. Wir tun alles was in unserer Macht steht um sie zu finden. Ich verspreche Ihnen, dass wir sie finden werden. Aber in der Zwischenzeit brauche ich Sie hier im Spezialeinsatzkommando. Es gibt nur eine Handvoll Leute, denen ich im Moment trauen kann und Sie beide führen diese Liste an.“

Sie lief zur Tür des Büros und blickte nach draußen. Chuck Berg und ein anderer Agent standen drei Meter entfernt. Sie schloss vorsichtig die Tür.

Sie drehte sich zu Stone und Newsam um.

„Ich will ehrlich sein, ich habe eine weitere dringende Aufgabe für Sie. Ich habe erst in der letzten halben Stunde davon erfahren. Leider glauben unsere Feinde uns in einer geschwächten Position zu sehen, die sie gerne für einen Gegenschlag nutzen wollen. Die nächsten vierundzwanzig Stunden sind entscheidend.“

Jetzt blickten Stone und Newsam sich an.

„Kommen Sie schon, ich brauche Sie.“

„Teilen Sie uns mit worum es geht?“

Sie nickte. „Ich werde Ihnen alles sagen, aber zuerst will ich ein „ja“ von Ihnen.“

Ein langer Moment verstrich.

„Ja.“

*

Luke lief die gepflegte Anlage der Seewarte in Richtung Parkplatz entlang. Neben ihm rollte Ed Newsam in seinem Rollstuhl, seine massiven Arme gaben den Rädern alle paar Sekunden neuen Schwung.

„Wirst du das Ding bald los?“, fragte Luke. „Ich habe das Gefühl, dass du ein wenig nachgelassen hast. Machst du Physiotherapie oder so etwas?“

„Stone, ich sitze in dem Ding seit letzter Nacht.“

Luke zuckte die Schultern. „Wollte ja nur mal fragen. Es scheint als wärst du schon einen Monat in dem Ding.“

Lukes Handy klingelte. Er zog es heraus und schaute auf die Nummer. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er die Hoffnung gehabt, dass…

Er ging ran. „Trudy. Was hast du für mich? Wie läuft es mit Dons Computer?“

Ihre Stimme klang überdreht euphorisch. Sie hatte wahrscheinlich fast achtundvierzig Stunden nicht mehr geschlafen. Sie war in der Zwischenzeit wahrscheinlich auch nicht einmal zu Hause gewesen und sie hatte wahrscheinlich schon zwanzig Tassen schwarzen Kaffee intus. Aber es war der Triumpf des Sieges, eventuell sogar der des hässlichen Siegens, der in den Menschen die Musik zum Schwingen brachte.

„Swann ist es endlich gelungen die Verschlüsslung von Dons Ordnern zu knacken. Luke, er wusste über alles Bescheid. Er war von Anfang an dabei. Es gibt Emails zwischen ihm und Bill Ryan, die von der Machtübernahme sprechen noch bevor Thomas Hayes überhaupt zum Präsidenten gewählt worden war.“

„Da glaubt man einen Menschen zu kennen“, sagte Luke.

„Ich dachte, ich hätte ihn besser gekannt als alle anderen“, sagte Trudy.

Luke ignorierte diese Aussage. Er und Trudy hatten eine komplizierte Geschichte. Er hatte keine Lust sich jetzt damit zu beschäftigen.

„Was noch?“, fragte er.

„Luke, Don hat geredet. Er hat die Adresse eines Sicheren Hauses vom CIA rausgegeben. Die Leute die das betreiben sind quasi Geister. Sie stehen nicht auf der offiziellen Gehaltsliste. Don glaubt, dass es dort ist, wo sie deine Frau und deinen Sohn halten.“