Jack London – Gesammelte Werke

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Man brauch­te nicht be­son­ders klug zu sein, um die Wahr­heit zu er­ra­ten, und Sa­xon war sich denn auch gleich klar dar­über, dass es der kost­ba­re Lehm war, den die Zie­ge­lei brauch­te. Bil­ly ging in ei­nem großen Bo­gen um den Erd­rutsch her­um und ar­bei­te­te sich lang­sam an der Sei­te des Ca­ny­ons von Baum zu Baum, als klet­ter­te er eine Lei­ter her­ab.

»Ist das nicht groß­ar­tig?« sag­te er tri­um­phie­rend, als er sich ne­ben ihr her­ab­glei­ten ließ. »Sieh nur – so hat es da­ge­le­gen, un­ter vier Fuß Erde ver­bor­gen, wo nie­mand es se­hen konn­te, ja, da hat es ge­le­gen und ge­war­tet, bis wir ins Mond­tal kämen. Und da – bit­te, da wird ein großes Stück hübsch ab­ge­schält, so­dass wir es se­hen kön­nen.«

»Ist es denn der rich­ti­ge Lehm?«

»Ja, dar­auf kannst du dei­nen Kopf wet­ten! Ich habe zu viel da­von in den Hän­den ge­habt, dass ich es nicht im Dun­keln er­ken­nen soll­te! Du brauchst nur ein klei­nes Stück zwi­schen den Fin­gern zu zer­rei­ben – so! Ja, ich könn­te es schon am Ge­schmack mer­ken. Ich habe ge­nug von dem Staub ge­schluckt, wenn ich mit den Ar­bei­tern im Wa­gen fuhr. Aber jetzt sollst du nur se­hen! Weißt du, dass wir, seit­dem wir in die­ses Tal ka­men, nichts ge­tan ha­ben, als uns die Köp­fe zu zer­bre­chen. Aber jetzt ha­ben wir aus­ge­sorgt.«

»Aber es ge­hört dir ja nicht«, wand­te Sa­xon ein.

»Nun ja, aber dir wird kein grau­es Haar wach­sen, bis es das tut. Von hier geht es di­rekt zu Pay­ne, und dann schlie­ße ich mit ihm ab. Vor­kaufs­recht, ver­stehst du. Und un­ter­des­sen be­schaf­fe ich das Geld. Wir müs­sen die vier­hun­dert von Gow Yum lei­hen, und ich neh­me, so­viel ich krie­gen kann, auf mei­ne Pfer­de und Wa­gen und auf Ha­zel und Hat­tie und al­les, was sonst ein biss­chen Wert hat, auf. Und dann gebe ich Hi­lyard auf den Rest eine Hy­po­thek, und es ge­hört mir. Ja, und üb­ri­gens – es ist, als näh­me man ei­nem klei­nen Kind sei­nen Schnul­ler! Ich schlie­ße mit der Zie­ge­lei um zwan­zig Cent das Me­ter ab – viel­leicht mehr. Sie wer­den ganz toll vor Freu­de, wenn sie es se­hen. Sie brau­chen gar nicht zu boh­ren. Zu bei­den Sei­ten lie­gen fast zwei­hun­dert Fuß, die frei­ge­legt sind. Der gan­ze Hü­gel be­steht aus Lehm, mit ei­ner dün­nen Erd­schicht dar­über.«

»Aber verdirbst du denn nicht den herr­li­chen Ca­ny­on, wenn du al­len Lehm hin und her fährst?« rief Sa­xon er­schro­cken.

»Nein, nichts als den Hü­gel. Der Weg kommt von der an­de­ren Sei­te her­ab. Es sind nur zehn Mi­nu­ten bis zu Cha­v­ons Lehm­gru­be. Ich will ent­we­der den Weg selbst an­le­gen und mehr für die Fuhr­manns­ar­beit ver­lan­gen, oder die Zie­ge­lei kann ihn an­le­gen, und dann be­sor­ge ich die Fuhr­manns­ar­beit zum sel­ben Prei­se wie bis­her. Ich muss si­cher mehr Pfer­de kau­fen, um die Ar­beit leis­ten zu kön­nen.«

Sie sa­ßen Hand in Hand an dem klei­nen Wald­weg, um alle Ein­zel­hei­ten zu be­re­den.

»Und weißt du, Sa­xon«, sag­te Bil­ly, als eine Pau­se ein­trat, »jetzt musst du sin­gen: ›Wenn die Tage des Herbs­tes vor­bei!‹ Du willst doch?«

Und als sie ge­tan, um was er ge­be­ten, sag­te er: »Als du mir das Lied zum ers­ten Mal vor­sangst, sa­ßen wir in der Ei­sen­bahn –«

»Es war das al­ler­ers­te Mal, dass wir ums ge­trof­fen hat­ten«, fiel sie ihm ins Wort. »Was dach­test du da­mals von mir?«

»Das­sel­be, was ich seit­her im­mer ge­dacht habe – dass du wie für mich ge­schaf­fen warst. Das dach­te ich so­fort, als wir den ers­ten Wal­zer tanz­ten. Und was dach­test du von mir?«

»Ach, ich muss­te dar­über nach­den­ken – und zwar gleich, als wir uns vor­ge­stellt wa­ren und uns die Hand ge­ge­ben hat­ten – ich muss­te dar­über nach­den­ken, ob du viel­leicht der Rech­te wärst. Ja, der Ge­dan­ke er­stand im sel­ben Au­gen­blick in mir: Ist das der Mann?«

»Da fan­dest du also, dass ich nett aus­sah?« frag­te er.

»Das fand ich, und mei­ne Au­gen sind im­mer gut ge­we­sen.«

»Weißt du«, sag­te Bil­ly, plötz­lich zu ei­nem an­de­ren Ge­gen­stand über­ge­hend, »nächs­ten Win­ter, wenn al­les erst rich­tig im Gang ist – was meinst du dann dazu, eine Fahrt nach Car­mel zu ma­chen! Dann ist stil­le Zeit für dich und dein Ge­mü­se, und ich kann es mir wohl auch leis­ten, mir einen Vor­ar­bei­ter zu neh­men.«

Zu sei­nem großen Er­stau­nen war Sa­xon nicht be­geis­tert.

»Was ist los?« frag­te er eif­rig.

Lang­sam und zö­gernd, mit ehr­bar nie­der­ge­schla­ge­nen Au­gen, sag­te Sa­xon:

»Ich habe ges­tern et­was ge­tan, ohne mich mit dir zu be­ra­ten, Bil­ly.«

Er war­te­te.

»Ich schrieb an Tom«, sag­te sie mit furcht­sa­mer Mie­ne, als leg­te sie ein Be­kennt­nis ab.

Er war­te­te im­mer noch – er wuss­te sel­ber nicht, wor­auf.

»Ich bat ihn, mir die alte Kom­mo­de zu schi­cken – du weißt, die von mei­ner Mut­ter – die er für uns auf­be­wah­ren soll­te.«

»Hm! Da­bei ist doch nichts Merk­wür­di­ges!« sag­te Bil­ly er­leich­tert. »Wir kön­nen die Kom­mo­de ja ge­brau­chen – nicht wahr? Wir kön­nen uns auch die Fracht leis­ten, nicht wahr?«

»Du bist lieb, Bil­ly, aber du bist doch ein biss­chen dumm. Weißt du denn nicht, was in der Kom­mo­de ist?«

Er schüt­tel­te den Kopf, und sie sag­te so lei­se, dass es fast wie ein Flüs­tern klang:

»Das Kin­der­zeug.«

»Aber nein!« rief er.

»Ja, es ist wahr.«

»Ganz si­cher?«

Sie nick­te, und eine war­me Röte stieg ihr has­tig in die Wan­gen.

»Das habe ich mir ge­wünscht, Sa­xon, mehr als al­les an­de­re auf der Welt. Ich habe, seit wir ins Tal ka­men, im­mer wie­der dar­an ge­dacht«, fuhr er mit hal­b­er­stick­ter Stim­me fort, und zum ers­ten Mal sah sie, dass er Trä­nen in den Au­gen hat­te. »Aber nach al­lem, was ich ge­tan hat­te, nach all dem Krach, den ich ge­macht hat­te – da – woll­te ich dich nicht quä­len, ich habe auch nie ein Wort da­von ge­sagt. Aber ich sehn­te mich da­nach – ich sehn­te mich da­nach, wie ich mich jetzt nach dir seh­ne.«

Er brei­te­te die Arme aus, und sie schmieg­te sich an sei­ne Brust, und eine se­li­ge Stil­le senk­te sich auf den klei­nen Wild­see im Her­zen des Ca­ny­ons.

Sa­xon fühl­te, wie Bil­ly ihr war­nend den Fin­ger auf die Lip­pen leg­te. Sie bog den Kopf zu­rück, und zu­sam­men sa­hen sie zu dem klei­nen Hü­gel auf, wo ein Reh mit sei­nen ge­spren­kel­ten Kitz­lein stand und sie durch eine win­zi­ge Lich­tung zwi­schen den Bäu­men be­trach­te­te.

ENDE

1 Wis­sen <<<

2 Die Bucht von San Pa­blo (engl. San Pa­blo Bay) ist eine Mee­res­bucht im US-Bun­des­staat Ka­li­for­ni­en, sie geht in die Bucht von San Fran­cis­co über, wo der Mee­res­zu­fluss des Pa­zi­fik über das Gol­den Gate er­folgt. <<<

Der Ruhm des Kämpfers
Der Ruhm des Kämpfers

I

Sam Stu­be­ner über­flog nach­läs­sig und has­tig sei­ne Post.

Als Bo­xer-Ma­na­ger war er ge­wohnt, sehr ver­schie­den­ar­ti­ge und höchst selt­sa­me Brie­fe zu er­hal­ten. Alle mög­li­chen ver­dreh­ten Men­schen, Sports­leu­te, Sport­in­ter­es­sen­ten und Spor­tre­for­ma­to­ren schie­nen Ide­en zu ha­ben, die sie ihm mit­tei­len muss­ten.

Von fürch­ter­li­chen Be­dro­hun­gen sei­nes Le­bens bis zu sanf­te­ren War­nun­gen, dass man ihm die Fassa­de zu ver­schan­deln ge­däch­te, von An­ge­bo­ten glück­brin­gen­der Ha­sen­pfo­ten und Huf­ei­sen bis zu An­ge­bo­ten klei­ner Bar­be­trä­ge oder Ver­mö­gen bis zu ei­ner Vier­tel­mil­li­on Dol­lar von un­ver­ant­wort­li­chen Un­be­kann­ten, kann­te er die­sen gan­zen Schwung von Brie­fen.

Ein­mal hat­te er einen Ab­zieh­rie­men für Ra­sier­mes­ser, aus der Haut ei­nes ge­lynch­ten Ne­gers ver­fer­tigt, er­hal­ten und ein an­der­mal einen in der Son­ne ge­dörr­ten, ein­ge­schrumpf­ten Fin­ger, der von der Hand ei­nes Wei­ßen ab­ge­hau­en und spä­ter im »Tal des To­des« ge­fun­den wor­den war. Sam war ganz si­cher, dass der Brief­trä­ger nichts mehr brin­gen konn­te, das ihn je­mals ver­wun­dern wür­de.

Heu­te Mor­gen aber be­fand sich un­ter den Brie­fen ei­ner, den er zwei­mal las, dann in die Ta­sche steck­te, um ihn spä­ter wie­der her­aus­zu­ho­len und ein drit­tes Mal zu le­sen.

Die Brief­mar­ke trug den Stem­pel ei­ner Post­sta­ti­on ir­gend­wo im Sis­kiy­ou-Be­zirk, von der er noch nie et­was ge­hört hat­te, und der Brief lau­te­te:

»Lie­ber Sam!

Sie ken­nen mich nicht per­sön­lich, nur dem Na­men nach. Sie ka­men näm­lich erst nach mei­ner Zeit, als ich schon mit dem Spiel auf­ge­hört hat­te. Aber glau­ben Sie mir, ich habe die Zeit nicht ver­schla­fen. Mir ist nichts ent­gan­gen, was den Sport be­traf, und ich habe Ihre Kar­rie­re ver­folgt, seit Sie von Kal Auf­man be­siegt wur­den, bis Sie neu­lich Pat Nel­son loslie­ßen, und ich bin der An­sicht, dass Sie der tüch­tigs­te Ma­na­ger sind, den ich je in un­se­rer Sa­che ge­trof­fen habe.

Ich will Ih­nen einen Vor­schlag ma­chen. Ich bie­te Ih­nen den bes­ten Un­be­kann­ten an, der je ge­lebt hat. Das ist kei­ne Re­dens­art, son­dern vol­ler Ernst.

Was mei­nen Sie zu ei­nem Kerl, der mit der gan­zen Ban­de bis zu zwei­hun­dert Pfund fer­tig wird, zwei­und­zwan­zig Jah­re alt ist und einen Schlag im Lei­be hat, der dop­pelt so hart ist wie der bes­te, den ich sei­ner­zeit leis­ten konn­te?

So ist die­ser Jun­ge, und er ist mein Sohn, der jun­ge Pat Glen­don – das ist der Name, un­ter dem er kämp­fen soll.

Ich habe den gan­zen Plan schon fix und fer­tig. Und das bes­te, was Sie jetzt tun kön­nen, ist, dass Sie mit dem ers­ten Zuge her­kom­men und mit mir re­den.

 

Ich habe ihn selbst er­zo­gen und trai­niert. Al­les, was ich vom Spiel ken­ne, habe ich ihm in den Schä­del ge­häm­mert. Und Sie wer­den mir kaum glau­ben, wenn ich Ih­nen sage, dass das, was er selbst hin­zu­ge­fügt hat, noch be­deu­tend mehr ist.

Er ist der ge­bo­re­ne Bo­xer. Es ist ge­ra­de­zu fa­bel­haft, wie er die Ent­fer­nung be­rech­nen und den rech­ten Au­gen­blick ab­pas­sen kann. Er irrt sich nicht um einen Zoll und nicht um eine Se­kun­de, und er braucht nicht ein­mal zu be­rech­nen, er macht das ganz ge­fühls­mä­ßig. In ei­nem sei­ner klei­nen kur­z­en Schlä­ge aus sechs Zoll Ent­fer­nung ist mehr von der rich­ti­gen Schlaf­me­di­zin als in ei­nem Voll­schwin­ger von all den an­de­ren.

Man re­det von der Hoff­nung der wei­ßen Ras­se. Die ist er. Kom­men Sie her und schau­en Sie sich ihn an. Als Sie Jeffries ma­nag­ten, da wa­ren Sie ganz wild dar­auf, auf die Jagd zu ge­hen. Wenn Sie mich be­su­chen, sol­len Sie ein biss­chen rich­ti­ge Jagd und Fisch­fang er­le­ben, was Sie Ihre Fil­mein­nah­men ver­ges­sen lässt. Der jun­ge Pat soll sich Ih­rer an­neh­men. Ich selbst bin nicht im­stan­de, Sie rich­tig zu füh­ren.

Das ist auch der Grund, dass ich Ih­nen schrei­be. Ei­gent­lich hät­te ich selbst sein Ma­na­ger sein wol­len. Aber es geht nicht mehr, mei­ne Zeit kann je­den Au­gen­blick um sein. Ich möch­te, dass Sie ihn in die Ma­che neh­men.

Sie kön­nen bei­de ein Ver­mö­gen da­mit ver­die­nen, aber ich will selbst den Kon­trakt auf­set­zen.

Stets der Ihre

Pat Glen­don

Stu­be­ner war ver­wun­dert. Im ers­ten Au­gen­blick sah die gan­ze Sa­che wie ein Spaß aus – die Leu­te vom Ring gal­ten für große Spaß­vö­gel –, und er stu­dier­te die Schrift ge­nau, ob er nicht die fei­nen Schrift­zü­ge Cor­betts oder die großen, Ver­trau­en ein­flö­ßen­den Buch­sta­ben Fitz­sim­mons her­au­ser­ken­nen konn­te.

War die­ser Brief aber echt, so war er es schon wert, dass man sich nä­her mit ihm be­schäf­tig­te.

Pat Glen­don war aus der Zeit vor der sei­nen, aber er konn­te sich er­in­nern, als Kind ein­mal den al­ten Pat ein Schau­bo­xen zu­guns­ten Jack Emp­seis ha­ben ge­ben se­hen. Schon da­mals hat­te man ihn den »al­ten Pat« ge­nannt. Schon seit Jah­ren war er nicht mehr im Ring. Wer sich für Bo­xen in­ter­es­sier­te, kann­te Pat Glen­d­ons Na­men, wenn auch nur we­ni­ge von den heu­te Le­ben­den ihn in sei­ner Glanz­pe­ri­ode ge­se­hen hat­ten, aber sein Name war in die Ge­schich­te des Box­sports über­ge­gan­gen, und kein Sport­le­xi­kon konn­te voll­stän­dig ge­nannt wer­den, wenn nichts über Pat Glen­don dar­in stand.

Sein Ruf schi­en fast über­trie­ben zu sein. Kaum je­mand hielt man hö­her in Ehren, und doch wur­de er nie In­ha­ber der Welt­meis­ter­schaft. Er hat­te stets Pech ge­habt und war zu­letzt nur als der »un­glück­li­che Bo­xer« be­kannt. Vier­mal wäre er fast Schwer­ge­wichts­meis­ter ge­wor­den, und je­des Mal mit Recht. Da war zum Bei­spiel der Kampf auf dem Schiff in der Bucht von San Fran­zis­ko. Bei die­ser Ge­le­gen­heit brach er sich den einen Arm, als er ge­ra­de im Be­griff stand, den Trä­ger der Meis­ter­schaft zu be­sie­gen.

Bei ei­nem an­de­ren Kampf auf ei­ner klei­nen Them­sein­sel, wo die Kämp­fen­den zu­letzt in sechs Zoll Was­ser her­um­wa­ten muss­ten, weil die Flut zu stei­gen be­gon­nen hat­te, brach er sich im ent­schei­den­den Au­gen­blick ein Bein, als je­der schon se­hen konn­te, dass er der si­che­re Sie­ger war.

In Texas ge­sch­ah es an ei­nem Tage, den man nie ver­ges­sen wird, dass ge­ra­de in dem Au­gen­blick, als sein Geg­ner ihm völ­lig preis­ge­ge­ben war, die Po­li­zei ein­drang und den Kampf ver­bot. Und end­lich der Kampf in der Ma­schi­nen­hal­le in San Fran­zis­ko, wo er ei­nem elen­den Schie­ber von Schieds­rich­ter und ei­nem gan­zen Kom­plott von Spie­lern zum Op­fer fiel. Bei die­ser Ge­le­gen­heit kam Pat Glen­don nicht zu Scha­den, da er sei­nen Geg­ner aber mit ei­nem rech­ten Ha­ken ge­gen das Kinn und ei­nem lin­ken ge­gen den So­lar­ple­xus k. o. ge­schla­gen hat­te, dis­qua­li­fi­zier­te ihn der Schieds­rich­ter we­gen Tief­schla­ges.

Je­der ein­zel­ne Zuschau­er, je­der, der et­was vom Bo­xen ver­stand, und die gan­ze Welt, so­weit sie sich für Sport in­ter­es­sier­te, wuss­te, dass es sich hier nicht um ein Foul ge­han­delt hat­te. Aber Pat Glen­don war ja wie je­der Bo­xer ver­pflich­tet, die Ent­schei­dung des Schieds­rich­ters an­zu­er­ken­nen, und Pat fand sich in das Ge­sche­he­ne als in et­was, das er sei­nem ge­wöhn­li­chen Pech zu ver­dan­ken hat­te.

Das war Pat Glen­don. Was Stu­be­ner aber be­son­ders in­ter­es­sier­te, war, ob Pat wirk­lich den Brief ge­schrie­ben hat­te oder nicht. Er fuhr da­mit in die Stadt.

»Was ist aus Pat Glen­don ge­wor­den?« So be­grüß­te er alle Sports­leu­te an die­sem Mor­gen. Nie­mand schi­en et­was zu wis­sen. Ei­ni­ge mein­ten, er müs­se tot sein, aber kei­ner wuss­te et­was Be­stimm­tes. Der Sport­re­dak­teur ei­ner Mor­gen­zei­tung schlug in der Re­kord­lis­te nach und konn­te fest­stel­len, dass von sei­nem Tode nichts ver­merkt war.

Erst Tim Do­no­van brach­te ihn auf die Spur.

»Ge­stor­ben ist er be­stimmt nicht«, sag­te Do­no­van. »Wa­rum hät­te er ster­ben sol­len? – ein Mann von sei­ner Kon­sti­tu­ti­on, der we­der trunk­süch­tig noch rauf­lus­tig war! Er hat viel Geld ge­macht, und was mehr ist, er hat es ge­hal­ten und gut an­ge­legt. Hat­te er doch einst drei Knei­pen auf ein­mal. Und als er sie ver­kauf­te, hat er einen schö­nen Bat­zen da­bei ver­dient. Üb­ri­gens war es da­mals, als ich ihn das letz­te Mal sah. Das ist rund zwan­zig Jah­re her, wenn nicht mehr. Sei­ne Frau war ge­ra­de ge­stor­ben. Ich traf ihn, als er zur Fäh­re ging.

›Wo­hin, al­ter Sports­mann?‹ frag­te ich. ›Ich gehe in die Wäl­der‹, sag­te er. ›Hier hab’ ich nichts mehr zu su­chen. Leb wohl, Tim, mein Jun­ge.‹

Und seit dem Tage habe ich nichts mehr von ihm ge­se­hen oder ge­hört. Aber tot ist er na­tür­lich nicht.«

»Du sagst, das war, als sei­ne Frau starb – hat­te er Kin­der?« forsch­te Stu­be­ner.

»Ja, ei­nes, ein ganz klei­nes. An dem Tage trug er es ge­ra­de auf dem Arm.«

»War es ein Jun­ge?«

»Wie soll­te ich das wis­sen?«

Da fass­te Sam Stu­be­ner einen Ent­schluss, und am Abend saß er in ei­nem Pull­man­wa­gen und war auf dem Wege in die Wild­nis Nord­ka­li­for­ni­ens.

II

Früh am nächs­ten Mor­gen stieg Stu­be­ner in Deer Lick aus und trat sich eine Stun­de lang die Ha­cken ab, ehe die ein­zi­ge Gast­wirt­schaft ihre Tü­ren öff­ne­te. Der Wirt wuss­te nichts von Pat Glen­don.

Er hat­te nie von ihm ge­hört, und wenn Pat hier in der Ge­gend leb­te, so muss­te es ir­gend­wo auf der an­de­ren Sei­te des Ta­les sein.

Auch der ein­zi­ge Stamm­gast hat­te nie et­was von Pat Glen­don ge­hört. Im Ho­tel wuss­te man eben­so­we­nig, und erst als der Kauf­manns­la­den und die Post ge­öff­net wur­den, kam Stu­be­ner auf die rech­te Spur.

Ja­wohl, Pat Glen­don wohn­te drü­ben. Sam müss­te die Post bis Sta­ge neh­men – das wäre ein Holz­fäl­ler­la­ger, vier­zig Mei­len von Deer Lick. In Al­pi­ne soll­te er sich ein Pferd mie­ten und durch das An­ti­lo­pen­tal über die Was­ser­schei­de nach dem Bä­ren­bach rei­ten. Dort wohn­te Pat Glen­don ir­gend­wo. In Al­pi­ne wüss­ten die Leu­te si­cher Be­scheid. Ja, es gäbe einen jun­gen Pat, der Kauf­mann hät­te ihn ge­se­hen, er sei vor ein paar Jah­ren mal in Deer Lick ge­we­sen.

Aber der alte Pat hät­te sich seit fünf Jah­ren nicht ge­zeigt. Er kauf­te sei­ne Wa­ren in der Zw­eignie­der­las­sung und be­zahl­te stets mit Schecks – er sei ein wun­der­li­cher, weiß­haa­ri­ger al­ter Mann.

Das wäre al­les, was der Kauf­mann wüss­te, aber in Al­pi­ne könn­te er si­cher jede ge­wünsch­te Aus­kunft er­hal­ten.

Stu­be­ner war ganz zu­frie­den. Es leb­ten also zwei­fel­los so­wohl ein jun­ger Pat Glen­don wie ein al­ter hier in der Ge­gend.

Die Nacht ver­brach­te der Ma­na­ger im Holz­fäl­ler­la­ger von Al­pi­ne, und früh am nächs­ten Mor­gen ritt er auf ei­nem Ge­birgs­pfad nach dem An­ti­lo­pen­tal hin­auf und kam über die Was­ser­schei­de zum Bä­ren­bach. Er ritt den gan­zen Tag durch das wil­des­te, raues­te Ge­län­de, das er je ge­se­hen hat­te, und er­reich­te bei Son­nen­un­ter­gang das Pin­to­tal auf ei­nem Steig, der so steil und schmal war, dass er es mehr als ein­mal vor­zog, ab­zu­stei­gen und das Pferd am Zü­gel zu füh­ren.

Es war elf Uhr, als er vor ei­ner Block­hüt­te ab­stieg, wo er von dem Bel­len zwei­er rie­si­ger Jagd­hun­de emp­fan­gen wur­de. Dann öff­ne­te Pat Glen­don die Tür, leg­te ihm den Arm um die Schul­ter und führ­te ihn ins Haus. »Ich wuss­te, dass Sie kom­men wür­den, Sam, mein Jun­ge«, sag­te Pat, wäh­rend er her­um­schlurf­te, Feu­er mach­te, Kaf­fee koch­te und ein großes Stück Bä­ren­fleisch briet. »Der Jun­ge kommt heu­te Nacht nicht nach Hau­se. Das Fleisch geht uns aus, und da ist er bei Son­nen­un­ter­gang weg­ge­gan­gen, um einen Hirsch zu schie­ßen. Aber ich will Ih­nen noch nichts von ihm er­zäh­len. War­ten Sie nur, bis Sie ihn se­hen. Mor­gen früh kommt er heim, und dann kön­nen Sie drau­ßen einen Ver­such mit ihm ma­chen. Dort lie­gen die Hand­schu­he. Aber war­ten Sie nur, bis Sie ihn ge­se­hen ha­ben.

Was mich be­trifft, bin ich fer­tig. Im kom­men­den Ja­nu­ar wer­de ich ein­un­dacht­zig, und das ist recht hübsch für einen frü­he­ren Bo­xer. Aber ich habe auch nie ge­gen mei­ne Na­tur ge­wü­tet, mich nie spät in der Nacht schla­fen ge­legt und mein Licht nie an bei­den En­den an­ge­zün­det. Ich hab’ ein ganz hüb­sches Licht ge­habt und so­viel wie mög­lich dar­aus her­vor­ge­holt, wie Sie zu­ge­ben wer­den, wenn Sie mich an­se­hen. Und das hab’ ich auch dem Jun­gen ein­ge­trich­tert.

Ich weiß nicht, was Sie zu ei­nem Bur­schen von zwei­und­zwan­zig sa­gen, der noch nie im Le­ben Al­ko­hol ge­trun­ken oder Ta­bak ge­schmeckt hat? So ist er. Er ist ein Rie­se und hat sein Le­ben lang na­tür­lich ge­lebt. War­ten Sie nur, bis er mit Ih­nen auf die Jagd geht! Sie wür­den einen Herz­schlag von dem krie­gen, was ihm so leicht wie gar nichts fällt, und da­bei kön­nen Sie ihn ru­hig Ihr gan­zes Ge­päck und einen großen Reh­bock oben­drein schlep­pen las­sen. Er ist im Frei­en auf­ge­wach­sen und hat we­der Som­mer noch Win­ter je mit ei­nem Dach über dem Kopf ge­schla­fen.

Fri­sche Luft ist das bes­te für ihn, das hab’ ich ihm bei­ge­bracht. Und das ist es auch ei­gent­lich, wo­vor ich die meis­te Angst habe: Wie wird es ihm be­kom­men, in ei­nem Haus zu schla­fen, und wie soll er den Ta­baks­rauch er­tra­gen kön­nen, wenn er in den Ring steigt? Das ist so ziem­lich das Schlimms­te, was ich ken­ne, die­ser Ta­baks­rauch, wenn man kämpft und nach Luft schnappt!

Aber jetzt ge­nug da­von, Sam, mein Jun­ge. Sie sind müde und hät­ten längst schla­fen sol­len. War­ten Sie, bis Sie ihn se­hen, mehr sage ich nicht. War­ten Sie, bis Sie ihn se­hen!«

Aber die Ge­schwät­zig­keit des Al­ters war über Pat ge­kom­men, und es dau­er­te noch lan­ge, bis er Stu­be­ner er­laub­te, die Au­gen zu schlie­ßen.

»Er kann mit sei­nen Bei­nen einen Hirsch ein­ho­len, der Ben­gel«, rief er wie­der. »Das ist ge­ra­de das rech­te Trai­ning für die Lun­ge, das Jä­ger­le­ben. Sonst weiß er nicht viel, wenn er auch ein paar Bü­cher mit so poe­ti­schem Zeug ge­le­sen hat. Er ist der rei­ne Na­tur­mensch, wie Sie sel­ber se­hen wer­den, wenn Sie ihn erst vor Au­gen ha­ben. Die alte iri­sche Kraft ist in ihm.

Manch­mal, wenn er so her­um­schwärmt, liegt der Ge­dan­ke nahe, dass er an Mär­chen und der­glei­chen glaubt. Er liebt die Na­tur so heiß wie nur ei­ner, aber vor den Städ­ten hat er Angst. Er weiß von ih­nen nur das, was er von ih­nen ge­le­sen hat, und die größ­te, die er kennt, ist Deer Lick. Es ge­fiel ihm nicht, dass dort so vie­le Men­schen wa­ren. Das ist jetzt zwei Jah­re her, und dort sah er das ers­te und letz­te Mal eine Ei­sen­bahn.

Manch­mal den­ke ich, ob es nicht falsch von mir war, dass ich ihn so er­zo­gen habe. Aber er hat doch da­durch eine gute Lun­ge und Aus­dau­er und Kraft wie ein Och­se ge­kriegt. Ich möch­te den Städ­ter se­hen, der ihm ge­gen­über et­was aus­rich­ten könn­te. Ich möch­te wet­ten, dass ihm selbst Jeffries in sei­ner bes­ten Zeit nicht all­zu viel zu schaf­fen ge­macht ha­ben wür­de. Der Ben­gel wür­de ihn ge­knickt ha­ben wie einen Stroh­halm. – Da­bei sieht er gar nicht da­nach aus. Das ist das ewi­ge Wun­der! Schein­bar ist er nur ein Kna­be; aber die Mus­keln sind von der rech­ten Art, das ist der Witz. War­ten Sie nur, bis Sie ihn se­hen, mehr sage ich nicht.

 

Merk­wür­dig, wel­che Vor­lie­be der Jun­ge für Poe­sie hat, für klei­ne Wie­sen, für ein paar Fich­ten mit dem Mond dar­über, für wol­ki­ge Son­nen­un­ter­gän­ge oder für Son­nen­auf­gän­ge, vom Gip­fel des al­ten Baldy aus ge­se­hen. Und er ist ganz ver­rückt nach Zeich­nun­gen und nach Er­güs­sen von ›Lu­ci­fer oder Nacht‹, wie er sie aus den Ge­dicht­bü­chern kennt, die er sich von der rot­haa­ri­gen Leh­re­rin lieh.

Ein gu­tes ist, dass er wei­ber­scheu ist. Für die ers­ten Jah­re wird er sich nicht mit ih­nen ab­ge­ben. Er hat gar kein Ver­ständ­nis für die­se Ge­schöp­fe, und im üb­ri­gen ver­flucht we­ni­ge da­von ge­se­hen.

Da war die Schul­leh­re­rin von Sam­sons Flat, die ihm all die­se Poe­sie in den Kopf ge­setzt hat, sie war wie ver­rückt hin­ter dem Jun­gen her, aber er merk­te es gar nicht. Sie war ein warm­her­zi­ges Mä­del – nicht aus den Ber­gen, son­dern aus der Ebe­ne – und sie wur­de all­mäh­lich ganz wild, so­dass man sich schä­men muss­te, wie sie hin­ter ihm her war.

Und was mei­nen Sie, was der Jun­ge tat, als er die Ge­schich­te merk­te? Er krieg­te es mit der Angst wie ein Hase, pack­te De­cken und Mu­ni­ti­on zu­sam­men und mach­te, dass er in die Wäl­der kam.

Ei­nen Mo­nat lang sah und hör­te ich nichts von ihm, dann kam er ei­nes Abends, als es dun­kel ge­wor­den war, aber am nächs­ten Mor­gen war er wie­der weg. Ihre Brie­fe woll­te er nicht mal an­gu­cken.

›Ver­brenn sie‹, sag­te er.

Und ich ver­brann­te sie.

Zwei­mal kam sie den gan­zen Weg von Sam­sons Flat hier­her ge­rit­ten, mir tat das jun­ge Ding di­rekt leid. So ver­rannt war sie in den Ben­gel, dass je­der es ihr an­se­hen konn­te.

Nach drei Mo­na­ten gab sie dann die Schu­le auf und ging wie­der in ihre Hei­mat, und erst da kam der Jun­ge zu mir zu­rück.

Die Wei­ber ha­ben man­chen gu­ten Bo­xer auf dem Ge­wis­sen, aber ihn wer­den sie nicht ver­der­ben. Er wird rot wie ein Mä­del, wenn ir­gend­ein jun­ges Ding in Rö­cken ihn auch nur eine Se­kun­de zu lan­ge an­guckt. Und sie gu­cken ihn alle an.

Wenn er aber kämpft, wenn er kämpft! – Herr­gott, dann mel­det sich der alte iri­sche Ur­mensch in ihm und setzt sei­ne Arme in Gang.

Nicht dass er durch­dreh­te! Glau­ben Sie das nicht. In mei­ner bes­ten Zeit war ich nicht so kalt­blü­tig wie er. Ich glau­be, an mei­nem Pech war im­mer mein über­großer Ei­fer schuld.

Aber er ist wie ein Eis­berg. Er ist heiß und kalt zu­gleich, ein Feu­er­herz in ei­ner Eis­brust.«

Stu­be­ner war ein­ge­nickt, als das Ge­schwätz des Al­ten ihn wie­der weck­te. Er hör­te schläf­rig zu.

»Ich hab, weiß Gott, einen Mann aus ihm ge­macht. Ich hab einen Mann aus ihm ge­macht mit zwei Fäus­ten, die er zu ge­brau­chen weiß, ei­nem Paar Bei­nen, auf de­nen er ste­hen kann, und ei­nem Paar schar­fer Au­gen.

Und ich ken­ne den Sport, ich bin mit der Zeit ge­gan­gen und ken­ne die mo­der­nen Metho­den.

Crouch? Si­cher, er weiß, wie man sei­ne Kräf­te schont. Er be­wegt sie nie um zwei Zoll, wenn an­dert­halb ge­nü­gen. Und wenn er will, kann er wie ein Kän­gu­ruh sprin­gen.

In­figh­ting? War­ten Sie nur, bis Sie ihn se­hen! Ich sage Ih­nen, ich habe ihm al­les bei­ge­bracht, je­den Trick, und was er ge­lernt hat, das hat er selbst noch ver­bes­sert.

Er ist das rei­ne Box­ge­nie. Und er hat oft Ge­le­gen­heit ge­habt, es mit den ro­hen Ker­len aus den Ber­gen zu pro­bie­ren.

Ich lehr­te ihn die Kunst, und sie lehr­ten ihn das Schla­gen – da gibt es kei­nen, der ei­nem Streit aus dem Wege geht. Brül­len­de Och­sen und große Grizz­ly­bä­ren sind sie, sie hau­en beim Clin­chen und ha­ben mäch­ti­ge Schwin­ger.

Und er spielt mit ih­nen, wie Sie und ich mit jun­gen Hun­den spie­len wür­den.«

Als Stu­be­ner wie­der ein­mal auf­wach­te, hör­te er den Al­ten schwat­zen.

»Und das Ko­mi­sche bei der Sa­che ist, dass er das Bo­xen gar nicht ernst nimmt. Es fällt ihm zu leicht, es ist eine Spie­le­rei für ihn. Aber wenn es mal ernst wird, dann wer­den Sie se­hen. Ich sage nur: War­ten Sie es ab. Dann wer­den Sie se­hen, wie der Saft, der in ihm ein­ge­fro­ren war, auf­braust und wie al­les, was er ge­lernt hat, an den Tag kommt.«

*

In der küh­len grau­en Däm­me­rung der Ber­ge wur­de Stu­be­ner von dem al­ten Pat aus den De­cken ge­jagt. »Jetzt kommt er«, flüs­ter­te er hei­ser. »Heraus mit Ih­nen, und se­hen Sie sich den größ­ten Bo­xer an, der je­mals in den Ring steigt.«

Der Ma­na­ger sah, sich den Schlaf aus den Au­gen rei­bend, zur of­fe­nen Tür hin­aus und er­blick­te einen jun­gen Rie­sen in der Lich­tung.

In der einen Hand hielt er ein Ge­wehr, und über den Schul­tern lag ein schwe­rer Hirsch. Der jun­ge Jä­ger war derb ge­klei­det, trug einen blau­en Over­all und ein wol­le­nes, am Hal­se of­fe­nes Hemd, an den Fü­ßen Mo­kass­ins.

Stu­be­ner be­merk­te, dass sein Gang leicht und weich wie der ei­ner Kat­ze war trotz sei­ner zwei­hun­dert Pfund und dem Ge­wicht des Hir­sches. Gleich der ers­te An­blick mach­te Ein­druck auf den Ma­na­ger. Herr­lich ge­wach­sen war der jun­ge Bur­sche si­cher, aber der Beo­b­ach­ter sah noch et­was Merk­wür­di­ges und Un­ge­wöhn­li­ches an ihm.

Er war ein neu­er Typ, ganz an­ders als der große Hau­fen der üb­ri­gen Bo­xer. Dies war ein Ge­schöpf aus dem Ur­wald, mehr ein um­her­schwei­fen­der Na­tur­mensch aus den al­ten Sa­gen als ein jun­ger Mann aus dem zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert.

Ei­nes ent­deck­te Stu­be­ner sehr bald: Der jun­ge Pat war kein Schwät­zer. Als der alte Pat die Vor­stel­lung er­le­digt hat­te, drück­te er ihm wort­los die Hand und be­gann schwei­gend Feu­er zu ma­chen und das Früh­stück zu be­rei­ten. Die Fra­gen sei­nes Va­ters be­ant­wor­te­te er ein­sil­big. Als der Va­ter ihn zum Bei­spiel frag­te, wo er den Hirsch er­legt hät­te, ant­wor­te­te er nur:

»South Fork.«

»Elf Mei­len über die Ber­ge«, er­klär­te der Alte dem Ma­na­ger stolz, »und ein Weg, dass Sie einen Herz­schlag ge­kriegt hät­ten.«

Das Früh­stück be­stand aus schwar­zem Kaf­fee, Brot und ei­ner un­ge­heu­ren Men­ge von über den Koh­len ge­bra­te­nem Bä­ren­fleisch.

Der jun­ge Mann mach­te sich gie­rig dar­über her, und Stu­be­ner zog den Schluss, dass bei­de Glen­d­ons fast aus­schließ­lich von Fleisch leb­ten.

Der alte Pat be­sorg­te die gan­ze Un­ter­hal­tung, aber erst nach be­en­de­ter Mahl­zeit kam er auf das zu spre­chen, was ihm am Her­zen lag.

»Pat, mein Jun­ge«, be­gann er. »Du weißt ja, wer der Herr ist.«

Der jun­ge Pat nick­te und warf einen schnel­len ver­ste­hen­den Blick auf den Ma­na­ger.

»Na ja, er will dich also mit nach San Fran­zis­ko neh­men.«

»Ich möch­te lie­ber hier­blei­ben, Va­ter«, lau­te­te die Ant­wort.

Stu­be­ner fühl­te sich ent­täuscht. Der Schein hat­te also ge­tro­gen. Dies war also gar kein Bo­xer, der auf Kampf ver­ses­sen war. Sei­ne mäch­ti­gen Mus­keln gal­ten nichts. Das war nichts Neu­es. Das wa­ren die­se großen Ker­le, die meis­tens mit der Zeit dick wur­den. Aber jetzt flamm­te der Zorn des al­ten Pat auf, und sei­ne Stim­me klang hart und ge­bie­te­risch:

»Du wirst in die Städ­te ge­hen und kämp­fen, mein Jun­ge. Dazu hab’ ich dich er­zo­gen, und du wirst es tun.«

»Gut«, lau­te­te die un­er­war­te­te Ant­wort, die gleich­gül­tig aus tiefer Brust kam.

»Und kämp­fen wie der Deu­bel«, füg­te der Alte hin­zu. Wie­der war Stu­be­ner ent­täuscht über den Man­gel an Feu­er und Be­geis­te­rung in den Au­gen des jun­gen Man­nes, als er ant­wor­te­te:

»Gut, wann rei­sen wir ab?«

»Sam möch­te erst ein biss­chen auf die Jagd ge­hen und fi­schen, und er möch­te auch gern mal einen Gang mit dir ver­su­chen.«

Er sah Sam an, und der nick­te.

»Ich den­ke, du ziehst dir das Hemd aus und gibst ihm eine klei­ne Pro­be von dei­nem Kön­nen.«