Lockruf des Goldes

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Lockruf des Goldes
Lockruf des Goldes
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Czyta Eberhard Kiebel, Hans Kahlert, Henry Kielmann, Konrad Halver, Richard Reissmann, Werner Cartano
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Mac Donald lächelte wohlwollend. »Ich ›bringe‹ noch zweitausend. Daylight. Wie steht es mit deiner Chance, Jack?«

»Immer noch da, Mac. Ihr habt mich jetzt fest, aber es ist ne Chance von der richtigen Sorte, und es ist meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, nicht lockerzulassen. Ich ›bringe‹ dreitausend. Und zudem hab' ich noch eine Chance: Daylight muß ja auch ›bringen‹.«

»Aber sicher«, stimmte Daylight zu, nachdem Campbell seine Karten hingeworfen hatte. »Er weiß, wann es darauf ankommt und spielt danach. Ich ›bringe‹ die zweitausend, und dann wollen wir kaufen.«

Und in der Totenstille, die nur von den leisen Stimmen der drei Spieler unterbrochen wurde, kauften sie. Vierunddreißigtausend Dollar lagen schon im Pot. und das Spiel war vielleicht noch nicht halb zu Ende. Zum Erstaunen der Jungfrau behielt Daylight seine drei Damen, warf seine Achten und zog zwei neue Karten. Und diesmal wagte nicht einmal sie zu sehen, was er gekauft hatte. Sie kannte die Grenzen ihrer Selbstbeherrschung. Auch er sah nicht nach. Die beiden neuen Karten lagen mit der Bildseite nach unten auf dem Tische, wie er sie bekommen hatte.

»Karten?« fragte Kearns MacDonald.

»Hab' genug«, war die Antwort.

»Du kannst kaufen, wenn du willst.«

»Danke, ich hab' genug.«

Kearns kaufte selbst zwei Karten, sah sie sich aber nicht an. Harnish ließ seine Karten immer noch auf dem Tisch liegen.

»Ich wette nie gegen eine Karte, die nicht zugekauft ist«, sagte er langsam und sah den Wirt an.

»Los Mac!«

Mac Donald zählte seine Karten sorgfältig, um sich noch einmal zu vergewissern, daß sie nicht schlecht waren, schrieb eine Summe auf ein Stück Papier und legte es mit der einfachen Bemerkung »Fünftausend« in den Pot.

Kearns, auf den sich jetzt alle Augen richteten, sah auf seine beiden zuletzt gezogenen Karten, zählte die drei anderen, um jeden Zweifel auszuschließen, daß er nicht mehr als fünf Karten hätte, und schrieb auch etwas auf.

»Ich ›bringe‹, Mac,« sagte er, »und noch ein kleines Tausend, nur damit Daylight weitergehen kann.«

Die Aufmerksamkeit sammelte sich wieder um Daylight. Er untersuchte ebenfalls seine Karten und zählte seine fünf Karten.

»Ich ›bringe‹ die sechstausend und noch fünftausend ... nur um zu versuchen, dich rauszubringen, Jack.«

»Und ich setze fünftausend, um dir dabei zu helfen«, meinte MacDonald.

Seine Stimme war ein ganz klein wenig heiser und angestrengt, und ein nervöses Zittern um die Mundwinkel begleitete seine Worte.

Kearns war blaß, und die Zuschauer bemerkten, daß seine Hand zitterte, als er den Gutschein schrieb. Seine Stimme war jedoch unverändert.

»Ich halte die fünftausend«, sagte er.

Jetzt war Daylight wieder an der Reihe. Das Licht der von der Decke herabhängenden Petroleumlampen spielte in den Schweißtropfen auf seiner Stirn. Die Bronzefarbe seiner Wangen war durch das emporsteigende Blut dunkler geworden. Seine schwarzen Augen funkelten, und seine Nasenflügel bebten vor Erregung. Gerade sie bezeugten seine Abstammung von Wilden, deren Rasse sich dank ihrer tiefen Lungen und üppigen Luftzufuhr erhalten hatte.

Doch im Gegensatz zu MacDonald war seine Stimme fest wie immer, und seine Hand zitterte nicht wie die Kearns, als er schrieb.

»Ich ›bringe‹ zehntausend«, sagte er. »Ich bin nicht bange vor dir, Mac, es ist wegen Jacks Chance.«

»Ich setze nun gerade fünftausend gegen diese Chance«, sagte MacDonald. »Ich hatte die beste Karte, ehe wir kauften, und ich nehme an, daß ich sie noch immer habe.«

»Es kommt ja vor, daß eine Chance nach dem Kaufen besser ist als vorher«, bemerkte Kearns. »Und da sagt mir die Pflicht: Immer 'ran, Jack, immer 'ran, und ich sage: noch fünftausend.«

Daylight legte sich zurück und betrachtete sich die Petroleumlampe, während er laut rechnete.

»Ich habe neuntausend gesetzt, ehe gekauft wurde, und ich habe elftausend ›gebracht‹ und erhöht – das macht dreißig. Ich bin nur noch für zehn gut.« Er beugte sich vor und sah Kearns an. »Also ich ›bringe‹ die zehntausend.«

»Du kannst gut höher hineingehen«, antwortete Kearns. »Deine Hunde rechnen gut für fünf.«

»Nicht einen Hund. Du kannst all meinen Goldstaub und das andere Zeug gewinnen, aber nicht einen von meinen Hunden. Ich ›bringe‹ nur.«

MacDonald bedachte sich lange. Keiner rührte sich oder flüsterte. Kein Muskel erschlaffte in den Gesichtern der Zuschauer. Nicht einer trat auch nur von einem Fuß auf den andern. Es herrschte feierliches Schweigen. Nichts war zu hören als das Prasseln in dem großen Ofen und das Heulen der Hunde, das gedämpft durch die Holzwände hereintönte. Nicht jede Nacht wurde am Yukon so hoch gespielt, und dieses Spiel war das höchste, das die Geschichte des Landes aufzuweisen hatte. Endlich sagte der Wirt:

»Wenn einer von euch gewinnt, muß ich eine Hypothek auf das Tivoli nehmen.«

Die beiden anderen Spieler nickten.

»Dann ›bringe‹ ich auch.«

MacDonald fügte seinen Gutschein über fünftausend zu den anderen.

Nicht einer von ihnen forderte den Pot für sich, und nicht einer nannte seine Karte. Gleichzeitig legten sie ihre Karten offen auf den Tisch, während die Zuschauer auf den Zehenspitzen standen und sich die Hälse ausreckten, um besser zu sehen.

Daylight hatte vier Damen und ein As; MacDonald vier Buben und ein As; und Kearns vier Könige und eine Drei. Kearns langte aus und zog den Pot zu sich, aber sein Arm zitterte dabei.

Daylight nahm sein As, warf es neben das Mac Donalds und sagte:

»Das hat mich die ganze Zeit hochgehalten, Mac. Ich wußte, daß nur die Könige mich schlagen konnten, und richtig, er hatte sie.«

»Was hattest du denn?« wandte er sich eifrig an Campbell.

»Flush royal von beiden Enden zu kaufen – eine gute Karte.«

»Das sollte ich meinen! Du hättest einen ›straight‹ einen ›straight flush‹ oder einen gewöhnlichen ›flush‹ bekommen können.«

»Das Rausgehen kostet mich sechstausend«, meinte Campbell betrübt.

»Ich wünschte, du hättest gekauft«, lachte Daylight, »dann hätte ich nicht die vierte Dame gekriegt. Nun muß ich Billy Rawlins Post besorgen und machen, daß ich nach Dyea komme. – Wie groß ist die Beute, Jack?«

Kearns versuchte den Pot zu zählen, war aber zu erregt. Daylight zog ihn zu sich herüber, sortierte Chips und Gutscheine und rechnete ruhig zusammen. »Hundertsiebenundzwanzigtausend!« meldete er.

»Jetzt kannst du Ausverkauf halten und nach Hause reisen, Jack.«

Der Gewinner lächelte und nickte, konnte aber kein Wort herausbringen.

»Ich möchte etwas zu trinken bestellen,« sagte Mac Donald, »die Bude gehört mir nun nicht mehr.«

»Doch!« antwortete Kearns, nachdem er seine Lippen mit der Zunge angefeuchtet hatte. »Deine Gutscheine gelten, solange du willst. Aber für Getränke zu sorgen ist meine Sache.«

»Sagt, was ihr haben wollt, Leute – der Gewinner bezahlt!« rief Daylight den Umstehenden laut zu, und zugleich erhob er sich und faßte die Jungfrau am Arm. »Kommt alle mit, wir tanzen einen Reel. Es ist noch früh am Tage, und morgen muß ich mit der Post los. He, Rawlins – ich verpflichte mich, die Post hin und zurück zu besorgen, und morgen früh um neun geht's los – savvy? Alle her! Wo ist die Musik?«

Es war Daylights Nacht. Er war der Mittelpunkt, das Haupt der Lustbarkeit, unersättlich in seiner Laune, ein Ansteckungsherd von Frohsinn. Er vervielfältigte sich und damit den Trubel. Kein Streich, den er vorschlug, war zu ausgelassen für sein Gefolge, und ihm folgten alle bis auf die, die als singende Idioten auf dem Schlachtfeld blieben. Aber nie kam es zu Ausschreitungen. Es war am Yukon bekannt, daß an den Abenden, wenn Burning Daylight losgelassen war, Zank und Streit verpönt waren. Früher war es wohl einmal vorgekommen, aber da hatten die Leute zu spüren bekommen, was wahrer Zorn war, und zwar auf eine Weise, wie nur Burning Daylight es verstand. Wenn er Feste gab, mußten die Leute lachen und froh sein oder nach Hause gehen.

Daylight war unermüdlich. In einer Tanzpause bezahlte er Kearns die zwanzigtausend in Goldstaub und übertrug ihm seine Rechte auf Moosehide. Den Postkontrakt mit Billy Rawlins ordnete er ebenfalls und traf seine Vorbereitungen zur Abreise. Er schickte nach Kama, seinem Hundetreiber, einem Tananaw-Indianer, der seinen Stamm verlassen hatte, um in die Dienste der Weißen zu treten. Kama betrat das Tivoli, groß, mager, muskulös, in Felle gekleidet, ein Auserwählter seiner barbarischen Rasse, und doch selbst ein Barbar, der sich durch die ihn umtobenden Gäste nicht stören ließ, als Daylight ihm seine Befehle erteilte.

»Hm«, sagte Kama und zählte seine Aufträge an den Fingern her. »Briefe bei Rawlins abholen. Schlitten aufladen. Proviant bis Selkirk – du meinst viel Hundefutter, halten in Selkirk?«

»Viel Hundefutter, Kama.«

»Hm. Schlitten um neun Uhr herbringen. Schneeschuhe bringen. Kein Zelt bringen. Vielleicht das kleine Zelt bringen?«

»Nein, kein Zelt«, antwortete Daylight entschieden.

»Hm, sehr kalt.«

»Wir reisen mit leichtem Gepäck – savvy? Wir bringen viele Briefe hin, viele zurück. Du bist ein starker Mann. Sehr kalt, lange Reise – schön!«

»Ja, schön«, beschied Kama sich. »Sehr kalt, schert sich den Teufel drum. Fertig um neun Uhr.«

Er wandte sich auf den Hacken der Mokassins um und schritt hinaus, unerschütterlich, gleich einer Sphinx, ohne zu grüßen, ohne nach rechts oder links zu schauen. Die Jungfrau zog Daylight in eine Ecke »Hör', Daylight,« sagte sie leise, »du bist fertig.«

»Bis auf den letzten Cent.«

»Ich hab' achttausend in Macs Geldschrank« – begann sie.

 

Aber Daylight unterbrach sie. Die Schürzenbänder waren drohend nahe, und er schlug aus wie ein Füllen, das den Sattel spürt.

»Macht nichts,« sagte er, »so wie ich jetzt bin, bin ich auf die Welt gekommen, und so bin ich seither die meiste Zeit gewesen. Komm, laß uns tanzen.«

»Aber hör' doch,« fuhr sie fort, »mein Geld arbeitet nicht. Ich möchte es dir leihen – um Proviant zu kaufen«, fügte sie schnell hinzu, als sie die Alarmzeichen auf seinem Gesicht bemerkte.

»Mich braucht niemand zu verproviantieren«, war die Antwort. »Ich sorge selbst für mich, und mache ich dann mal einen Treffer, dann bin ich sicher, daß mir auch alles gehört. Nein, ich danke dir, Mädel. Es ist sehr nett von dir. Ich verschaffe mir meinen Proviant, indem ich die Post hin und zurück fahre.«

»Daylight«, murmelte sie vorwurfsvoll.

Aber in einer plötzlichen Aufwallung zog er sie in den Tanzsaal, und während er sie im Walzer herumschwang, grübelte sie über die Hartnäckigkeit des Mannes, der sie in seinen Armen hielt und all ihrer List widerstand.

Um sechs Uhr stand er, von Whisky brennend, aber immer noch seiner mächtig, am Schanktisch und drückte jedem die Hand herunter. Das ging so vor sich, daß zwei Männer sich einander gegenüberstellten, während ihr rechter Ellbogen auf dem Schanktisch ruhte. Dann griffen sie sich bei der rechten Hand, und jeder versuchte, die des andern herunterzupressen. Einer nach dem andern kam an die Reihe, aber keiner konnte ihn bezwingen, und selbst Olaf Henderson und der Franzosen-Louis konnten nicht gegen ihn aufkommen. Da sie behaupteten, daß es ein Trick, ein eingeübter Griff war, forderte er sie zu einer anderen Probe heraus.

»Seht her, Leute!« rief er. »Ich will zweierlei tun: erstens meinen Beutel wiegen, und zweitens um alles wetten, daß ich zwei Mehlsäcke mehr heben werde als der Stärkste von euch.«

»Bei Gott – angenommen!« übertönte die Stimme des Franzosen-Louis das Getöse.

»Halt!« rief Olaf Henderson. »Ich bin wohl ebensogut wie du, Louis. Ich übernehme die Hälfte der Wette.«

Als Elam Harnish' Beutel auf die Waagschale gelegt wurde, zeigte es sich, daß sein Gewicht vierhundert Dollar entsprach, und Louis und Olaf hielten jeder die Hälfte gegen ihn. Fünfzig-Pfund-Säcke wurden aus MacDonalds Vorratsraum geholt. Zuerst erprobten ein paar andere Männer ihre Kräfte daran. Sie stellten sich auf zwei Stühle, und die Mehlsäcke wurden unter sie auf den Fußboden gelegt und zusammengebunden. Viele von ihnen konnten auf diese Weise vier- oder fünfhundert Pfund heben, und mancher brachte es sogar auf sechshundert. Dann machten sich die beiden Hünen dazu, indem sie mit siebenhundert begannen. Der Franzosen-Louis legte nun noch einen Sack dazu und hob siebenhundertundfünfzig Pfund vom Boden. Olaf wiederholte die Leistung, aber bei achthundert versagten beide. Immer wieder versuchten sie es, der Schweiß stand ihnen auf der Stirn, ihre Glieder knackten. Beide konnten das Gewicht lüften, aber heben konnten sie es nicht.

»Bei Gott, Daylight, diesmal hast du dich verrechnet!« sagte der Franzosen-Louis, indem er sich aufrichtete und von den Stühlen sprang. »Das kann nur ein Mann aus Eisen, Hundert Pfund mehr – Freundchen, keine zehn Pfund mehr.«

Die Säcke wurden auseinandergebunden und noch zwei dazugestellt, aber da erhob Kearns Einwand.

»Nur einen Sack mehr.«

»Zwei!« schrie einer. »Zwei gilt die Wette «

»Sie haben die letzten nicht gehoben«, protestierte Kearns. »Sie haben nur siebenhundertundfünfzig gehoben.«

Aber Daylight machte der Verwirrung ein großartiges Ende.

»Wozu das Gerede? Was ist ein Sack mehr? Kann ich. nicht drei Säcke mehr heben, dann sicher auch keine zwei. Nehmt beide.«

Er stellte sich auf die Stühle, hockte nieder und beugte sich vor, bis seine Hände den Strick gefaßt hatten. Dann änderte er seine Fußstellung ein wenig, spannte prüfend die Muskeln und versuchte, die Stellung zu finden, die seinem Körper die beste Hebekraft verlieh. Der Franzosen-Louis betrachtete ihn zweifelnd.

»Los, Daylight, los! Den Deubel noch mal!« schrie er. Daylights Muskeln strafften sich zum zweiten Mal, und diesmal im Ernst, mit aller Energie, über die sein prachtvoller Körper verfügte, und ganz unmerklich, ohne Ruck, ohne Anstrengung, hob er die umfangreiche Last von neunhundert Pfund vom Boden und schwang sie wie ein Pendel zwischen seinen Schenkeln hin und her.

Olaf Henderson schöpfte tief und hörbar Atem. Die Jungfrau, die sich unbewußt mit gestrafft hatte, bis ihr die Muskeln schmerzten, erschlaffte, während der Franzosen-Louis ehrerbietig murmelte:

»M'sieur Daylight, Salut! Ich bin ein großer Säugling. Du bist ein großer Mann!«

Daylight ließ die Last fallen, sprang vom Stuhl und stürzte an den Schanktisch.

»Abwiegen!« schrie er und warf seinen Beutel dem Wäger zu, der vierhundert Dollar aus den Beuteln Hendersons und Louis' in den seinen tat.

»Alle Mann her!« rief Daylight. »Sagt, was ihr haben wollt! Der Gewinner bezahlt.«

»Heut ist meine Nacht!« jauchzte er zehn Minuten später. »Ich bin der Einsiedlerwolf und habe dreißig Winter gesehen. Es ist mein Geburtstag, mein einziger Festtag im ganzen Jahr, und ich kann euch alle zusammen schmeißen. Kommt an, alle Mann! Ich will euch alle in den Schnee werfen. Kommt an, ihr Chechaquos (Weichlinge) und Sour-dougs (etwa: alte Jungens), ihr sollt eure Taufe kriegen!«

Die ganze Rotte bis auf die Kellner und die singenden Bacchanten strömte zur Tür hinaus. Der Wunsch, seine Würde zu wahren, mochte MacDonald durch den Kopf fahren, denn er näherte sich Daylight mit ausgestreckter Hand.

»Wie? Du zuerst?« lachte Daylight und ergriff seine Hand, wie zur Begrüßung.

»Nein, nein«, widersprach der Wirt schnell. »Ich will dir nur zum Geburtstag gratulieren. Daß du mich in den Schnee werfen kannst, weiß ich. Was kann ich gegen einen Mann machen, der neunhundert Pfund hebt?«

MacDonald wog hundertundachtzig Pfund, und Daylight hatte nur seine Hand ergriffen; aber durch einen plötzlichen Ruck riß er ihn um und warf ihn kopfüber in den Schnee. Dann kam der nächste an die Reihe, und ihm folgte schnell ein halbes Dutzend. Widerstand war nutzlos. Sie flogen Hals über Kopf und landeten in den groteskesten Stellungen im Schnee, ohne doch zu Schaden zu kommen. Bei dem dunklen Sternenlicht war es nicht leicht zu unterscheiden, wer von ihnen schon geworfen war und wer noch darauf wartete, daß die Reihe an ihn kam, und so begann er, ihre Rücken und Schultern zu befühlen, um zu erkennen, wer schon mit Schnee bestäubt war. »Schon getauft?« war die ständige Frage, wenn er seine schreckliche Hand ausstreckte.

Eine ganze Reihe lag schon im Schnee, während andere in komischer Demut vor ihm knieten, Schnee auf ihren Kopf streuten und behaupteten, die Zeremonie überstanden zu haben. Eine Gruppe von fünf Männern stand jedoch aufrecht – Hinterwäldler und Grenzer, die darauf brannten zu zeigen, daß sie es mit jedem, sogar mit Daylight aufnehmen könnten. Aber wenn sie auch die härteste Schule hinter sich hatten und Veteranen mancher harten Schlacht, Männer von Blut, Schweiß und Ausdauer waren, so fehlte ihnen doch eines, das Daylight in hohem Maße besaß – nämlich die beinahe vollkommene Zusammenarbeit von Gehirn und Muskeln. Das war an und für sich ganz einfach und nicht sein Verdienst. Diese Eigenschaft war ihm angeboren. Seine Nerven reagierten rascher als die ihren, seine Muskeln gehorchten dem Willen schneller, sie glichen explosivstem Sprengstoff. Alle Kraft in seinem Körper schnappte sofort ein wie die Stahlfeder einer Falle. Und dazu besaß er einen Überschuss an Kraft, wie ihn nur einer unter Millionen besitzt – eine Kraft, die nicht von Körpergröße, sondern von einer seltenen organischen Überlegenheit des Muskelgewebes abhing. So konnte er Wirkungen erzielen, ehe der Gegner sich überhaupt darüber klar war, was es galt und wie er Widerstand leisten konnte. Andererseits erkannte er einen gegen ihn selbst gerichteten Angriff so schnell, daß er rechtzeitig widerstehen und einen blitzartigen Gegenangriff machen konnte.

»Es hat keinen Zweck, daß ihr dort stehenbleibt, Leute«, wandte sich Harnish an die wartende Gruppe. »Ihr könnt euch ebensogut gleich werfen lassen und eure Taufe kriegen. An einem andern Tage könnt ihr mich vielleicht schmeißen, aber an meinem Geburtstage will ich euch zeigen, daß ich der Stärkste bin. Ist das Pat Hanrahan, der so erwartungsvoll dasteht? Komm an, Pat.«

Pat Hanrahan, früherer Meisterschaftsringer und eine Kapazität in der Kunst des Raufens, trat vor. Die beiden Männer stürzten aufeinander los, doch ehe der Irländer zur Besinnung gekommen war, fand er sich in der unbarmherzigen Zange eines »Halfnelson«, der ihm Schultern und Kopf in den Schnee preßte. Joe Hines, früherer Holzhauer, flog mit einer Macht wie ein zweistöckiges Gebäude – sein Purzelbaum wurde von einem Schlag auf den Hintern begleitet – er war geliefert, ehe er sich überhaupt hatte zurechtstellen können.

Das alles schien Daylight nicht im geringsten anzustrengen. Er bedurfte keiner Vorbereitungen. Sein Körper explodierte plötzlich und mit furchtbarer Kraft, um im nächsten Augenblick wieder zu erschlaffen. So wurde Doc Watson, der graubärtige, eiserne Mann ohne Vergangenheit, der sich selbst ein Schrecken war, den Bruchteil einer Sekunde vor seinem eigenen Angriff geworfen. Als er zum Sprung ansetzte, war Daylight schon über ihm, und mit so gefährlicher Schnelligkeit, daß er rücklings in den Schnee flog. Olaf Henderson wollte den Augenblick ausnutzen und stürzte sich seitwärts auf Daylight, der noch mit ausgestreckter Hand dastand, um Doc Watson wieder auf die Beine zu helfen. Aber Daylight ließ sich auf Hände und Knie fallen, so daß Olafs Knie an seiner Seite landeten. Olaf nahm das Hindernis, indem er der Länge nach auf die Nase fiel. Ehe er sich erheben konnte, hatte Daylight ihn auf den Rücken gedreht, schrubbte ihm Gesicht und Ohren mit Schnee und stopfte ihm ganze Hände voll in den Nacken.

»Ich bin ebenso stark wie du, Daylight!« sprudelte Olaf hervor, als er wieder auf die Füße gekommen war; »aber bei Gott, einen solchen Griff hab' ich noch nicht gesehen.«

Franzosen-Louis war der letzte der fünf, und er hatte genug gesehen, um vorsichtig zu sein. Er umkreiste Daylight eine ganze Minute, ehe er es zum Zusammenstoß kommen ließ; und eine ganze Minute rangen sie miteinander, ohne daß einer das Übergewicht erhielt. Aber dann, gerade als der Kampf interessant zu werden begann, machte Daylight einen seiner blitzschnellen Griffwechsel und ließ gleichzeitig seine Muskeln explodieren. Der Franzosen-Louis wehrte sich, daß sein riesiger Körper krachte, und dann wurde er langsam in den Schnee gepreßt.

»Der Gewinner bezahlt!« schrie Daylight, indem er auf die Füße sprang, und eilte ins Tivoli zurück. »Alle her, Leute! Hier geht's zur Giftbude!«

Sie stellten sich in einer zwei bis drei Mann tiefen Reihe an dem langen Schanktisch auf und stampften sich den Frost aus den Füßen, denn es waren sechzig Grad Kälte draußen.

Bettles, der selbst der Tüchtigsten einer war und manche Heldentat vollbracht hatte, unterbrach sein Lied von der »Sassafras-Wurzel« und kam herübergeschwankt, um Daylight zu gratulieren. Aber mitten drin fühlte er den Drang, eine Rede zu halten, und erhob seine Stimme:

»Ich sag' euch, Kameraden, ich bin verdammt stolz drauf, daß ich Daylight meinen Freund nennen darf. Wir haben manche Schlittenreise zusammen gemacht, und er ist achtzehnkarätig von den Mokassins aufwärts – verdammt soll er sein, die alte Haut! Er war ein Dreikäsehoch, als er ins Land kam. Aber als ihr in seinem Alter wart, wart ihr noch nicht mal trocken hinter den Ohren. Er war nie ein Säugling. Er ist als ausgewachsener Mann auf die Welt gekommen. Und ich sag' euch, damals mußte man ein Mann sein. Damals gab es noch keine marklose Zivilisation wie jetzt.« Bettles hielt einen Augenblick inne und schlang seinen Arm wie eine Bärentatze um Daylights Nacken. »Als wir beide in der guten alten Zeit den Yukon heraufkamen, regnete es keine Suppe, und es gab kein Tischlein-deck-dich-Wirtschaften. Unser Lagerfeuer wurde angezündet, wenn wir unser Wild gejagt hatten, und die meiste Zeit lebten wir von Lachsfährten und Kaninchenbäuchen – stimmt das?« Nachdem der Lachsturm sich gelegt hatte, den diese Umkehrung erregt hatte, zog Bettles seine Bärentatze zurück und wandte sich aufgebracht gegen die Menge. »Lacht nur, ihr räudigen Gelbschnäbel, lacht nur! Aber ich sage euch mit einfachen Worten, daß der Beste von euch nicht würdig ist, Daylight die Mokassins zu schnüren. Stimmt das nicht, Campbell? Stimmt das nicht, Mac? Daylight ist einer von der alten Garde, ein richtiger alter Bursche. Und in jenen Tagen gab es keine Dampfer und keine Poststationen, und wir mußten zusehen, wie wir mit Lachsbäuchen und Kaninchenfährten fertig wurden.«

 

Er sah sich triumphierend um, und in den Beifall, der jetzt folgte, mischten sich Rufe nach einer Rede von Daylight. Er gab seine Bereitwilligkeit zu erkennen. Ein Stuhl wurde gebracht, und man half ihm hinauf. Er war nicht nüchterner als die ganze Schar, die er jetzt überragte – ein wilder Schwarm in ungeschlachten Kleidern, mit Mokassins oder Muclucked (wasserdichte Eskimostiefel aus Walrosshaut), mit um den Hals hängenden Fäustlingen und hochgeklappten Ohrenklappen, daß sie den Flügelhelmen der alten Wikinger glichen. Daylights schwarze Augen funkelten, und die Glut der schweren Getränke verdunkelte seine Wangen. Er wurde mit herzlichen Beifallsrufen von der Menge begrüßt, was eine verdächtige Feuchtigkeit in seine Augen steigen ließ, obwohl viele der Stimmen unartikuliert und undeutlich waren. Und doch hatten Männer seit Anbeginn der Welt es so gehalten, hatten mit Schlägerei und Trinken Feste gefeiert und gezecht. Wie die Helden vergangener Zeiten waren diese Männer, die Begründer des arktischen Reiches; sie prahlten, tranken und lärmten und suchten in wenigen wilden Augenblicken Vergessen der rauen Wirklichkeit.

»Schön, Jungens. Ich weiß zwar nicht, was ich euch sagen soll«, begann Daylight stockend, denn er mußte erst die Herrschaft über sein wirres Gehirn wiedergewinnen. »Ich glaube, ich will euch eine Geschichte erzählen, Leute. Ich hatte einmal einen Partner, unten in Juneau. Er kam aus Nordcarolina und pflegte mir diese Geschichte zu erzählen.

Es war bei einer Hochzeit in den Bergen seiner Heimat. Die Familie und alle ihre Freunde waren versammelt. Der Pfarrer legte gerade die letzte Hand ans Werk und sagte: ›Was Gott zusammengefügt, die soll der Mensch nicht scheiden.‹

›Herr Pastor,‹ sagte der Bräutigam, ›ich gestatte mir zu bezweifeln, daß dieser Satz grammatikalisch richtig ist. Ich möchte, daß diese Hochzeit in jeder Beziehung korrekt ausgeführt wird.‹

Als der Rauch sich verzog, sieht die Braut sich um und erblickt einen toten Pfarrer, einen toten Bräutigam, einen toten Bruder, zwei tote Onkel und fünf tote Hochzeitsgäste.

Da stößt sie einen tiefen Seufzer aus und sagt: ›Die neumodischen Selbstladepistolen haben alle meine Pläne über den Haufen geworfen.‹

Und so sage ich euch, Leute,« fuhr Daylight fort, als das stürmische Gelächter sich gelegt hatte, »daß Jack Kearns vier Könige meine ganzen Pläne umgeworfen haben. Ich bin so arm wie eine Kirchenmaus und muß nun mit der Post nach Dyea.«

»Nach Hause?« fragte einer.

Einen Augenblick flog ein ärgerliches Zucken über sein Gesicht, aber im nächsten Augenblick hatte er seine gute Laune wiedergefunden.

»Ich weiß, daß es nur Scherz ist, wenn ihr so was fragt«, sagte er lächelnd. »Selbstverständlich gehe ich nicht nach Hause.«

»Kannst du darauf schwören, Daylight?« rief dieselbe Stimme.

»Aber sicher. Dreiundachtzig kam ich zum erstenmal. Ich überschritt den Chilkoot im Schneesturm mit einem zerlumpten Hemd und einer Tasse voll Mehl. Drüben gab es nichts zu beißen, und ich mußte nach Juneau zurück. Dort erhielt ich in jenem Winter meinen Proviant, und im Frühling ging ich wieder über den Paß. Und noch einmal vertrieb mich der Hunger. Im nächsten Frühling kam ich wieder, und ich schwor, nicht umzukehren, ehe ich meinen Einsatz nicht heraus hatte. Schön, das ist noch nicht geschehen, und hier bin ich nun. Und jetzt gehe ich nicht nach Hause. Ich hole die Post, und dann komme ich wieder. Ich bleibe nicht die Nacht über in Dyea. Sobald ich die Hunde gewechselt und Post und Proviant bekommen habe, will ich über den Chilkoot gehen. Und ich schwöre noch einmal bei dem Geschwänzten der Hölle und beim Kopf Johannes des Täufers, daß ich nicht eher heimgehe, als ich mir ein Vermögen gemacht habe. Und das sage ich euch, Leute, es muß ein mächtiges Vermögen sein.«

»Was nennst du ein Vermögen?« fragte Bettles, der neben dem Stuhl stand und seine Arme zärtlich um Daylights Schenkel geschlungen hatte.

»Ja, wieviel? Was nennst du ein Vermögen?« fragten andere.

Daylight hielt einen Augenblick inne und bedachte sich.

»Vier oder fünf Millionen«, sagte er langsam und hob die Hand, um Schweigen zu gebieten, denn seine Erklärung wurde mit stürmischem Hohngelächter begrüßt. »Ich will ganz vernünftig sein und sagen: mindestens eine Million. Aber das ist auch das wenigste, sonst gehe ich nicht aus dem Lande.«

Wieder wurde seine Behauptung mit schallendem Gelächter begrüßt. Nicht nur hatte die gesamte Ausbeute von Yukon bis dahin keine fünf Millionen erreicht, es gab nicht einen einzigen, der je für hunderttausend Dollar Gold gefunden hätte, geschweige denn für eine Million.

»Hört nur zu, Jungens. Ihr habt heute gesehen, wie Jack Kearns eine Chance verfolgte. Ehe gekauft wurde, hatten wir ihn. Aber er wußte, daß er noch einen König bekommen würde – das war seine Chance –, und er bekam ihn. Und ich sage euch, ich habe auch eine Chance. Es wird einmal ein großer Treffer am Yukon kommen, und es kommt bald. Ich meine nicht die Brocken, die wir in Moosehide oder Birch-Creek finden. Ich meine einen Fund, daß sich einem die Haare sträuben. Ich sag' euch, Leute, das Gold liegt da und wartet nur, daß man es holt. Niemand kann den Gang der Dinge aufhalten. Es liegt flußaufwärts, und dort müßt ihr mich suchen, wenn ihr mich in der nächsten Zeit finden wollt – irgendwo im Lande um den Stewart-River, den Indian-River und Klondike-River. Wenn ich mit der Post zurückkomme, mache ich mich auf den Weg dahin, und so schnell, daß ihr meine Fährte vor Rauch nicht sehen könnt. Es kommt, Jungens, Gold von den Graswurzeln abwärts, hundert Dollar in jeder Pfanne, und aus der ganzen Welt werden die Leute herströmen, fünfziglausend Mann stark. Ihr werdet denken, daß die Hölle losgelassen ist.«

Er führte das Glas an die Lippen.

»Ihr sollt leben, und ich hoffe, daß ihr alle mit dabei sein werdet!«

Er trank, trat vom Stuhl herab und fiel wieder in die Bärentatzen Bettles'.

»Wenn ich du wäre, Daylight, so würde ich heute nicht fahren«, riet Joe Hines, der draußen gewesen war und das Thermometer untersucht hatte. »Wir kriegen eine schöne Kälte. Es sind jetzt schon sechzig Grad, und es geht immer noch herunter. Wart' lieber, bis es wärmer wird.«

Daylight lachte, und die alten Kerle um ihn her lachten.

»Das sieht euch Gelbschnäbeln ähnlich,« rief Bettles, »vor dem bißchen Kälte bange zu sein. Du kennst Daylight verdammt schlecht, wenn du meinst, daß die Kälte ihn aufhalten kann.«

»Er kriegt ja Frost in die Lunge, wenn er in der Kälte reist«, lautete die Antwort.

»Den Deubel kriegt er! Sieh mal, Hines, du bist erst drei Jahre in diesem Land, du hast dich noch nicht richtig daran gewöhnt. Ich hab' Daylight fünfzig Meilen den Koyokuk aufwärts fahren sehen an einem Tage, als das Thermometer bei zweiundsiebzig Grad in Stücke sprang.«

Hines schüttelte besorgt den Kopf.

»Gerade solche Leute kriegen Frost in die Lunge«, warnte er. »Wenn Daylight fährt, bevor die ärgste Kälte vorüber ist, so kommt er nie durch, noch dazu, wenn er ohne Zelt reist.«

»Es sind tausend Meilen bis Dyea«, erklärte Bettles, indem er auf einen Stuhl kletterte und, um seinen schwankenden Körper zu stützen, einen Arm um Daylights Nacken schlang. »Es sind tausend Meilen, sage ich, und zum größten Teil ungebahnter Weg, aber ich wette mit jedem Chechaquo – so hoch er will –, daß Daylight in einem Monat in Dyea ist.«

»Das wären mehr als dreißig Meilen täglich,« warnte Doc Watson, »und ich bin auch schon gereist. Ein Schneesturm am Chilkoot würde ihn eine Woche aufhalten.«