Jack London – Gesammelte Werke

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»Aber gab es denn kei­nen Kampf?« rief sie, so of­fen­sicht­lich ent­täuscht, dass er laut lach­te.

»Sie heul­ten alle: ›Schie­bung! Schie­bung!‹, als ich ging und woll­ten ihr Geld wie­der ha­ben.«

»Nun, ich habe doch je­den­falls dich«, lach­te sie, ihn in die Stu­be zie­hend, aber im ge­hei­men sag­te sie mit ei­nem Seuf­zer Ha­zel und Hat­tie Le­be­wohl.

»Aber ich habe un­ter­wegs et­was für dich ge­kauft, was du dir lan­ge ge­wünscht hast«, sag­te Bil­ly gleich­gül­tig. »Mach die Hand auf und die Au­gen zu, und wenn du sie auf­machst, sollst du et­was Groß­ar­ti­ges se­hen.«

Et­was sehr Schwe­res und sehr Kal­tes wur­de in ihre Hand ge­legt, und als sie die Au­gen öff­ne­te, sah sie, dass es ein Sta­pel Zwan­zig-Dol­lar-Stücke war.

»Ich sag­te dir ja, dass es die rei­ne Lei­chen­fled­de­rei wäre«, sag­te er tri­um­phie­rend, als er la­chend aus dem Wir­bel­wind von Puf­fen und Stö­ßen und Umar­mun­gen auf­tauch­te, in den sie ihn hin­ein­ge­ris­sen hat­te. »Es gab gar kei­nen Kampf. Willst du wis­sen, wie lan­ge es dau­er­te? Nur sie­ben­und­zwan­zig Se­kun­den – we­ni­ger als eine hal­be Mi­nu­te. Und wie viel Stö­ße aus­ge­teilt wur­den? Nur ei­ner! Und ich war es, der die Ohr­fei­ge gab. Komm, jetzt will ich es dir zei­gen. Es war nur so – ja, es war ein­fach zum La­chen!«

Bil­ly stand, et­was vor­ge­beugt, mit­ten in der Stu­be, das Kinn ge­gen die schüt­zen­de lin­ke Schul­ter ge­drückt, mit ge­ball­ten Fäus­ten, die Ell­bo­gen ein­ge­zo­gen, um die lin­ke Sei­te des Un­ter­leibs zu schüt­zen, und die Un­ter­ar­me dicht an den Kör­per ge­presst.

»Es ist die ers­te Run­de«, er­klär­te er. »Die Glo­cke läu­tet, und wir ha­ben uns die Pfo­ten ge­drückt. Selbst­ver­ständ­lich ha­ben wir kei­ne Eile, da es ein lan­ger Kampf ist und wir ein­an­der nie in Tä­tig­keit ge­se­hen ha­ben. Wir füh­len uns ge­gen­sei­tig vor, und ge­hen so um ein­an­der her­um. Das dau­ert sieb­zehn Se­kun­den, ohne dass ein ein­zi­ger Schlag fällt – nicht ei­ner. Und da auf ein­mal ist es aus mit dem großen Schwe­den. Ich brau­che ei­ni­ge Zeit, um es zu er­zäh­len, aber es ge­sch­ah al­les im Handum­dre­hen, in we­ni­ger als ei­ner Zehn­tel­se­kun­de. Ich hat­te es selbst nicht er­war­tet. Wir wa­ren schreck­lich dicht an­ein­an­der. Sein lin­ker Hand­schuh ist nicht einen Fuß von mei­nem Kinn ent­fernt, und mein lin­ker Hand­schuh nicht einen Fuß von sei­nem. Er tut, als wol­le er mit der Rech­ten aus­lan­gen, und ich weiß, dass er nur so tut, ma­che die lin­ke Schul­ter ein biss­chen krumm und fah­re mit mei­ner rech­ten Hand vor. Da­bei kommt er un­ge­fähr einen Zoll aus der Ver­tei­di­gungs­stel­lung her­aus, und ich neh­me die Ge­le­gen­heit wahr. Mei­ne Lin­ke ist nicht einen Fuß von ihm ent­fernt, und ich hal­te sie nicht zu­rück. Ich set­ze sie von dort aus, wo sie sich be­fin­det, in Gang, dre­he sie wie einen Kor­ken­zie­her um sei­ne rech­te Ver­tei­di­gungs­stel­lung und schwin­ge mich in der Hüf­te, um das Schul­ter­ge­wicht in den Schlag zu krie­gen. Und es stimmt! Gera­de auf die Spit­ze vom Kinn. Er fällt um wie ein Lamm. Ich gehe wie­der in mei­ne Ecke, und weiß Gott, Sa­xon, ich muss doch bei mir grin­sen, es war so ein­fach. Der Rich­ter bleibt ste­hen und zählt, er ver­zieht nicht eine Mie­ne. Die Zuschau­er wis­sen nicht, was sie glau­ben sol­len und sit­zen wie ge­lähmt da. Sei­ne Se­kun­dan­ten tra­gen ihn in sei­ne Ecke und set­zen ihn auf den Stuhl. Aber sie müs­sen ihn fest­hal­ten, da­mit er nicht fällt. Fünf Mi­nu­ten dar­auf schlägt er die Au­gen auf – aber er sieht nichts. Sie sind wie ge­bro­chen. Noch fünf Mi­nu­ten, und er steht auf­recht. Sie müs­sen ihn hal­ten, und sei­ne Bei­ne kni­cken wie Würs­te un­ter ihm zu­sam­men. Und die Se­kun­dan­ten müs­sen ihm aus dem Seil her­aus­hel­fen, und sie ge­hen durch den Mit­tel­gang bis zu sei­ner Ka­bi­ne, und im­mer noch müs­sen sie ihn stüt­zen. Da be­ginnt der gan­ze Chor zu ru­fen, es sei Schie­bung, und sie wol­len ihr Geld wie­der­ha­ben. Sie­ben­und­zwan­zig Se­kun­den – ein Schlag – und ein fei­nes Ge­spann für die bes­te Frau, die Bil­ly Ro­berts je in sei­nem Le­ben ge­habt hat.«

Die Freu­de, die Sa­xon schon im­mer an dem Kör­per ih­res Man­nes emp­fun­den hat­te, er­wach­te in die­sem Au­gen­blick zu neu­em, viel­fäl­ti­gen Le­ben. Er war in Wahr­heit ein Held, wür­dig der Schar, die mit ih­ren Flü­gel­hel­men aus den spitz­schnäb­li­gen Boo­ten auf den blu­ti­gen eng­li­schen Strand sprang.

Am nächs­ten Mor­gen wur­de er durch einen Kuss ge­weckt, den sie auf sei­ne lin­ke Hand drück­te.

»Ha! Was tust du?« frag­te er.

»Ich gebe Ha­zel und Hat­tie einen Gu­ten-Mor­gen-Kuss«, ant­wor­te­te sie mit ehr­bar nie­der­ge­schla­ge­nen Au­gen. »Und jetzt will ich auch dich zum Gu­ten Mor­gen küs­sen. – Und wo hat der Schlag ge­trof­fen? – Zeig’ es mir.«

Bil­ly tat, wie sie wünsch­te, und be­rühr­te die Spit­ze ih­res Kinns mit sei­nen Knö­cheln. Mit bei­den Hän­den schob sie sei­ne Hand zu­rück und ver­such­te sie dann vor­wärts zu rei­ßen, so­dass es ein Stoß wur­de. Aber Bil­ly leis­te­te Wi­der­stand.

»Wart einen Au­gen­blick!« sag­te er. »Du willst doch nicht, dass ich dir das Kinn ganz zer­schla­ge. Ich will es dir zei­gen. Ich kann es mit ei­nem vier­tel Zoll tun.«

Und aus ei­ner Ent­fer­nung von ei­nem vier­tel Zoll traf er ihr Kinn mit ei­nem win­zi­gen Stoß.

Im sel­ben Au­gen­blick kam ein wei­ßer Fun­ke; es war, als sprän­ge et­was in ih­rem Hirn, wäh­rend ihr gan­zer Kör­per er­schlaff­te, ge­fühl­los, schwach und wil­len­los wur­de und ihre Au­gen sich ver­schlei­er­ten und ihre Seh­kraft ver­lo­ren. Im nächs­ten Au­gen­blick aber kam sie wie­der zu sich, und ein ent­setz­ter, ver­ständ­nis­vol­ler Aus­druck war in ih­ren Au­gen.

»Du trafst ihn aus ei­ner Ent­fer­nung von ei­nem Fuß«, mur­mel­te sie mit An­dacht in der Stim­me.

»Ja, und mit mei­nem gan­zen Schul­ter­ge­wicht oben­drein«, lach­te Bil­ly. »Ach, das ist gar nichts! – Jetzt will ich dir et­was an­de­res zei­gen.«

Er such­te und fand ih­ren So­lar Ple­xus, den er leicht mit dem Mit­tel­fin­ger an­tipp­te. Die­ses Mal war es, als wür­de sie am gan­zen Kör­per ge­lähmt, und ihr Atem stock­te, wo­hin­ge­gen ihr Ge­hirn und ihre Seh­kraft voll­kom­men klar blie­ben. Und un­ge­fähr im sel­ben Au­gen­blick wa­ren auch die­se un­ge­wohn­ten Ge­füh­le schon ver­schwun­den.

»Ja«, mein­te Bil­ly, »jetzt kannst du dir viel­leicht den­ken, wie es ist, wenn der an­de­re von den Kni­en aus stößt, das war der Stoß, der Bob Fitz­sim­mons sei­ne Welt­meis­ter­schaft ver­schaff­te.«

Sa­xon schau­der­te, ließ es sich aber doch ge­fal­len, dass Bil­ly scher­zend alle Schwä­chen der mensch­li­chen Ana­to­mie an ihr selbst de­mons­trier­te. Er press­te die Spit­ze ei­nes Fin­gers an eine Stel­le mit­ten an ih­rem Un­ter­arm, und sie fühl­te einen wahn­sin­ni­gen Schmerz. Zu bei­den Sei­ten des Hal­ses, un­ter­halb der Stel­le, wo er be­gann, drück­te er ganz leicht mit sei­nem Dau­men, und sie fühl­te ihr Be­wusst­sein schwin­den.

»Das ist ei­ner von den To­des­grif­fen der Ja­pa­ner«, sag­te er und fuhr fort, wo­bei er die ver­schie­de­nen Grif­fe und Stö­ße an­dau­ernd mit Kom­men­ta­ren be­glei­te­te. »Dies ist der Ze­hen­stoß, mit dem Gotch Ha­cken­schmidt er­le­dig­te. Den habe ich von Far­mer Burns ge­lernt. Und dies ist ein hal­ber Nel­son, ja, und denk dir jetzt, du machst Skan­dal in ei­nem Ball­saal, und ich bin Fest­lei­ter und soll dich hin­aus­wer­fen.«

Mit der einen Hand griff er um ihr Hand­ge­lenk, und mit der an­de­ren um ih­ren Un­ter­arm, wor­auf er wie­der sein ei­ge­nes Hand­ge­lenk pack­te. Bei dem ge­rings­ten Druck hat­te sie das Ge­fühl, dass ihr Arm ein Pfei­fen­rohr war, das zer­bre­chen woll­te.

»Das nennt man: ›Komm mit!‹ und hier ist der ›star­ke Arm‹. Ein Jun­ge kann mit die­sem Griff einen Mann wer­fen. – Und wenn je­mand sich mit ei­nem an­de­ren prü­gelt, und sei­ne Nase ge­rät ihm zwi­schen die Zäh­ne, und man will ja nicht gern sei­ne Nase ver­lie­ren, nicht wahr? Ja, dann macht man das hier, so schnell wie der Blitz.«

Sie schloss un­will­kür­lich die Au­gen, als Bil­ly die Dau­men­spit­zen dar­auf drück­te. Sie konn­ten den flie­gen­den Schmerz füh­len, der ei­ner dump­fen, furcht­ba­ren Qual vor­aus­ging.

»Und wenn er dann noch nicht los­lässt, dann presst man hart zu, und sei­ne Au­gen fal­len ihm aus dem Kopf, und er wird stock­blind für den gan­zen Rest sei­nes Le­bens. Ach, er soll schon los­las­sen.«

Er ließ sie los, und sie lehn­te sich la­chend zu­rück.

»Wie fühlst du dich?« frag­te er. »Das sind zwar kei­ne rich­ti­gen Bo­xer­tricks, aber sie kom­men ei­nem sehr zu stat­ten, wenn man mal in eine Schlä­ge­rei ge­rät.«

»Ich füh­le, dass ich mich rä­chen muss«, sag­te sie und ver­such­te, den ›Komm-mit‹-Griff an sei­nem Arm an­zu­wen­den.

Als sie aber zu­drücken woll­te, schrie sie laut vor Schmerz, denn sie tat sich nur sel­ber weh. Bil­ly grins­te über ihre frucht­lo­sen An­stren­gun­gen. Sie grub ihre Dau­men in sei­nen Hals, um einen ja­pa­ni­schen To­des­griff aus­zu­füh­ren, und sah mit tiefs­tem Be­dau­ern ihre ge­bo­ge­nen Nä­gel. Sie klopf­te ihn hart auf die Spit­ze des Kinns und schrie wie­der laut, die­ses Mal, weil sie sich ihre Knö­chel ge­schla­gen hat­te.

»Das kann mir aber je­den­falls nicht weh tun«, sag­te sie mit zu­sam­men­ge­bis­se­nen Zäh­nen, und schlug mit der ge­ball­ten Faust auf sei­nen So­lar Ple­xus.

Bil­ly brüll­te di­rekt vor La­chen. Un­ter dem Über­zug von Mus­keln, der wie ein ei­ser­ner Pan­zer wirk­te, war das ver­häng­nis­vol­le Ner­ven­zen­trum voll­kom­men un­zu­gäng­lich.

»Nur wei­ter, nur im­mer wei­ter!« sporn­te er sie an, als sie, vor An­stren­gung stöh­nend, den Kampf auf­gab. »Es ist ein so ko­mi­sches Ge­fühl, als ob du mich mit ei­ner Fe­der kit­zel­test.«

 

»Na ja, Ver­ehr­tes­ter!« sag­te sie dro­hend. »Du kannst, so viel du willst, von dei­nen Grif­fen, Tot­schlä­gen usw. re­den, aber das tun die Män­ner alle. Ich weiß et­was, das mehr ist als al­les an­de­re, und das einen star­ken Mann so hilf­los wie ein Kind macht. War­te nur einen Au­gen­blick. So! Mach die Au­gen zu. Fer­tig? Es dau­ert nur einen Au­gen­blick.«

Er war­te­te mit ge­schlos­se­nen Au­gen, und so weich wie Ro­sen­blät­ter, die zu Bo­den fal­len, be­rühr­ten ihre Lip­pen sei­nen Mund.

»Ich gebe mich be­siegt«, sag­te er ernst und be­geis­tert und schloss sie in sei­ne Arme.

*

Am Mor­gen ging Bil­ly zum Pfer­de­händ­ler und er­leg­te den Preis für Ha­zel und Hat­tie. Sa­xon war so un­ge­dul­dig, sie zu se­hen, dass er ih­rer Mei­nung nach für ein so ein­fa­ches Ge­schäft furcht­bar lan­ge brauch­te. Aber sie ver­zieh ihm, so­bald er sich mit den bei­den Pfer­den vor dem Wa­gen ein­stell­te.

»Das Ge­schirr muss­te ich mir lei­hen«, sag­te er. »Reich mir Pos­s­um her­auf, und klet­te­re selbst ne­ben mich, dann will ich dir die bei­den H’s zei­gen – und es ist ein flot­tes Ge­spann, dar­auf kannst du Gift neh­men.«

Sa­x­ons Freu­de war un­be­grenzt und mach­te sie bei­na­he stumm, als sie hin­ter den flam­men­den, kas­ta­ni­en­brau­nen Pfer­den mit den weiß­gel­ben Schwei­fen und Mäh­nen zur Stadt hin­aus­fuh­ren. Der Kutsch­bock war ge­pols­tert, hoch­leh­nig und be­quem, und Bil­ly war ganz au­ßer sich vor Be­geis­te­rung über die pracht­vol­le, kräf­tig wir­ken­de Brem­se. Er ließ das Ge­spann auf der har­ten Land­stra­ße tra­ben, um die Durch­schnitts­ge­schwin­dig­keit, die sie leis­ten konn­ten, zu zei­gen, und fuhr sie einen stei­len Feld­weg hin­an, ob­wohl der Schlamm fast bis zu den Rad­na­ben ging, um zu zei­gen, dass sie nicht um­sonst von ei­nem leich­ten Bel­gier ab­stamm­ten.

Als Sa­xon schließ­lich in völ­li­ges Schwei­gen ver­sank, be­ob­ach­te­te er sie be­sorgt mit has­ti­gen Sei­ten­bli­cken. Sie seufz­te und frag­te:

»Wann, glaubst du, kön­nen wir rei­sen?«

»Vi­el­leicht in zwei Wo­chen – viel­leicht in zwei bis drei Mo­na­ten.« Er seufz­te, ernst und nach­denk­lich. »Wir sind wie der Ir­län­der, der einen Kof­fer hat und nichts hin­ein­zu­tun. Wir ha­ben Wa­gen und Pfer­de, aber nichts zu fah­ren. Ich kann eine klei­ne Büch­se krie­gen – ein Pracht­stück, sage ich dir. Aber denk an all das Geld, das wir schul­dig sind. Auch eine neue klei­ne Schrot­flin­te für dich und eine et­was schwe­re­re, mit der wir Rehe schie­ßen kön­nen. Und du brauchst auch eine gute zer­leg­ba­re An­gel­ru­te, wie mei­ne. Und An­gel­schnü­re kos­ten ein ver­fluch­tes Geld. Und ein Ge­schirr wie das, wel­ches ich ha­ben will, macht fünf­zig Dol­lar di­rekt aus der Ta­sche. Und der Wa­gen müss­te auch ge­stri­chen wer­den. Dazu kom­men Wei­de­lei­nen, ein Fut­ter­beu­tel, ein Ge­schirr­putz­kas­ten und vie­les an­de­re. Und Ha­zel und Hat­tie lei­den nur durch das War­ten. Ich bin selbst ganz dar­auf ver­ses­sen, weg­zu­kom­men.«

Er hielt plötz­lich ver­wirrt inne.

»Nun, Bil­ly, was denkst du jetzt? Ich kann es dei­nen Au­gen an­se­hen!« sag­te Sa­xon.

»Ja, siehst du, Sa­xon, es hängt so zu­sam­men. Er – San­dow ist nicht zu­frie­den – er ist toll wie ein Stier. Er hat­te gar kei­ne Ge­le­gen­heit, mich auch nur an­zu­rüh­ren. Er hat­te nicht die ge­rings­te Chan­ce, und jetzt ver­langt er Re­van­che. Er läuft in der Stadt her­um und er­zählt, dass er mich be­sie­gen kann, wenn ihm die eine Hand auf dem Rücken ge­bun­den ist und sol­chen Un­sinn mehr. Aber das ist es nicht. Die Spor­tidio­ten sind ganz wild nach ei­nem Re­van­che­kampf. Sie be­ka­men das letz­te Mal nichts für ihr Geld. Es wird pfrop­fen­voll. Der Di­rek­tor hat schon mit mir ge­spro­chen, und des­halb kam ich so spät. Sonn­abend in acht Ta­gen war­ten Drei­hun­dert auf mich, ich brau­che mich nur zu bücken und sie auf­zu­he­ben. – Und selbst­ver­ständ­lich musst du ja sa­gen. Es ist ge­nau so, wie ich dir frü­her sag­te. Ich wer­de leicht mit ihm fer­tig. Er glaubt im­mer noch, dass ich ein Bau­ern­lüm­mel bin, und dass mein Stoß der rei­ne Zu­falls­tref­fer war.«

»Aber Bil­ly, du hast mir doch im­mer ge­sagt, dass Bo­xen dei­ne Sei­de ver­dür­be. Des­halb hast du es doch auf­ge­ge­ben und an­ge­fan­gen zu fah­ren.«

»Aber ich habe das Zeug fürs Bo­xen«, ant­wor­te­te er. »Mit dem wer­de ich leicht fer­tig. Ich las­se ihn un­ge­fähr bis zur sieb­ten Run­de ste­hen. Nicht, dass es not­wen­dig wäre, nur da­mit die Zuschau­er et­was für ihr Geld ha­ben. Na­tür­lich krie­ge ich ein paar Beu­len ab, und et­was Haut wird auch ab­ge­schrammt. Aber wenn der Zeit­punkt ge­kom­men ist, gebe ich ihm eins auf sein Kinn, dass er gleich um­fällt. Was meinst du dazu? Sag, Sa­xon.«

*

Am Sonn­abend­a­bend, zwei Wo­chen spä­ter, lief Sa­xon an die Tür, als die Pfor­te zu­schlug. Bil­ly sah müde aus. Sein Haar war nass, sei­ne Nase ge­schwol­len, die eine Ba­cke eben­falls, die Haut an den Ohren war ver­schrammt, und bei­de Au­gen ein biss­chen blut­un­ter­lau­fen.

»Ich will mich hän­gen las­sen, wenn der Kerl mich nicht an­führ­te!« sag­te er, als er ihr die Gold­stücke in die Hand leg­te, sich hin­setz­te und sie auf sei­nen Schoß zog. »Er ist ein tüch­ti­ger Kerl, wenn er erst rich­tig in Gang kommt. Statt ihn in der sieb­ten Run­de zu er­le­di­gen, muss­te ich bis zur vier­zehn­ten kämp­fen. Dann fing ich ihn auf die Art, wie ich es dir er­zählt habe. Es ist scha­de, dass er ein so emp­find­li­ches Kinn hat. Er ist schnel­ler, als ich glaub­te, und er kann ei­nem tüch­tig zu­set­zen, so­dass ich von der zwei­ten Run­de an Re­spekt vor ihm hat­te. – Aber wie­der die­ses Kinn! Bis zur vier­zehn­ten Run­de hat­te er es in Wat­te ge­packt, aber dann krieg­te ich es.

Und weißt du was. Ich freue mich mäch­tig, dass es wirk­lich vier­zehn Run­den lang dau­er­te. Mei­ne Sei­de ist noch in Ord­nung – das merk­te ich gleich. Ich brauch­te nicht nach Luft zu schnap­pen, und mei­ne Bei­ne wa­ren wie Ei­sen. Ich hät­te vier­zig Run­den kämp­fen kön­nen. Und weißt du, ich habe nie et­was ge­sagt, aber ich war die gan­ze Zeit miss­trau­isch, seit der ›Schre­cken von Chi­ca­go‹ mich ver­prü­gel­te.«

»Ach Un­sinn, das musst du doch längst ge­wusst ha­ben«, rief Sa­xon. »Denk doch an all dei­ne Box- und Ring­kämp­fe und dei­ne Läu­fe in Car­mel.«

»Nicht hier.« Bil­ly schüt­tel­te den Kopf, über­le­gen wie ei­ner, der al­les weiß. »Das ist et­was ganz an­de­res. Das lähmt einen nicht. Es muss das Rich­ti­ge sein, sich mit ei­nem Kerl, der all sei­ne Sei­de hat, ums Le­ben zu schla­gen, und dann – wenn man nicht ka­putt geht und das Herz ei­nem nicht so klopft, dass es bei­na­he zer­springt, und ei­nem die Bei­ne nicht schlapp wer­den und man kei­nen wir­ren Kopf kriegt – ja, dann weiß man, dass man noch all sei­ne Sei­de hat. Und ich habe sie, ich habe all mei­ne Sei­de. Und ich wer­de sie nicht in wei­te­ren Prü­ge­lei­en ris­kie­ren. Das ist si­cher. Das leicht ver­dien­te Geld ist in der Re­gel auch das teu­ers­te. Von jetzt an wird mit Pfer­den in Kom­mis­si­on ge­han­delt, und wir wan­dern wei­ter, bis wir das Mond­tal fin­den.«

*

Früh am nächs­ten Mor­gen ver­lie­ßen sie Ukiah. Pos­s­um saß auf dem Bock zwi­schen ih­nen und sperr­te vor lau­ter Auf­re­gung sei­nen ro­si­gen klei­nen Ra­chen auf. Sie hat­ten ur­sprüng­lich die Ab­sicht ge­habt, von Ukiah aus di­rekt nach dem Mee­re zu fah­ren, aber es war noch zu früh im Jahr, die wei­chen Sand­we­ge wa­ren nach dem Ge­wit­ter­re­gen noch nicht fahr­bar, und des­halb bo­gen sie, in der Rich­tung des See­dis­trikts, nach Os­ten ab, in der Ab­sicht, durch das obe­re Sa­cra­men­to­tal und über die Ber­ge nord­wärts nach Ore­gon zu fah­ren. Dann woll­ten sie den Kreis nach der Küs­te be­schrei­ben, wo zu die­ser Zeit die Wege gut in­stand wa­ren, und so das Gol­de­ne Tor er­rei­chen.

Das gan­ze Land war grün und mit Blu­men über­sät, und als sie in die Ber­ge ka­men, war je­des klei­ne Tal wie ein Gar­ten.

»Huh!« mein­te Bil­ly höh­nisch und wand­te sich ganz all­ge­mein an die Um­ge­bung. »Es heißt, dass rol­len­de Stei­ne kein Moos an­set­zen. Aber wir ha­ben doch eine ganz net­te Men­ge an­ge­setzt. Ich hab’ nie in mei­nem Le­ben so viel auf ein­mal be­ses­sen – nicht ein­mal in den Ta­gen, als ich nicht roll­te. Zum Teu­fel, nicht ein­mal die Mö­bel ge­hör­ten uns. Nur die Klei­der, in de­nen wir gin­gen und stan­den, ein paar alte So­cken und der­glei­chen.«

Sa­xon streck­te die Hand aus und be­rühr­te die sei­ne, und er wuss­te, dass es eine Hand war, die die sei­ne lieb­te.

»Nur eins tut mir leid«, sag­te sie. »Dass du al­les al­lein ver­dient hast. Ich habe kei­nen An­teil dar­an ge­habt.«

»Oho! – du hast sehr viel An­teil dar­an ge­habt. Du bist wie ein Trai­ner beim Bo­xen. Du sorgst da­für, dass ich froh und ver­gnügt und in gu­ter Form bin. Man kann nicht rich­tig kämp­fen, wenn man nicht einen gu­ten Trai­ner hat. – Teu­fel, glaubst du, ich wür­de hier sit­zen, wenn du nicht ge­we­sen wä­rest! Du warst es, die mich al­les lie­gen und auf die Wan­de­rung ge­hen ließ. Wenn du nicht ge­we­sen wä­rest, so hät­te ich mich tot ge­trun­ken oder wäre in San Quen­tin auf­ge­knüpft wor­den, weil ich zu hart mit ei­nem Streik­bre­cher um­ge­gan­gen war oder der­glei­chen. Und sieh mich an! Sieh die Geldrol­le« – er schlug sich auf die Brust – »da­mit soll ich Pfer­de für den Al­ten kau­fen. – Es ist wie Fe­ri­en, die nie ein Ende neh­men sol­len, und oben­drein ha­ben wir un­ser gu­tes, reich­li­ches Aus­kom­men. Und ich habe einen neu­en Be­ruf be­kom­men – Pfer­de für Oa­k­land zu kau­fen. Wenn ich zei­ge, dass ich Ver­stand habe, und ich weiß, dass ich das habe, wer­den alle Fir­men in San Fran­zis­ko an­ge­lau­fen kom­men und mich bit­ten, Pfer­de für sie zu kau­fen. Und das ist al­les dei­ne Schuld – denn du hast mich dazu ge­kriegt, und wenn Pos­s­um uns jetzt nicht an­guck­te, dann wür­de ich – aber was, zum Teu­fel, küm­me­re ich mich dar­um, ob er es sieht.«

Und Bil­ly beug­te sich zu ihr und küss­te sie.

Der Weg wur­de hü­ge­lig und be­schwer­lich, als sie hö­her hin­auf­ka­men, aber das letz­te Stück bis zur Was­ser­schei­de war nicht schwie­rig, und bald fuh­ren sie in den Ca­ny­on bei den blau­en Seen ein, durch frucht­ba­re Fel­der mit gol­de­nem Mohn. Auf der Soh­le des Ca­ny­ons schlän­gel­te sich ein brei­tes Band von tiefs­tem Blau. Weit vor ih­nen schlos­sen die Hü­gel sich wie Fal­ten am Ho­ri­zont, und in der Fer­ne war ein blau­er Berg, der eine Art Mit­tel­fi­gur im Bil­de aus­mach­te.

Sie rich­te­ten ei­ni­ge Fra­gen an einen schö­nen, schwarz­äu­gi­gen Mann mit grau­em, lo­cki­gem Haar, und er ant­wor­te­te ih­nen mit deut­schem Ak­zent, wäh­rend eine Frau mit ver­gnüg­tem Ge­sicht ih­nen aus ei­nem ho­hen Git­ter­fens­ter in ei­ner Schwei­zer Vil­la, die oben auf ei­nem Han­ge lag, zu­nick­te. Bil­ly gab sei­nen Pfer­den in ei­nem hüb­schen Ho­tel, wei­ter ab­wärts im Ca­ny­on, Was­ser, und der Wirt er­zähl­te ih­nen, dass er selbst das Ho­tel nach ei­ner Zeich­nung des Man­nes mit dem lo­cki­gen grau­en Haar ge­baut hat­te – er war Archi­tekt und wohn­te in San Fran­zis­ko.

»Wir kom­men vor­wärts, wir kom­men vor­wärts!« sag­te Bil­ly und lach­te bei sich, als sie wei­ter zwi­schen den Hü­geln hin­durch an ei­nem zwei­ten See vom tiefs­ten Blau vor­bei­fuh­ren. »Kannst du se­hen, jetzt, da wir fah­ren, be­han­deln sie uns schon an­ders als zu der Zeit, da wir mit un­sern Bün­deln auf dem Rücken her­um­wan­der­ten? Wenn Ha­zel und Hat­tie und Sa­xon und Pos­s­um und mei­ne We­nig­keit hier in dem vor­neh­men Wa­gen an­ge­fah­ren kom­men, glau­ben die Leu­te, dass wir Mil­lio­näre auf ei­ner Ver­gnü­gungs­rei­se sind.«

Der Weg wur­de brei­ter. Gro­ße Wie­sen, hin und wie­der mit Ei­chen­grup­pen und gra­sen­dem Vieh, la­gen zu bei­den Sei­ten. Dann tauch­te ein neu­er See wie ein klei­nes Meer im Lan­de auf, weiß­schäu­mend von dem Wind, der von den ho­hen Ber­gen her­ab­strich, auf de­ren nörd­li­chen Hän­gen der Schnee im­mer noch in schim­mernd wei­ßen Fle­cken lag.

»Frau Ha­zard war ganz be­geis­tert vom Gen­fer See«, sag­te Sa­xon, »aber ich möch­te wis­sen, ob er schö­ner ist als der hier.«

»Aber der Archi­tekt nann­te dies hier auch die ka­li­for­ni­schen Al­pen«, be­stä­tig­te Bil­ly. »Und wenn ich mich nicht irre, ist das da vorn La­ke­port. Das ist al­les ganz wild, und es gibt kei­ne Ei­sen­bahn.«

»Und auch kein Mond­tal«, sag­te Sa­xon kri­tisch. »Aber es ist schön, ach, wie schön!«

 

»Aber hier ist es im Som­mer si­cher heiß wie die Höl­le, das möch­te ich wet­ten«, er­klär­te Bil­ly. »Nein, das Land das wir su­chen, liegt nä­her an der Küs­te. Aber des­halb ist es hier doch schön – wie ein Bild an der Wand. Was meinst du dazu, wenn wir hier halt ma­chen und ein biss­chen schwim­men?«

*

Zehn Tage dar­auf fuh­ren sie in Wil­liams in Co­lu­sa Coun­ty ein, und dort stie­ßen sie zum ers­ten Mal auf eine Ei­sen­bahn. Bil­ly sah sich nach ihr um, weil hin­ter sei­nem Wa­gen zwei pracht­vol­le Ar­beits­pfer­de lie­fen, die er un­ter­wegs ge­kauft hat­te und nach Oa­k­land schi­cken woll­te.

»Hier ist es zu heiß«, er­klär­te Sa­xon, und sah über die schwach­leuch­ten­de Flä­che des mäch­ti­gen Sa­cra­men­to­tals hin­aus. »Kei­ne Rie­sen­tan­nen. Kei­ne Hü­gel. Kei­ne Wäl­der. Kei­ne Man­za­ni­tos. Kei­ne Ma­dron­jos. Ein­sam und trau­rig –«

»Wie die Fluss­in­seln«, fiel Bil­ly ihr ins Wort. »Ver­flucht rei­cher Bo­den, aber die Ar­beit scheint zu schwer zu sein. Das ist gut für Leu­te, die auf Mühe ver­ses­sen sind – aber Gott mag wis­sen, dass es einen hier nicht reizt, im­mer zu blei­ben. Kei­ne Fi­sche­rei, kei­ne Jagd – nichts als Ar­beit. Wenn ich ge­zwun­gen wäre, hier zu le­ben, wür­de ich sel­ber an­fan­gen, mich ab­zu­ra­ckern.«

*

Vie­le Tage fuh­ren sie in Hit­ze und Staub über die ka­li­for­ni­sche Ebe­ne nach Nor­den, und über­all sa­hen sie »neue« Land­wirt­schaft – große Rie­sel­kanä­le, die ge­gra­ben wa­ren oder ge­gra­ben wur­den, Bo­den, der von elek­tri­schen Lei­tun­gen von den Ber­gen durch­schnit­ten war und vie­le neue Bau­ern­häu­ser auf klei­nen ein­ge­heg­ten Gü­tern. Die großen Höfe aus der gu­ten al­ten Zeit wur­den aus­ge­stückt. Und doch gab es im­mer noch vie­le große, fünf- bis zehn­tau­send Mor­gen um­fas­sen­de Höfe, die sich vom Ufer des Sa­cra­men­tos bis an den Ho­ri­zont er­streck­ten und zit­ternd, mit großen Ta­lei­chen über­sät, un­ter den Hit­ze­wel­len la­gen.

»Sol­che Bäu­me brau­chen rei­chen Bo­den«, sag­te ein Bau­er auf ei­ner klei­nen Zehn-Mor­gen-Wirt­schaft zu ih­nen. Sie wa­ren hun­dert Fuß weit vom Wege bis zu sei­ner win­zi­gen Scheu­ne ge­fah­ren, um Ha­zel und Hat­tie Was­ser zu ge­ben. Ein schö­ner jun­ger Obst­gar­ten nahm den größ­ten Teil sei­ner zehn Mor­gen ein, aber au­ßer­dem gab es noch weiß­ge­stri­che­ne Hüh­ner­häu­ser und mit Drahtzäu­nen um­ge­be­ne Aus­läu­fe, in de­nen sich Hun­der­te von Hüh­nern be­fan­den. Er hat­te ge­ra­de mit ei­nem klei­nen Fach­werk­bau be­gon­nen.

»Den Grund und Bo­den kauf­te ich mir in den Fe­ri­en«, er­zähl­te er, »und pflanz­te die Bäu­me. Dann kehr­te ich wie­der zu mei­ner Ar­beit zu­rück und blieb da­bei, bis al­les ge­ro­det war. Jetzt bin ich für im­mer hier, und so­bald das Haus fer­tig ist, las­se ich mei­ne Frau kom­men. Sie ist nicht be­son­ders kräf­tig, und es wird sehr ge­sund für sie sein. Wir ha­ben vie­le Jah­re ge­ar­bei­tet und uns ab­ge­ra­ckert, um aus der Stadt weg­zu­kom­men.« Er hielt inne und seufz­te zu­frie­den. »Und jetzt sind wir frei.«

Das Was­ser im Trog war warm von der Son­ne.

»War­ten Sie«, sag­te der Mann. »Das dür­fen Sie sie nicht trin­ken las­sen. Ich gebe ih­nen et­was kal­tes Was­ser.«

Er ging zu ei­nem klei­nen Schup­pen und dreh­te einen Schal­ter, wor­auf ein klei­ner Mo­tor von der Grö­ße ei­ner Obst­kis­te sich sum­mend in Be­we­gung setz­te. Ein fünf­zöl­li­ger blin­ken­der Was­ser­strahl spritz­te in den seich­ten Gra­ben, der die Haupt­ader sei­nes Be­rie­se­lungs­sys­tems war, und ström­te in vie­len Sei­ten­kanä­len durch den Obst­gar­ten.

»Ist das nicht herr­lich – herr­lich, herr­lich!« rief der Mann be­geis­tert. »Das be­deu­tet Knos­pen und Früch­te. Blut und Le­ben. Se­hen Sie nur! Das macht eine Gold­mi­ne zu ei­nem Witz und ein Schan­k­lo­kal zu ei­nem bö­sen Traum. Ich weiß es. Ich – ich bin ein­mal Kell­ner ge­we­sen. Ich bin tat­säch­lich mein gan­zes Le­ben lang Kell­ner ge­we­sen. Da­mit habe ich mir das Geld ver­dient, um die­sen Hof zu kau­fen. Und ich habe die Ar­beit mein gan­zes Le­ben ge­hasst. Ich bin auf ei­nem Bau­ern­hof ge­bo­ren, und im­mer habe ich mich nach dem Lan­de ge­sehnt.«

Er wisch­te sich die Bril­le ab, um bes­ser sein heiß­ge­lieb­tes Was­ser se­hen zu kön­nen, dann er­griff er eine Ha­cke und wan­der­te mit ihr den Haupt­gra­ben ent­lang, um wei­te­re Ne­ben­kanä­le an­zu­le­gen. »Das ist der ko­mischs­te Kell­ner, den ich je ge­trof­fen habe«, mein­te Bil­ly. »Ich glaub­te, er sei ir­gend­ein Ge­schäfts­mann. Es muss ir­gend so ein stil­les Ho­tel ge­we­sen sein.«

»Du darfst nicht gleich wei­ter fah­ren«, er­klär­te Sa­xon. »Ich möch­te gern noch mit ihm re­den.«

Er kam wie­der, putz­te sich die Bril­le und strahl­te über das gan­ze Ge­sicht, als er das Was­ser be­trach­te­te, das eine Art Zau­ber auf ihn aus­üb­te. Um ihn in Gang zu brin­gen, brauch­te Sa­xon sich nicht mehr an­zu­stren­gen, als er es ge­tan, um sei­nen Mo­tor in Gang zu brin­gen.

»An­fang der Fünf­zi­ger nah­men Pio­nie­re al­les dies in Be­sitz«, sag­te er. »Die Me­xi­ka­ner wa­ren nie so weit ge­kom­men, al­les war Staats­bo­den. Alle Men­schen be­ka­men hun­dert­und­sech­zig Mor­gen. Und welch einen Bo­den! Die Ge­schich­ten, die sie von all dem Wei­zen er­zäh­len, den sie be­ka­men, sind bei­na­he un­glaub­lich. Dann er­folg­ten ver­schie­de­ne Ver­än­de­run­gen. Die schlaues­ten und ver­nünf­tigs­ten Pio­nie­re be­hiel­ten, was sie hat­ten, und kauf­ten von den an­de­ren dazu. Und all­mäh­lich wur­de al­les zu großen Hö­fen.«

»Das wa­ren die glück­li­chen Spie­ler«, warf Sa­xon ein, die sich er­in­ner­te, was Mark Hall ge­sagt hat­te.

Der Mann nick­te bei­fäl­lig und fuhr fort:

»Die Al­ten rech­ne­ten und sam­mel­ten und mach­ten ihre großen Höfe im­mer grö­ßer, und sie bau­ten die großen Scheu­nen und Häu­ser und leg­ten Obst- und Blu­men­gär­ten an. Die Jun­gen wur­den von all dem vie­len Reich­tum ver­dor­ben, sie gin­gen in die Stadt, um ihn durch­zu­brin­gen. Und in ei­nem wa­ren Alte und Jun­ge sich ei­nig: Den Bo­den aus­zusau­gen. Jahr auf Jahr beu­te­ten sie ihn aus und ver­schaff­ten sich Rie­se­nern­ten. Sie ga­ben ihm nichts da­für, und der Bo­den, den sie zu­rück­lie­ßen, war voll­kom­men aus­ge­presst. Ja, große Stücke wa­ren so aus­ge­nutzt, dass sie fast wie eine Wüs­te dala­gen.

Die großen Bau­ern aus der wirk­lich gu­ten Zeit sind jetzt alle tot – ja, Gott sei Dank! – und da­durch ha­ben wir klei­nen Bau­ern un­se­re Chan­ce be­kom­men. Es wird nicht vie­le Jah­re dau­ern, bis das gan­ze Tal in klei­nen Stel­len wie die mei­ne be­wirt­schaf­tet wird. Se­hen Sie, was wir aus­rich­ten! Wir krie­gen aus­ge­nutz­ten Bo­den, der kei­nen Wei­zen mehr er­zeugt, über­gie­ßen ihn mit ei­nem Strom von Was­ser und be­han­deln die Erde gut, ja, se­hen Sie nur un­se­re Obst­gär­ten!

Wir ha­ben das Was­ser – von den Ber­gen und von den un­ter­ir­di­schen Quel­len. Ich las neu­lich einen Be­richt, in dem stand, dass al­les Le­ben von der Nah­rung ab­hängt. Aber alle Nah­rung hängt wie­der vom Was­ser ab. Es ge­hö­ren tau­send Pfund Was­ser dazu, um ein Pfund Nah­rung; zehn­tau­send Pfund Was­ser, um ein Pfund Fleisch zu er­zeu­gen. Wie viel Was­ser trin­ken Sie in ei­nem Jah­re? Un­ge­fähr eine Ton­ne. Aber Sie es­sen un­ge­fähr zwei­hun­dert Pfund Ge­mü­se und zwei­hun­dert Pfund Fleisch im Jah­re – das heißt, dass Sie hun­dert Ton­nen Was­ser in Form von Ge­mü­se und tau­send Ton­nen in Form von Fleisch in sich auf­neh­men – und das heißt wie­der, dass elf­hun­dert­und­ei­ne Ton­ne Was­ser jähr­lich dazu ge­hö­ren, um eine klei­ne Frau wie Sie zu er­hal­ten.«