Za darmo

Koste Es Was Es Wolle

Tekst
Autor:
Oznacz jako przeczytane
Koste Es Was Es Wolle
Koste Es Was Es Wolle
Darmowy audiobook
Czyta Mike Nelson
Szczegóły
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Er klopfe Jacob auf den Helm.

„Schmeiß das Ding auf den Navigator!“, schrie er. „Gib mir zwei Sekunden hier rauszukommen, dann lande.“

PIEP,PIEP,PIEP…

Luke lehnte Ed nun doch an die Außenbank. Er hatte keine Wahl.

„Du weißt was du tust?“

Ed nickte. Die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er wirkte plötzlich sehr müde. „Ich halte dich für verrückt, aber ja, ich weiß schon.“

„Wie ist der Plan?“

„Sobald du unten bist, ziehen wir nach vorne und schmeißen die Windschutzscheibe raus.“

„Super“, sagte Luke. „Aber nicht den Fahrer erwischen.“

„Ich werde es versuchen.“

Sie waren hundertfünfzig Meter über dem Boden und etwa einen halben Kilometer außer Reichweite des Range Rover Schützen. Der gefährlichste Moment war der, in dem sie einen Bogen schlagen und sich wieder in Schussweite befinden würden. Aus der Entfernung und weit unter ihnen konnte Luke die Autos beobachten. Gerade war ein Polizeiwagen auf den Highway gefahren, sein Licht drehte sich. Knapp zwei Kilometer dahinter kamen zwei weitere Polizeiwagen.

Er schrie zu Jacob. „Ich bin bereit, wenn du es bist!“

Sofort drehte der Helikopter steil nach links ab und verlor an Höhe. Sie waren jetzt vor den Wagen. Sie verloren alle paar Sekunden dreißig Meter. Sie waren schnell. Einhundert Meter. Fünfzig Meter. Ein Schütze tauchte aus dem Inneren des Range Rovers auf. Er zielte mit seiner Waffe auf den Helikopter.

„Gib es dem Bastard!“, schrie Luke.

Das ließ sich Ed nicht zwei Mal sagen, das Gewehr ratterte. Die Tür des Range Rovers wurde nach innengedrückt, wie eine Bierdose in einer unsichtbaren Hand. Der Kopf des Mannes wurde zerschmettert. Er ließ seine Waffe fallen, fiel in sich zusammen und kippte um. Sein Gewehr krachte auf die Straße.

„Okay, jetzt lass mich raus.“

Der Helikopter verlor abermals an Höhe und bewegte sich auf die Seite der Straße zu. Er drehte sich, die Helikoptertür zeigte jetzt auf den Navigator. Luke kletterte über Ed auf die Laufplanke. Der Helikopter setzte kurz auf dem Dach des Navigators auf. Er federte einen Meter zurück bevor er ein zweites Mal aufsetzte.

Der Zeitpunkt war gekommen.

Luke sprang.

Kapitel 31

Luke fiel auf seine Hände und Knie und krallte sich am Dachträger des Autos fest.

Der Fahrer musste gehört haben, wie Luke auf dem Dach gelandet war. Der Lincoln begann zwischen den Fahrbahnen zu lavieren, dabei schwang er wie verrückt hin und her und versuchte Luke abzuwerfen. Luke krallte sich mit aller Kraft an den Dachträger, sein Unterkörper schwang von einer Seite zur anderen.

Der Helikopter flog an ihnen vorbei und machte eine scharfe Linkswende. Er schlug einen Haken und kreuzte ihre Fahrtrichtung. Ed befand sich in der Tür, auf der Breitseite von ihnen. Luke zog seinen Kopf ein als die Gewehrmündung begann, Blitze auszuspucken.

Ein Kugelhagel traf die Vorderseite des Wagens. Luke kroch nach vorne. Die rechte Seite der Windschutzscheibe war jetzt nach innen eingedrückt. Er beugte sich über sie und schlug gegen die Überreste des Glases und drückte sie in das Innere des Autos. Im Innenraum schrie irgendwo eine Frau. Ein Kind weinte.

Die Hälfte der Windschutzscheibe fiel in das Wageninnere. Luke schwang seinen Körper herum, drückte seine Beine durch und schlüpfte auf den vorderen Beifahrersitz. Er landete auf dem Schoss des erschossenen Schützes. Der Fahrer fummelte nach seiner Waffe. Er richtete sie auf Luke. Luke ergriff sein Handgelenk und schlug es auf das Armaturenbrett.

Der Mann ließ die Waffe fallen, ohne sie abzufeuern. Sie fiel zwischen seine Beine und auf den Boden der Fahrerseite. Der Mann wendete seinen Blick von der Straße ab und tastete nach ihr auf dem Boden. Luke zog jetzt seine eigene Waffe.

Plötzlich wurde ein Schuss vom Rücksitz abgegeben. Der Knall war in der Enge des Wagens unglaublich laut.

BOOM.

Leute schrien dort hinten. Luke duckte sich und der Kopf des Toten zerbarst. Der Knall hallte in Lukes Ohren wider. Er drehte sich um und blickte zwischen die Sitze. Ali Nassar saß dort mit einer Frau und einem kleinen Mädchen. Sie alle rissen die Augen auf, angsterfüllt und verschreckt. Das kleine Mädchen saß in der Mitte. Hinter ihnen, in der dritten Reihe, saß ein großer Mann mit einem Gewehr.

Der Mann hockte sich hinter den Kopf des kleinen Mädchens. Seine Waffe blitzte über ihrer Schulter. Sie war genau neben dem Gesicht des Mädchens.

Das war seine Gelegenheit die Sache zu beenden. Sein Leben zu retten. Nassar zu fassen.

Aber Luke konnte den Schuss nicht abgeben. Er durfte es nicht riskieren. Nicht mit dem Mädchen dazwischen.

„Ali!“, schrie Luke. „Nehmen Sie die Waffe! Halten Sie ihn auf!“

Ali Nassar blickte Luke mit leeren Augen an.

BOOM. Der Mann feuerte erneut.

Das Mädchen schrie auf, sie kreischte jetzt. Alle auf der Rückbank schrieen.

Die Kugel traf den Torso des Toten. Bald würden die Kugeln durch den Sitz des Mannes in seinen Körper dringen.

Der Fahrer hatte seine Waffe wiedergefunden.

Es blieb ihm nicht anderes übrig. Luke drehte seine Waffe herum. Er hielt den Lauf in der Hand und schwang den Griff. Er hämmerte damit auf den Kopf des Fahrers ein.

Einmal, zweimal, dreimal.

Er duckte sich, als ein weiterer Gewehrschuss durch den Wagen fuhr.

BOOM.

Das Plastik des Armaturenbretts zerbrach, Teile flogen umher. Luke fühlte, wie sie in sein Fleisch schnitten.

Das Auto schlitterte nach links aus, kam vom Highway ab, fuhr auf den Seitenstreifen und über ihn hinweg. Der Fahrer hatte am Steuer das Bewusstsein verloren. Der Wagen fuhr eine Böschung hinab. Er lehnte sich langsam nach links, kippte, kippte… auf zwei Räder. Luke griff nach dem Steuer.

Zu spät. Das Auto rollte. Luke schlug sich seinen Kopf am Armaturenbrett. Dann lag das Auto auf dem Dach. Er krachte mit betäubender Geschwindigkeit in die Decke des Wagens. Er landete auf seinem Rücken. Das verschlug ihm den Atem.

Die Airbags um ihn öffneten sich.

Das Auto rollte weiter. Er wurde wie eine Puppe umhergeschmissen. Er fiel von der Decke. Das letzte, was er fühlte, war sein Kopf, der gegen das Steuer schlug. Dann wurde es dunkel.

Kapitel 32

Ed Newsam beobachte die Szene aus dem Little Bird.

Der Navigator hatte zwei volle Drehungen genommen und war richtig herum auf befestigter Erde gelandet. Seine Reifen waren allesamt platt. Die Windschutzscheibe war weg. An verschiedenen Stellen trat Dampf aus.

Der zweite Range Rover war auf dem Seitenstreifen zum Stehen gekommen. Drei Männer waren dort hinausgesprungen und liefen jetzt mit gezückten und geladenen Waffen die Böschung zum verunglückten Navigator hinunter.

Der Helikopter bewegte sich schnell zur linken Seite. Ed versuchte die Männer ins Visier zu nehmen, aber es gelang ihm nicht. Der Helikopter wackelte. Er ließ trotzdem ein Gewehrfeuer los. Zwei der Männer fielen ins Gras. Der Dritte rannte weiter.

„Notruf, Notruf“, hörte er Jacobs Stimme sagen. „Crashposition einnehmen.“

Ed war mit Lederriemen an der Bank festgeschnallt. Die Vorrichtung war nicht besonders sicher. Der Schmerz im rechten Hüftbereich zermalmte ihn. Hinzu kamen stechende Schmerzen, seine Rippen und die Abschürfungen, die sich über seinen Körper verteilten. Er blickte durch die Tür in den Frachtraum und auf die dortigen Sicherheitsgurte. Er würde es nicht rechtzeitig dort hinein schaffen um sich festzuschnallen. Er ließ seine Waffe in den Innenraum schlittern, griff nach unten und umschlang die Bank so fest er konnte. Das war seine Crashposition.

Vor ihm kam der Boden immer näher. Wenn der Helikopter umkippte, würde er durch die Luft geschleudert. Er würde sich nicht festhalten können. Er würde nach draußen in Richtung der sich drehenden Flügel der Rotoren geschleudert. Er schüttelte den Kopf. Gar nicht gut.

Die Welt zischte mit schwindelerregender Geschwindigkeit an ihm vorbei. Sie waren fünf Meter vom Boden entfernt.

Jacobs Stimme, wie jemand, der gerade eine Pizza bestellte: „Aufschlag in drei, zwei…“

Ed umklammerte die Bank noch fester. Er schloss seine Augen.

Bitte nicht umkippen. Bitte nicht umkippen. Bitte nicht.

*

Lukes Augen brauchten einige Sekunden, um sich wieder scharf zu stellen.

Er saß noch immer vorne. Er war hart aufgeschlagen, seine Stirn war gegen das Steuer geknallt und er war fast blind vor Schmerz. Die Airbags hatten schon keine Luft mehr, weißer Staub hing in der Luft. Sein Kopf lag auf den Beinen des Fahrers. Seine eigenen Beine erstreckten sich über den Toten auf dem Beifahrersitz. Beide hatten ihre Sicherheitsgurte angelegt.

Luke suchte unter dem Fahrersitz in der Nähe der Füße des Mannes. Er fand die Waffe des Mannes und zog sie hervor. Eine Neun-Millimeter-Glock. Großartig. Sie fühlte sich gut in seiner Hand an. Er kämpfte sich in eine Sitzposition. Der vordere Bereich des Wagens war vom zersplitterten Glas der Windschutzscheibe bedeckt. Der Fahrer hatte immer noch nicht das Bewusstsein wiedererlangt, sein Kopf hing in seinem Sicherheitsgurt.

Vor dem Wagen pirschten sich zwei Männer mit gezogenen Waffen heran.

Luke blickte zum Rücksitz. Ali Nassar und seine kleine Familie waren am Leben und bei Bewusstsein, auch wenn sie etwas benommen waren. Ali Nassars rechte Hand steckte in einem großen weißen Gips.

Das kleine Mädchen war süß, sie trug ein hellgrünes Band in ihrem schwarzen Haar. Sie hatte große braune Augen. Die Frau war gertenschlank und himmlisch schön. Sie wirkte auf Luke wie eine der Frauen, die ihren Tag damit zubrachte, sich Magazine mit der letzten Mode aus Paris und Mailand und dem neusten royalen Klatsch anzusehen. Sie war heute Morgen wahrscheinlich aufgewacht und hatte gedacht, die Welt gesehen und verstanden zu haben. Das hier musste ihr die Augen geöffnet haben. Sie starrte zurück. Luke hatte viele Male Menschen in diesem Zustand gesehen. Die Frau stand unter Schock.

 

Luke drückte den Fahrersitz nach vorne und kletterte nach hinten zu ihnen. Er kauerte sich hin nur für den Fall, dass einer der Schützen seine Disziplin verlor. Er zwängte sich vor die Füße des Mädchens.

„Sie sind wahnsinnig“, sagte Nassar.

Luke ignorierte ihn. Er blickte zu dem kleinen Mädchen und an ihr vorbei.

Den Mann ganz hinten hatte es übel getroffen, er war entweder bewusstlos oder tot.

„Wie heißt du?“, fragte Luke.

Das Mädchen war starr vor Angst, konnte aber noch sprechen. „Sofia.“

„Still, Kind! Wirst du wohl nicht mit ihm sprechen!“

„Sofia, was für ein schöner Name für ein Mädchen. Okay, Sofia, ich möchte, dass du etwas für mich machst. Es ist ganz einfach. Ich will, dass du dich abschnallst und zu mir kommst.“

Nassar war im Begriff sich selbst abzuschnallen. „Wagen Sie es nicht…“

Luke zielte mit der Waffe auf seinen Kopf. „Noch ein Wort.“

„Bitte tu ihm nicht weh“, sagte Sofia. Tränen begannen über ihre Wangen zu rollen.

„Ich werde ihm nicht weh tun Sofia, aber du musst zu mir kommen.“

Das Mädchen tat, was er gesagt hatte. Sie löste ihren Sicherheitsgurt und bewegte sich anmutig auf Luke zu, wie ein kleines Tier. Er legte ihr vorsichtig den Arm um, als wäre sie sein eigenes Kind.

Draußen vor dem Wagen stand der Mann mit der Waffe. Sie befanden sich beide auf der selben linken Seite des Wagens. Durch das Fenster richteten sie gegenseitig ihre Waffen aufeinander. Das Fenster war zertrümmert worden. Es brauchte nur einer von ihnen seine Fassung verlieren. Dann würde es ein Blutbad in diesem Auto geben.

„Das ist nah genug!“, schrie er dem Mann entgegen. „Wir haben hier eine Frau und ein Kind. Wenn Sie ihre Waffe benutzen, werden Sie uns alle umbringen.“

Das war ihnen egal. Vor dem Auto ließ einer der Männer sein Maschinengewehr auf den Boden sinken und zog eine Handfeuerwaffe hervor. Er zielte auf das Loch wo einst das Fenster gewesen war.

BOOM!

Glas zersplitterte, als einer von ihnen durch das Loch schoss.

Das Mädchen in Lukes Armen schrie und er sah den Streifen, den die Kugel in dem Ledersitz nur zwei Zentimeter vom Kopf des Mädchens entfernt hinterlassen hatte. Zum Glück hatten sie sie verfehlt. Das nächste Mal hatte sie vielleicht weniger Glück, das wusste er. Seltsamerweise machte sich Luke mehr Sorgen um das Mädchen als um sich selbst.

Als einer der Männer erneut seine Waffe hob, näher kam und in die Dunkelheit des Wageninneren blinzelte, war es das Mädchen an das Luke zuerst dachte. Er hätte einfach schießen können. Er hätte sie beide töten können. Aber er durfte es nicht riskieren. Nicht, wenn sie möglicherweise gefährdet wurde.

BOOM!

Luke griff das Mädchen, wandte sie ab und warf sich, den Bruchteil einer Sekunde bevor der Schuss abgefeuert wurde, schützend über sie.

Luke spürte einen unerträglichen Schmerz in seinem Arm aufflammen, als die Kugel ihn streifte. Das Blut spritzte in alle Richtungen. Aber Luke wusste aus Erfahrung, dass es nur eine Fleischwunde war. Das war ein geringer Preis, den er dafür zahlte, ihr Leben zu retten.

Ihre Mutter kreischte und Nassar schrie: „HÖRT AUF ZU SCHIESSEN, IHR IDIOTEN!“

Luke hörte, wie die Männer erneut ihre Waffen zückten und ihn ins Visier nahmen. Er wusste, dass es seine letzte Chance war.

Er drehte sich, setzte ein Knie auf und schoss zwei Mal. Er wusste, dass diese Schüsse sitzen mussten oder er würde mit dem Leben dafür bezahlen. Er würde keine Zeit für einen dritten Schuss haben.

BOOM. BOOM.

Luke konnte keine Bewegung ausmachen, als sich die Pistolenschüsse gelegt hatten. Endlich war es still. Er blickte nach draußen und sah die zwei toten Männer, zwei perfekte Kopfschüsse.

Er atmete erleichtert auf.

„Sie sind wahnsinnig!“, wiederholte Nassar, seine Stimme bebte und zitterte.

Luke drehte sich zu ihm, blickte ihn finster an und packte ihn bei seinem Hemd.

„Ich will sie hier rausbringen“, sagte er. „Das Mädchen und deine Frau. Weit weg von hier. Es werden vielleicht noch mehr Leute hierherkommen und sie könnten dabei verletzt werden. Das hier ist etwas zwischen dir und mir.“

Nassar nickte seiner Frau zu, doch sie gab nur einen ächzenden Laut von sich.

„ALI!“, schrie Luke und hob die Waffe an seinen Kopf. „JETZT!“

Die Frau fing an zu heulen und auch das Mädchen fing an zu weinen.

Nassar beugte sich zu ihr hinüber und nahm die Frau bei beiden Schultern und begann sie zu schütteln. „Irina! Reiß dich zusammen. Nimm Sofia und geht.“

Die Frau schnallte sich ab. Sie kletterte hinaus und nahm das Mädchen. Die Frau und das Mädchen waren jetzt dreißig Meter entfernt, sie rannten. Dann fünfzig Meter. Luke blickte ihnen eine Sekunde nach. Er atmete tief durch. Er wunderte sich, ob, wenn er jemals eine Tochter haben sollte, sie wohl so wie sie sein würde.

Nassar versuchte aus dem Auto zu fliehen. Zu spät. Luke griff ihn beim T-Shirt und zog ihn zurück. Er schlug die Tür zu und hielt Nassar seine Waffe an den Kopf.

Nassar blickte Luke herausfordernd an.

„Jetzt hörst du mir mal zu“, sagte Luke. „Ich will alles wissen. Für wen du arbeitest. Wie ihr vorgegangen seid. Was als nächstes passieren soll. Alles, kapiert? Wenn ich nur den Hauch einer Lüge ahne, dann schwöre ich bei Gott, dich hier und jetzt zu erschießen.“

„Wenn du mich umbringst, dann verspreche ich dir, dass es das letzte sein wird, was du tust.“

„Rede! Ich zähle bist drei. Ganz so wie beim letzten Mal. Erinnerst du, dich wie das ausgegangen ist? Aber dieses Mal blase ich dir bei drei das Gehirn weg.“

„Du bist geistesgestört! Weißt du das? Du bist…“

„Eins“, sagte Luke.

Draußen sprinteten Männer in Uniform die Böschung hinab. Polizisten. New Yorker Polizisten, Landespolizisten, ein Strom aus Polizisten. Männer in Anzügen waren unter ihnen, wahrscheinlich Leute von der Spezialeinheit. Die Dinge spitzen sich dort draußen zu.

Ihm lief die Zeit davon.

„Zwei…“

Nassar hielt es nicht aus. „Hör auf! Ich werde dir alles erzählen, was du hören willst.“

„Wer steckt hinter der ganzen Sache?“, fragte Luke. „Für wen arbeitest du? Iran?“

Nassar ließ die Schultern fallen. Die Stärke, das Leben schien ihm zu entweichen. Er zuckte mit den Schultern.

„Ich arbeite für dich.“

Kapitel 33

16.50 Uhr

Hundertsechzehnte Straße Polizeirevier – Queens, New York

Es dauerte über eine Stunde, bis Ali Nassar endlich im Polizeirevier saß.

Während er wartete, telefonierte Luke mit Becca.

„Du bist ein wunderbarer Mann.“

Luke presste seine Stirn gegen die dreckige Wand im Kellergeschoss des Polizeireviers und lauschte der melodischen Stimme seiner Frau. Das Revier war ein übler Ort. Die Leuchtstoffröhren an der Decke waren zu hell. Stimmen und Schritte hallten wider. Weiter unten im Gang lachte jemand gackernd.

„Ich fühle mich nicht gerade wunderbar“, sagte er.

„Bist du aber. Du hast dem Präsidenten heute das Leben gerettet. Das ist unglaublich. Es ist ein Wunder.“

Luke seufzte. Er fühlte sich nicht wie ein Held. Und es fühlte sich auch nicht nach einem Wunder an – eher wie ein Alptraum, der noch immer nicht ausgeträumt war.

„Du bist einfach übermüdet, Luke. Deshalb bist du so niedergeschlagen. Wann hast du das letzte Mal geschlafen, vor dreißig Stunden? Hör mal, Gunner und ich sind wirklich sehr stolz auf dich. Wenn du nach DC zurückkommst, warum fährst du nicht nach Hause, schläfst dich schön aus und fährst dann hierher zu uns? Es ist traumhaft hier. Wir nehmen uns ein paar Tage frei, verbannen alle Uhren und verbringen etwas Zeit miteinander. Wie klingt das?“

„Das klingt verlockend.“

„Ich liebe dich so sehr“, sagte sie.

Luke liebte Becca auch und er wollte sie auch gerne sehen. Er wollte ein paar ruhige Tage mit ihr und Gunner in ihrem Landhaus verbringen. Aber so sehr er das auch wollte, er wusste nicht, wie das möglich sein sollte.

Er durfte ihr nichts sagen. Alles, was er ihr gesagt hatte war, dass er nach dem Briefing mit dem Präsidenten zurück nach New York geflogen war und einer neuen Spur gefolgt war. Er hatte ihr nichts von der Aktion mit dem Helikopter erzählt. Er hatte ihr nicht erzählt, wie er auf das Dach eines hundertsechzig Stundenkilometer fahrenden Autos gesprungen war. Er hatte ihr nicht erzählt, dass er zwei Männer erschossen hatte. Er hatte ihr nicht erzählt, dass der Fall alles andere als abgeschlossen war.

Ein junger Beamter mit ausgedünntem Haar, schiefer Krawatte und hochgekrempelten Ärmeln kam den Gang herunter auf Luke zugelaufen.

„Agent Stone?“

Luke nickte.

„Die Befragung geht gleich los.“

Luke beendete das Gespräch mit Becca und folgte dem Beamten in den Beobachtungsraum.

Der Raum war nur schwach beleuchtet, ein halbes dutzend Männer waren bereits dort. Luke war das Halbdunkel nach dem grellen Licht des Ganges ganz recht.

Der Beamte stellte Luke die drei Männer in dunklen Anzügen und Krawatten vor.

„Sie wollen bestimmt wissen, wer das ist. Das ist Agent Stone vom FBI, das hier sind die Agenten Stern, Smith und Wallace.“

„Wir sind vom Verfassungsschutz“, sagte einer der Männer, während er Lukes Hand schüttelte.

„Kommen Sie von Begley?“, fragte Luke.

Das Lächeln des Mannes ließ etwas nach. „Begley?“

„Ja. Ron Begley.“ Luke formte mit den Händen einen Basketball.

„Runder Typ. Er leitet eine der Einheiten dort drüben, fragen Sie mich bitte nicht welche. Er und ich hatten heute Morgen ein paar kleinere Missverständnisse, weil wir uns uneins darüber waren, Ali Nassar zu verfolgen oder nicht. Ich vermute, er hat seine Meinung geändert.“

Die drei Männer lachten auf. „Wir arbeiten nicht für Ron Begley.“

„Glück gehabt. Da sind Sie sicher besser dran.“

Auf der anderen Seite des Einwegspiegels saß Ali Nassar an einem Metalltisch. Er nippte an einer weißen Kaffeetasse. Sein Knöchel war an ein Tischbein gekettet, das im Boden verankert war. Es war egal. Ali Nassar sah nicht so aus, als würde er irgendwohin gehen wollen.

Er war äußerst und überhaupt ganz und gar zerzaust. Sein Hemd war zerrissen und zerknittert und bis zu seinem Bauch aufgeknöpft. Seine Haare standen ab. Er hatte schwarze Ränder unter seinen Augen. Sein Kiefer stand offen. Seine Hand zitterte jedes Mal, wenn er die Kaffeetasse hochhob.

Einer der New Yorker Beamten überragte ihn, ein großer, bulliger, rot-haariger Ire. Alles wurde still, als Nassar zu sprechen begann.

„Wo sind meine Tochter und ihre Mutter?“, fragte er.

Der Polizist schüttelte den Kopf. „Ihnen geht es gut. Sie müssen sich um sie keine Sorgen machen. Wir haben sie zurück zur iranischen Vertretung gebracht. Sie haben ja nichts getan. Sie haben keinen blassen Schimmer, was hier vor sich geht. Niemand interessiert sich überhaupt für sie.“

Nassar nickte. „Gut.“

„In Ordnung“, sagte der Polizist. „Alles klar. Sie sind sicher. Jetzt lassen Sie sie mal eine Minute außen vor. Ich würde gerne über Sie sprechen.“

Jetzt schüttelte Nassar seinen Kopf. „Sie haben kein Recht, mich hier festzuhalten. Ich will mit einem Anwalt sprechen.“

Der Polizist grinste. Er war entspannt. Luke erkannte in ihm jemanden, der die Frage nach dem Anwalt jeden einzelnen Tag hörte und dann einen geschickten Weg fand, dieser Frage auszuweichen.

„Warum würden Sie das tun?“, fragte der Polizist. „Halten Sie noch irgendetwas unter Verschluss? Sie haben bereits mit dem FBI Beamten im Auto gesprochen.

„Er hat eine Waffe an meinen Kopf gehalten.“

Der Polizist zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hat er das, vielleicht auch nicht. Sie sind der Erste, der mir davon berichtet. Ich war nicht dort, wie sollte ich also irgendwas wissen.“

„Dass es gesetzwidrig ist, mich hier festzuhalten“, sagte Nassar.

„Ali, lassen Sie mich hier eines klarstellen. Wir halten Sie hier nicht fest. Das ist die Sache. Sie sind nicht festgenommen worden. Wir dürften Sie auch gar nicht festnehmen, selbst wenn wir wollten, Sie wissen das. Wir haben Ihnen diese Fußfessel zu Ihrer eigenen Sicherheit angelegt. In diesen Gängen wuselt es nur so vor Kriminellen. Manchmal gehen sie auf Leute los. Glauben Sie mir, Sie sind in diesem Raum sicherer aufgehoben. Aber wenn Sie wollen, können Sie jederzeit gehen.“

Nassar gab den Anschein, sprechen zu wollen. Er zögerte, vielleicht weil er einen Trick witterte.

Der Polizist hob seine fleischige Hand. „Jetzt lassen Sie mich erklären, warum es keine gute Idee wäre zu gehen“, sagte er. „Sie hängen da in irgendwas drin. Etwas Schlimmem. Sie wissen das und ich weiß es auch, es ist also wenig sinnvoll, etwas anderes zu behaupten. Leute haben mir gesagt, dass Sie das Weiße Haus in die Luft gesprengt haben. Ich weiß nicht, ob ich das glauben soll.“

 

„Ich war es nicht“, sagte Nassar.

Der Polizist deutete mit dem Finger auf ihn. „Richtig. Das glaube ich auch. Ich glaube, dass Sie es nicht gewesen sind. Aber es hat den Anschein, dass Sie die Leute kennen, die es getan haben. Und wenn ich eine dieser Personen wäre, wissen Sie, was ich tun würde? Aufräumen. Wenn Sie da rausspazieren, wie lange glauben Sie, werden Sie noch zu leben haben? Zwölf Stunden, wenn Sie Glück haben? Ich persönlich bezweifle, dass Sie so viel Zeit hätten.“

Nassar starrte ihn entgeistert an.

„Ihre Freunde von der iranischen Vertretung?“ fragte der Polizist. Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass sie sich um Sie noch scheren. Sie haben bei dem Versuch, Sie zum Flughafen zu bringen, vier ihrer Männer verloren. Sie sind eine Last für Sie. Eine Schande. Wenn Sie zurückkommen, dann nur, um eine Kugel genau hier rein zu jagen.“

Der Polizist tippte mit dem Finger auf Nassars Stirn.

Nassar schüttelte den Kopf. „Sie haben nichts damit zu tun. Sie haben keinen Grund, mich töten zu wollen.“

„Ja. Das ist genau das, was Sie dem FBI Agenten erzählt haben.“ Der Polizist wies auf ein paar Notizen an den Wandtafeln. „Sie haben ihm erzählt, dass Sie für eine amerikanische Regierungsagentur arbeiten, die Red Box heißt. Glauben Sie nicht, dass die iranische Regierung Sie umbringen würde, wenn Sie herausfänden, dass Sie für Amerikaner arbeiteten. Kommen Sie schon, ich halte Sie für klüger als das.“

Nassars Augen weiteten sich für einen Moment.

Der Polizist nickte. „Ja. Sie sind klug. Sie sehen es auch. Es bleiben Ihnen nicht mehr viele Freunde, Ali.“

Luke dachte an die Situation im Auto zurück. Polizisten hatten sie eingekreist. „Ich arbeite für dich“, hatte Nassar gesagt. Dann hatte er Red Box erwähnt. Luke konnte sich kaum daran erinnern. Er war aus einem Helikopter gesprungen. Er hatte das Auto geschrottet. Er hatte wenige Sekunden davor zwei Männer mit einem Kopfschuss getötet. Er war genauso durcheinander wie alle anderen auch. In jenem Moment hatte er gar nicht mehr verstehen können, was Nassar ihm da eigentlich mitteilte.

Jetzt starrten Nassar und der Polizist sich einen langen Moment an.

„Ich will Ihnen etwas erzählen“, sagte der Polizist. „Ich weiß genau, was Sie gerade durchmachen. Ich habe einen jüngeren Bruder. Vor fünfzehn Jahren etwa ist er da auch in etwas reingeraten, genau wie Sie jetzt. Es war ein Fehler, so wie jetzt bei Ihnen, das Wasser stand ihm bis zum Hals. Es kam heraus, dass er Waffen für die Irish Republican Army aus einer Bar in die Bronx geschmuggelt hatte. Ich hab ihm gesagt, Mikey, mach keine dummen Sachen. Du bist nicht mal irisch. Du bist Amerikaner. Aber zu dem Zeitpunkt, steckte er schon mitten im Schlamassel. Er wurde von der amerikanischen Regierung gesucht. Er wurde auch von der englischen Regierung gesucht. Und wenn ihn seine Freunde von der IRA gefunden hätten, dann hätten sie ihn im Fluss versenkt. Das müssen sie. Was hätten sie sonst tun sollen, ihn reden lassen?“

Ein paar Polizisten im Raum lachten auf. Luke blickte sie finster an.

„Der Kerl und seine jüngeren Brüder“, sagte einer der Polizisten. „Mein Bruder der Vergewaltiger. Mein Bruder der Brandstifter. Mein Bruder der Terrorist. Wollen Sie die Wahrheit wissen? Er hat drei Schwestern und sie sind alle älter als er.“

Im Befragungsraum sagte Ali Nassar: „Ich glaube, dass ich mich hier in einer schwierigen Situation befinde.“

Der Polizist nickte. „Ich würde sagen, Sie befinden sich in einer sehr schwierigen Situation. Aber ich kann Ihnen helfen. Sie müssen mir einfach nur sagen, was hier vor sich geht.“

Nassar schien zu einem Entschluss gekommen zu sein. Er schüttelte seinen Kopf. „Red Box ist keine Behörde. Es ist ein Programm, eine Operation. Operation Red Box. Ich wusste gar nicht, welchen Zweck sie eigentlich verfolgte. Ich wusste, was sie von mir erwarteten, das war alles. Sie wollten, dass ich ein paar Drohnen aus China kaufe. Sie haben mir aufgetragen, ein paar Dschihadisten zu bezahlen, Leute die bereit seien, für Gott zu sterben. Ich habe die Zahlungen von einem Offshore Konto vorgenommen, das sie für mich eingerichtet hatten. Es war nicht mein Konto. Ich habe diese Männer nicht angeheuert. Ich wusste bis vor zwei Tagen nicht einmal, was sie vorhatten.“

„Sie sagen immer sie, sie, sie“, sagte der Polizist. „Könnten Sie ein bisschen genauer sein? Wer sind sie?“

Ali Nassar seufzte. „Die Central Intelligence Agency. Sie haben mich beauftragt. Ein Mann von Ihrer CIA, den ich kenne.“

Alle im Raum hielten die Luft an, Luke fühlte, wie ein Ruck durch seinen Oberkörper schoss. Es fühlte sich an, als sei sein Körper aufgespießt worden. Er blickte sich nach den anderen Männern im Raum um. Alle – Polizisten, Verfassungsschutz – alle schienen verblüfft. Ein stilles Gemurmel breitete sich im Raum aus. Die CIA hat Nassar beauftragt, bei einem Anschlag auf das Weiße Haus mitzuhelfen? Die CIA?

Lukes gesamte Welt schien sich um ihn zu drehen. Wenn das wahr wäre; Luke wusste immer, ob jemand log oder die Wahrheit sprach, Nassar sagte die Wahrheit. Entweder hatte die CIA ihn wirklich beauftragt oder er war zumindest fest davon überzeugt, dass sie es getan hatten. Luke taumelte und wunderte sich, ob das stimmen konnte. Wenn es so wäre, dann erschienen alle um ihn herum in einem völlig neuen Licht. Wem könnte er dann noch trauen?

„Es war vor einem Jahr“, sagte Nassar. „Er besuchte mich in meinem Hotelzimmer in London. Zuerst nannte er es Operation Red Box. Dann einen Monat später kam er zu mir und meinte, er hätte sich geirrt, es sei nicht Operation Red Box. Wir dürften nie wieder über Operation Red Box sprechen. Wir dürften nicht einmal jemals wieder die Worte aussprechen. Aber ich habe mir den Namen gemerkt. Ich bin mir sicher, dass das der Name ist, aber ich habe keine Ahnung, was er zu bedeuten hat. Also, wenn Sie irgendwas zu Operation Red Box wissen wollen, dann fragen Sie bitte nicht mich. Fragen Sie besser ihren CIA Direktor.“

„Wer übernimmt ihn danach?“, fragte Luke. „Kümmert sich jemand um ihn?“

Einer der Leute vom Verfassungsschutz hob die Hand. „Wenn die New Yorker hier mit ihm fertig sind, werden Sie ihn uns übergeben.“

Luke nickte. „Gut. Passen Sie gut auf ihn auf.“

Er fing an Richtung Tür zu gehen.

„Wohin gehen Sie?“, fragte einer der Männer.

Luke drehte sich nicht einmal um.

„Ich fahre zurück nach Washington. Ich muss mit jemandem sprechen.“