Jack London – Gesammelte Werke

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»Teu­fel auch!« Das war al­les, was Bil­ly sa­gen konn­te.

»Sie se­hen also, wie ab­hän­gig die gan­ze Be­völ­ke­rung vom Was­ser ist«, fuhr der frü­he­re Kell­ner fort. »Nun ja, wir ha­ben das Was­ser, einen un­er­mess­li­chen un­ter­ir­di­schen Vor­rat, und im Lau­fe we­ni­ger Jah­re wird die­ses Tal so dicht be­völ­kert sein wie Bel­gi­en.«

Ganz be­zau­bert von dem fünf­zöl­li­gen Strom, der von dem­sel­ben Mo­tor aus dem Bo­den ge­holt und ihm wie­der­ge­ge­ben wur­de, hielt er in sei­ner Dar­le­gung inne und starr­te ihn an, ver­zau­bert, ohne einen an­de­ren Ge­dan­ken, wäh­rend sei­ne Gäs­te wei­ter­fuh­ren.

»Und der hat Ge­trän­ke aus­ge­schenkt«, sag­te Bil­ly be­wun­dernd. »Er wür­de sich si­cher viel bes­ser dazu eig­nen, in ei­ner Tem­pe­renz­ler­wirt­schaft zu be­die­nen – das kannst du je­dem sa­gen, der dich da­nach fragt.«

»Es ist ein so schö­ner Ge­dan­ke – all das Was­ser – und all die glück­li­chen Men­schen, die hier woh­nen –«

»Aber es ist nicht das Mond­tal«, lach­te Bil­ly.

»Nein«, ant­wor­te­te sie. »Im Mond­tal brau­chen sie den Bo­den nur zu über­rie­seln, wenn sie Al­fal­fa und der­glei­chen pflan­zen wol­len. Was wir brau­chen, ist Was­ser, das ganz na­tür­lich aus der Erde quillt und sich in klei­nen Bä­chen über den Hof ver­brei­tet, und an der Gren­ze einen rich­ti­gen klei­nen Fluss. –«

»Mit Fo­rel­len«, fiel Bil­ly ihr ins Wort. »Und mit Wei­den und al­len mög­li­chen an­de­ren Bäu­men an sei­nen Ufern, und hie und da ei­ner Strom­schnel­le, wo man Fo­rel­len fan­gen kann und ei­ner tie­fen Stel­le zum Schwim­men und Tau­chen. Und Eis­vö­gel und Ka­nin­chen, die zum Trin­ken an den Fluss kom­men, und viel­leicht auch ein Hirsch.«

»Und Ler­chen auf den Wie­sen«, füg­te Sa­xon hin­zu. »Und in al­len Bäu­men Tur­tel­tau­ben. Wir müs­sen Tur­tel­tau­ben und große graue Wal­deich­hörn­chen ha­ben.«

»Na ja, in dem Mond­tal – da gibt es we­nigs­tens et­was«, sag­te Bil­ly nach­denk­lich und wipp­te mit sei­ner Peit­sche eine Flie­ge weg, die sich auf Hat­ties Flan­ke ge­setzt hat­te. »Glaubst du, dass wir es fin­den?«

Sa­xon nick­te mit großer Si­cher­heit.

»Eben­so wie die Ju­den das Ge­lob­te Land und die Mor­mo­nen Utah und die Pio­nie­re Ka­li­for­ni­en fan­den. Erin­nerst du dich noch des Ra­tes, den wir er­hiel­ten, als wir Oa­k­land ver­lie­ßen? Wer sucht, fin­det.«

*

Im­mer nord­wärts, durch ein frucht­ba­res, blü­hen­des, ver­jüng­tes Land, mit Auf­ent­halt in den Städ­ten Wil­lows, Red Bluff und Red­ding, durch die Be­zir­ke Co­lu­sa, Glenn; Te­ha­ma und Shas­ta fuhr der ele­gan­te Rei­se­wa­gen, ge­zo­gen von den flam­men­den Kas­ta­ni­en­brau­nen mit den weiß­gel­ben Mäh­nen und Schwei­fen. Bil­ly fand nur drei Pfer­de, die er nach Oa­k­land schi­cken konn­te, ob­gleich er vie­le Bau­ern­hö­fe be­such­te. Sa­xon sprach mit den Frau­en, wäh­rend er mit den Män­nern den Be­stand durch­sah, und sie über­zeug­te sich im­mer mehr, dass das Tal, wel­ches sie such­ten, nicht hier lag.

Bei Red­ding setz­ten sie in ei­ner Seil­fäh­re über den Sa­cra­men­to, und in bren­nen­der Hit­ze reis­ten sie einen gan­zen Tag über nied­ri­ge Aus­läu­fer der Ber­ge und fla­che Pla­te­aus. Die Hit­ze wur­de im­mer un­er­träg­li­cher, und Bäu­me und Sträu­cher wa­ren ver­sengt und tot. Dann ka­men sie end­lich nach Sa­cra­men­to, wo die großen Schmelz­hüt­ten in Ken­net die Ver­nich­tung, die die Ve­ge­ta­ti­on be­trof­fen hat­te, er­klär­ten.

Sie klom­men aus der Schmelz­stadt her­aus, wo hoch­ge­le­ge­ne Häu­ser einen un­si­che­ren Halt auf dem stei­len Hang ge­fun­den hat­ten. Es war ein brei­ter, gut an­ge­leg­ter Weg, der sie den mei­len­wei­ten Hang hin­auf und von dort steil ab­wärts in den Sa­cra­men­to Ca­ny­on führ­te. Der Weg, der in die Fels­wand des Ca­ny­ons ge­hau­en war und sich gleich­mä­ßig senk­te, wur­de so schmal, dass Bil­ly sich fürch­te­te, ei­nem an­de­ren Fuhr­werk zu be­geg­nen. Tief un­ten lief der Fluss schäu­mend oder gleich­mä­ßig glei­tend über den stei­ni­gen Bo­den oder stürm­te vor­wärts über große Stei­ne und Was­ser­fäl­le in sei­ner wil­den Jagd nach dem großen Tal, das sie so­eben ver­las­sen hat­ten.

Zu­wei­len wur­de der Weg et­was brei­ter, und dann kut­schier­te Sa­xon, wäh­rend Bil­ly zu Fuß ging, um den Wa­gen zu er­leich­tern. Sie be­stand dar­auf, es auch hin und wie­der zu tun, und wenn er die stöh­nen­den Pfer­de an­hielt, da­mit sie auf dem stei­len Hang Luft schöpf­ten, und wenn Sa­xon dann ne­ben ih­ren Köp­fen stand, sie strei­chel­te und er­mun­ter­te, den Weg fort­zu­set­zen, dann war Bil­lys Freu­de zu in­nig, als dass er sie in Wor­ten hät­te aus­drücken kön­nen, und er konn­te nur sei­ne schö­nen Pfer­de und sei­ne schö­ne Frau an­se­hen, die so frisch und zier­lich in ih­rem gold­brau­nen Cord­kleid, die fes­ten Wa­den in brau­nem Cord un­ter dem kur­z­en, straf­fen Rock, da­stand. Und wenn sie ihn dann mit ei­nem Blick an­sah, in dem er die­sel­be Freu­de las, die sein Ge­müt er­füll­te, und sich die ehr­li­chen grau­en Au­gen plötz­lich be­tau­ten, dann konn­te er sich nicht mehr be­zwin­gen, son­dern wuss­te, dass er et­was sa­gen muss­te, um sich Luft zu ma­chen.

»Oh, du Lie­bes!« rief er.

Und sie ant­wor­te­te strah­lend: »Oh, du Lie­ber!«

Eine Nacht ver­brach­ten sie in ei­ner tie­fen Sen­kung des Ca­ny­ons, wo ein klei­nes Dorf mit ei­ner Kis­ten­fa­brik lag, und wo ein zahn­lo­ser Greis, der mit sei­nen blas­sen Au­gen ihre Rei­se­aus­stat­tung be­trach­te­te, frag­te: »Seid ihr Zir­kus­künst­ler?«

Sie ka­men an Cast­le Crags vor­bei, das mit sei­nen mäch­ti­gen Bas­tio­nen flam­mend­rot von dem in der Hit­ze zit­tern­den blau­en Him­mel ab­stach. Dann sa­hen sie den ers­ten Schim­mer des Mount Shas­ta, ei­ner ro­si­gen Schnee­zin­ne, die sich, schön wie ein Traum, im Son­nen­un­ter­gang zwi­schen und über den grü­nen Wän­den ei­nes Ca­ny­ons er­hob – ein Kenn­zei­chen, das sie vie­le Tage lang vor Au­gen ha­ben soll­ten. Wenn sie einen stei­len Hang hin­auf­ka­men, konn­te der Shas­ta plötz­lich bei ei­ner Weg­bie­gung, im­mer noch in der Fer­ne, er­schei­nen, jetzt mit zwei Gip­feln und Glet­schern von schwach­leuch­ten­dem Weiß. Mei­le auf Mei­le, Tag für Tag müh­ten sie sich bergan, wäh­rend der Shas­ta in sei­nem Som­mer­schnee im­mer neue For­men an­nahm.

»Ein Kino am Him­mel«, sag­te Bil­ly schließ­lich.

»Ach, das ist al­les so schön!« seufz­te Sa­xon. »Aber es ist kein Mond­tal.«

Sie be­geg­ne­ten ei­ner wah­ren Land­pla­ge von Schmet­ter­lin­gen, und vie­le Tage lang fuh­ren sie durch zahl­lo­se Schwär­me der schö­nen flam­men­den Ge­schöp­fe, die eine ein­för­mi­ge samt­brau­ne De­cke auf dem Wege bil­de­ten. Und die gan­ze Zeit war es, als höbe sich der Weg un­ter den Nüs­tern der schnau­ben­den Pfer­de, wäh­rend die Luft von laut­lo­sen We­sen er­füllt wur­de, die in Wol­ken von Braun und Gelb, weich und leicht wie Schnee, vom Win­de da­hin­ge­trie­ben wur­den oder sich in gan­zen Ber­gen an den He­cken sam­mel­ten und sich hilf­los in den Rie­sel­grä­ben am Wege ent­lang trei­ben lie­ßen. Ha­zel und Hat­tie ge­wöhn­ten sich all­mäh­lich dar­an, aber Pos­s­um fürch­te­te sich wahn­sin­nig vor ih­nen.

»Hu! Wer hat je von Pfer­den ge­hört, die sich nicht mehr vor Schmet­ter­lin­gen fürch­te­ten?« neck­te Bil­ly. »Das stei­gert ih­ren Wert di­rekt um fünf­zig Dol­lar.«

»War­ten Sie nur, bis Sie über die Gren­ze von Ore­gon nach dem Rogue-Ri­ver-Tal kom­men«, sag­ten die Leu­te zu ih­nen. »Das ist ein wah­res Pa­ra­dies auf Er­den – Kli­ma, Land­schaft und Obst­gär­ten; Obst­far­men, die nach ei­ner Schät­zung von fünf­hun­dert Dol­lar den Mor­gen zwei­hun­dert Pro­zent er­ge­ben.«

»Nun ja«, sag­te Bil­ly, als sie au­ßer Hör­wei­te wa­ren. »Der Bis­sen ist zu fett, da kriegt man Leib­schmer­zen.«

Und Sa­xon sag­te: »Ich weiß nichts von Äp­feln im Mond­tal, aber das weiß ich, dass es zehn­tau­send Pro­zent Glück ge­ben soll nach ei­ner Schät­zung von ei­nem Bil­ly, ei­ner Sa­xon, ei­ner Ha­zel, ei­ner Hat­tie und ei­nem Pos­s­um.«

Durch Sis­kiy­ou und über hohe Ber­ge ka­men sie nach As­h­land und Med­ford und ras­te­ten am wil­den Rogue.

»Es ist al­les herr­lich und pracht­voll«, er­klär­te Sa­xon, »aber es ist nicht das Mond­tal.«

»Nein, es ist nicht das Mond­tal«, sag­te Bil­ly zu­stim­mend, und das sag­te er auch noch am Abend des­sel­ben Ta­ges, als er ein Un­ge­heu­er von Fo­rel­le ge­fan­gen hat­te, bis an den Hals in dem eis­kal­ten Rogue stand und gan­ze vier­zig Mi­nu­ten mit sei­ner Beu­te kämpf­te, bis es ihm glück­te, sie ans Ufer zu zie­hen, wo er sie mit ei­nem Ge­heul wie ein Co­man­che an den Kie­men pack­te.

»Wer sucht, fin­det«, pro­phe­zei­te Sa­xon, als sie über den Grant Pass fuh­ren und nord­wärts über die Ber­ge den frucht­ba­ren Ore­gon­tä­lern zu­steu­er­ten.

Als sie ei­nes Ta­ges in der Nähe des Umpqua ras­te­ten, beug­te Bil­ly sich über den ers­ten Hirsch, den er je ge­schos­sen hat­te, und be­gann ihn ab­zu­zie­hen. Dann sah er zu Sa­xon auf und mein­te:

»Wenn ich nicht Ka­li­for­ni­en kenn­te, so wür­de ich glau­ben, dass Ore­gon et­was für mich sei.«

Als sie sich abends am Hirsch­fleisch satt ge­ges­sen hat­ten, sag­te er, wäh­rend er, auf die Ell­bo­gen ge­stützt, dalag und sei­ne Zi­ga­ret­te nach dem Abendes­sen rauch­te:

»Vi­el­leicht gibt es gar kein Mond­tal. Und wenn nicht – was dann? Wir könn­ten ja un­ser gan­zes Le­ben lang wei­ter su­chen. Ich wün­sche mir nichts Bes­se­res.«

»Ja, aber es gibt ein Mond­tal«, sag­te Sa­xon, »und wir wer­den es schon fin­den. Wir müs­sen es fin­den. Es gin­ge doch nicht, dass wir nicht eine fes­te Woh­nung hät­ten. Dann wür­de es ja kei­ne klei­nen Ha­zels und Hat­ties oder – klei­ne – Bil­lys ge­ben –«

 

»Oder klei­ne Sa­x­ons«, warf Bil­ly ein.

»Oder klei­ne Pos­s­ums«, füg­te sie schnell hin­zu und strei­chel­te gleich­zei­tig den Fox­ter­ri­er, der be­geis­tert an ei­nem Hirsch­kno­chen nag­te. Ein ge­reiz­tes Knur­ren und ein gif­ti­ges Schnap­pen nach ih­ren Fin­gern, die sie has­tig zu­rück­zie­hen muss­te, war ihr Lohn.

»Pos­s­um!« schalt sie und streck­te wie­der die Hand aus.

»Lass ihn!« warn­te Bil­ly sie. »Er kann nichts da­für, und das nächs­te Mal beißt er dich.«

Noch dro­hen­der war das Knur­ren, das Pos­s­um aus­stieß, als sei­ne Kinn­ba­cken sich um den Kno­chen press­ten, und sei­ne Au­gen flamm­ten wie im Wahn­sinn, wäh­rend sich die Haa­re auf sei­nem Hal­se sträub­ten.

»Es ist ein gu­ter Hund, der für sei­nen Kno­chen kämpft«, sag­te Bil­ly zu sei­ner Ent­schul­di­gung. »Ich möch­te kei­nen Hund ha­ben, der das nicht täte.«

»Aber er ist mein Pos­s­um«, pro­tes­tier­te Sa­xon. »Und er liebt mich. Er muss mich mehr lie­ben als einen al­ten Kno­chen. Und er muss ge­hor­chen, wenn ich et­was sage. Hörst du, Pos­s­um, gib mir jetzt den Kno­chen. Gib mir den Kno­chen, mein Herr.«

Sie streck­te vor­sich­tig die Hand aus, und das Knur­ren wur­de im­mer stär­ker und schril­ler, bis es in ei­nem ge­reiz­ten Schnap­pen en­de­te.

»Ich sage dir, es ist In­stinkt«, wie­der­hol­te Bil­ly. »Er liebt dich, aber er kann das ein­fach nicht las­sen.«

»Er hat das Recht, sei­nen Kno­chen ge­gen Frem­de zu ver­tei­di­gen, aber nicht ge­gen sei­ne ei­ge­ne Mut­ter«, er­ei­fer­te Sa­xon sich. »Ich wer­de ihn schon dazu brin­gen, dass er mir den Kno­chen lässt.«

»Ein Fox­ter­ri­er ist schreck­lich emp­find­lich, Sa­xon. Du machst ihn nur hys­te­risch.«

Aber sie war ent­schlos­sen, ih­ren Kampf durch­zu­füh­ren, und sie hob einen kur­z­en Zweig vom Bo­den auf.

»So, mein Freund, gib mir jetzt den Kno­chen.«

Sie droh­te dem Hund mit dem Zweig, und der Hund wur­de wü­ten­der als je. Wie­der schnapp­te er nach ihr, um sich dann auf sei­nen Kno­chen zu stür­zen und sich dar­an fest­zu­klam­mern. Sa­xon hob den Stock, wie um zu schla­gen, und er ließ plötz­lich den Kno­chen los, roll­te sich vor ih­ren Fü­ßen auf dem Rücken, alle Vie­re in der Luft, die Ohren de­mü­tig zu­rück­ge­legt und mit trä­nen­er­füll­ten, fle­hen­den Au­gen.

»Gro­ßer Gott!« sag­te Bil­ly ernst und fei­er­lich. »Sieh ihn nur an – wie er da­liegt und sei­nen So­lar Ple­xus, sei­ne Ein­ge­wei­de und sei­nen gan­zen Leib prä­sen­tiert – voll­kom­men wehr­los, als woll­te er sa­gen: ›Hier lie­ge ich. Prü­ge­le los auf mich! Tritt mir das Le­ben zum Lei­be her­aus! Ich lie­be dich, ich bin dein Skla­ve, aber ich kann es nicht las­sen, mei­nen Kno­chen zu ver­tei­di­gen. Mein In­stinkt ist stär­ker als ich. Töte mich – aber ich kann nicht an­ders.‹«

Sa­x­ons Zorn war ver­schwun­den. Sie hat­te Trä­nen in den Au­gen, als sie sich nie­der­beug­te und das win­zi­ge Ge­schöpf in ihre Arme nahm. Pos­s­um war au­ßer sich vor Er­re­gung, er win­sel­te und zit­ter­te, wand und dreh­te sich und leck­te ihr Ge­sicht – al­les, um ihre Ver­zei­hung zu er­lan­gen.

»Ein Herz von Gold, mit ei­ner Rose im Mund«, summ­te Sa­xon, wäh­rend sie ihr Ge­sicht in dem wei­chen, zit­tern­den Bün­del von Ner­ven und Emp­find­sam­keit ver­grub. »Es tut Mut­ter leid. Sie wird dich nie mehr so quä­len. So, so, mein Klei­nes. Sieh! Hier ist dein Kno­chen – nimm ihn.«

Sie setz­te den Hund auf den Bo­den, aber er stand un­ent­schlos­sen da, als wüss­te er nicht, was er wäh­len soll­te – sie oder den Kno­chen, und er sah sie an, um sich zu ver­ge­wis­sern, dass er wirk­lich ihre Er­laub­nis hat­te, zit­ter­te aber gleich­zei­tig im­mer noch vor Be­we­gung über den furcht­ba­ren Kampf zwi­schen Ver­lan­gen und Pf­licht, der ihn fast zu zer­rei­ßen droh­te. Erst als sie ihre Er­laub­nis wie­der­holt und mit ei­nem Kopf­ni­cken auf den Kno­chen ge­zeigt hat­te, nahm der Hund ihn wie­der auf. Und ein­mal, als eine Mi­nu­te ver­gan­gen war, hob er in plötz­li­chem Schreck den Kopf und sah sie fra­gend an. Sie nick­te lä­chelnd, und Pos­s­um seufz­te tief und zu­frie­den und mach­te sich dann wie­der an sei­nen teu­ren Kno­chen.

»Mer­ce­des hat­te recht, als sie sag­te, dass die Men­schen um Ar­beit kämp­fen wie Hun­de um einen Kno­chen«, sag­te Bil­ly lang­sam. »Es ist In­stinkt. Ich konn­te es eben­so we­nig las­sen, einen Streik­bre­cher zu ver­prü­geln, wie Pos­s­um es las­sen konn­te, nach dir zu schnap­pen. Man kann es nicht er­klä­ren. Was man tun muss, das muss man tun. Wenn man et­was tut, so zeigt das, dass man es tun muss, ob man es nun er­klä­ren kann oder nicht. Weißt du noch, wie Hall nicht er­klä­ren konn­te, warum er McMa­nus beim Lau­fen den Stock zwi­schen die Bei­ne steck­te? Was man tun muss, muss man tun. Mehr ist dar­über nicht zu sa­gen. Ich hat­te nicht den ge­rings­ten Grund, un­sern Zim­mer­herrn Jim­my Har­mon zu ver­prü­geln. Er war ein bra­ver Bur­sche, in je­der Be­zie­hung an­stän­dig. Aber ich muss­te es ein­fach tun, als der Streik in die Brü­che ging und al­les in mir so bit­ter war, dass ich es di­rekt schme­cken konn­te. Ich habe es dir nie er­zählt, aber ich habe ein­mal nach mei­ner Ent­las­sung mit ihm dar­über ge­spro­chen, als mei­ne Arme heil­ten. Ich ging in den Lo­ko­mo­tivschup­pen, lau­er­te ihm auf und bat ihn dann um Ent­schul­di­gung. Wa­rum ich ihn um Ent­schul­di­gung bat? Das weiß ich nicht – wohl aus dem­sel­ben Grun­de, aus dem ich ihn ver­prü­gel­te – ich konn­te es nicht las­sen.«

Und so er­klär­te Bil­ly auf sei­ne ei­ge­ne, rea­lis­ti­sche Art das Ge­setz von Ur­sa­che und Wir­kung am Ufer des Umpquas, wäh­rend Pos­s­um es auf ähn­li­che Art mit gie­ri­gen Zäh­nen an sei­nem Kno­chen dar­leg­te.

*

Pos­s­um ne­ben sich auf dem Bock, fuhr Sa­xon in die Stadt Ro­se­burg ein. Sie fuhr im Schritt, und hin­ten am Wa­gen wa­ren zwei schwe­re jun­ge Ar­beits­pfer­de an­ge­bun­den. Da­hin­ter gin­gen sechs an­de­re, je­doch frei, ohne an­ge­bun­den zu sein, und den Nachtrab bil­de­te Bil­ly, der ein neun­tes Pferd ritt. All die­se Tie­re schick­te er von Ro­se­burg nach den Stäl­len in West-Oa­k­land.

Im Umpqua­tal hör­ten sie das Gleich­nis von dem wei­ßen Sper­ling. Der Bau­er, der es ih­nen er­zähl­te, war ein äl­te­rer, wohl­ha­ben­der Mann. Sein Hof war ein Mus­ter an Ord­nung und Sys­tem. Spä­ter hör­te Bil­ly von den Nach­barn, dass man sein Ver­mö­gen auf eine Vier­tel­mil­li­on ver­an­schlag­te.

»Ha­ben Sie die Ge­schich­te von dem Bau­ern und dem wei­ßen Sper­ling ge­hört?« frag­te er Bil­ly beim Mit­ta­ges­sen.

»Nein, ich habe nicht ein­mal je von ei­nem wei­ßen Sper­ling ge­hört«, ant­wor­te­te Bil­ly.

»Ja, die sind na­tür­lich auch ziem­lich sel­ten«, gab der Bau­er zu. »Aber hö­ren Sie die Ge­schich­te: Es war ein­mal ein Bau­er, der kein rech­tes Glück hat­te. Nichts ging, wie es soll­te, bis er schließ­lich ei­nes Ta­ges von dem wun­der­ba­ren wei­ßen Sper­ling hör­te. Es scheint, dass der wei­ße Sper­ling sich nur bei Ta­ge­s­an­bruch zeigt, und dass er dem Bau­ern, der ihn zu fan­gen ver­mag, großes Glück bringt. Am Tage dar­auf war un­ser Freund, der Bau­er, bei Ta­ge­s­an­bruch, ja, noch et­was frü­her auf, um sich nach ihm um­zu­se­hen. Und wis­sen Sie – vie­le Mo­na­te such­te er nach ihm, aber nie sah er eine Spur.« Der alte Bau­er schüt­tel­te den Kopf. »Nein, er fand ihn nie, aber er fand vie­les rings auf dem Hofe, das ge­tan wer­den muss­te, und er tat al­les vor dem Früh­stück, und ehe er sich um­sah, war der Hof gut im Gan­ge, und es dau­er­te nicht lan­ge, so hat­te er die Hy­po­thek aus­be­zahlt und be­saß ein Bank­kon­to.«

An die­sem Nach­mit­tag fuhr Bil­ly in tie­fe Ge­dan­ken ver­sun­ken wei­ter.

»Ich habe den Wink wohl ver­stan­den«, sag­te er schließ­lich, »aber es be­frie­digt mich doch nicht ganz. Na­tür­lich gab es kei­nen wei­ßen Sper­ling, aber weil er früh­mor­gens auf­stand, konn­te er eine Men­ge Din­ge ver­rich­ten, die er ver­nach­läs­sigt hat­te – ja, das ver­ste­he ich schon. Und doch, Sa­xon, wenn das das Le­ben ist, das ein Bau­er le­ben muss, dann ma­che ich mir nichts dar­aus, das Mond­tal zu fin­den. Das Le­ben ist nicht lau­ter schwe­re Ar­beit. Von mor­gens bis abends nur Mühe und Ar­beit, dann könn­te man ja eben­so gut in der Stadt blei­ben. Was ist der Un­ter­schied? Alle Zeit, die man zur Ver­fü­gung hat, muss man zum Schla­fen ge­brau­chen, und wenn man schläft, hat man doch kein Ver­gnü­gen da­von. Und wo man schläft, ist schließ­lich ei­ner­lei – man ist ein­fach tot. Man könn­te eben­so gut ganz tot sein, wie sich auf die Art tot­ar­bei­ten. Lie­ber wan­de­re ich wei­ter, schie­ße einen Hirsch oder fan­ge eine Fo­rel­le, wie es sich trifft, und lie­ge auf dem Rücken im Schat­ten ei­nes Bau­mes, la­che und spa­ße mit dir und – gehe schwim­men. Nicht, dass ich nichts tun woll­te. Aber es ist ein ver­damm­ter Un­ter­schied, ob man ein ver­nünf­ti­ges Maß von Ar­beit leis­tet oder sich zu Tode ra­ckert.«

Sa­xon war voll­kom­men ei­nig mit ihm. Sie sah auf ihre vie­len Jah­re voll Mühe und Ar­beit zu­rück und ver­glich sie mit dem fro­hen Le­ben, das sie seit Be­ginn ih­rer Wan­de­rung ge­führt hat­ten.

»Wir wol­len ja gar nicht reich sein«, sag­te sie. »Lass sie auf den Sa­cra­men­to­in­seln und rings in den über­rie­sel­ten Tä­lern nach ih­rem wei­ßen Sper­ling ja­gen. Wenn wir im Mond­tal früh auf­ste­hen, dann soll es sein, um die Vö­gel sin­gen zu hö­ren und mit ih­nen zu sin­gen. Und wenn wir manch­mal schwer ar­bei­ten, dann wol­len wir es nur tun, um mehr Zeit zum Spie­len zu ha­ben. Und wenn du schwim­men willst, so gehe ich mit dir. Und wir wol­len so viel spie­len, dass die Ar­beit uns froh macht – wie eine Art Zer­streu­ung.«

»Ich bin bald so aus­ge­dörrt, dass ich nicht mehr kann«, teil­te Bil­ly ihr mit und wisch­te sich den Schweiß von der son­nen­ver­brann­ten Stirn. »Was meinst du dazu, wenn wir nach der Küs­te fah­ren?«

So bo­gen sie denn nach Wes­ten ab und fuh­ren durch wil­de, ber­gi­ge Schluch­ten von dem Hoch­land, das die Tal­stre­cke im In­nern bil­de­te, hin­ab. Der Weg war so schlecht, dass sie auf ei­ner Stre­cke von sie­ben eng­li­schen Mei­len zehn Au­to­mo­bi­len be­geg­ne­ten, die fest­ge­fah­ren wa­ren und nicht wei­ter konn­ten. Bil­ly woll­te die Tie­re scho­nen, und so lie­ßen sie sich denn am Ufer ei­nes rau­schen­den Was­ser­lau­fes nie­der, wo sie zwei Fo­rel­len auf ein­mal fin­gen. Hier fing Sa­xon auch ihre ers­te große Fo­rel­le. Das Krei­schen der Win­de, als der große Fisch an­biss, ließ sie einen er­staun­ten klei­nen Schrei aus­sto­ßen. Bil­ly kam zu ihr, um ihr gute Ratschlä­ge zu er­tei­len, und ei­ni­ge Mi­nu­ten dar­auf zog Sa­xon mit flam­men­den Wan­gen und mit Au­gen, die vor Ei­fer leuch­te­ten, vor­sich­tig den großen Fisch aus dem Was­ser auf den tro­ckenen Sand. Hier riss er sich vom Ha­ken los und schlug furcht­bar um sich, bis sie sich auf ihn stürz­te und ihn mit ih­ren Hän­den fing.

»Sech­zehn Zoll!« sag­te Bil­ly, als sie ihn stolz hoch­hielt, da­mit er ihn be­wun­dern konn­te. »Hal­lo, was willst du jetzt tun?«

»Na­tür­lich den Sand ab­wa­schen.«

»Leg sie lie­ber in den Korb«, riet er, dann aber schwieg er und be­ob­ach­te­te ihre Be­we­gun­gen mit tie­fem Ernst.

Sie beug­te sich über das Was­ser und tauch­te den pracht­vol­len Fisch hin­ein. Er schlug um sich; sie griff krampf­haft nach ihm, und fort war er.

»Ach!« rief Sa­xon un­glück­lich.

»Wer fin­det, hal­te fest, was er ge­fun­den«, zi­tier­te Bil­ly.

»Mir ist es gleich«, ant­wor­te­te sie. »Er war je­den­falls grö­ßer als alle, die du je ge­fan­gen hast.«

»Oh, ich leug­ne gar nicht, dass du tüch­tig im Fi­schen bist«, sag­te er lang­sam. »Mich hast du ja auch ge­fischt, nicht wahr?«

»Das weiß ich nun nicht«, ant­wor­te­te sie schnell. »Vi­el­leicht ist das wie die Ge­schich­te von dem Mann, der ver­haf­tet wur­de, weil er in der Schon­zeit Fo­rel­len fing. Er ent­schul­dig­te sich da­mit, dass es Not­wehr ge­we­sen sei.«

Bil­ly dach­te lan­ge nach, ver­stand sie aber noch nicht.

»Die Fo­rel­le hat­te ihn an­ge­grif­fen«, er­klär­te sie.

Bil­ly grins­te. Nach ei­ner Vier­tel­stun­de sag­te er: »Da hast du es mir tüch­tig ge­ge­ben!«

*

Der Him­mel hat­te sich be­zo­gen, und als sie am Ufer des Co­quil­les ent­lang fuh­ren, senk­te sich plötz­lich Ne­bel auf sie her­ab.

»Oha!« rief Bil­ly be­geis­tert. »Ist das nicht groß­ar­tig? Ich mer­ke di­rekt, dass ich es auf­s­au­ge wie ein tro­ckener Schwamm. Noch nie habe ich mich so über Ne­bel ge­freut.«

 

Sa­xon brei­te­te die Arme aus, und es war, als ba­de­te sie in dem grau­en Ne­bel.

»Ich hät­te nie ge­dacht, dass ich die Son­ne über­be­kom­men könn­te«, sag­te sie, »aber wir ha­ben in den letz­ten Wo­chen mehr ge­habt, als uns gut tat.«

»Seit wir aus dem Sa­cra­men­to­tal her­aus sind«, be­stä­tig­te Bil­ly. »Zu viel Son­ne ist auch nicht gut. Das habe ich selbst schon her­aus­ge­fun­den. Son­nen­schein ist wie Al­ko­hol. Hast du je be­merkt, wie pracht­voll du dich fühl­test, wenn die Son­ne nach ei­ner Wo­che feuch­ten Wet­ters her­aus­kam? Dann ist der Son­nen­schein wie ein Schuss Whis­ky. Er tut ge­nau die­sel­be Wir­kung. Es ist ein herr­li­ches Ge­fühl. Und wenn man ge­schwom­men hat und aus dem Was­ser kommt und in der Son­ne liegt – wie herr­lich es ei­nem dann geht! Das kommt da­her, dass man einen Son­nen­cock­tail schlürft. Aber ge­setzt, man liegt ein paar Stun­den im San­de, dann ist es nicht mehr so schön. Dann wird man schwer und schlaff und braucht ge­fähr­lich lan­ge, um sich an­zu­zie­hen. Und dann geht man heim, und schleppt die Bei­ne nach und fühlt sich ganz elend, als wäre Saft und Kraft aus ei­nem her­aus­ge­so­gen. Was ist das? Ein Kat­zen­jam­mer. Man hat sich in Son­nen­schein über­nom­men, wie man sich in Whis­ky über­neh­men kann, und nun muss man sei­nen Preis da­für be­zah­len. Das ist ganz klar. Des­halb ist ein Kli­ma mit Ne­bel am bes­ten.«

»Aber wir sind doch vie­le Mo­na­te lang be­rauscht ge­we­sen«, sag­te Sa­xon. »Sol­len wir jetzt wie­der nüch­tern wer­den?«

»Da­rauf kannst du dich ver­las­sen! Weißt du, Sa­xon, ich kann an ei­nem Tage für zwei Tage ar­bei­ten, in ei­nem Kli­ma wie dem hier. Sieh die Tie­re an. Ich will mich hän­gen las­sen, wenn sie nicht schon ganz über­mü­tig wer­den.«

Sa­x­ons Blick schweif­te ver­ge­bens über den Kie­fern­wald, um nach den Rie­sen­tan­nen zu su­chen, die sie so lieb­te. Sie wür­den sie in Ka­li­for­ni­en fin­den, sag­te ih­nen je­mand in Ban­don.

»Dann sind wir zu weit nach Nor­den ge­ra­ten«, sag­te Sa­xon. »Wir müs­sen nach Sü­den, um un­ser Mond­tal zu fin­den.«

Und so reis­ten sie nach Sü­den, auf We­gen, die im­mer schlech­ter wur­den, durch das Meie­rei­land von Langlois und durch dich­te Kie­fern­wäl­der nach Port Or­ford, wo Sa­xon Achat am Stran­de fand, wäh­rend Bil­ly mäch­ti­ge Dor­sche fing. Noch hat­te sich kei­ne Ei­sen­bahn durch die­se wil­de Ge­gend hin­durch­ge­schnit­ten, und der Weg nach Sü­den wur­de im­mer wil­der. Am Gold Be­ach tra­fen sie ih­ren al­ten Freund, den Rogue, über den sie sich an sei­ner Mün­dung in den Stil­len Ozean auf der Fäh­re über­set­zen lie­ßen. Im­mer wil­der wur­de das Land, im­mer furcht­ba­rer wur­den die Wege, und im­mer wei­ter war es zwi­schen den ver­ein­zel­ten Bau­ern­hö­fen und den Ro­dun­gen.

Und hier gab es we­der Asia­ten noch Eu­ro­pä­er. Die spär­li­che Be­völ­ke­rung be­stand aus den ur­sprüng­li­chen An­sied­lern und ih­ren Nach­kom­men. Sa­xon sprach mit meh­re­ren al­ten Män­nern und Frau­en, die sich noch der Rei­se über die Prä­rie mit den schwer ar­bei­ten­den Och­sen ent­san­nen. West­wärts wa­ren sie ge­zo­gen, bis der Stil­le Ozean ih­nen Halt ge­bot, und hier hat­ten sie den Wald ge­ro­det, ihre pri­mi­ti­ven Häu­ser ge­baut und sich nie­der­ge­las­sen. Es war der ferns­te Wes­ten, den sie ent­deckt hat­ten. Alte Ge­bräu­che hiel­ten sich noch un­ver­än­dert un­ter ih­nen. Es gab kei­ne Ei­sen­bahn. Noch hat­te kein Au­to­mo­bil sich auf die­se schlech­ten Wege ge­wagt. Im Os­ten, zwi­schen ih­nen und den dicht­be­völ­ker­ten Tä­lern im In­nern, lag das öde, wil­de Küs­ten­ge­bir­ge – ein wah­res Pa­ra­dies für Jä­ger, wie ei­ner zu Bil­ly sag­te, ob­wohl der er­klär­te, dass der Weg, den er ge­kom­men war, Jä­ger­pa­ra­dies ge­nug für ihn war. Denn ohne die Pfer­de an­zu­hal­ten, hat­te er Sa­xon die Zü­gel ge­reicht und vom Kutsch­bock aus einen Bock mit acht En­den ge­schos­sen.

Süd­lich von Gold Be­ach hör­ten sie, als sie auf ei­nem schma­len Weg durch den un­be­rühr­ten Wald fuh­ren, hoch über sich den Klang von Glo­cken. Hun­dert Me­ter wei­ter fand Bil­ly eine Stel­le, die breit ge­nug war, um aus­wei­chen zu kön­nen. Und hier war­te­te er, wäh­rend die mun­te­ren Glo­cken sich schnell nä­her­ten.

Sie hör­ten das scheu­ern­de Geräusch ei­ner Brem­se, den dump­fen Laut von Pfer­de­hu­fen auf dem wei­chen Bo­den, einen har­ten Aus­ruf des Kut­schers und plötz­lich das La­chen ei­ner Frau.

»Der kann fah­ren, der kann fah­ren dort oben!« mur­mel­te Bil­ly. »Ich zie­he mei­nen Hut vor ihm, wer er auch sein mag, dass er so schnell auf ei­nem Weg wie hier fah­ren kann. – Hör nur, der hat star­ke Brem­sen! – Das war ein or­dent­li­ches Loch! Der hat Fe­dern, Sa­xon, der hat Fe­dern!«

Dort, wo der Weg im Zick­zack über ih­nen ging, sa­hen sie zwi­schen den Bäu­men vier schnel­le rot­brau­ne Pfer­de und die schnel­len Rä­der ei­nes klei­nen, gelb­brau­nen Wa­gens.

Bei der nächs­ten Bie­gung ka­men die zwei vor­de­ren Pfer­de wie­der zum Vor­schein, und sie fuh­ren die Kur­ven weit aus, wor­auf die zwei hin­te­ren Pfer­de mit dem leich­ten zwei­sit­zi­gen Fuhr­werk er­schie­nen; dann aber bil­de­te al­les wie­der eine ge­ra­de Li­nie, und lär­mend ka­men sie über eine schma­le Plan­ken­brücke. Auf dem Vor­der­sitz sa­ßen ein Mann und eine Frau, auf dem Hin­ter­sitz saß ein Ja­pa­ner, zwi­schen Hand­kof­fern, An­gel­ru­ten, Ge­weh­ren, Ses­seln und ei­nem Schreib­ma­schi­nen­kas­ten ein­ge­klemmt, wäh­rend über ihm und um ihn her­um auf äu­ßerst sinn­rei­che Wei­se eine Men­ge Hirsch- und Elch­ge­wei­he ver­staut wa­ren.

»Das sind ja Herr und Frau Has­tings!« rief Sa­xon.

»Brr!« heul­te Has­tings und ließ die Brem­se auf das Rad wir­ken, wäh­rend er sei­ne Pfer­de ne­ben Bil­ly und Sa­xon an­hielt. Grü­ße wur­den aus­ge­tauscht, und der Ja­pa­ner, den sie zu­letzt auf dem »Wan­de­rer« ge­se­hen hat­ten, gab und er­hielt sei­nen vol­len An­teil an den Grü­ßen.

»Das ist et­was an­de­res als die Sa­cra­men­to­in­sel, nicht wahr?« sag­te Has­tings zu Sa­xon. »Nichts als alte ame­ri­ka­ni­sche Fa­mi­li­en hier in den Ber­gen. Und sie ha­ben sich nicht im ge­rings­ten ver­än­dert. Un­se­re Vor­fah­ren sind ge­nau eben­so ge­we­sen.«

Herr und Frau Has­tings er­zähl­ten von ih­rer lan­gen Fahrt. Sie wa­ren jetzt seit zwei Mo­na­ten un­ter­wegs und woll­ten wei­ter durch Ore­gon und Wa­shing­ton nach der ka­na­di­schen Gren­ze.

»Dann schi­cken wir die Pfer­de zu­rück und rei­sen selbst mit der Ei­sen­bahn nach Hau­se«, schloss Has­tings.

»Aber bei der Schnel­lig­keit hät­ten Sie doch viel wei­ter kom­men müs­sen als bis hier­her«, mein­te Bil­ly kri­tisch.

»Wir ma­chen an al­len mög­li­chen Or­ten halt«, er­klär­te Frau Has­tings.

»Wir wa­ren auf dem ge­schütz­ten Ter­ri­to­ri­um bei Hoo­pa«, sag­te Has­tings. »Und wir fuh­ren im Kanu den Tri­ni­ty und den Kla­math bis zum Meer hin­ab. Und wir ha­ben zwei Wo­chen in der rich­ti­gen Wild­nis von Cur­ry Coun­ty ver­bracht.«

»Dort soll­ten Sie üb­ri­gens hin­fah­ren«, riet Has­tings ih­nen. »Sie kön­nen noch vor Abend Moun­tain Ranch er­rei­chen. Und von dort kön­nen Sie ins Land ab­bie­gen. Nein, Wege gibt es nicht. Sie müs­sen die Pfer­de rei­ten. Aber es ist voll von Wild. Ich schoss fünf Ber­glö­wen und zwei Bä­ren, gar nicht zu re­den von ei­ner Men­ge Hir­sche. Und es gibt auch klei­ne Elch­her­den. Nein, ich schoss kei­ne, sie sind ge­schützt. Die Ge­wei­he hier habe ich von al­ten Jä­gern be­kom­men. Ich will Ih­nen al­les er­zäh­len.«

Und wäh­rend die bei­den Män­ner mit­ein­an­der spra­chen, wa­ren Sa­xon und Frau Has­tings auch nicht mü­ßig.