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Koste Es Was Es Wolle

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Koste Es Was Es Wolle
Koste Es Was Es Wolle
Darmowy audiobook
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Kapitel 39

22.47 Uhr

Davis Memorial Hospital – Bethesda, Maryland

Die drei Männer huschten wie Schatten in sein Zimmer.

Sie waren dabei leise, fast geräuschlos. Sie hatten die Lichter im Flur ausgestellt. Als sie durch den Türspalt in Ed Newsams Zimmer glitten und in der Dunkelheit des Zimmers verschwanden, veränderten sich die Lichtverhältnisse kaum.

Es war auch egal. Ed Newsam glaubte nicht ans Schlafen. Nicht in Zeiten wie diesen. Sie hatten ihm ein starkes Schmerzmittel auf Morphium-Basis für die Einschusswunde und seine angeknackste Hüfte gegeben. Das Schmerzmittel würde ihn einschläfern. Ed glaubte an Schmerzen. Diese Schmerzen waren zu echt, um nicht an sie zu glauben. So hatte er das Schmerzmittel nicht abgelehnt. Er hatte es in seine Hand genommen und als die Krankenschwester den Raum verlassen hatte unter seiner Matratze verschwinden lassen.

Er hätte es ablehnen können, aber so hatten sie es in seiner Krankenakte vermerkt. Er hatte wohl irgendwie mit einem Besuch wie diesem gerechnet. Männer wie diese würden einen Blick auf sein Krankenblatt werfen, bevor sie hier herein kamen.

Ed war aus dem Verkehr gezogen. Er war auf Schmerzmitteln. Ed bekam seine wohlverdiente Ruhe.

Er atmete tief, wie jemand der schon lange im Reich der Träume abgetaucht war. Seine Augen waren nur einen Spalt weit geöffnet. Viele Menschen schliefen so. Seine Hände ruhten unter dem Laken. In seiner rechten Hand hielt er eine Beretta M9. Das Magazin war voll geladen. Eine Patrone war im Patronenlager. Sie war bereit.

Die Männer traten an sein Bett. Sie trugen dunkle langärmlige Shirts, dunkle Hosen und schwarze Kapuzen, die alles bis auf die Augen verdeckten.

Es waren offenkundig keine Ärzte.

Zwei Männer standen auf der rechten Seite, einer auf der linken. Einer der Männer zog eine Spritze heraus. Im Halbdunkeln sah Ed wie er sie hochhielt und die Kappe entfernte. Ein kleiner Spritzer entwich ihr. Er blickte zu den anderen zwei Männern und nickte.

Die zwei Männer bewegten sich schnell. Aber Ed war schneller. Sie sprinteten zu seiner Seite und versuchten seine Arme zu fixieren. Er holte seine Waffe nur einen Moment, bevor der Mann zu seiner Rechten sich bewegen konnte, hervor. Er richtete die Waffe auf sein Gesicht. Die Gewehrmündung war zwei Zentimeter von der Stirn des Mannes entfernt.

BOOM!

Der Knall war in der Enge des Raumes ohrenbetäubend. Ed sah von dem Mündungsfeuer Sterne vor seinen Augen tanzen.

Der Kopf des Mannes knickte ein. Blut und Knorpel flogen in alle Richtungen des Raumes. Der Mann fiel über die Brüstung des Krankenhausbettes. Ed stieß ihn mit der Waffe weg und die Leiche fiel auf den Boden.

Er schwang die Waffe wieder nach oben. Er richtete sie auf den Oberkörper des Mannes mit der Spritze in der Hand. Der Mann nahm beide Hände nach oben, seine Augen unter der Maskierung waren weit. Die Spritze war noch immer in seiner Hand.

BOOM!

Die Gewehrmündung war dreißig Zentimeter von der Brust des Mannes entfernt. Der Schuss katapultierte sein Herz und eine Hälfte seiner Lunge durch seinen Rücken. Der Mann fiel auf den Boden, als hätte sich eine Bodenluke unter ihm geöffnet.

Der dritte Mann hatte sich in die andere Hälfte des Raumes geflüchtet. Er war überrascht gewesen, dass er es nicht einmal versucht hatte, sich zur Tür zu retten. Wenn er sofort gelaufen wäre, hätte er es schaffen können. Jetzt stand er in einer Ecke etwa drei Meter von Ed entfernt. Ed zielte mit der Waffe direkt auf seinen Körper. Der Mann blickte zum Fenster. Achtes Stockwerk, erinnerte sich Ed, keine Feuertreppe. Viel Glück.

„Schöne Waffe, nicht?“, sagte Ed. „Ich nenne sie Alice. Willst du sie etwas fragen?“

Der Mann hob seine Hände. „Hey. Ich denke, du machst hier einen Fehler.“

„Nein, du machst einen Fehler, Hurensohn. Du willst mich umbringen? Dann komm hier nicht rein und lass es so aussehen, als wäre es eine Überdosis. Wenn du mich umbringen willst, dann kommst du besser hier rein und machst mich sofort kalt.“ Er schüttelte den Kopf und senkte seine Stimme.

„Sonst passiert eben genau das hier.“

Irgendwo im Krankenhaus ging der Alarm los. Der Sicherheitsdienst würde in einer Minute hier sein.

„Wer bist du?“, fragte Ed.

Der Mann grinste unter seiner Maske. „Du weißt, dass ich dir das nicht sagen werde.“

Ed war ein sehr guter Schütze. Eine weitere seiner Fähigkeiten, die er versuchte nicht einrosten zu lassen. Er konnte in zehn Metern Entfernung alles treffen, was er wollte. Er zielte und fegte eine Kugel oberhalb des Knies in das rechte Bein des Mannes.

BOOM!

Ed wusste genau, warum er diese Stelle auserkoren hatte. Die Kugel zertrümmerte den großen Knochen dort. Zerfetzte ihn in Stücke.

Die Ärzte hatten Ed gesagt, dass sein eigenes Becken am rechten Ende angebrochen war, wahrscheinlich weil eine abgefälschte Kugel den Großteil ihrer Energie bereits eingebüßt hatte, als sie ihn traf. Die Behandlung umfasste Bettruhe, Schmerzmittel und Physiotherapie. Er würde eine Weile eine Gehhilfe brauchen, dann Krücken. In etwa acht Wochen würde er noch etwas davon spüren, wäre aber sonst so gut wie neu. In sechs Monaten wäre er dann wieder ganz der Alte, als wäre nie etwas passiert.

Im Gegenteil dazu würde der Mann, der sich dort gerade auf dem Boden wand, nie wieder normal laufen können. Falls Ed ihn am Leben ließe.

Ed entfernte das Gitter von der Seite seines Bettes. Neben dem Stuhl stand eine Gehhilfe des Krankenhauses mit Rädern an den hinteren Beinen und Tennisbällen an den vorderen. Ed zog es zu sich heran und arbeitete sich in eine stehende Position neben seinem Bett. Er biss die Zähne vor Schmerzen zusammen.

Himmel. Wenn sich das Alter so anfühlte, dann wollte er nie alt werden.

Er blickte zu dem Mann, der sich auf dem Boden in der Ecke wand. Ed benutzte die Gehhilfe, um sich seinen Weg um die zwei Leichen herum zu bahnen, er musste aufpassen, nicht in dem Blut auszurutschen. Der polierte Boden schwamm im Blut. Er schleppte sich in Richtung  des verletzten Mannes.

„Wir haben nicht viel Zeit“, sagte er dem Mann. „Mal sehen ob ich den Namen in der nächsten Minute aus dir herausbekomme.“

Kapitel 40

23.05 Uhr

Fairfax County, Virginia – Vororte Washington, DCs

Luke war eingedämmert.

Das Telefon klingelte.

Er wachte auf, er lag flach auf dem Sofa. Er hatte einen zweiten Drink gehabt, während er auf den Anruf von David Delliger gewartet hatte. Dann war er eingeschlafen. Das musste jetzt Delliger sein.

Er nahm das Telefon ab.

„Hallo?“

„Luke?  Ich bins Ed Newsam. Hab ich dich aufgeweckt?“

Luke war etwas orientierungslos. „Nein. Wie spät ist es? Nein, du hast mich nicht aufgeweckt. Ed. Wie geht es dir? Ich hatte vor, dich morgen zu besuchen. Wollte dir ein paar Blumen bringen. Willst du ein Sandwich? Ich meine ein echtes, kein Krankenhausessen?“

„Mach dir keine Umstände“, sagte Ed. „Ich werde das Krankenhaus morgen verlassen. Hör zu, wir haben ein Problem. Gerade haben drei Männer versucht, mich zu töten.“

Luke setzte sich aufrecht hin. „Was? Wo bist du jetzt?“

„Noch im Krankenhaus. Zehn Polizisten sind bei mir. Sie werden mich in ein anderes Zimmer verlegen und Wachen vor der Tür postieren.“

„Wo sind die Killer?“

Es gab eine Pause. „Ähm, hier auf dem Boden. Sie haben es nicht überlebt. Ich habe versucht, die Identität des einen festzustellen, aber der hatte nicht so viel Lust zu reden. Da hätte ich nichts machen können. Außerdem haben sie die Krankenschwester auf der Station getötet und unter ihrem Schreibtisch versteckt. Sie hatten Masken auf als sie reinkamen. Ich bezweifle, dass wir im Nachhinein ihre Identitäten feststellen werden. Sie sind wie Gespenster. Geister.“

Luke fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Und du hast sie alle umgebracht?“

„Ja, das habe ich.“

Es folgte eine längere Stille.

„Luke, du solltest aufpassen. Deshalb rufe ich an. Das Ding mit dem Präsidenten… das läuft aus dem Ruder. Und diese Typen hier sehen mit Sicherheit nicht nach Iranern aus. Sie sehen wie Surfer aus San Diego aus. Sie haben versucht, mich zu erwischen, also haben sie es sicherlich auch auf dich abgesehen.“

Luke stellte den Fernseher aus, lehnte sich dann über den Tisch, um das Licht auszuschalten. Er bückte sich und rannte in die Küche. Er löschte auch dort das Licht. Von dem schwachen orangenen Schein der Wanduhr und dem roten LED Licht der Stereoanlage im Wohnzimmer abgesehen, lag der erste Stock nun völlig im Dunkeln. Luke kroch zurück ins Wohnzimmer.

„Luke? Bist du noch da?“

„Ja. Ich bin hier.“

„Was machst du?“

„Nichts, man. Alles klar.“

Luke hob eine Ecke des blauen Esstischteppichs an und rollte sie auf. Darunter kam eine Falltür zum Vorschein, die in den Holzboden eingelassen war. Luke klemmte das Handy an sein Ohr und zog seinen Schlüsselbund hervor. Es gab rechts und links neben der Falltür kleine Schlösser. Er fand die kleinen silbernen Schlüssel, steckte sie hinein und entriegelte die Tür.

„Hast du vor, mit mir zu reden?“, fragte Ed.

„Ich bereite mich nur vor, Ed. Ich glaube, ich sollte auflegen.“

„Das ist wahrscheinlich eine gute Idee. Viel Glück, Bruder.“

„Danke für den Tipp.“

Luke ließ das Handy auf den Boden fallen. Er öffnete die Falltür und zog eine lange Metallbox heraus. Ein weiterer Spielzeugkasten. Luke hatte sie überall im Haus verteilt. Er gab den Code aus dem Gedächtnis ein und öffnete die Box. Das hier war einer der größeren Kästen.

Ein M16 Gewehr. Ein Remington 870 Schrotgewehr. Ein paar Handfeuerwaffen. Ein Jagdmesser. Drei Granaten. Mehrere Boxen Munition, jede Menge Patronen für die Waffen. Er fuhr mit den Händen über die Waffen. Er würde sein Bestes geben, das Haus nicht in die Luft zu jagen. Seine Hände zitterten, vielleicht vor Angst, vielleicht weil er einfach Hunger hatte, er begann die Waffen zu laden.

 

Das Handy klingelte erneut. Er blickte auf das Display. Die Nummer war unbekannt. Er seufzte. Er hätte gerade auch mit sonst wem sprechen können. Als er ran ging, hoffte er auf David Delliger, oder einen Telefonverkäufer.

„Luke? Hier ist Don Morris.“

Luke presste Neun-Millimeter Patronen in ein leeres Magazin, seine Finger bewegten sich schnell und automatisch. Dabei fiel eines der Teile dumpf zu Boden. Don wusste, dass etwas vor sich ging. Natürlich tat er das. Er und der neue Präsident waren beste Fischerfreunde.

„Hallo, Don. Woher kennst du den ehemaligen Sprecher des Repräsentantenhauses?“

„Wir waren zusammen im Citadel, Luke. Das ist viele Jahre her. Nach meinem Abschluss bin ich dem Militär beigetreten und Bill hat angefangen Jura zu studieren.“

„Verstehe.“

„Luke, wir müssen reden.“

„Okay.“ Luke füllte ein Magazin und legte es zur Seite. Er begann mit dem nächsten. „Aber wenn wir reden, dann lass uns ehrlich miteinander sein, okay?“

„Das ist nur fair“, sagte Don.

„Warum fängst du nicht an?“

Don machte eine Pause, bevor er anfing. „Also… Mittlerweile sollte dir klar sein, was heute passiert ist, nehme ich an.“

„Ich würde sagen, es ist glasklar, Don. Mit diesem Anruf wird es sogar noch klarer.“

„Ich bin froh darüber, Luke. Dann können wir hier also mit offenen Karten spielen. Und gleich zur Sache kommen. Du bist ein alter vom Krieg gebeutelter Kämpfer, genau wie ich. Du musst verstehen, dass es keinen anderen Weg gab. Es war zum Wohle unseres Landes. Es war für die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder. Wir dürfen unseren Feinden nicht erlauben, uns auf internationaler Ebene so an der Nase herumführen zu lassen. Dieser Mann hätte alles aufgegeben, ohne auch nur einen Schuss abzugeben. Das ist jetzt vorbei.“

Luke hatte ein weiteres Magazin fertig gemacht. Er lud nun ein drittes.

„Was passiert jetzt?“, fragte er.

„Wir müssen ein paar Dinge in Ordnung bringen. Wir stellen ein paar Leute auf und erinnern jeden dort draußen daran, wer hier das Sagen hat.“

„Und danach? Was passiert mit der Regierung?“

„Dasselbe wie beim letzten Mal. Präsident Ryan bleibt für den Rest der Amtszeit bestehen, in seinem Fall also drei Jahre. Er tritt für seine Wiederwahl an oder auch nicht. Ich denke mal, dass er das wird, aber das liegt an ihm. Das Volk wird entscheiden, wer der nächste Präsident sein wird. Nichts hat sich verändert, Luke. Die Verfassung ist in Kraft. Alles, was wir getan haben, war die Reset-Taste zu drücken.“

„Die gesamte Regierung ist draufgegangen“, sagte Luke.

„Wir werden uns darum kümmern.“

„Ihr habt es nur ein kleines bisschen übertrieben, nicht wahr Don? So wie Kinder es manchmal übertreiben.“

„Klar. Wenn du es so nennen willst.“

„Wie viele Menschen sind bei eurer kleinen Übertreibung draufgegangen?“

Er antwortete nicht.

„Don?“

„Luke, ich würde sagen ein Millionstel der Bevölkerung. Dreihundertfünfzig Leute. Das ist eine Schätzung, aber sie ist wahrscheinlich mehr oder weniger präzise. Morgen früh werden wir mehr wissen. Kein sehr hoher Preis, wenn man sich bedenkt.“

Luke ging in der Dunkelheit in die Hocke. Er zog ein Schulterholster erst über seine linke Schulter, dann ein zweites über die rechte. Er würde seine M16 auf dem Rücken festschnallen. Die Granaten würde er in seinen Hosentaschen verstauen. Er würde die Schrotflinte in der Hand halten und mit ihr als allererstes abfeuern.

Er blickte sich im Wohnzimmer um. Die bodenlangen Fenster sahen gerade recht albern aus. Er lebte buchstäblich im Glashaus. Es gab keine Möglichkeit diesen Ort zu verteidigen. Er würde wahrscheinlich aus dem Haus nur im Kugelhagel fliehen können.

„Luke?“

„Ich höre zu, Don.“

„Hast du irgendwelche Frage?“

„Klar. Wie wäre es damit? Warum hast du mich mitten in der Nacht aufgeweckt und mich hier reingezogen? Ich war bereits sechs Monate beurlaubt. Ich hatte zehn Monate lang an keinem Fall gearbeitet.“

Don lachte und sein langsamer Südstaatendialekt quoll zähflüssig aus ihm heraus. „Das war mein Fehler. Du bist einer der besten Agenten, die ich jemals gesehen habe, aber ich hatte angenommen, dass du nach so langer Zeit langsam und aus der Übung sein würdest. Und du warst letzte Nacht auch etwas langsam, hast dich aber schnell wieder gefangen. Ich habe dich unterschätzt, das ist alles. Du solltest bis zu dem Iraner kommen und dort aufgeben.“

„Damit wir es den Iranern anhängen konnten, als das Weiße Haus in die Luft flog?“

„Ja, so leicht hätte es sein können.“

„Und Begley? Was ist mit dem?“

Don lachte erneut. „Ron Begley ist absolut unfähig.“

„Er hatte also keine Ahnung?“

„Oh Gott, nein.“

Jetzt musste Luke fast lachen. Das passte ihnen. Der arme Ron Begley hatte versucht, Ali Nassars Rechte zu verteidigen, ohne dass er auch nur die Gründe dahinter verstanden hätte. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, die Unantastbarkeit der diplomatischen Immunität zu verteidigen. Wenn wir sie hier nicht verteidigen, dann werden sie es da drüben auch nicht. Vielleicht hatte er aber auch nur versucht Luke zu zeigen, wer am längeren Hebel saß.

„Warum rufst du mich an, Don?“

„Jetzt kommen wir zum Punkt, Junge. Es wurde eine neue Fahndung für dich rausgeben. Dem Stabschef des früheren Präsidenten war es gelungen aus Mount Weather einen Anruf zu machen, bevor er gestorben ist. Er hat dich mit der Katastrophe in Verbindung gebracht. Du wirst gesucht, weil man dich dazu befragen will. Und auch wegen des Mords in Baltimore heute Morgen? Das hast du jetzt auch wieder am Hals. Es hat den Anschein, dass sie dich in eine Schublade mit den Terroristen stecken. Du hast den Präsidenten in sein Verhängnis geführt. Das kleine Ablenkungsmanöver in Baltimore war lediglich dein Versuch, einen deiner Partner davon abzuhalten, dich zu verraten. Und wir haben ein Offshore-Konto gefunden, das wir zu dir nachverfolgen konnten. Mehr als zwei Millionen Dollar sind da drauf.“

Luke lächelte.

„Habt ihr nicht mehr zu bieten?“, frage Luke. „Geld auf ein fingiertes Konto unter meinem Namen zu überweisen.“

„Ich denke, das genügt“, sagte Don.

„Und Ali Nassar?“, fragte Luke.

„Dein Zahlmeister? Er ist vor etwa einer Stunde gestorben. Suizid. Er ist vom Balkon seiner Wohnung gesprungen. Fünfzig Stockwerke hoch, kannst du dir das vorstellen? Zum Glück ist er auf einem Betonvorsprung im dritten Stock gelandet. Somit wurde niemand auf der Straße verletzt.“

Luke zuckte die Schultern. Er war kein Fan von Ali Nassar gewesen. Was auch immer Nassar geglaubt hatte zu tun, er musste gewusst haben, dass es falsch war. Und er musste gewusst haben, dass sein eigener Tod eine gangbare Möglichkeit darstellte. Wenn er das nicht gewusst hatte, dann war er ein größerer Idiot als es schien. „Das kommt euch gerade recht“, sagte Luke. „Noch jemand, der ins Gras beißt.“

„In der Tat.“

„Und jetzt willst du, dass ich mich kampflos ergebe, nehme ich an.“

„Das würde ich gerne, ja.“

„Gib nicht viel Hoffnung darauf, oder?“

„Luke…“

Von Lukes Standpunkt im Esszimmer konnte er die großen Fenster im Wohnzimmer sehen, die in Richtung Westen und Süden blickten. Das Haus war auf einem kleinen Hügel, der von Gras bedeckt war, gebaut worden. Durch die Höhe konnte man besonders weit blicken. Es war eine ruhige Gegend. Die meisten Anwohner parkten in ihren eigenen Auffahrten oder Garagen.

Im Süden machte er zwei Einsatzwagen ohne Kennzeichen aus, die Front an Front an der nächsten Ecke parkten. Es waren schnelle Autos von der Art, die die Regierung von Drogendealern konfiszierte. Die Fenster waren schwarz. Sie warteten dort wie lauernde Spinnen. Im Westen in der nördlichsten Ecke des Fensters konnte er einen schwarzen Kleinbus erkennen, der oberhalb der nächsten Straße parkte. Das war alles, was er von hier aus sehen konnte. Wahrscheinlich gab es noch mehr.

„Wenn es eine Fahndung nach mir gibt“, sagte Luke, „warum schickt ihr dann nicht einfach ein paar Polizisten? Alles, was ich hier sehe, sind Gespenster.“

Don lachte. „Tja. Fahndung mag ein starkes Wort sein. Lass es uns so sagen, wir würden uns gerne einmal mit dir unterhalten.“

Natürlich. Die Polizei blieb außen vor. Wenn Luke jetzt da hinaus ging und sich ergab, dann hätte sein letztes Stündchen geschlagen. Sie würden ihn in einem dunklen Loch vergraben und niemand würde ihn jemals finden.

Das würde nicht passieren.

„Ich verspreche dir ein Blutbad, Don. Wenn du versuchst mich zu kriegen, dann schicke ich alle Leute dort draußen vor meinem Haus und zehn, zwanzig oder dreißig mehr ins Grab. Das sind viele Witwen und Waisen. Das kann ich versprechen.“

Dons Stimme blieb stumm. „Luke, ich will, dass du mir jetzt sehr genau zuhörst. Es ist das wichtigste, was ich dir jemals sagen werde. Hörst du mir zu? Kannst du mich hören?“

„Ich höre“, sagte Luke.

„Sie haben deine Frau und deinen Sohn.“

„Was?“

„Das alles geht dich nichts an, Luke. Das hat es nie. Du warst die Schaufensterdekoration, der Komparse in einem viel größeren Drama. Wenn du heute Morgen nach Hause gegangen wärest, als ich dich suspendiert hatte, nichts von all dem wäre passiert. Aber du bist nicht nach Hause gegangen und damit hast du Rebecca und Gunner in Gefahr gebracht. Ihnen geht es gut und sie sind unversehrt, aber du musst auf mich hören. Wenn du dich jetzt stoppst, aufhörst, das zu tun, was du versuchst zu tun, mit deinen Händen in der Luft aus dem Haus gehst, dann wird alles gut werden. Wenn du darauf bestehst mit diesem… Schwachsinn weiterzumachen…“ Er machte eine Pause. „Dann weiß ich nicht, was passieren wird.“

„Don, was versuchst du hier gerade zu sagen?“

„Es ist nicht dein Kampf, Luke, oder meiner. Das hier ist größer als wir es sind.“

„Don, wenn du meiner Familie auch nur ein Haar krümmst -“

„Ich bin es nicht. Du weißt genau, dass ich deiner Familie nie etwas antun könnte. Ich liebe sie wie meine eigene. Ich bin nur derjenige, der die Nachricht überbringen muss. Bitte vergiss das nicht.“

„Don -“

„Es ist deine Wahl, Luke.“

„Don!“

Die Leitung war tot.

Kapitel 41

23.15 Uhr

Queen Anne’s County, Maryland – Ostküste des Chesapeake Bay

Rebecca saß aufrecht im Bett und starrte in die Dunkelheit. Auf dem Nachttisch neben ihr klingelte das Telefon. Sie blickte hinüber. Sie konnte auf der Anzeige sehen, dass es Luke war. Aber sie konnte sich nicht bewegen. Es würde sie verraten. Sie wusste, dass da jemand im Haus war.

Sie saß dort, wie erstarrt, das Herz raste in ihrer Brust. Sie war von den Schritte im Untergeschoss aufgewacht, schwere Körper, die sich vorsichtig versuchten zu bewegen. Dieses Haus war uralt und die Dielen knackten. Es gab kaum einen Raum in diesem Haus dessen Boden nicht wenigstens ein bisschen knarrte.

Da war es wieder. Ein schwerer Schritt im Untergeschoss, der verstohlen versuchte keinen Laut zu machen. Ein weiterer folgte, der aus dem Raum gegenüber vom Wohnzimmer kam. Wenigstens zwei Leute mussten dort unten sein. Unter ihrem Schlafzimmerfenster vernahm sie sogar noch mehr tapsende Schritte auf dem Gras. Auch außerhalb des Hauses lauerten Leute.

Plötzlich ging ihr etwas auf. Es hatte einen Moment gedauert, da sie noch geschlafen hatte, als die Geräusche angefangen hatten. Gunner war mit ihr in dem Haus.

Oh Gott. Sie musste ihn holen.

Wie sollte sie das anstellen? Luke schloss seine Waffen stets weg. Sie hatte ihn dazu gedrängt, weil sie befürchtet hatte, dass Gunner sie eines Tages finden könnte, wenn er allein zu Hause war.

Sie schlüpfte aus dem Bett und setzte vorsichtig einen Schritt vor den anderen. Sie riss sich das Nachthemd über ihren Kopf vom Leib. Sie zog ihre Jeans an und das T-Shirt, das sie während des Tages getragen hatte. Ihr kam eine Idee. Sie würde in Gunners Zimmer gehen, ihn leise aufwecken und dann das Fenster öffnen. Sie würden beide hinausklettern und leise das schräge Dach vor seinem Schlafzimmer entlangbalancieren. Wenn niemand sie bemerkte, dann würden sie die Regenrinne herunterrutschen und so schnell sie konnten zum nächsten Nachbarhaus in einem halben Kilometer Entfernung rennen.

Genau so. Das war der ganze Plan.

Sie blickte hoch und musste nach Luft schnappen. Gunner kam herein, er trug sein Walking Dead T-Shirt und seine Schlafanzughose. Er rieb sich die Augen.

„Mama? Hast du das auch gehört?“

 

Aus dem Dunklen tauchte hinter Gunner plötzlich ein sehr großer Mann auf. Sein Adamsapfel trat besonders auffällig hervor. Sein Gesicht war flach und leer. Was er fühlte, schien sich nicht in seinen Augen widerzuspiegeln. Seine Augen waren tot. Er grinste sie an.

Seine Stimme klang vergnügt. Er klang amüsiert.

„Hallo, Frau Stone“, sagte er. „Habe ich Sie aufgeweckt?“

Gunner schrie erschrocken beim Klang der tiefen Stimme hinter ihm. Er rannte zu ihr. Becca duckte ihn hinter sich. Ihr Atem schien ihr im Halse stecken zu bleiben. Ihre Atmung klang wie eine Lokomotive. Dann kam ihr ein seltsamer Gedanke.

„Alles kein Problem, gnädige Frau“, sagte der Mann. „Wir werden Ihnen nicht weh tun. Noch nicht.“

Sie musste an Luke denken. Er war so paranoid gewesen, wahrscheinlich weil er so furchtbare Dinge gesehen hatte. Damals als er manchmal wochenlang irgendwo in Übersee aufgestellt war, hatte er ihr beigebracht, sich selbst zu verteidigen. Aber das, was er ihr da gezeigt hatte, war weder Kickboxen noch Karate. Er hatte ihr nicht gezeigt, wie man jemanden zu Fall brachte oder schlug.

Nein. Er hatte diese lebensechten, schweren, der Anatomie des Menschen entsprechenden Dummys mit nach Hause gebracht. Luke hatte ihr beigebracht, wie man die Augen von jemandem herausdrückte, indem man seine Finger tief in die Augenhöhlen drückte. Er hatte ihr beigebracht wie man die Nase von jemandem abbiss. Abbiss! Einfach die Zähne versenken und die Nase vom Gesicht reißen. Er hatte ihr gezeigt wie man Hoden zermalmen, nicht zerquetschen konnte. Er hatte ihr auch beigebracht, wie man seine Faust in den Mund hinunter in den Hals von jemandem zwang. Er hatte ihr kurzum gezeigt, wie man einen anderen Menschen für den Rest seines Lebens dauerhaft Schaden zufügte, vor allem einem Menschen der größer und stärker als man selbst war.

Sie erinnerte sich an Lukes besonnenes Lächeln, als er darüber mit ihr sprach. „Wenn du einmal in einer Situation bist, in der du keine andere Wahl hast, als zu kämpfen, dann musst du der anderen Person Schmerzen zufügen. Und das nicht nur ein bisschen. Nicht mal sehr. Du musst dieser Person solche Schmerzen zufügen, dass sie nicht mehr aufstehen kann und dir das Gleiche oder Schlimmeres antun kann.“

Konnte sie das tun? Konnte sie diesem Mann solche Schmerzen zufügen? Wenn sie alleine gewesen wäre, dann wohl nicht. Aber Gunner war hier.

Der Mann kam auf sie zu. Er kam sehr nah. Er trug schwere Schuhe, eine Khaki-Hose und ein T-Shirt. Er presste seinen Körper gegen den ihren, aber berührte sie nicht mit den Händen. Seine Brust streifte ihr Gesicht. Sie konnte seine Körperwärme spüren. Er stützte seine Hände an der Wand hinter ihr ab. Der Körper des Mannes drängte sie zurück.

„Na, magst du das?“, fragte er. Er atmete tief. „Ich sehe dir doch an, dass dir dein Mann nicht wirklich fehlen wird.“

Gunner stieß einen Laut hinter ihr aus, wie ein kreischendes Tier.

Becca schrie, genauso wie Luke es ihr beigebracht hatte. Der Schrei setzte ihre Energie frei. Sie riss beide Hände nach oben in den Schritt des Mannes. Sie griff durch die Hose des Mannes nach seinen Hoden, sie drückte zu so fest sie konnte. Sie würgte sie förmlich. Dann riss sie mit aller Kraft an ihnen.

Die Augen des Mannes weiteten sich vor Schock. Er keuchte und fiel mit einem Rumps zu Boden. Sein Mund stand in einem lautlosen Schrei offen. Seine Hände hielten seinen Schritt. Durch seine Hose sickerte Blut. Sie hatte ihm Schmerzen zugefügt. Große Schmerzen.

Sie drehte sich zu Gunner. „Komm! Wir müssen schnell hier raus.“