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Koste Es Was Es Wolle

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Koste Es Was Es Wolle
Koste Es Was Es Wolle
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Kapitel 25

„Und, wie ist es dort unten gelaufen?“, fragte Ed.

Sie standen am Rand des Helikopterlandeplatzes und beobachteten wie eine Menschenmenge aus einem gerade gelandeten Helikopter kletterte und Richtung des Eingangs der Mount Weather Einrichtung lief. Luke erkannte den Repräsentanten von Vermont unter ihnen.

Er zuckte die Schultern. „Ich habe ihnen nur gesagt, was ich weiß. Sie haben brav danke gesagt und sich dazu entschlossen, mir nicht zu glauben.“

„Das klingt nach dem, was ich erwartet hätte“, sagte Ed.

„Sie wollen keinen Krieg mit Iran“, sagte Luke.

Jetzt zuckte Ed die Schultern. „Ich kann ihnen nichts vorwerfen. Krieg ist die Hölle.“

Der Signalmann auf der Landestelle winkte Luke und Ed mit orangenen Stäben zu sich hinüber und gab ihnen grünes Licht. Sie duckten sich und rannten zum Helikopter. Es gab nur einen aktiven Landeplatz an diesem Eingang und sie dirigierten alle zwei Minuten die Helikopter rein und raus.

Kaum waren Luke und Ed im Helikopter, hob er auch schon ab. Ed zog die Tür erst in sieben Metern zu. Luke ließ sich in den Sitz fallen und schloss seinen Sicherheitsgurt. Sie waren allein in einer für acht Passagiere gebauten Maschine. Viele der Regierungsmitglieder verließen Washington, DC, um nach Mount Weather zu fliegen. Kaum jemand flog zurück zur Stadt.

Er blickte auf seine Uhr. Es war 12.35 Uhr. Es waren nun schon elf Stunden, seit Don ihn angerufen hatte. Etwa dreißig Stunden war es her, dass er gestern Morgen aufgewacht war. Wenn man die wenigen Male, in denen er eingedöst war, mitzählte, hatte er seitdem wahrscheinlich dreißig Minuten geschlafen.

Sie flogen über dem ausgedehnten Bunkerkomplex. Bald lag er hinter ihnen und sie blickten auf grüne Wälder und niedrige zerklüftete Berge. Der Himmel war schwarz vor Helikoptern, die auf ihre Landegenehmigung warteten. Im Osten erkannte er eine fast ununterbrochene Schlange aus Helikoptern in der Luft, die Schlange reichte bis zum Horizont. Luke blickte sich um. Es gab dort einen Highway. Auf den Fahrbahnen Richtung Westen versanken die Autos Stoßstange an Stoßstange im Stau. Auf den Bahnen Richtung Osten sauste eine Handvoll Autos vorbei.

„Das wird eine gute Nacht für das Motel Geschäft in West Virginia“, sagte Ed.

„Pennsylvania, Maryland, North Carolina“, sagte Luke. „Ich wette, dort wird man im Umkreis von zweihundert Kilometern kein einziges freies Zimmer mehr finden.“

Ed nickte. „Und viele Leute, die in ihren Autos schlafen werden.“

Luke blickte in Eds Gesicht. Er hatte sich gewaschen, somit war zumindest er sauber. Allerdings hatte der Geheimdienst ihm ordentlich zugesetzt, Luke hatte es weniger schlimm erwischt. Vielleicht war es die Rache dafür gewesen, im Oval Office zwei ihrer Agenten niedergeschlagen zu haben. Vielleicht aber auch deshalb, weil er schwarz war. Das war schwer zu sagen. Sein zugeschwollenes Auge war jetzt geschlossen. Die vielen schwarzen Flecken, die auf seinem Kieferknochen prangten, würden bald zu blauen Flecken. Er sah erschöpft aus. Ausgelaugt.

„Ey, du siehst echt mies aus.“

Ed zuckte mit den Schultern. „Du hättest den anderen Typen sehen sollen.“

„Wirst du das als Arbeitsunfall melden?“

Ed schüttelte den Kopf. Er grinste. „Nein, ich werde wahrscheinlich dich einfach wegen rücksichtsloser Gefährdung meiner Person verklagen. Ich hoffe, du hast eine Haftpflichtversicherung.“

Luke lachte. „Viel Glück damit. Wir sind übrigens nicht mehr suspendiert. „

Ed zog die Augenbrauen nach oben. „War ich jemals suspendiert?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht warst du es, vielleicht auch nicht. Jetzt bist du es auf jeden Fall nicht mehr. Außerdem hast du einen neuen Chef.“

„Ach wirklich? Wer?“

Luke blickte auf den Highway unter ihm. Der Stau reichte, soweit das Auge blicken konnte. „Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika“, sagte er.

Kapitel 26

13.15 Uhr

McLean, Virginia – Zentrale des Spezialeinsatzkommandos

Luke hatte sich zuvor nie wirklich die Fotos von Don Morris angesehen. Die Wände in seinem Büro waren mit ihnen gepflastert. Auch hatte Luke zuvor nie in seinem Büro gestanden, ohne etwas zu tun zu haben. Normalerweise war Don da, wenn Luke hereinkam.

Die Fotos waren fantastisch. Eines der Fotos zeigte einen sehr viel jüngeren Don zusammen mit Arnold Schwarzenegger. Er zeigte dem Schauspieler eine große MK-19 Panzergranate. In einem aktuelleren überlistete er gerade Mark Wahlberg mit einem Jiu-Jitsu Move. Wahlberg war nach innen gedreht, seine Beine in der Luft, sein Kopf auf dem Weg auf die Matte. Luke wusste, dass Don gelegentlich in Hollywood arbeitete, um deren filmtechnischer Mogelei den Hauch von Realitätsnähe zu geben.

Mehr noch. Ein weiteres Foto zeigte, wie Don einen bronzenen Stern von Jimmy Carter in Empfang nahm. Dann Don in väterlicher Umarmung mit Susan Hopkins. Don, der zusammen mit dem derzeitigen Sprecher des Repräsentantenhauses in der Nähe eines Flusses stand, beide trugen Anglerkleidung. Don, der vor einem Komitee des Kongresses sprach.

Luke fühlte die Anwesenheit einer Person hinter sich.

„Hallo, Junge“, sagte Don.

„Hallo, Don. Tolle Bilder.“ Luke drehte sich zu ihm um. „Bist rumgekommen, was?“

Don durchquerte den Raum. Er trug Hemd und Hose. Seine Körpersprache signalisierte Entspanntheit, aber in seinen Augen funkelte Entschlossenheit. Er saß hinter seinem riesigen Schreibtisch und deutete auf den gegenüberliegenden Stuhl.

„Setz sich. Entspann dich ein bisschen.“

Das tat Luke.

„Die Politik…“, sagte Don, „… ist die Fortsetzung von Krieg mit anderen Mitteln. Über Connections, nur so konnte das hier überhaupt laufen. Unsere Leute machen ihre Arbeit gut, aber wenn die da oben nicht Bescheid wissen, dann bist du deinen Job los. Für die Erbsenzähler sind wir ein Einzelposten, der ungefähr so wichtig ist wie der Posten Sonstiges.“

„Okay“, sagte Luke.

„Wie ich sehen kann, hattest du Gelegenheit eine Dusche zu nehmen“, sagte Don. „Wieder taufrisch?“

Luke nickte. Die Duschen hier waren erste Klasse. Und er hatte die zwei Sets Wechselklamotten in seinem Spint gefunden, die er trotz seiner Beurlaubung hier aufbewahrt hatte. Er fühlte sich noch nicht wieder hundertprozentig hergestellt, fühlte sich aber viel besser als vorher.

„Das war knapp heute, was?“

„Es war wohl schon einmal knapper“, sagte Luke.

Don grinste. „Wie auch immer, ich bin froh, dass du nicht tot bist.“

Luke erwiderte das Grinsen. „Ich auch.“

„Sind wir noch Partner?“, fragte Don.

Luke war nicht sicher, was er darauf antworten sollte. Sie hatten so lange zusammengearbeitet. Bis zum heutigen Tage hatte es keinen Moment gegeben, in dem Luke nicht auf Dons Rückenhalt hätte zählen können. Heute aber hatte es zwei dieser Momente gegeben. Und in beiden Fällen hatte Don falsch gelegen. Don war in die eine Richtung geskatet und der Puck war mit voller Geschwindigkeit in die andere Richtung geschlittert. Wenn Luke auf Don gehört hätte, wären der Präsident, die Vize-Präsidentin und viele Menschen nicht mehr am Leben.

Es war ein tiefgreifender Wandel, so als würde man einen Eisberg von der Größe Kentuckys von der Antarktis wegbrechen und in den Ozean stürzen sehen. Es war ein spektakulärer Moment, aber die Konsequenzen waren weit folgenreicher.

Vielleicht wurde Don einfach langsam alt. Vielleicht sah er den Zusammenbruch des Spezialeinsatzkommandos an jeder Ecke lauern, diese Einheit, die er mehr als zehn Jahre lang aufgebaut hatte, und er hatte Angst. Vielleicht war der Untergang ein Wink seiner eigenen Sterblichkeit. Vielleicht trübte es sein Urteilsvermögen. Luke war bereit, alle diese Dinge zu glauben.

„Wir werden immer Partner sein“, sagte Luke.

„Gut“, sagte Don. „Hör zu! Du bist immer noch suspendiert. Mir ist es nicht gelungen, sie zu bequatschen. Sie werden die Suspendierung zurückziehen, aber das kann ein oder zwei Tage dauern, deshalb muss ich dich leider nach Hause schicken. Ist das für dich in Ordnung?“

„Don–“

„Ich würde mir darum keine allzu großen Sorgen machen, Junge. Du warst ja sowieso beurlaubt. Nach allem, was du heute geleistet hast, hast du dir ein paar freie Tage verdient. Du sieht aus wie etwas, das die Katze gerade hier reingeschleppt hat.“

„Ich habe neue Anweisungen, Don“

Dons Gesicht wurde ernst. „Unter welcher Instanz?“

Luke blickte ihm direkt in die Augen. „Die des Präsidenten. Er hat mich beauftragt, den Hinweisen von heute Morgen weiter nachzugehen und sie seinem Sicherheitsteam in Mount Weather dann mitzuteilen. Das würde ich gerne mit dem Team des Spezialeinsatzkommandos hier in die Wege leiten, aber er hat mir auch gesagt, dass ich Zugang zu Geheimdienstressourcen haben könnte, sollte das irgendwie nicht möglich sein.“

Don lächelte, aber das Lächeln erreichte seine Augen nicht. Luke fühlte einen kleinen Stich deswegen. Das Spezialeinsatzkommando stand taumelnd am Abgrund und nun beanspruchte der Präsident Dons Leute. Auch wenn Don in dieser Situation Größe zeigen musste, hier ging es nicht um Egos oder Budgets, die irgendwie den Abteilungen zugeteilt werden mussten. Hier ging es darum, einen Job zu erledigen.

Don blickte auf seine Schreibtischplatte. „Nun, wenn der Präsident das so angeordnet hat, weiß ich nicht wie ich da nein sagen könnte. Oder wie der Leiter des FBI das könnte. Bis auf weiteres steht alles zu deiner Verfügung, was du brauchst.“

*

Trudy Wellingtons körperloser Kopf erschien auf dem Flachbildschirm an der Wand.

Luke, Ed Newsam, Don Morris und ein halbes Duzend Mitglieder des Spezialeinsatzkommandos saßen im Konferenzraum. Echte Nahrung lag auf dem schwarzen Tisch verteilt – Sandwiches aus dem Delikatessengeschäft in einem Kilometer Entfernung. Luke hatte sich ein Pumpernickel Sandwich mit Corned Beef und Sauerkraut geangelt.

 

Er blickte zu Ed. Ed hatte auch geduscht und sich neue Klamotten angezogen. Er trug jetzt einen schwarzen Jumpsuit des Spezialeinsatzkommandos. Er hielt ein Kühlpaket auf sein Auge. Er hatte bereits zwei Sandwiches verschlungen, vor ihm stand eine große Tasse Kaffee. Die Tasse war schwarz mit roten Buchstaben: TREIBSTOFF. Ed sah wach, kolossal, hervorragend aus – ein anderer Mensch, als der vor einer halben Stunde. Von dem zerschmetterten Gesicht und dem geschwollenen Auge abgesehen, war er der Mann, den Luke heute Morgen kennengelernt hatte.

„Könnt ihr mich hören?“, fragte Trudy.

„Ausgezeichnet“, sagte Don.

„Ist die Videoqualität okay?“

„Ich denke schon. Ist Swann bei euch?“

„Er sitzt hinter mir. Er hat sich um die Datenübermittlung gekümmert.“

„Gut“, sagte Don. „Was hast du Neues für uns?“

„Hier herrscht Chaos“, sagte Trudy. „Die Nationalgarde ist ausgerückt. Jedes einzelne Fahrzeug, an jeder Brücke und an jedem Tunnel aus Manhattan raus, wird durchsucht. Der Verkehr ist überall kollabiert. Zwei Trucks entfernen geparkte Autos, um die Fahrbahn für die Notfalleinsatzwagen frei zu räumen. Die Polizei hat die U- und S-Bahnen gesichert. Nur ein Eingang und ein Ausgang ist an jeder U-Bahn Station offen und alle dortigen Personen werden durchsucht. Jede Tasche muss geöffnet werden. Die Schlangen sind mehrere Straßen lang. Die Massen am Times Square sind so groß geworden, dass die Polizei die U-Bahn dort schließen und den Platz räumen musste. Mindestens zehntausend Menschen sind auf dem Weg nach Norden in den Central Park. Vandalismus greift dort um sich, vor allem zerschlagene Ladenfenster.“

„Was noch?“, fragte Don.

„In diesem Moment verlassen hunderttausende Menschen Manhattan über die Brücken Brooklyn, Manhattan, Williamsburg, Neunundfünfzigste Straße, hundertachtunddreißigste Straße und George Washington. Es wirkt wie ein zweiter Elfter September. Die meisten Menschen sind ruhig, es ist gar nicht auszudenken, wie es dort aussehen würde, wenn der Anschlag hier verübt worden wäre.“

„Habt ihr was Neues von dem Wäschereilieferwagen?“, fragte Luke. „Wir wissen nicht, welche radioaktiven Materialen bei dem Anschlag auf das Weiße Hause benutzt wurden. Da das Auto immer noch nicht gefunden wurde, besteht immer noch die Gefahr eines zweiten Anschlags.“

„Wir sind dran“, sagte Trudy. „Eldrick Thomas, ihr erinnert euch mit Sicherheit an ihn. Er wurde auf einem Parkplatz in der Nähe des Hafens von Baltimore gefunden. Der Platz befindet sich direkt der Ausfahrt I-95. Ein Dreh- und Angelpunkt für Prostitution und Drogenhandel, deshalb hat die Polizei von Baltimore Sicherheitskameras an den Ein- und Ausfahrten zum Parkplatz installiert. Die eine Kamera, die sich am Eingang des Parkplatzes befindet, wurde unschädlich gemacht, wahrscheinlich genau von denjenigen, die sie überwachen sollte. Die andere Kamera funktioniert jedoch. Swann, kannst du die Videos hochladen?“

Der Bildschirm teilte sich in zwei. Auf der linken Seite schaute Trudy nach etwas, das man in der Kamera nicht sehen konnte. Auf der rechten Seite erschien verpixeltes Videomaterial. Es zeigte eine vierspurige Fahrbahn an einer Ampel. Die Straße war leer.

„Wir haben das erst vor einer halben Stunde reinbekommen“, sagte Trudy. „Aus irgendwelchen Gründen hat die Polizei aus Baltimore das Material nur zögernd herausgerückt. Ich dachte schon, dass wir zum Bundesgericht gehen müssen.“

Sie sahen, wie ein weißer Lieferwagen auf dem Bildschirm auftauchte. Das Logo auf der Seite des Wagens war gut erkennbar. Dun-Rite Wäscherei. Der Wagen bog rechts ab, sodass er direkt auf die Kamera zufuhr.

„Okay, Swann, halt hier an“, sagte Trudy. „Hier kann man das Nummernschild sehen. Es ist verschwommen, aber wir konnten es identifizieren. Ein New Yorker Geschäftskennzeichen, AN1-2NL. Das sind die selben Kennzeichen die sie auch in der Nähe des Center Medical Center benutzt haben. Jetzt hier, sie verlassen den Parkplatz.“

Das Video sprang und der Wagen verschwand. Einen Moment später tauchte er wieder auf, dieses Mal mit der Rückseite zur Kamera. Luke konnte einen orangen Schimmer ausmachen, wo das Nummernschild sein musste.

„Das ist zwanzig Minuten später“, sagte Trudy. „Seht ihr das Kennzeichen? Ein New Yorker Anwohnerkennzeichen, 10G-4PQ. Jetzt schaut, der Wagen biegt links auf den Highway ab. Und? Das Wäschereilogo ist weg. Sehr clever.“

„Was werden wir mit diesem Wissen anfangen?“, fragte Luke.

„Die örtliche Polizei hat im fünfhundert Meilen Radius einen Fahndungsaufruf gestartet. Die Helikopter der Polizei von Maryland und Virginia sind in der Luft und suchen mit den Bilder von dem Video nach weißen Lieferwagen auf den Straßen.“

„Was, wenn sie es irgendwo untergestellt haben?“, fragte Ed.

Trudy schüttelte den Kopf. „Das ist egal. Das Überwachungsmaterial der letzten acht Stunden, das alle Ampeln in Maryland und Virginia abdeckt, wurde an eine Firma in Indien ausgesourct. Vierhundert Leute in Dehli schauen sich gerade das Videomaterial mit nur einem Ziel an: weiße Lieferwagen zu finden und den mit dem orangen New Yorker Nummernschild 10G-4PQ herauszufiltern. Boni werden an die Arbeiter und Firma, je nach dem wie schnell sie den Wagen finden, ausgegeben und nicht wie viele Arbeitsstunden sie daran sitzen. Irgendjemand wird diesen Wagen sehr bald finden und wenn sie ihn einmal haben, wird es ein Leichtes sein, seinen Weg nachzuvollziehen.“

„Wer auch immer in diesem Wagen sitzt, muss völlig am Rad drehen“, sagte Luke. „Sie haben bereits zwei ihrer Leute verloren. Wenn sie merken, dass wir ihnen auf die Schliche kommen, werden sie sich selbst in die Luft sprengen. Wenn der Wagen gefunden wird, will ich, dass wir als Spezialeinsatzkommando vor Ort sind. Wir brauchen sie lebendig.“

„Wir geben unser Bestes“, sagte Trudy. „Aber wir mussten andere bereits einweihen. Fünfzig Polizeieinsatzkräfte wissen Bescheid und ein dutzend Geheimdiensteinheiten. Hätten wir es für uns behalten, wäre die Gefahr, sie niemals zu finden, sehr groß gewesen.“

„Das verstehe ich“, sagte Luke. „Aber wenn wir den Little Bird nehmen, können wir überall innerhalb kürzester Zeit sein. Gib uns einfach ein bisschen Vorlauf.“

„Das werde ich tun“, sagte sie.

„Jetzt zu Ali Nassar.“

„Dazu musst du mit Swann reden.“

Trudy verschwand und Mark Swanns Gesicht tauchte auf. „Luke, wir haben drei Leute geschickt, um Nassar aus seiner Wohnung zu holen. Leider kamen sie einige Minuten zu spät. Als sie ankamen, hatte Nassar bereits die Wohnung in Begleitung eines von Iran gesandten Sicherheitsteams verlassen. Sie waren bewaffnet, haben ihre Waffen gezeigt. Wir wollten keinen Schusswechsel auf offener Straße riskieren und offen gesagt unsere Leute waren nicht nur in der Unterzahl, sondern auch weniger schwer bewaffnet.“

„Wohin sind sie gefahren?“

„Das war noch, bevor das Weiße Haus angegriffen wurde, der Verkehr war also kein Problem. Sie sind ins Zentrum gefahren und haben Nassar in die iranische Vertretung auf der Fifth Avenue gebracht. Da kommt man nicht rein. Es bedürfte einer Armee und einiger Verluste, um da rein zu kommen und ihn rauszuholen. Angesichts der Kriegserklärung werden wir keine Anstrengungen unternehmen und selbst wenn, würden wir ihn wahrscheinlich nicht lebendig da rausbekommen.“

„Scheiße“, sagte Luke.

„Nicht ärgern“, sagte Luke. „der CIA ist es gelungen über zweihundert Abhörgeräte im Laufe der letzten Jahre dort zu installieren. Elf davon sind noch funktionstüchtig. Es ist ein großes Gebäude, aber Nassars Stimme wurde auf mindestens zwei Geräten bereits ausgemacht. Sie haben sich ziemlich heftig gestritten, als sie ihn dort hingebracht haben. Alles in Farsi, also nicht besonders hilfreich, aber die CIA hat Übersetzer und meine Langley Verbindung hat es mir ermöglicht, die wichtigsten Information rauszuziehen. Sie werden versuchen, ihn aus dem Land zu schmuggeln, möglicherweise schon heute.“

„Wie wollen sie das anstellen? Alle Flugzeuge sind auf dem Boden.“

Swann hob einen Finger. „Alle kommerziellen Flüge sind auf dem Boden. Privatflüge gehen nach wie vor. Ein vollgetankter Privatjet steht abflugbereit am Kennedy Flughafen. Die iranische Vertretung ist nur wenige Straßen vom Midtown Tunnel entfernt. Falls und wenn der Verkehr sich auflöst, müssen sie nur durch den Tunnel auf die Van Wyck Schnellstraße und runter zum Kennedy.“

„Können wir ihn festnehmen, wenn er rauskommt?“

Swann zuckte die Schultern. „Die New Yorker Polizei und der Verfassungsschutz kooperieren nicht. Ich glaube Begley ist sauer, weil du Recht hattest. Er sägt gerade an dem Ast, auf dem er sitzt. Wir könnten Nassar festnehmen, wenn wir zu einem Kampf bereit sind und er nicht in irgendeiner Verkleidung rauskommt oder in irgendeiner Verpackung, die dann im Auto verladen wird.“

„Ich will, dass alle Ausgänge der Vertretung beobachtet werden“, sagte Luke. „Wir dürfen ihn nicht entkommen lassen, auch wenn das bedeuten sollte, dass wir…“

„Luke? Luke?“ Trudys Stimme drang aus dem Hintergrund, ohne dass sie ihr Gesicht sehen konnten. „Luke, wir haben gerade neue Informationen zu dem Lieferwagen reinbekommen. Er wurde gefunden. Sie haben ihn bis auf einen Schrottplatz im Nordosten DCs verfolgt. Er parkt. Wir werden Satellitenaufnahmen in etwa dreißig Sekunden haben.“

Luke stand bereits. Er blickte zu Ed Newsams Stuhl. Newsam war nicht mehr dort. Luke blickte zur Tür des Konferenzraumes. Ed stand in der Tür und hielt sie offen.

„Ich warte auf dich“, sagte Ed.

Luke blickte sich im Konferenzraum um. Don saß kerzengerade in seinem Stuhl und starrte geradeaus.

„Don?“

Er nickte.

„Geht.“

Kapitel 27

13.45 Uhr

Ivy City – Nordosten Washington, DC

Der Mann war wie ein Geist.

Er hatte keinen Namen. Er hatte keine Familie. Keinen Personalausweis. Wenn jemand seine Fingerabdrücke genommen hätte, dann wären sie in keinem Straf- oder Militärregister aufgetaucht. Er hatte eine Vergangenheit, natürlich hatte er die, aber die hatte keinerlei Bedeutung mehr. Er hatte mit seinem alten Leben abgeschlossen, er hatte mit dem Mann gebrochen, der dieses Leben so maßgeblich bestimmt hatte. Jetzt lebte er in einer scheinbar niemals endenden Gegenwart. Die Gegenwart hatte ihre Vorzüge.

Er lag auf dem Bauch auf dem Dach eines verlassenen dreistöckigen Gebäudes, er und sein THOR M408 Gewehr. Für ihn war es Mighty THOR, mit dem er mittlerweile eins geworden war. Er schenkte dem Gewehr ein Leben. Und das Gewehr wurde zum Ausdruck seiner Kreativität.

Um ihn herum türmte sich aussortierter Müll auf dem Dach. Kleidung, Kartons, eine alte Mikrowelle, ein kaputter Schwarz-Weiß-Fernseher. Ein alter Einkaufswagen stand dort sowie eine Antriebsstange, die wohl einmal ein Kleinlastwagen gewesen war. Warum wohl jemand sie hier heraufgebracht hatte…

Es war Zeitverschwendung darüber nachzudenken.

Das Gebäude, so zerfallen es war, war erst kürzlich geräumt worden. Zwangsweise. Bis heute Morgen war es das Zuhause von acht Heroinabhängigen gewesen, die nachts hier Zuflucht genommen hatten. Ihre fleckigen Matratzen, ihre zurückgelassene Kleidung, die dreckigen Nadeln und ihre jämmerlichen Habseligkeiten lagen verstreut in den verschiedenen Räumen des Gebäudes. Ihre hirnlosen Graffitis bedeckten die Wände und das Treppenhaus. Der Mann hatte sie alle durchquert auf seinem Weg nach oben. Es war recht spektakulär.

Die Junkies waren noch vor Sonnenaufgang ohne großen Lärm gefasst und entfernt worden. Der Mann hatte keine Ahnung, was mit ihnen geschehen würde und es war ihm auch egal. Sie standen ihm im Weg, also mussten sie weg. Sie täten wohl jedem, sich selbst eingeschlossen, einen Gefallen, wenn man sie einfach umbrächte.

Der Mann atmete tief durch und schloss für ein paar Sekunden die Augen. Als er sie wieder öffnete, peilte er erneut sein Ziel an. Er lag unter den Überresten einer alten grünen Plane von der Art, die Leute benutzen, um den Regen von ihrem Hof abzuschirmen. Der riesige Schalldämpfer seines Gewehrs war von außen das einzig sichtbare Zeichen seiner Gegenwart. Ja, er war sich ziemlich sicher, dass niemand ihn sehen konnte. Niemand würde den Schuss hören, wenn er abfeuerte.

Er zielte auf die vordere Beifahrertür eines weißen Lieferwagens, der zwei Gassen entfernt auf einem Schrottplatz parkte. Die mächtige Reichweite des Gewehrs ermöglichte ihm, die Tür des Lieferwagens aus scheinbar wenigen Zentimeter Nähe zu sehen. Der Mann hätte den Schuss am liebsten gleich abgefeuert, aber die Sonne blendete ihn und erschwerte den Blick durch das Fenster. Außerdem hatte er Anweisungen zu warten, bis sich die Tür öffnete und die Person nach draußen trat.

 

Das war alles. Warten, bis sich die Tür öffnet und der Mann rauskommt. Einen Kopfschuss. Mighty THOR auseinanderbauen. Unter der Plane hervorschlüpfen und die Treppen zur Straße runterlaufen. Ein unauffälliger Wagen würde dort vor dem Gebäude auf ihn warten. Auf den Beifahrersitz gleiten und sich von jemandem den er nie zuvor gesehen hatte davonfahren lassen.

Dabei war es mehr als nur das, ein betrunkener Landstreicher würde auf den Schrottplatz wandern, um sich zu erleichtern und dabei jegliche Telefone oder anderen verfolgbaren Geräte entfernen. Aber das war nicht seine Aufgabe und er hatte sonst keine Ahnung, was es mit dem Landstreicher auf sich hatte. Die Straßen hier waren voll von zerlumpten Pennern, die zu viel Wein und Bier getrunken hatten. Es hätte jeder von ihnen sein können.

Der Mann auf dem Dach war kein Landstreicher. Er trug die braune Uniform eines Elektrikers, und wenn er das Gebäude verließ, würde er einen Werkzeugkasten tragen. Niemand würde sich über ihn wundern. Er wäre ein vom nicht anwesenden Hausbesitzer angestellter Elektriker, der ein paar kleinere Probleme in dem Haus repariert hatte.

Jetzt wartete er. Und er beobachtete die Tür des Lieferwagens.

*

Nichts hatte mehr Sinn.

Ezatullah Sadeh saß auf dem Beifahrersitz des weißen Lieferwagens. Er war gerade aus einem mit Alpträumen gefüllten Fiebertraum aufgewacht. Sein Körper und seine Kleidung waren schweißnass.

Er zitterte, obwohl er wusste, dass es ein warmer Tag sein musste. Er hatte sich kurz zuvor übergeben, jetzt aber schien es zu gehen. Er blickte auf sein Handy und sah, dass es schon spät am Nachmittag war. Er sah auch, dass niemand ihn versucht hatte zu erreichen.

Das Vertrauen, auf das er heute Morgen noch hatte bauen können, hatte sich schon vor mehreren Stunden verflüchtigt. Es war durch Verwirrung ersetzt worden. Sie parkten in einem Drecksloch, das hauptsächlich aus mit Gras überwachsenen alten Autos und Müll bestand. Vor den Toren des Schrottplatzes erstreckte sich ein Slum. Es war eine typische amerikanische Zementlandschaft, trostlose wahllos zusammengewürfelte Läden, Menschenmengen bestehend aus Frauen, die Plastiktüten trugen und am Bahnhofskiosk warteten, betrunkene Männer, die mit Bierdosen in braunen Papiertüten an den Straßenecken standen. Er konnte den Lärm aus der Nachbarschaft von hier aus hören: Autolärm, Musik, Gezänk und Gelächter.

Die letzte Anweisung die er erhalten hatte war, zu diesem Platz hier zu kommen. Das war heute früh gewesen, in Baltimore, kurz bevor sie Eldrick verloren hatten. Ezatullah hatte nie vollends an Eldricks Hingabe an Allah geglaubt und es war ihm schwer gefallen, ihn bei seinem islamischen Namen Malik zu rufen. Damals hatte es ihm leid getan, dass Eldrick kurz vor dem Erreichen des Paradieses Panik bekommen hatte und weggelaufen war. Aber jetzt…

Jetzt war sich Ezatullah nicht mehr so sicher.

Als sie hier angekommen waren, hatten sie das Tor verschlossen vorgefunden. Niemand hatte ihm gesagt, dass das der Fall hätte sein können. Sie hatten die Kette mit einem Bolzen aufschneiden müssen. Sie beide, er und Mohammar, waren so schwach gewesen, dass sie es fast nicht fertig gebracht hatten. Sie waren hineingefahren, hatten den Wagen zwischen zwei schrottreifen Autos geparkt und hatten angefangen zu warten. Stunden später warteten sie immer noch. Eigentlich warten „sie“ nicht mehr. Mohammar war irgendwann heute Morgen gestorben. Ezatullah hatte jegliches Zeitgefühl eingebüßt, aber kurz nach Sonnenaufgang hatte er sich zu Mohammar gedreht, um ihm etwas zu sagen. Doch Mohammar hatte nicht mehr zugehört. Er war gestorben und saß doch ganz gerade noch auf der Fahrerseite. Er war der letzte, der übrig war. Er ging davon aus, dass Eldrick in den Büschen gestorben war, somit waren alle seine Männer tot, die gesamte Zelle, alle waren sie tot.

Ezatullah hatte dem Auftraggeber Mohammars Tod mitgeteilt, aber natürlich hatte niemand darauf reagiert. Er seufzte bei dem Gedanken daran. Er hoffte, dass Mohammars Opfer Allah gefallen würde. Mohammar war noch keine zwanzig Jahre alt gewesen und auch wenn er sehr intelligent gewesen war, so war er in vielerlei Hinsicht noch ein Kind.

Ezatullah schlug frustriert mit der Faust auf das Armaturenbrett. Der Schlag war schwach. Sein Name bedeutete „Lob sei Gott“ und er hatte gewollt, dass diese Operation ein großartiges Vermächtnis für ihn sein würde, die öffentliche Zurschaustellung seines Glaubens. Das würde nun niemals der Fall sein.

Der Angriff hatte ohne ihre Beteiligung stattgefunden. Er hatte die Nachrichten über die Explosion des Weißen Hauses auf seinem Handy gesehen. Das bedeutete wohl, dass er und seine Gruppe die ganze Zeit nichts als Lockvögel gewesen waren. Niemand hatte von ihnen erwartet den Anschlag auszuführen. Sie waren hierher gelockt und Stich gelassen worden. Es war unerträglich, sich das klar zu machen. Ezatullah hatte sich selbst immer als wertvolle Bereicherung bei Einsätzen empfunden. Doch hatte er lernen müssen, dass er hier als bloße Schachfigur benutzt und verpfändet worden war.

Und der Anschlag war, wenn auch spektakulär, größtenteils eine Niederlage gewesen. Eine Handvoll unbedeutender Leute war dabei gestorben und der Präsident war ohne eine Schramme davongekommen. Sie hätten Ezatullah vertrauen sollen. Er hätte den Job richtig erledigt. Er schüttelte den Kopf beim Gedanken an diese Dummheit.

Plötzlich zeigte sein Handy den Empfang einer Nachricht an.

Wir sind stolz. Du hast dich großartig geschlagen, alles wird dir bald klar erscheinen. Grünes Auto wartet auf der Straße. Komm, Mudschaheddin.

Ezatullah starrte auf die Nachricht. Es war nach all den Stunden kaum zu glauben. Wenn das stimmte, dann hatten sie ihn nicht betrogen. Jetzt, nachdem der Auftrag abgeschlossen war, hatten sie jemanden gesandt, um ihn zu retten und nach Hause zu bringen.

Aber er zögerte. Konnte er ihnen trauen?

Es war durchaus möglich, dachte er. Natürlich würden ihm die Auftraggeber nicht jede Einzelheit des Anschlags mitteilen. Er durfte das große Ganze nicht sehen. Es war eine gefährliche und schwierige Operation, die viele Leute involviert hatte. Die anderen mussten beschützt werden. Wenn Ezatullah gefasst worden wäre, hätte er selbst unter der Folter der CIA nichts preisgeben können, weil er schlichtweg nichts gewusst hätte. Er hatte Geld eingestrichen, er wusste nicht von wem. Er hatte Anweisungen bekommen, er wusste nicht von wem. Er hatte ein Ziel, das sich mehrere Male geändert hatte, und er wusste nicht warum.

„Steh auf“, sagte er zu sich selbst. „Steh auf und geh zu ihnen.“

Er würde hier rauskommen. Er musste nur die Tür öffnen und auf die Straße stolpern. Er war krank, ja, aber sie könnten ihn retten. Sie waren hier in den Vereinigten Staaten. Eine der inoffiziellen und geheimen Kliniken, in der approbationslose Ärzte praktizierten, wäre immer noch eine Außenstelle glanzvoller Modernität im Vergleich zu dem, was in vielen anderen Ländern verfügbar war.

Okay. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Er würde leben, um an einem anderen Tag kämpfen zu können. Sein großes Statement würde er an einem anderen Tag machen, in einer anderen Schlacht.

Er entriegelte die Tür und stieß sie auf. Er war überrascht, wie einfach sie aufschwang. Vielleicht hatte er mehr Kraft als er geglaubt hatte. Er blickte ein letztes Mal zu dem jungen Mohammar.

„Mach’s gut, mein Freund“, sagte er. „Du warst tapfer.“

Irgendwo in nächster Nähe hörte er Sirenen heulen. Sie kamen näher. Vielleicht hatte es einen anderen Anschlag gegeben oder vielleicht war es bloß ein ganz normaler Tag in einem furchtbaren Viertel. Ezatullah drehte seinen Körper und glitt aus dem Wagen. Seine Füße traten in den Dreck des Parkplatzes und er musste feststellen, dass seine Beine recht wacklig waren, trotzdem konnte er stehen. Er tat versuchsweise einen Schritt, dann eine zweiten. Gelobt sei Allah, er konnte laufen.

Er schlug die Wagentür hinter sich zu und atmete tief durch. Das Letzte, was er sah, war der blaue Himmel und das grelle Sonnenlicht eines warmen Junitages.