»Teufel auch!« Das war alles, was Billy sagen konnte.
»Sie sehen also, wie abhängig die ganze Bevölkerung vom Wasser ist«, fuhr der frühere Kellner fort. »Nun ja, wir haben das Wasser, einen unermesslichen unterirdischen Vorrat, und im Laufe weniger Jahre wird dieses Tal so dicht bevölkert sein wie Belgien.«
Ganz bezaubert von dem fünfzölligen Strom, der von demselben Motor aus dem Boden geholt und ihm wiedergegeben wurde, hielt er in seiner Darlegung inne und starrte ihn an, verzaubert, ohne einen anderen Gedanken, während seine Gäste weiterfuhren.
»Und der hat Getränke ausgeschenkt«, sagte Billy bewundernd. »Er würde sich sicher viel besser dazu eignen, in einer Temperenzlerwirtschaft zu bedienen – das kannst du jedem sagen, der dich danach fragt.«
»Es ist ein so schöner Gedanke – all das Wasser – und all die glücklichen Menschen, die hier wohnen –«
»Aber es ist nicht das Mondtal«, lachte Billy.
»Nein«, antwortete sie. »Im Mondtal brauchen sie den Boden nur zu überrieseln, wenn sie Alfalfa und dergleichen pflanzen wollen. Was wir brauchen, ist Wasser, das ganz natürlich aus der Erde quillt und sich in kleinen Bächen über den Hof verbreitet, und an der Grenze einen richtigen kleinen Fluss. –«
»Mit Forellen«, fiel Billy ihr ins Wort. »Und mit Weiden und allen möglichen anderen Bäumen an seinen Ufern, und hie und da einer Stromschnelle, wo man Forellen fangen kann und einer tiefen Stelle zum Schwimmen und Tauchen. Und Eisvögel und Kaninchen, die zum Trinken an den Fluss kommen, und vielleicht auch ein Hirsch.«
»Und Lerchen auf den Wiesen«, fügte Saxon hinzu. »Und in allen Bäumen Turteltauben. Wir müssen Turteltauben und große graue Waldeichhörnchen haben.«
»Na ja, in dem Mondtal – da gibt es wenigstens etwas«, sagte Billy nachdenklich und wippte mit seiner Peitsche eine Fliege weg, die sich auf Hatties Flanke gesetzt hatte. »Glaubst du, dass wir es finden?«
Saxon nickte mit großer Sicherheit.
»Ebenso wie die Juden das Gelobte Land und die Mormonen Utah und die Pioniere Kalifornien fanden. Erinnerst du dich noch des Rates, den wir erhielten, als wir Oakland verließen? Wer sucht, findet.«
*
Immer nordwärts, durch ein fruchtbares, blühendes, verjüngtes Land, mit Aufenthalt in den Städten Willows, Red Bluff und Redding, durch die Bezirke Colusa, Glenn; Tehama und Shasta fuhr der elegante Reisewagen, gezogen von den flammenden Kastanienbraunen mit den weißgelben Mähnen und Schweifen. Billy fand nur drei Pferde, die er nach Oakland schicken konnte, obgleich er viele Bauernhöfe besuchte. Saxon sprach mit den Frauen, während er mit den Männern den Bestand durchsah, und sie überzeugte sich immer mehr, dass das Tal, welches sie suchten, nicht hier lag.
Bei Redding setzten sie in einer Seilfähre über den Sacramento, und in brennender Hitze reisten sie einen ganzen Tag über niedrige Ausläufer der Berge und flache Plateaus. Die Hitze wurde immer unerträglicher, und Bäume und Sträucher waren versengt und tot. Dann kamen sie endlich nach Sacramento, wo die großen Schmelzhütten in Kennet die Vernichtung, die die Vegetation betroffen hatte, erklärten.
Sie klommen aus der Schmelzstadt heraus, wo hochgelegene Häuser einen unsicheren Halt auf dem steilen Hang gefunden hatten. Es war ein breiter, gut angelegter Weg, der sie den meilenweiten Hang hinauf und von dort steil abwärts in den Sacramento Canyon führte. Der Weg, der in die Felswand des Canyons gehauen war und sich gleichmäßig senkte, wurde so schmal, dass Billy sich fürchtete, einem anderen Fuhrwerk zu begegnen. Tief unten lief der Fluss schäumend oder gleichmäßig gleitend über den steinigen Boden oder stürmte vorwärts über große Steine und Wasserfälle in seiner wilden Jagd nach dem großen Tal, das sie soeben verlassen hatten.
Zuweilen wurde der Weg etwas breiter, und dann kutschierte Saxon, während Billy zu Fuß ging, um den Wagen zu erleichtern. Sie bestand darauf, es auch hin und wieder zu tun, und wenn er die stöhnenden Pferde anhielt, damit sie auf dem steilen Hang Luft schöpften, und wenn Saxon dann neben ihren Köpfen stand, sie streichelte und ermunterte, den Weg fortzusetzen, dann war Billys Freude zu innig, als dass er sie in Worten hätte ausdrücken können, und er konnte nur seine schönen Pferde und seine schöne Frau ansehen, die so frisch und zierlich in ihrem goldbraunen Cordkleid, die festen Waden in braunem Cord unter dem kurzen, straffen Rock, dastand. Und wenn sie ihn dann mit einem Blick ansah, in dem er dieselbe Freude las, die sein Gemüt erfüllte, und sich die ehrlichen grauen Augen plötzlich betauten, dann konnte er sich nicht mehr bezwingen, sondern wusste, dass er etwas sagen musste, um sich Luft zu machen.
»Oh, du Liebes!« rief er.
Und sie antwortete strahlend: »Oh, du Lieber!«
Eine Nacht verbrachten sie in einer tiefen Senkung des Canyons, wo ein kleines Dorf mit einer Kistenfabrik lag, und wo ein zahnloser Greis, der mit seinen blassen Augen ihre Reiseausstattung betrachtete, fragte: »Seid ihr Zirkuskünstler?«
Sie kamen an Castle Crags vorbei, das mit seinen mächtigen Bastionen flammendrot von dem in der Hitze zitternden blauen Himmel abstach. Dann sahen sie den ersten Schimmer des Mount Shasta, einer rosigen Schneezinne, die sich, schön wie ein Traum, im Sonnenuntergang zwischen und über den grünen Wänden eines Canyons erhob – ein Kennzeichen, das sie viele Tage lang vor Augen haben sollten. Wenn sie einen steilen Hang hinaufkamen, konnte der Shasta plötzlich bei einer Wegbiegung, immer noch in der Ferne, erscheinen, jetzt mit zwei Gipfeln und Gletschern von schwachleuchtendem Weiß. Meile auf Meile, Tag für Tag mühten sie sich bergan, während der Shasta in seinem Sommerschnee immer neue Formen annahm.
»Ein Kino am Himmel«, sagte Billy schließlich.
»Ach, das ist alles so schön!« seufzte Saxon. »Aber es ist kein Mondtal.«
Sie begegneten einer wahren Landplage von Schmetterlingen, und viele Tage lang fuhren sie durch zahllose Schwärme der schönen flammenden Geschöpfe, die eine einförmige samtbraune Decke auf dem Wege bildeten. Und die ganze Zeit war es, als höbe sich der Weg unter den Nüstern der schnaubenden Pferde, während die Luft von lautlosen Wesen erfüllt wurde, die in Wolken von Braun und Gelb, weich und leicht wie Schnee, vom Winde dahingetrieben wurden oder sich in ganzen Bergen an den Hecken sammelten und sich hilflos in den Rieselgräben am Wege entlang treiben ließen. Hazel und Hattie gewöhnten sich allmählich daran, aber Possum fürchtete sich wahnsinnig vor ihnen.
»Hu! Wer hat je von Pferden gehört, die sich nicht mehr vor Schmetterlingen fürchteten?« neckte Billy. »Das steigert ihren Wert direkt um fünfzig Dollar.«
»Warten Sie nur, bis Sie über die Grenze von Oregon nach dem Rogue-River-Tal kommen«, sagten die Leute zu ihnen. »Das ist ein wahres Paradies auf Erden – Klima, Landschaft und Obstgärten; Obstfarmen, die nach einer Schätzung von fünfhundert Dollar den Morgen zweihundert Prozent ergeben.«
»Nun ja«, sagte Billy, als sie außer Hörweite waren. »Der Bissen ist zu fett, da kriegt man Leibschmerzen.«
Und Saxon sagte: »Ich weiß nichts von Äpfeln im Mondtal, aber das weiß ich, dass es zehntausend Prozent Glück geben soll nach einer Schätzung von einem Billy, einer Saxon, einer Hazel, einer Hattie und einem Possum.«
Durch Siskiyou und über hohe Berge kamen sie nach Ashland und Medford und rasteten am wilden Rogue.
»Es ist alles herrlich und prachtvoll«, erklärte Saxon, »aber es ist nicht das Mondtal.«
»Nein, es ist nicht das Mondtal«, sagte Billy zustimmend, und das sagte er auch noch am Abend desselben Tages, als er ein Ungeheuer von Forelle gefangen hatte, bis an den Hals in dem eiskalten Rogue stand und ganze vierzig Minuten mit seiner Beute kämpfte, bis es ihm glückte, sie ans Ufer zu ziehen, wo er sie mit einem Geheul wie ein Comanche an den Kiemen packte.
»Wer sucht, findet«, prophezeite Saxon, als sie über den Grant Pass fuhren und nordwärts über die Berge den fruchtbaren Oregontälern zusteuerten.
Als sie eines Tages in der Nähe des Umpqua rasteten, beugte Billy sich über den ersten Hirsch, den er je geschossen hatte, und begann ihn abzuziehen. Dann sah er zu Saxon auf und meinte:
»Wenn ich nicht Kalifornien kennte, so würde ich glauben, dass Oregon etwas für mich sei.«
Als sie sich abends am Hirschfleisch satt gegessen hatten, sagte er, während er, auf die Ellbogen gestützt, dalag und seine Zigarette nach dem Abendessen rauchte:
»Vielleicht gibt es gar kein Mondtal. Und wenn nicht – was dann? Wir könnten ja unser ganzes Leben lang weiter suchen. Ich wünsche mir nichts Besseres.«
»Ja, aber es gibt ein Mondtal«, sagte Saxon, »und wir werden es schon finden. Wir müssen es finden. Es ginge doch nicht, dass wir nicht eine feste Wohnung hätten. Dann würde es ja keine kleinen Hazels und Hatties oder – kleine – Billys geben –«
»Oder kleine Saxons«, warf Billy ein.
»Oder kleine Possums«, fügte sie schnell hinzu und streichelte gleichzeitig den Foxterrier, der begeistert an einem Hirschknochen nagte. Ein gereiztes Knurren und ein giftiges Schnappen nach ihren Fingern, die sie hastig zurückziehen musste, war ihr Lohn.
»Possum!« schalt sie und streckte wieder die Hand aus.
»Lass ihn!« warnte Billy sie. »Er kann nichts dafür, und das nächste Mal beißt er dich.«
Noch drohender war das Knurren, das Possum ausstieß, als seine Kinnbacken sich um den Knochen pressten, und seine Augen flammten wie im Wahnsinn, während sich die Haare auf seinem Halse sträubten.
»Es ist ein guter Hund, der für seinen Knochen kämpft«, sagte Billy zu seiner Entschuldigung. »Ich möchte keinen Hund haben, der das nicht täte.«
»Aber er ist mein Possum«, protestierte Saxon. »Und er liebt mich. Er muss mich mehr lieben als einen alten Knochen. Und er muss gehorchen, wenn ich etwas sage. Hörst du, Possum, gib mir jetzt den Knochen. Gib mir den Knochen, mein Herr.«
Sie streckte vorsichtig die Hand aus, und das Knurren wurde immer stärker und schriller, bis es in einem gereizten Schnappen endete.
»Ich sage dir, es ist Instinkt«, wiederholte Billy. »Er liebt dich, aber er kann das einfach nicht lassen.«
»Er hat das Recht, seinen Knochen gegen Fremde zu verteidigen, aber nicht gegen seine eigene Mutter«, ereiferte Saxon sich. »Ich werde ihn schon dazu bringen, dass er mir den Knochen lässt.«
»Ein Foxterrier ist schrecklich empfindlich, Saxon. Du machst ihn nur hysterisch.«
Aber sie war entschlossen, ihren Kampf durchzuführen, und sie hob einen kurzen Zweig vom Boden auf.
»So, mein Freund, gib mir jetzt den Knochen.«
Sie drohte dem Hund mit dem Zweig, und der Hund wurde wütender als je. Wieder schnappte er nach ihr, um sich dann auf seinen Knochen zu stürzen und sich daran festzuklammern. Saxon hob den Stock, wie um zu schlagen, und er ließ plötzlich den Knochen los, rollte sich vor ihren Füßen auf dem Rücken, alle Viere in der Luft, die Ohren demütig zurückgelegt und mit tränenerfüllten, flehenden Augen.
»Großer Gott!« sagte Billy ernst und feierlich. »Sieh ihn nur an – wie er daliegt und seinen Solar Plexus, seine Eingeweide und seinen ganzen Leib präsentiert – vollkommen wehrlos, als wollte er sagen: ›Hier liege ich. Prügele los auf mich! Tritt mir das Leben zum Leibe heraus! Ich liebe dich, ich bin dein Sklave, aber ich kann es nicht lassen, meinen Knochen zu verteidigen. Mein Instinkt ist stärker als ich. Töte mich – aber ich kann nicht anders.‹«
Saxons Zorn war verschwunden. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie sich niederbeugte und das winzige Geschöpf in ihre Arme nahm. Possum war außer sich vor Erregung, er winselte und zitterte, wand und drehte sich und leckte ihr Gesicht – alles, um ihre Verzeihung zu erlangen.
»Ein Herz von Gold, mit einer Rose im Mund«, summte Saxon, während sie ihr Gesicht in dem weichen, zitternden Bündel von Nerven und Empfindsamkeit vergrub. »Es tut Mutter leid. Sie wird dich nie mehr so quälen. So, so, mein Kleines. Sieh! Hier ist dein Knochen – nimm ihn.«
Sie setzte den Hund auf den Boden, aber er stand unentschlossen da, als wüsste er nicht, was er wählen sollte – sie oder den Knochen, und er sah sie an, um sich zu vergewissern, dass er wirklich ihre Erlaubnis hatte, zitterte aber gleichzeitig immer noch vor Bewegung über den furchtbaren Kampf zwischen Verlangen und Pflicht, der ihn fast zu zerreißen drohte. Erst als sie ihre Erlaubnis wiederholt und mit einem Kopfnicken auf den Knochen gezeigt hatte, nahm der Hund ihn wieder auf. Und einmal, als eine Minute vergangen war, hob er in plötzlichem Schreck den Kopf und sah sie fragend an. Sie nickte lächelnd, und Possum seufzte tief und zufrieden und machte sich dann wieder an seinen teuren Knochen.
»Mercedes hatte recht, als sie sagte, dass die Menschen um Arbeit kämpfen wie Hunde um einen Knochen«, sagte Billy langsam. »Es ist Instinkt. Ich konnte es ebenso wenig lassen, einen Streikbrecher zu verprügeln, wie Possum es lassen konnte, nach dir zu schnappen. Man kann es nicht erklären. Was man tun muss, das muss man tun. Wenn man etwas tut, so zeigt das, dass man es tun muss, ob man es nun erklären kann oder nicht. Weißt du noch, wie Hall nicht erklären konnte, warum er McManus beim Laufen den Stock zwischen die Beine steckte? Was man tun muss, muss man tun. Mehr ist darüber nicht zu sagen. Ich hatte nicht den geringsten Grund, unsern Zimmerherrn Jimmy Harmon zu verprügeln. Er war ein braver Bursche, in jeder Beziehung anständig. Aber ich musste es einfach tun, als der Streik in die Brüche ging und alles in mir so bitter war, dass ich es direkt schmecken konnte. Ich habe es dir nie erzählt, aber ich habe einmal nach meiner Entlassung mit ihm darüber gesprochen, als meine Arme heilten. Ich ging in den Lokomotivschuppen, lauerte ihm auf und bat ihn dann um Entschuldigung. Warum ich ihn um Entschuldigung bat? Das weiß ich nicht – wohl aus demselben Grunde, aus dem ich ihn verprügelte – ich konnte es nicht lassen.«
Und so erklärte Billy auf seine eigene, realistische Art das Gesetz von Ursache und Wirkung am Ufer des Umpquas, während Possum es auf ähnliche Art mit gierigen Zähnen an seinem Knochen darlegte.
*
Possum neben sich auf dem Bock, fuhr Saxon in die Stadt Roseburg ein. Sie fuhr im Schritt, und hinten am Wagen waren zwei schwere junge Arbeitspferde angebunden. Dahinter gingen sechs andere, jedoch frei, ohne angebunden zu sein, und den Nachtrab bildete Billy, der ein neuntes Pferd ritt. All diese Tiere schickte er von Roseburg nach den Ställen in West-Oakland.
Im Umpquatal hörten sie das Gleichnis von dem weißen Sperling. Der Bauer, der es ihnen erzählte, war ein älterer, wohlhabender Mann. Sein Hof war ein Muster an Ordnung und System. Später hörte Billy von den Nachbarn, dass man sein Vermögen auf eine Viertelmillion veranschlagte.
»Haben Sie die Geschichte von dem Bauern und dem weißen Sperling gehört?« fragte er Billy beim Mittagessen.
»Nein, ich habe nicht einmal je von einem weißen Sperling gehört«, antwortete Billy.
»Ja, die sind natürlich auch ziemlich selten«, gab der Bauer zu. »Aber hören Sie die Geschichte: Es war einmal ein Bauer, der kein rechtes Glück hatte. Nichts ging, wie es sollte, bis er schließlich eines Tages von dem wunderbaren weißen Sperling hörte. Es scheint, dass der weiße Sperling sich nur bei Tagesanbruch zeigt, und dass er dem Bauern, der ihn zu fangen vermag, großes Glück bringt. Am Tage darauf war unser Freund, der Bauer, bei Tagesanbruch, ja, noch etwas früher auf, um sich nach ihm umzusehen. Und wissen Sie – viele Monate suchte er nach ihm, aber nie sah er eine Spur.« Der alte Bauer schüttelte den Kopf. »Nein, er fand ihn nie, aber er fand vieles rings auf dem Hofe, das getan werden musste, und er tat alles vor dem Frühstück, und ehe er sich umsah, war der Hof gut im Gange, und es dauerte nicht lange, so hatte er die Hypothek ausbezahlt und besaß ein Bankkonto.«
An diesem Nachmittag fuhr Billy in tiefe Gedanken versunken weiter.
»Ich habe den Wink wohl verstanden«, sagte er schließlich, »aber es befriedigt mich doch nicht ganz. Natürlich gab es keinen weißen Sperling, aber weil er frühmorgens aufstand, konnte er eine Menge Dinge verrichten, die er vernachlässigt hatte – ja, das verstehe ich schon. Und doch, Saxon, wenn das das Leben ist, das ein Bauer leben muss, dann mache ich mir nichts daraus, das Mondtal zu finden. Das Leben ist nicht lauter schwere Arbeit. Von morgens bis abends nur Mühe und Arbeit, dann könnte man ja ebenso gut in der Stadt bleiben. Was ist der Unterschied? Alle Zeit, die man zur Verfügung hat, muss man zum Schlafen gebrauchen, und wenn man schläft, hat man doch kein Vergnügen davon. Und wo man schläft, ist schließlich einerlei – man ist einfach tot. Man könnte ebenso gut ganz tot sein, wie sich auf die Art totarbeiten. Lieber wandere ich weiter, schieße einen Hirsch oder fange eine Forelle, wie es sich trifft, und liege auf dem Rücken im Schatten eines Baumes, lache und spaße mit dir und – gehe schwimmen. Nicht, dass ich nichts tun wollte. Aber es ist ein verdammter Unterschied, ob man ein vernünftiges Maß von Arbeit leistet oder sich zu Tode rackert.«
Saxon war vollkommen einig mit ihm. Sie sah auf ihre vielen Jahre voll Mühe und Arbeit zurück und verglich sie mit dem frohen Leben, das sie seit Beginn ihrer Wanderung geführt hatten.
»Wir wollen ja gar nicht reich sein«, sagte sie. »Lass sie auf den Sacramentoinseln und rings in den überrieselten Tälern nach ihrem weißen Sperling jagen. Wenn wir im Mondtal früh aufstehen, dann soll es sein, um die Vögel singen zu hören und mit ihnen zu singen. Und wenn wir manchmal schwer arbeiten, dann wollen wir es nur tun, um mehr Zeit zum Spielen zu haben. Und wenn du schwimmen willst, so gehe ich mit dir. Und wir wollen so viel spielen, dass die Arbeit uns froh macht – wie eine Art Zerstreuung.«
»Ich bin bald so ausgedörrt, dass ich nicht mehr kann«, teilte Billy ihr mit und wischte sich den Schweiß von der sonnenverbrannten Stirn. »Was meinst du dazu, wenn wir nach der Küste fahren?«
So bogen sie denn nach Westen ab und fuhren durch wilde, bergige Schluchten von dem Hochland, das die Talstrecke im Innern bildete, hinab. Der Weg war so schlecht, dass sie auf einer Strecke von sieben englischen Meilen zehn Automobilen begegneten, die festgefahren waren und nicht weiter konnten. Billy wollte die Tiere schonen, und so ließen sie sich denn am Ufer eines rauschenden Wasserlaufes nieder, wo sie zwei Forellen auf einmal fingen. Hier fing Saxon auch ihre erste große Forelle. Das Kreischen der Winde, als der große Fisch anbiss, ließ sie einen erstaunten kleinen Schrei ausstoßen. Billy kam zu ihr, um ihr gute Ratschläge zu erteilen, und einige Minuten darauf zog Saxon mit flammenden Wangen und mit Augen, die vor Eifer leuchteten, vorsichtig den großen Fisch aus dem Wasser auf den trockenen Sand. Hier riss er sich vom Haken los und schlug furchtbar um sich, bis sie sich auf ihn stürzte und ihn mit ihren Händen fing.
»Sechzehn Zoll!« sagte Billy, als sie ihn stolz hochhielt, damit er ihn bewundern konnte. »Hallo, was willst du jetzt tun?«
»Natürlich den Sand abwaschen.«
»Leg sie lieber in den Korb«, riet er, dann aber schwieg er und beobachtete ihre Bewegungen mit tiefem Ernst.
Sie beugte sich über das Wasser und tauchte den prachtvollen Fisch hinein. Er schlug um sich; sie griff krampfhaft nach ihm, und fort war er.
»Ach!« rief Saxon unglücklich.
»Wer findet, halte fest, was er gefunden«, zitierte Billy.
»Mir ist es gleich«, antwortete sie. »Er war jedenfalls größer als alle, die du je gefangen hast.«
»Oh, ich leugne gar nicht, dass du tüchtig im Fischen bist«, sagte er langsam. »Mich hast du ja auch gefischt, nicht wahr?«
»Das weiß ich nun nicht«, antwortete sie schnell. »Vielleicht ist das wie die Geschichte von dem Mann, der verhaftet wurde, weil er in der Schonzeit Forellen fing. Er entschuldigte sich damit, dass es Notwehr gewesen sei.«
Billy dachte lange nach, verstand sie aber noch nicht.
»Die Forelle hatte ihn angegriffen«, erklärte sie.
Billy grinste. Nach einer Viertelstunde sagte er: »Da hast du es mir tüchtig gegeben!«
*
Der Himmel hatte sich bezogen, und als sie am Ufer des Coquilles entlang fuhren, senkte sich plötzlich Nebel auf sie herab.
»Oha!« rief Billy begeistert. »Ist das nicht großartig? Ich merke direkt, dass ich es aufsauge wie ein trockener Schwamm. Noch nie habe ich mich so über Nebel gefreut.«
Saxon breitete die Arme aus, und es war, als badete sie in dem grauen Nebel.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich die Sonne überbekommen könnte«, sagte sie, »aber wir haben in den letzten Wochen mehr gehabt, als uns gut tat.«
»Seit wir aus dem Sacramentotal heraus sind«, bestätigte Billy. »Zu viel Sonne ist auch nicht gut. Das habe ich selbst schon herausgefunden. Sonnenschein ist wie Alkohol. Hast du je bemerkt, wie prachtvoll du dich fühltest, wenn die Sonne nach einer Woche feuchten Wetters herauskam? Dann ist der Sonnenschein wie ein Schuss Whisky. Er tut genau dieselbe Wirkung. Es ist ein herrliches Gefühl. Und wenn man geschwommen hat und aus dem Wasser kommt und in der Sonne liegt – wie herrlich es einem dann geht! Das kommt daher, dass man einen Sonnencocktail schlürft. Aber gesetzt, man liegt ein paar Stunden im Sande, dann ist es nicht mehr so schön. Dann wird man schwer und schlaff und braucht gefährlich lange, um sich anzuziehen. Und dann geht man heim, und schleppt die Beine nach und fühlt sich ganz elend, als wäre Saft und Kraft aus einem herausgesogen. Was ist das? Ein Katzenjammer. Man hat sich in Sonnenschein übernommen, wie man sich in Whisky übernehmen kann, und nun muss man seinen Preis dafür bezahlen. Das ist ganz klar. Deshalb ist ein Klima mit Nebel am besten.«
»Aber wir sind doch viele Monate lang berauscht gewesen«, sagte Saxon. »Sollen wir jetzt wieder nüchtern werden?«
»Darauf kannst du dich verlassen! Weißt du, Saxon, ich kann an einem Tage für zwei Tage arbeiten, in einem Klima wie dem hier. Sieh die Tiere an. Ich will mich hängen lassen, wenn sie nicht schon ganz übermütig werden.«
Saxons Blick schweifte vergebens über den Kiefernwald, um nach den Riesentannen zu suchen, die sie so liebte. Sie würden sie in Kalifornien finden, sagte ihnen jemand in Bandon.
»Dann sind wir zu weit nach Norden geraten«, sagte Saxon. »Wir müssen nach Süden, um unser Mondtal zu finden.«
Und so reisten sie nach Süden, auf Wegen, die immer schlechter wurden, durch das Meiereiland von Langlois und durch dichte Kiefernwälder nach Port Orford, wo Saxon Achat am Strande fand, während Billy mächtige Dorsche fing. Noch hatte sich keine Eisenbahn durch diese wilde Gegend hindurchgeschnitten, und der Weg nach Süden wurde immer wilder. Am Gold Beach trafen sie ihren alten Freund, den Rogue, über den sie sich an seiner Mündung in den Stillen Ozean auf der Fähre übersetzen ließen. Immer wilder wurde das Land, immer furchtbarer wurden die Wege, und immer weiter war es zwischen den vereinzelten Bauernhöfen und den Rodungen.
Und hier gab es weder Asiaten noch Europäer. Die spärliche Bevölkerung bestand aus den ursprünglichen Ansiedlern und ihren Nachkommen. Saxon sprach mit mehreren alten Männern und Frauen, die sich noch der Reise über die Prärie mit den schwer arbeitenden Ochsen entsannen. Westwärts waren sie gezogen, bis der Stille Ozean ihnen Halt gebot, und hier hatten sie den Wald gerodet, ihre primitiven Häuser gebaut und sich niedergelassen. Es war der fernste Westen, den sie entdeckt hatten. Alte Gebräuche hielten sich noch unverändert unter ihnen. Es gab keine Eisenbahn. Noch hatte kein Automobil sich auf diese schlechten Wege gewagt. Im Osten, zwischen ihnen und den dichtbevölkerten Tälern im Innern, lag das öde, wilde Küstengebirge – ein wahres Paradies für Jäger, wie einer zu Billy sagte, obwohl der erklärte, dass der Weg, den er gekommen war, Jägerparadies genug für ihn war. Denn ohne die Pferde anzuhalten, hatte er Saxon die Zügel gereicht und vom Kutschbock aus einen Bock mit acht Enden geschossen.
Südlich von Gold Beach hörten sie, als sie auf einem schmalen Weg durch den unberührten Wald fuhren, hoch über sich den Klang von Glocken. Hundert Meter weiter fand Billy eine Stelle, die breit genug war, um ausweichen zu können. Und hier wartete er, während die munteren Glocken sich schnell näherten.
Sie hörten das scheuernde Geräusch einer Bremse, den dumpfen Laut von Pferdehufen auf dem weichen Boden, einen harten Ausruf des Kutschers und plötzlich das Lachen einer Frau.
»Der kann fahren, der kann fahren dort oben!« murmelte Billy. »Ich ziehe meinen Hut vor ihm, wer er auch sein mag, dass er so schnell auf einem Weg wie hier fahren kann. – Hör nur, der hat starke Bremsen! – Das war ein ordentliches Loch! Der hat Federn, Saxon, der hat Federn!«
Dort, wo der Weg im Zickzack über ihnen ging, sahen sie zwischen den Bäumen vier schnelle rotbraune Pferde und die schnellen Räder eines kleinen, gelbbraunen Wagens.
Bei der nächsten Biegung kamen die zwei vorderen Pferde wieder zum Vorschein, und sie fuhren die Kurven weit aus, worauf die zwei hinteren Pferde mit dem leichten zweisitzigen Fuhrwerk erschienen; dann aber bildete alles wieder eine gerade Linie, und lärmend kamen sie über eine schmale Plankenbrücke. Auf dem Vordersitz saßen ein Mann und eine Frau, auf dem Hintersitz saß ein Japaner, zwischen Handkoffern, Angelruten, Gewehren, Sesseln und einem Schreibmaschinenkasten eingeklemmt, während über ihm und um ihn herum auf äußerst sinnreiche Weise eine Menge Hirsch- und Elchgeweihe verstaut waren.
»Das sind ja Herr und Frau Hastings!« rief Saxon.
»Brr!« heulte Hastings und ließ die Bremse auf das Rad wirken, während er seine Pferde neben Billy und Saxon anhielt. Grüße wurden ausgetauscht, und der Japaner, den sie zuletzt auf dem »Wanderer« gesehen hatten, gab und erhielt seinen vollen Anteil an den Grüßen.
»Das ist etwas anderes als die Sacramentoinsel, nicht wahr?« sagte Hastings zu Saxon. »Nichts als alte amerikanische Familien hier in den Bergen. Und sie haben sich nicht im geringsten verändert. Unsere Vorfahren sind genau ebenso gewesen.«
Herr und Frau Hastings erzählten von ihrer langen Fahrt. Sie waren jetzt seit zwei Monaten unterwegs und wollten weiter durch Oregon und Washington nach der kanadischen Grenze.
»Dann schicken wir die Pferde zurück und reisen selbst mit der Eisenbahn nach Hause«, schloss Hastings.
»Aber bei der Schnelligkeit hätten Sie doch viel weiter kommen müssen als bis hierher«, meinte Billy kritisch.
»Wir machen an allen möglichen Orten halt«, erklärte Frau Hastings.
»Wir waren auf dem geschützten Territorium bei Hoopa«, sagte Hastings. »Und wir fuhren im Kanu den Trinity und den Klamath bis zum Meer hinab. Und wir haben zwei Wochen in der richtigen Wildnis von Curry County verbracht.«
»Dort sollten Sie übrigens hinfahren«, riet Hastings ihnen. »Sie können noch vor Abend Mountain Ranch erreichen. Und von dort können Sie ins Land abbiegen. Nein, Wege gibt es nicht. Sie müssen die Pferde reiten. Aber es ist voll von Wild. Ich schoss fünf Berglöwen und zwei Bären, gar nicht zu reden von einer Menge Hirsche. Und es gibt auch kleine Elchherden. Nein, ich schoss keine, sie sind geschützt. Die Geweihe hier habe ich von alten Jägern bekommen. Ich will Ihnen alles erzählen.«
Und während die beiden Männer miteinander sprachen, waren Saxon und Frau Hastings auch nicht müßig.