Jack London – Gesammelte Werke

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V

»Wo wol­len Sie hin?« frag­te Stu­be­ner über­rascht und sah auf die Uhr.

Pat blieb, die Hand auf dem Tür­griff, ste­hen und dreh­te sich um.

»Nach der Hoch­schu­le«, sag­te er. »Dort hält heu­te ein Pro­fes­sor eine Vor­le­sung über Brow­ning, und Brow­ning ist ei­ner von den Schrift­stel­lern, die ei­nem er­klärt wer­den müs­sen. Manch­mal scheint mir, dass ich in die Abend­schu­le ge­hen soll­te.«

»Aber großer Gott, Mann!« rief der Ma­na­ger ent­setzt. »Sie sol­len doch heu­te Abend mit dem Flie­gen­den Hol­län­der kämp­fen.«

»Ich weiß. Aber ich brau­che erst vor halb oder drei Vier­tel zehn im Ring zu sein. Die Vor­le­sung ist um Vier­tel nach neun zu Ende. Wenn Sie Angst ha­ben, dass ich zu spät kom­me, dann ho­len Sie mich in Ihrem Wa­gen ab.« Stu­be­ner zuck­te hilf­los die Ach­seln.

»Das scha­det doch nicht«, mein­te Pat. »Va­ter sag­te im­mer, das Schlimms­te wä­ren die letz­ten Stun­den vor dem Kampf, und man­cher Kampf sei ver­lo­ren wor­den durch das Ver­sa­gen ei­nes Man­nes, der nichts zu tun ge­habt hät­te, als zu den­ken, und der ner­vös ge­wor­den wäre.

Na, die Sor­ge brau­chen Sie sich um mich nicht zu ma­chen. Sie soll­ten sich freu­en, dass ich noch Lust habe, eine Vor­le­sung zu hö­ren.«

Und spä­ter, am Abend, wäh­rend eine der fünf­zehn pracht­vol­len Run­den der an­de­ren folg­te, dach­te Stu­be­ner mehr als ein­mal, was die­ses Sport­pu­bli­kum wohl sa­gen wür­de, wenn es wüss­te, dass die­ser jun­ge Bo­xer di­rekt von ei­ner Brow­ning-Vor­le­sung in den Ring ge­kom­men war.

Der Flie­gen­de Hol­län­der war ein jun­ger Schwe­de, der einen un­ge­wöhn­li­chen Kampf­wil­len und eine ge­wal­ti­ge Aus­dau­er be­saß.

Er gönn­te sich nicht einen Au­gen­blick Ruhe wäh­rend des Kamp­fes und griff von Be­ginn der Run­de, bis der Gong er­tön­te, un­auf­hör­lich an. Beim Out­figh­ting wir­bel­ten sei­ne Arme wie Dresch­fle­gel durch die Luft, und beim In­figh­ting ge­brauch­te er die Schul­tern, lie­fer­te fast einen Ring­kampf und schlug, so­bald er nur eine Hand frei­be­kam.

Von An­fang bis zu Ende war er wie ein Sturm­wind und mach­te sei­nem Na­men Ehre. Sei­ne Schwä­che war die man­geln­de Fä­hig­keit, Ent­fer­nung und Zeit zu be­rech­nen. Den­noch hat­te er vie­le Kämp­fe da­durch ge­won­nen, dass er auf ein Dut­zend der Schlä­ge, die er un­auf­hör­lich auf sei­nen Geg­ner nie­der­ha­geln ließ, einen gu­ten Tref­fer lan­de­te.

Pat, der sich im­mer in acht neh­men muss­te, dass er sei­nen Geg­ner nicht zu Bo­den schick­te, hat­te ge­nug zu tun. Es war ihm auch nicht mög­lich, die­sen ewig flie­gen­den Hand­schu­hen ganz zu ent­ge­hen, wenn er auch nicht ernst­haft ge­fähr­det wur­de. Aber es war ein gu­tes Trai­ning für ihn und mach­te ihm Ver­gnü­gen.

»Könn­ten Sie ihn jetzt er­le­di­gen?« flüs­ter­te Stu­be­ner ihm in der Pau­se nach der fünf­ten Run­de zu.

»Ge­wiss«, lau­te­te Pats Ant­wort.

»Sie wis­sen doch, dass er noch nie k. o. ge­wor­den ist«, warn­te Stu­be­ner ihn ein paar Run­den spä­ter.

»Dann, fürch­te ich, wer­de ich mir die Knö­chel zer­bre­chen«, lä­chel­te Pat. »Ich ken­ne mei­ne Stoß­kraft und weiß, dass et­was in Stücke ge­hen muss, wenn ich einen Schlag lan­de. Wenn er nicht will, dann eben mei­ne Knö­chel.«

»Glau­ben Sie, dass Sie es jetzt ma­chen könn­ten?« frag­te Stu­be­ner am Ende der drei­zehn­ten Run­de.

»Zu je­der Zeit, sage ich Ih­nen doch.«

»Na, Pat, dann las­sen Sie ihn mei­net­we­gen in die fünf­zehn­te kom­men.«

In der vier­zehn­ten Run­de über­traf der Flie­gen­de Hol­län­der sich selbst. Als der Gong er­tön­te, schoss er durch den Ring auf Pats Ecke los, ehe der rich­tig auf den Fü­ßen stand.

Das Pub­li­kum ju­bel­te, denn es wuss­te, dass der Flie­gen­de Hol­län­der jetzt los­leg­te.

Pat, dem das Spaß mach­te, be­schloss, sich ge­gen den hef­ti­gen An­griff ganz pas­siv zu ver­tei­di­gen und nicht ein­mal zu schla­gen. Er gab eine hüb­sche Vor­stel­lung im De­cken. Manch­mal deck­te er das Ge­sicht mit dem lin­ken Arm und den Leib mit dem rech­ten, dann wie­der pass­te er sich der wech­seln­den An­griffs­wei­se an und deck­te das Ge­sicht mit bei­den Hän­den oder den Leib mit Ell­bo­gen und Un­ter­ar­men. Und bei al­le­dem griff er nicht ein ein­zi­ges Mal an, ob­wohl er un­ter den stür­mi­schen Schlä­gen beb­te, die wie ein Trom­mel­feu­er nie­der­gin­gen.

Die Zuschau­er, wel­che dem Ring zu­nächst sa­ßen, sa­hen und er­kann­ten, was vor sich ging, die üb­ri­gen aber lie­ßen sich täu­schen. Sie er­ho­ben sich und brüll­ten vor Be­geis­te­rung über die Abrei­bung, die Pat schein­bar in­fol­ge der Über­le­gen­heit des an­de­ren er­hielt.

Als die Run­de vor­bei war, wa­ren sie ganz ver­blüfft, als sie Pat sich ru­hig in sei­ne Ecke be­ge­ben sa­hen. Das war un­be­greif­lich. Er hät­te ei­gent­lich zu Ap­fel­mus ge­schla­gen sein müs­sen, und doch war ihm nichts ge­sche­hen.

»Kommt es jetzt?« frag­te Stu­be­ner ängst­lich.

»Bin­nen zehn Se­kun­den«, er­klär­te Pat zu­ver­sicht­lich.

»Pas­sen Sie nur auf.«

Al­les ging ohne je­den Trick vor sich. Als der Gong den Be­ginn der letz­ten Run­de ver­kün­de­te, sprang Pat auf, und jetzt sah man, dass er zum ers­ten Mal wäh­rend des gan­zen Kamp­fes wirk­lich auf sei­nen Geg­ner los­ging. Das war so un­ver­kenn­bar, und der Flie­gen­de Hol­län­der fühl­te es sel­ber so stark, dass er zum ers­ten Mal in sei­ner Bo­xer­lauf­bahn, als sie sich in der Mit­te des Rin­ges tra­fen, sicht­lich zö­ger­te.

Den Bruch­teil ei­ner Se­kun­de stan­den sie sich An­ge­sicht zu An­ge­sicht ge­gen­über. Dann sprang der Flie­gen­de Hol­län­der auf sei­nen Geg­ner los, und Pat schick­te ihn, wäh­rend er noch im Sprun­ge war, mit ei­nem wohl­be­rech­ne­ten rech­ten Kreuz­schlag auf die Bret­ter.

Die­ser Kampf war es, der Pats un­er­hört schnel­len Auf­stieg zur Berühmt­heit be­grün­de­te. Sports­leu­te und Sportre­por­ter wur­den auf ihn auf­merk­sam. Der Flie­gen­de Hol­län­der hat­te zum ers­ten Mal in sei­nem Le­ben eine k.-o.-Nie­der­la­ge er­lit­ten. Sein Be­sie­ger hat­te sich als ein Meis­ter in der Ver­tei­di­gung er­wie­sen. Sei­ne frü­he­ren Sie­ge wa­ren kein Zu­fall ge­we­sen. Er hat­te eine un­ge­heu­re Kraft in sei­nen Fäus­ten, war ein Rie­se, der es noch weit brin­gen muss­te. Die Zeit ist schon vor­bei, ver­si­cher­ten die Be­richt­er­stat­ter, da er sei­ne Kraft auf Bo­xer drit­ten Ran­ges ver­schwen­de­te, die nur Ver­suchs­ka­nin­chen für ihn dar­stel­len konn­ten. Wo wa­ren Ben Men­zi­es, Rege Rede, Bill Tar­wa­ter und Er­nest Law­son? Es wur­de Zeit, dass sie ge­gen die­sen jun­gen Mann an­tra­ten, der sich so plötz­lich als ein Bo­xer von Rang er­wie­sen hat­te. Was für ein Ma­na­ger war das, der kei­ne Her­aus­for­de­run­gen ver­schick­te?

Und dann kam ei­nes Ta­ges die Sen­sa­ti­on. Stu­be­ner lüf­te­te das Ge­heim­nis, dass die­ser jun­ge Mann kein an­de­rer war als der Sohn Pat Glen­d­ons, des al­ten Pat, des un­ver­ge­ss­li­chen Hel­den der vo­ri­gen Ge­ne­ra­ti­on.

So wur­de er der »jun­ge Pat Glen­don« ge­tauft, und Sports­leu­te und Jour­na­lis­ten schar­ten sich um ihn, be­wun­der­ten ihn, er­mun­ter­ten ihn und schrie­ben über ihn.

Mit Ben Men­zi­es be­gin­nend und mit Bill Tar­wa­ter en­dend, for­der­te er die vier Bo­xer zwei­ten Ran­ges her­aus und be­sieg­te sie.

Er muss­te hier­zu ver­schie­de­ne Rei­sen un­ter­neh­men; die Kämp­fe fan­den in Gold­field, Den­ver, Texer und New York statt, und es dau­er­te Mo­na­te, bis er sie alle hin­ter sich hat­te, denn grö­ße­re Kämp­fe sind nicht im­mer leicht zu ar­ran­gie­ren, und sei­ne Geg­ner ver­lang­ten auch Zeit, um zu trai­nie­ren.

Das zwei­te Jahr sei­ner Lauf­bahn sah ihn mit dem hal­b­en Dut­zend großer Bo­xer kämp­fen, die dicht un­ter der obers­ten Spros­se des Ruh­mes stan­den. Auf der obers­ten Spros­se stand fest und si­cher der »Gro­ße Jim Han­ford«, der un­be­sieg­te Welt­meis­ter. Hier, in der Höhe, ging es lang­sa­mer vor­wärts, ob­gleich Stu­be­ner un­er­müd­lich Her­aus­for­de­run­gen ver­schick­te und die öf­fent­li­che Mei­nung der Sport­welt be­ar­bei­te­te, um die Kämp­fe zu er­zwin­gen.

Will King war in Eng­land.

Tom Har­ri­son war eben­falls weg, und Glen­don muss­te ihn na­he­zu um die gan­ze Welt ver­fol­gen, bis er ihn end­lich am zwei­ten Weih­nachts­tag in Aus­tra­li­en be­sie­gen konn­te.

Aber die Bör­sen wur­den im­mer grö­ßer. Statt der hun­dert Dol­lar, die sei­ne ers­ten Kamp­fe ihm ein­ge­bracht hat­ten, er­hielt er jetzt zwi­schen zwan­zig- und drei­ßig­tau­send Dol­lar für einen Kampf, und ähn­li­che Sum­men zahl­ten ihm die Film­ge­sell­schaf­ten. Ge­mäß dem Kon­trakt, den der alte Pat auf­ge­setzt hat­te, er­hielt Stu­be­ner von al­lem sei­ne Ma­na­ger-Pro­zen­te, und trotz der großen Kos­ten, mit de­nen die­se Rei­sen ver­bun­den wa­ren, wur­den sie bei­de reich.

Die­sen Reich­tum hat­ten sie mehr als al­lem an­de­ren ih­rer ent­halt­sa­men Le­bens­wei­se zu ver­dan­ken. Sie wa­ren auch kei­ne Ver­schwen­der.

Stu­be­ner leg­te sein Geld mit Vor­lie­be in Grund­stücken an, und sein Be­sitz in San Fran­zis­ko, wo er Wohn­häu­ser bau­te, war grö­ßer, als Glen­don sich je träu­men ließ. Es gab je­doch ein ge­hei­mes Wett­syn­di­kat, das die Ein­nah­men, wel­che Stu­be­ner zu­flos­sen, bes­ser kann­te, und eine schwe­re Ver­gü­tung nach der an­de­ren wur­de, ohne dass Glen­don et­was da­von wuss­te, sei­nem Ma­na­ger von den Film­leu­ten be­zahlt.

Die wich­tigs­te Auf­ga­be Stu­beners war es, über die Tu­gend sei­nes jun­gen Hel­den zu wa­chen. Aber auch das war nicht schwer. Glen­don hat­te nichts mit der ge­schäft­li­chen Sei­te der Din­ge zu tun, und sie in­ter­es­sier­te ihn auch we­nig. Im üb­ri­gen ver­brach­te er alle freie Zeit, wo­hin er auch kam, mit Ja­gen und Fi­schen. Sel­ten ließ er sich nä­her mit Leu­ten aus der Sport­welt ein, er war als scheu und ver­schlos­sen be­kannt und zog Mu­seen und Ge­dicht­bü­cher al­len sport­li­chen Ver­an­stal­tun­gen vor.

 

Sei­ne Trai­ner und Spar­rings­part­ner wa­ren von Stu­be­ner streng dar­auf hin­ge­wie­sen, Glen­don nie­mals auch nur das ge­rings­te von den im Ring üb­li­chen Schie­bun­gen zu er­zäh­len. Über­haupt iso­lier­te Stu­be­ner ihn nach Mög­lich­keit von der Welt. Selbst in­ter­viewt wur­de er nur in Ge­gen­wart des Ma­na­gers.

Nur ein ein­zi­ges Mal mach­te man einen An­nä­he­rungs­ver­such bei Glen­don. Das war vor sei­nem Kampf mit Hen­der­son. Man bot ihm hun­dert­tau­send Dol­lar, wenn er sich be­sie­gen lie­ße. Das An­ge­bot wur­de ihm ei­lig in ei­nem Ho­tel­korri­dor zu­ge­flüs­tert, und es war ein Glück für den Mann, dass Pat sich be­herrsch­te, nur ver­ächt­lich die Ach­seln zuck­te und ihn ste­hen ließ. Aber er er­zähl­te es Stu­be­ner, wel­cher sag­te:

»Das war nur Scherz, Pat. Man hat Sie auf­zie­hen wol­len.« Er be­merk­te, dass die blau­en Au­gen fun­kel­ten. »Vi­el­leicht auch Schlim­me­res! Wenn Sie die Sa­che ernst ge­nom­men hät­ten, wür­den die Zei­tun­gen einen gu­ten Sen­sa­ti­onss­toff ge­habt ha­ben, und Sie wä­ren er­le­digt ge­we­sen. Aber ich be­zweifle, dass es Ernst war. So et­was kommt heut­zu­ta­ge nicht mehr vor. Es ist eine Sage, die aus der Früh­zeit des Box­sports auf uns über­kom­men ist. Da­mals wur­de viel im Sport ge­scho­ben. Heu­te aber wür­de sich kein Bo­xer oder Ma­na­ger von Ruf auf so et­was ein­las­sen.« Und wäh­rend Stu­be­ner so sprach, wuss­te er ganz ge­nau, dass der kom­men­de Kampf mit Hen­der­son nicht we­ni­ger als zwölf Run­den – we­gen der Film­auf­nah­men und nicht mehr als vier­zehn dau­ern durf­te. Und er wuss­te auch, dass Hen­der­son sich ver­pflich­tet hat­te, nicht mehr als vier­zehn Run­den durch­zu­hal­ten, und dass große Ein­sät­ze dar­auf ge­wet­tet wa­ren.

Glen­don, der sonst nie der­ar­ti­ge An­ge­bo­te er­hal­ten hat­te, schlug sich die Ge­schich­te aus dem Sinn und ging aus, um den Nach­mit­tag mit der Auf­nah­me von Far­ben­fo­to­gra­fi­en zu ver­brin­gen. Die Ka­me­ra war sei­ne neues­te Lieb­ha­be­rei. Da er kei­ne Bil­der ma­len konn­te, such­te er Er­satz da­für im Fo­to­gra­fie­ren. Un­ter sei­nem Ge­päck be­fand sich ein klei­ner Kof­fer vol­ler ein­schlä­gi­ger Bü­cher, und er ver­brach­te vie­le Stun­den, um sich mit den ver­schie­de­nen Pro­zes­sen be­kannt zu ma­chen.

Nie hat­te ein Bo­xer ge­lebt, der der Box­welt so fremd war wie er. Weil er so we­nig Berüh­rungs­punk­te mit den Leu­ten hat­te, mit de­nen er kämp­fen soll­te, galt er bald für tückisch und un­ge­sel­lig, und hier­nach bil­de­ten sich die Zei­tun­gen ihre Mei­nung von ihm, die we­ni­ger eine Über­trei­bung als eine völ­li­ge Ver­ken­nung war. In al­ler Kür­ze cha­rak­te­ri­sier­te man ihn als ein stumpf­sin­ni­ges Tier mit den Mus­keln ei­nes Stiers, und ein un­rei­fer Spor­tre­fe­rent, der ihn gar nicht kann­te, tauf­te ihn »Höl­len­biest«.

Der Name blieb an ihm haf­ten. Die gan­ze Sport­welt über­nahm ihn, und bald las man nichts mehr über ihn, ohne dass die Be­zeich­nung »Höl­len­biest« an sei­nen Na­men ge­hef­tet war. Man fand sie so­gar oft ohne wei­te­re Be­zeich­nung in den Über­schrif­ten der Ar­ti­kel und Un­ter­schrif­ten von Bil­dern. Die gan­ze Welt wuss­te, wer die­ses Biest war. – Das ver­an­lass­te ihn, sich noch mehr als bis­her in sich selbst zu­rück­zu­zie­hen, und ent­wi­ckel­te gleich­zei­tig in ihm ein bit­te­res Vor­ur­teil ge­gen alle Zei­tungs­schrei­ber.

Was das Bo­xen selbst be­traf, so wur­de sein an­fangs schwa­ches In­ter­es­se all­mäh­lich grö­ßer. Die Män­ner, mit de­nen er jetzt kämpf­te, wa­ren al­les eher als An­fän­ger, und die Sie­ge wur­den ihm nicht mehr so leicht ge­macht. Es wa­ren aus­er­wähl­te Män­ner, er­fah­re­ne Ge­nerä­le des Rin­ges, ge­gen die er jetzt an­tre­ten muss­te, und je­der Kampf gab ihm Pro­ble­me zu lö­sen. Bei man­chen Ge­le­gen­hei­ten war es ihm nicht mög­lich, den Geg­ner in der vor­aus­be­stimm­ten Run­de zu Bo­den zu brin­gen. So er­ging es ihm zum Bei­spiel mit dem gi­gan­ti­schen Deut­schen Sulz­ber­ger. Der Ver­such, ihn, wie be­ab­sich­tigt, in der acht­zehn­ten Run­de zu fäl­len, miss­lang, in der neun­zehn­ten war es die­sel­be Ge­schich­te, und erst in der zwan­zigs­ten glück­te es ihm, den un­bän­di­gen Wi­der­stand sei­nes Geg­ners zu bre­chen und den Kampf zur Ent­schei­dung zu brin­gen. Glen­d­ons wach­sen­de Freu­de am Sport brach­te es mit sich, dass er eif­ri­ger und an­hal­ten­der trai­nier­te. Er ver­geu­de­te die Zeit nicht, jag­te viel in den Ber­gen und war tat­säch­lich im­mer in Form. Er hat­te nicht das Pech sei­nes Va­ters in sei­ner Lauf­bahn, brach sich nie einen Kno­chen, ja, ver­letz­te sich nicht ein­mal einen Knö­chel. Und ei­nes be­merk­te Stu­be­ner mit stil­ler Freu­de: Sein jun­ger Bo­xer sprach nicht mehr da­von, für im­mer in sei­ne Ber­ge zu­rück­zu­keh­ren, so­bald er Jim Han­ford die Welt­meis­ter­schaft ent­ris­sen hät­te.

VI

Er nä­her­te sich schnell dem Hö­he­punkt sei­ner Lauf­bahn. Der Welt­meis­ter hat­te öf­fent­lich ver­kün­det, ge­gen Glen­don an­zu­tre­ten, so­bald die­ser die drei oder vier An­wär­ter auf die Meis­ter­schaft, die noch zwi­schen ih­nen stan­den, be­siegt hät­te.

In sechs Mo­na­ten glück­te es Pat, Kid McGrat und Jack McBridge zu er­le­di­gen, und so blie­ben nur noch Nat Po­wers und Tom Can­nam üb­rig.

Ein ge­wis­ses jun­ges Mäd­chen aus der gu­ten Ge­sell­schaft aber war aus Aben­teu­er­lust Jour­na­lis­tin ge­wor­den. Stu­be­ner hat­te sei­ne Ein­wil­li­gung dazu ge­ge­ben, dass die Dame Pat in ih­rer Ei­gen­schaft als Re­por­te­rin in­ter­view­te.

Sie un­ter­zeich­ne­te ihre Auf­sät­ze im­mer mit ih­rem wirk­li­chen Na­men, Maud Sangs­ter. Die Sangs­ters wa­ren eine be­kann­te rei­che Fa­mi­lie. Ihr Be­grün­der, der alte Ja­cob Sangs­ter, hat­te sein Bün­del ge­schnürt, als Knecht auf Far­men im Wes­ten ge­ar­bei­tet und ein un­er­schöpf­li­ches Borax­la­ger in Ne­va­da ent­deckt, das er an­fangs mit Maulesel­ge­span­nen be­ar­bei­te­te, bis er schließ­lich eine Ei­sen­bahn bau­te, um den Trans­port selbst zu be­sor­gen. In der Fol­ge hat­te er auf Hun­der­ten und Tau­sen­den von Qua­drat­mei­len in Ka­li­for­ni­en, Ore­gon und Wa­shing­ton Borax ab­ge­baut und den Ver­dienst ein­ge­steckt.

Spä­ter hat­te er mit sei­nen Ge­schäf­ten Po­li­tik ver­bun­den, Po­li­ti­ker, Rich­ter und Ma­schi­nen ge­kauft und war Lei­ter ei­nes großen in­dus­tri­el­len Kon­zerns ge­wor­den. Und dann starb er, reich an Ehren und Pes­si­mis­mus, und hin­ter­ließ sei­nen Na­men den Ge­schichts­schrei­bern der Zu­kunft zum Be­schmut­zen und ein paar hun­dert Mil­lio­nen sei­nen Söh­nen zum Strei­ten.

Die fol­gen­den Pro­zes­se und in­dus­tri­el­len und po­li­ti­schen Kämp­fe ver­är­ger­ten und be­lus­tig­ten ganz Ka­li­for­ni­en ein Men­schen­al­ter hin­durch und en­de­ten mit töd­li­chem Hass zwi­schen den vier Söh­nen.

Der jüngs­te von ih­nen, Theo­do­re, mach­te plötz­lich, im bes­ten Man­nes­al­ter, eine Wand­lung durch. Er ver­kauf­te sei­ne Land­sit­ze und sei­ne Renn­stäl­le und stürz­te sich in einen Kampf ge­gen alle Kor­rup­ti­on in dem Staat, in dem er ge­bo­ren war. Und er traf die meis­ten Mil­lio­näre die­ses Staa­tes bei sei­nem Ver­such, sich von der Schan­de zu be­frei­en, die der alte Ja­cob Sangs­ter be­grün­det hat­te.

Maud Sangs­ter war die äl­tes­te Toch­ter Theo­do­res. Das Ge­schlecht der Sangs­ter er­zeug­te durch­weg kampf­lus­ti­ge Män­ner und schö­ne Frau­en. Maud bil­de­te kei­ne Aus­nah­me. Dazu muss­te sie et­was von der al­ten Aben­teu­er­lust der Sangs­ters ge­erbt ha­ben, denn als sie er­wach­sen war, tat sie vie­les, was eine Dame in ih­rer Stel­lung sich nicht hät­te leis­ten dür­fen. Ob­gleich sie eine glän­zen­de Par­tie war, blieb sie un­ver­hei­ra­tet. Sie hat­te sich in Eu­ro­pa auf­ge­hal­ten, ohne einen ad­li­gen Gat­ten heim­zu­füh­ren, und hat­te un­ter ih­ren Lands­leu­ten zahl­rei­che Kör­be aus­ge­teilt. Sie lieb­te den Frei­luft­sport, hat­te die Ten­nis­meis­ter­schaft von Ka­li­for­ni­en ge­won­nen und die Zeit­schrif­ten der bes­se­ren Krei­se durch un­pas­sen­de Ar­ti­kel in Atem ge­hal­ten. Sie war in ei­nem Renn­boot von San Ma­teo nach San­ta Cruz ge­se­gelt und hat­te ein­mal Auf­se­hen er­regt, weil sie sich als ein­zi­ge Frau an ei­nem Po­lo­kampf be­tei­ligt hat­te.

Die re­for­ma­to­ri­schen Be­stre­bun­gen ih­res Va­ters er­grif­fen auch sie. In lei­den­schaft­li­chem Un­ab­hän­gig­keits­drang setz­te sie, die noch nie ei­nem Man­ne be­geg­net war, dem sie sich freu­dig un­ter­wor­fen hät­te, und die ih­rer vie­len An­be­ter längst über­drüs­sig war, ih­ren Mis­se­ta­ten die Kro­ne auf, ver­ließ ihr Heim und nahm eine Stel­lung beim »Ku­ri­er-Jour­nal« an.

Ein­mal glück­te es ihr, Mor­gan in ei­ner wich­ti­gen Sa­che zu in­ter­view­en, wäh­rend ein Dut­zend her­vor­ra­gen­der New-Yor­ker Jour­na­lis­ten ver­ge­bens Jagd auf ihn mach­te. Sie ging mit ei­nem Tau­cher auf den Grund des Gol­de­nen Tors hin­ab und flog mit Rood, dem »Vo­gel­men­schen«, als er alle Re­kor­de schlug.

Nach al­le­dem soll­te man glau­ben, dass Maud Sangs­ter eine der­be Ama­zo­ne ge­we­sen wäre. Aber im Ge­gen­teil: sie war eine grau­äu­gi­ge, schlan­ke jun­ge Dame, drei- oder vier­und­zwan­zig Jah­re alt, mit­tel­groß, mit un­ge­wöhn­lich klei­nen Hän­den und Fü­ßen. Und im Ge­gen­satz zu an­de­ren Sport­mä­dels war sie von ei­ner aus­ge­spro­che­nen Weib­lich­keit.

Sie hat­te selbst dem Re­dak­teur vor­ge­schla­gen, dass sie Glen­don in­ter­view­en wol­le. Au­ßer Bob Fitz­sim­mon, den sie ein­mal flüch­tig im Frack im Grill­raum des Palace-Ho­tels ge­se­hen hat­te, war ihr noch nie im Le­ben ein Bo­xer be­geg­net. Sie hat­te sich üb­ri­gens auch nie et­was dar­aus ge­macht, einen ken­nen­zu­ler­nen, und war nie neu­gie­rig ge­we­sen, bis Pat Glen­don nach San Fran­zis­ko kam, um für sei­nen Kampf mit Nat Po­wers zu trai­nie­ren. Da reiz­te sie der Ruf, den er in den Zei­tun­gen ge­noss. Das »Höl­len­biest« – das zu se­hen muss­te sich loh­nen!

Nach dem zu ur­tei­len, was sie über ihn ge­le­sen hat­te, muss­te er wirk­lich ein Un­ge­heu­er in Men­schen­ge­stalt, stumpf­sin­nig und mit der Tücke und Wild­heit des Dschun­gel­tie­res, sein.

Zwar lie­ßen Bil­der von ihm die­se Ei­gen­schaf­ten nicht er­ken­nen, aber sie zeig­ten doch deut­lich die mäch­ti­ge Mus­ku­la­tur, die dar­auf schlie­ßen ließ, dass er ein sol­ches Un­ge­heu­er war.

Und so stell­te sie sich in Beglei­tung ei­nes Pres­se­fo­to­gra­fen zu der von Stu­be­ner an­ge­ge­be­nen Zeit im Trai­nings­saal ein.

Stu­be­ner hat­te Sor­gen. Pat war re­bel­lisch. Er ließ das eine sei­ner kräf­ti­gen Bei­ne über die Stuhl­leh­ne bau­meln, hat­te die So­net­te von Sha­ke­s­pea­re auf­ge­schla­gen auf dem Knie lie­gen und pro­tes­tier­te ge­gen das Kom­men die­ser Frau.

»Wa­rum wol­len die Wei­ber sich jetzt in Sport­sa­chen mi­schen?« frag­te er. »Da ha­ben sie gar nichts zu su­chen. Was ver­ste­hen Wei­ber da­von? Die männ­li­chen Re­por­ter sind schon schlimm ge­nug. Ich habe es nie aus­ste­hen kön­nen, dass Wei­ber im Trai­nings­saal her­um­lun­ger­ten, und es ist mir ganz ei­ner­lei, ob sie Re­por­te­rin ist oder nicht.«

»Aber sie ist kei­ne ge­wöhn­li­che Re­por­te­rin«, un­ter­brach Stu­be­ner ihn. »Sie ha­ben doch wohl von den Sangs­ters ge­hört – den Mil­lio­nären?«

»Wa­rum ar­bei­tet sie dann für eine Zei­tung – und nimmt an­de­ren ar­men Teu­feln die Ar­beit weg?«

»Sie hat sich mit ih­rem al­ten Herrn über­wor­fen. Sie ge­rie­ten an­ein­an­der, als er in San Fran­zis­ko aus­zu­mis­ten be­gann. Sie ging. Ging ganz ein­fach, ver­ließ ihr Heim und such­te sich Ar­beit.

Und das will ich Ih­nen sa­gen, Pat: Sie schreibt ein ta­del­lo­ses Eng­lisch. Nicht ei­ner von all den Zei­tungs­schmie­rern in der Ge­gend kann es mit ihr auf­neh­men, wenn sie erst mal los­legt.«

Jetzt be­gann Pat In­ter­es­se zu zei­gen, und Stu­be­ner be­eil­te sich hin­zu­zu­fü­gen:

»Sie macht Ge­dich­te – so ein rich­ti­ges Tra­la­la-Zeugs, ge­ra­de wie Sie. Nur glau­be ich, dass ihre bes­ser sind, denn sie hat schon mal ein gan­zes Buch voll da­von her­aus­ge­ge­ben. Und sie schreibt über Thea­ter­vor­stel­lun­gen. Sie in­ter­viewt alle großen Schau­spie­ler, die hier­her­kom­men.«

»Ich habe ih­ren Na­men in den Zei­tun­gen ge­se­hen«, räum­te Pat ein.

»Das kann ich mir den­ken. Es ist di­rekt eine Ehre, wenn sie Sie in­ter­viewt. Es wird auch kei­ne Be­läs­ti­gung für Sie sein. Ich wer­de die gan­ze Zeit da­bei sein und ihr selbst das meis­te er­zäh­len. Das tue ich im­mer, wie Sie wis­sen.« Pat mach­te ein dank­ba­res Ge­sicht.

 

»Und noch ei­nes, Pat: Ver­ges­sen Sie nicht, dass Sie die­se In­ter­views über sich er­ge­hen las­sen müs­sen. Das ge­hört mit zum Ge­schäft. Es ist eine gute Re­kla­me und gra­tis dazu. Wir kön­nen sie nicht kau­fen. Es in­ter­es­siert die Leu­te und zieht das Pub­li­kum an.«

Stu­be­ner mach­te eine Pau­se und sah auf die Uhr.

»Ich den­ke, dass sie jetzt da ist. Ich will sie emp­fan­gen und her­brin­gen. Dann kann ich ihr schon ei­ni­ges er­zäh­len, so­dass es nicht so lan­ge dau­ert.«

In der Tür dreh­te er sich noch ein­mal um.

»Und sei­en Sie ein biss­chen nett zu ihr, Pat. Tun Sie nicht, als wenn Sie taub­stumm wä­ren. Er­zäh­len Sie ihr ein biss­chen, wenn sie ihre Fra­gen stellt.«

Pat leg­te die So­net­te auf den Tisch, nahm sich eine Zei­tung vor und war schein­bar in ih­ren In­halt ver­tieft, als die bei­den ein­tra­ten. Er stand auf. Es durch­fuhr sie bei­de. Als die blau­en Au­gen den grau­en be­geg­ne­ten, war es fast, als stie­ßen Mann und Frau einen Freu­den­ruf aus, als hät­ten sie un­er­war­tet ge­fun­den, was sie lan­ge ge­sucht. Aber das dau­er­te nur einen Au­gen­blick. Je­der hat­te sich den an­de­ren so ver­schie­den von der Wirk­lich­keit vor­ge­stellt, dass die Freu­de des Er­ken­nens der Ver­wir­rung glei­chen muss­te.

Als Frau war sie es, die zu­erst die Selbst­be­herr­schung wie­der­ge­wann, und sie tat es, ohne sich mer­ken zu las­sen, dass sie sie über­haupt je ver­lo­ren hat­te.

Sie durch­schritt den größ­ten Teil der Ent­fer­nung, die sie von Glen­don trenn­te. Er sei­ner­seits wuss­te kaum, wie er die Vor­stel­lung über­stand. Hier vor ihm war eine Frau, eine Frau. Er hat­te nie ge­ahnt, dass es ein sol­ches Ge­schöpf gäbe. Die we­ni­gen Frau­en, die ihm bis­her be­geg­net wa­ren, hat­ten die­se Vor­stel­lung nie in ihm ge­weckt.

Ei­nen Au­gen­blick dach­te er, was der alte Pat wohl ge­sagt ha­ben wür­de, wenn er sie ge­kannt hät­te, ob sie wohl zu de­nen ge­hör­te, die man nach sei­nem Auss­pruch mit bei­den Hän­den fest­hal­ten soll­te? Und da merk­te er plötz­lich, dass er im­mer noch ihre zar­te Hand fest­hielt und neu­gie­rig und wie ver­zau­bert be­trach­te­te.

Sie ih­rer­seits hat­te sich gleich zur Wehr ge­setzt ge­gen das Ge­fühl, dass sie im ers­ten Au­gen­blick zu ihm hin­zog. Es war ein neu­es und selt­sa­mes Ge­fühl ge­we­sen, die plötz­li­che An­zie­hungs­kraft, die die­ser frem­de Mann auf sie aus­üb­te. Denn war er nicht der Bo­xer, die­se stumpf­sin­ni­ge Mas­se mensch­li­chen Flei­sches, die auf an­de­re Män­ner mit den Fäus­ten los­häm­mer­te? Sie lä­chel­te dar­über, dass er im­mer noch ihre Hand fest­hielt.

»Ich möch­te sie gern wie­der­ha­ben, Herr Glen­don«, sag­te sie. »Ich … ich brau­che sie näm­lich, müs­sen Sie wis­sen.«

Er sah sie ver­ständ­nis­los an, als er dann aber ih­rem Blick bis hin­ab zu der ge­fan­ge­nen Hand folg­te, ließ er sie so­gleich los, und das Blut stieg ihm in die Wan­gen. Sie be­merk­te sein Er­rö­ten, und ihr kam der Ge­dan­ke, dass er doch wohl kein so ge­fühl­lo­ses Tier sein konn­te, wie sie es sich aus­ge­malt hat­te. Je­den­falls konn­te sie sich nicht vor­stel­len, dass ein Tier über­haupt er­rö­te­te. Dazu amü­sier­te sie sich über die Tat­sa­che, dass er nicht ein­mal die Ge­wandt­heit be­saß, eine Ent­schul­di­gung zu mur­meln. Aber die Art und Wei­se, wie er sie mit den Au­gen ver­schlang, war ver­wir­rend. Er starr­te sie an, und sei­ne Wan­gen rö­te­ten sich noch mehr.

Stu­be­ner hat­te ihr un­ter­des­sen einen Stuhl ge­holt, und Pat setz­te sich ganz me­cha­nisch auf den sei­nen.

»Er ist glän­zend in Form, gnä­di­ges Fräu­lein, glän­zend in Form«, sag­te der Ma­na­ger. »Stimmt das nicht Pat? Sie ha­ben sich nie im Le­ben so wohl ge­fühlt wie jetzt, nicht wahr?«

Das be­rühr­te Glen­don pein­lich. Er run­zel­te är­ger­lich die Brau­en, ohne zu ant­wor­ten.

»Ich habe mir schon lan­ge ge­wünscht, Ih­nen ein­mal zu be­geg­nen, Herr Glen­don«, sag­te Fräu­lein Sangs­ter jetzt. »Ich habe noch nie einen Bo­xer in­ter­viewt, Sie müs­sen also ver­zei­hen, wenn ich nicht sach­ver­stän­dig mit Ih­nen re­den kann.«

»Vi­el­leicht wäre es bes­ser, wenn Sie ihn zu­erst in der Ar­beit sä­hen«, schlug der Ma­na­ger vor. »Wäh­rend er sich um­zieht, kann ich Ih­nen schon eine gan­ze Men­ge über ihn er­zäh­len – auch Neu­es. Wir wol­len Walsh ru­fen, Pat, er kann ein paar Run­den ge­gen Sie ste­hen.«

»Nicht zu ma­chen«, knurr­te Glen­don in rau­em Ton, »nur los mit Ihrem In­ter­view!«

Die Un­ter­hal­tung ent­wi­ckel­te sich durch­aus un­be­frie­di­gend.

Stu­be­ner sprach fast die gan­ze Zeit al­lein und kam im­mer mit neu­en Vor­schlä­gen, die Maud Sangs­ter be­un­ru­hig­ten und Pat nicht er­mun­ter­ten.

Sie stu­dier­te sei­ne fei­nen Züge, das kla­re Blau sei­ner Au­gen, das sich scharf vom Wei­ßen ab­hob, die gut mo­del­lier­te Ad­ler­na­se, die fes­ten, keu­schen Lip­pen, die an­mu­tig und doch männ­lich wirk­ten und sich in den Mund­win­keln auf eine Art kräu­sel­ten, die aber durch­aus nicht bös­ar­tig wirk­te.

Wenn das stimm­te, was die Zei­tun­gen schrie­ben, dann täusch­te sein Äu­ße­res, so schloss sie. Ver­ge­bens such­te sie an sei­nen Ohren die un­ver­kenn­ba­ren Zei­chen des Tie­res. Und ver­ge­bens ver­such­te sie in Kon­takt mit ihm zu kom­men, denn sie ver­stand zu­we­nig von Bo­xern und vom Ring, und so­oft sie den Mund öff­ne­te und et­was frag­te, war Stu­be­ner so­fort mit sei­nen Er­klä­run­gen da.

»Die­ses Le­ben als Bo­xer muss sehr in­ter­essant sein«, sag­te sie ein­mal und füg­te seuf­zend hin­zu: »Ich wünsch­te, ich wüss­te et­was mehr da­von. Sa­gen Sie mir: Wa­rum kämp­fen Sie? – Ab­ge­se­hen vom Geld, mei­ne ich?«

Die­se Be­mer­kung war dazu be­rech­net, Stu­be­ner von ei­ner Ein­mi­schung ab­zu­hal­ten.

»Macht Ih­nen das Bo­xen Freu­de? Ist es Ih­nen ein Ner­ven­kit­zel, sich mit an­de­ren Män­nern zu mes­sen? Ich weiß nicht, wie ich aus­drücken soll, was ich mei­ne, Sie müs­sen schon Ge­duld mit mir ha­ben.«

Pat und Stu­be­ner be­gan­nen gleich­zei­tig zu spre­chen, dies­mal aber schnitt Pat sei­nem Ma­na­ger das Wort ab.

»An­fangs mach­te es mir gar kei­nen Spaß –«

»Wis­sen Sie, es wur­de ihm zu leicht«, warf Stu­be­ner ein.

»Spä­ter aber«, fuhr Pat fort, »als ich erst mit den bes­se­ren Bo­xern kämpf­te, mit den wirk­lich großen und tüch­ti­gen, die, wie ich fühl­te, mehr –«

»Ih­rer wür­di­ger wa­ren«, half sie ihm.

»Ja, das ist rich­tig – die mei­ner wür­di­ger wa­ren, da merk­te ich, dass es mir Freu­de mach­te … viel Freu­de so­gar. Aber ich bin doch nicht so mit mei­nem gan­zen Her­zen da­bei, wie ich es wohl sein soll­te.

Wis­sen Sie, ob­wohl je­der Kampf eine Art Pro­blem ist, das ich mit Hil­fe mei­nes Ver­stan­des und mei­ner Mus­keln zu lö­sen habe, so bin ich mir über den Aus­fall doch nie im Zwei­fel.«

»Er hat noch nie einen Kampf ge­habt, der mit ei­nem Punkt­sieg en­de­te«, er­klär­te Stu­be­ner. »Er hat im­mer durch k. o. ge­siegt.«

»Und die­se Si­cher­heit über den Aus­gang macht es wohl, dass ich nie das füh­le, was wohl ge­ra­de das schöns­te am Bo­xen ist«, schloss Pat.

»Na, viel­leicht wer­den Sie et­was von die­ser Span­nung füh­len, wenn Sie erst ge­gen Jim Han­ford an­tre­ten«, sag­te der Ma­na­ger.

Pat lä­chel­te, sag­te aber nichts.