Jack London – Gesammelte Werke

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»Dazu hab ich sie auch mit­ge­nom­men«, ant­wor­te­te Sa­xon. »Und wenn wir auf der Land­stra­ße sind, will ich sin­gen, und auch beim La­ger­feu­er wol­len wir sin­gen. Wir ma­chen eine Fuß­wan­de­rung – das ist al­les. Wir ha­ben uns Fe­ri­en ge­nom­men und wol­len uns um­se­hen. Wa­rum soll­ten wir es uns nicht gut sein las­sen? Wir wis­sen ja nicht ein­mal, wo wir heu­te Nacht und im üb­ri­gen auch alle an­de­ren Näch­te schla­fen sol­len. Ist das nicht lus­tig?«

»Ja, es ist wirk­lich sehr ko­misch«, sag­te Bil­ly nach­denk­lich. »Aber ich möch­te dir doch vor­schla­gen, dass wir durch die Ne­ben­stra­ßen ge­hen. An der nächs­ten Ecke ste­hen ein paar Bur­schen, die ich ken­ne, und ich möch­te ih­nen nicht gern die Köp­fe zer­schla­gen.«

*

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Drittes Buch

Die elek­tri­sche Stra­ßen­bahn ging ganz bis nach Hay­wards, aber auf Sa­x­ons Vor­schlag stie­gen sie in San Le­an­dro aus.

»Es ist ganz gleich, wo wir un­se­re Wan­de­rung be­gin­nen«, sag­te sie, »denn ir­gend­wo müs­sen wir ja an­fan­gen. Da wir uns nach Bo­den um­se­hen und et­was über Bo­den er­fah­ren wol­len, müs­sen wir es ja lie­ber tun, so­bald wir kön­nen. Au­ßer­dem wol­len wir über jede Art von Bo­den et­was er­fah­ren, so­wohl in der Nähe der großen Städ­te wie tief in den Ber­gen.«

»Na ja! Das hier muss das Haupt­quar­tier der Por­tu­gie­sen sein«, mein­te Bil­ly im­mer wie­der, als sie durch San Le­an­dro wan­der­ten.

»Ja, es sieht so aus, als wäre hier für Leu­te un­se­res Schla­ges kein Platz«, mein­te Sa­xon.

»Hier ist es über­füllt, fin­de ich«, knurr­te Bil­ly, »es sieht aus, als gäbe es für den frei­ge­bo­re­nen Ame­ri­ka­ner kei­nen Platz mehr in sei­nem ei­ge­nen Lan­de.«

»Dann ist es dei­ne ei­ge­ne Schuld«, sag­te Sa­xon mit ei­ner Stren­ge, die sich je­doch an kei­nen Be­stimm­ten rich­te­te; sie är­ger­te sich nur im All­ge­mei­nen über die Le­bens­be­din­gun­gen, die sie un­klar zu ver­ste­hen be­gann.

»Ach, das weiß ich nun ge­ra­de nicht. Ich rede mir ein, dass ein Ame­ri­ka­ner das­sel­be tun könn­te wie die Por­tu­gie­sen – wenn er nur woll­te. Aber er will nicht – Gott sei Dank! Er will nicht von Ab­fall le­ben wie ein Schwein.«

»Nein, auf dem Lan­de viel­leicht nicht«, ant­wor­te­te Sa­xon eif­rig. »Aber in den Städ­ten habe ich doch eine schreck­li­che Men­ge Ame­ri­ka­ner ge­se­hen, die wie die Schwei­ne leb­ten.«

Bil­ly brumm­te et­was, muss­te ihr aber doch recht ge­ben. Ich kann mir den­ken, dass sie von den Bau­ern­hö­fen in die Stadt ge­gan­gen sind, weil sie glaub­ten, dass es dort bes­ser sei, und dass sie dort nur Ohr­fei­gen krie­gen.

»Sieh die Kin­der!« rief Sa­xon. »Die Schu­len fan­gen an – und es sind fast al­les Por­tu­gie­sen!«

»Drü­ben, wo sie her­kom­men, ha­ben sie nie so gute Klei­der ge­habt«, spot­te­te Bil­ly. »Sie sind her­über ge­kom­men, um an­stän­di­ge Klei­der und an­stän­di­ge Kost zu krie­gen. Sie sind so rund wie klei­ne But­ter­ku­geln.«

Sa­xon nick­te be­stä­ti­gend, und es war, als gin­ge ihr plötz­lich ein Licht auf.

»Das ist es ja eben, Bil­ly! Sie schla­gen sich durch, und zwar glän­zend, in­dem sie den Bo­den be­bau­en Für sie gibt es kei­nen Streik.«

»Du willst doch die dum­men Gär­ten nicht Acker­bau nen­nen«, sag­te er und wies auf ein klei­nes Stück Land, an dem sie ge­ra­de vor­bei ka­men.

»Ach, du re­dest dir im­mer ein, dass es so groß sein muss!« lach­te sie. »Du bist wie On­kel Bill, der Tau­sen­de und aber Tau­sen­de von Mor­gen Land be­saß, schließ­lich eine Mil­li­on ha­ben woll­te und als Nacht­wäch­ter en­de­te. Das ist es eben mit uns Ame­ri­ka­nern. Al­les soll so groß sein. Al­les, was we­ni­ger ist als hun­dert­und­sech­zig Mor­gen, ist uns zu klein­lich.«

»Nun, im­mer­hin« – Bil­ly woll­te sich nicht ge­schla­gen ge­ben –, »im­mer­hin sind die großen Be­trie­be doch viel bes­ser als all die lä­cher­li­chen klei­nen Gär­ten hier.«

Sa­xon nick­te.

»Ich weiß nicht, was lä­cher­li­cher ist, be­merk­te sie schließ­lich: ein paar Mor­gen Bo­den und die Pfer­de, mit de­nen man fährt, zu be­sit­zen oder gar kei­nen Bo­den zu be­sit­zen und ein Ge­spann, das an­de­ren ge­hört, zu fah­ren – für Geld.«

Bil­ly krümm­te sich ein we­nig.

»Nur wei­ter, Ro­bin­son Cru­soe!« brumm­te er gut­mü­tig. »Spar ja dein Pul­ver nicht! Und das al­ler­schlimms­te ist, dass es stimmt. Ich bin ver­rückt und kein frei­er Ame­ri­ka­ner ge­we­sen; ich habe die Pfer­de an­de­rer Leu­te ge­fah­ren und ge­streikt und Streik­bre­cher ver­prü­gelt – und nicht ein­mal die Ra­ten­zah­lung für das biss­chen Mö­bel auf­brin­gen kön­nen. Aber ei­nes tut mir doch leid! Es kam mir ver­flucht schwer an, den großen Ses­sel zu­rück­zu­ge­ben – du hast ihn so gern ge­habt. Wir ha­ben doch man­che Stun­de un­se­rer Flit­ter­wo­chen in dem Ses­sel ver­bracht.«

Sie hat­ten jetzt San Le­an­dro hin­ter sich und ka­men an ei­ner gan­zen Rei­he win­zi­ger Bau­ern­hö­fe vor­bei – Höf­chen nann­te Bil­ly sie – und Sa­xon nahm ihre Ukulélé, um ihn mit ei­nem Lied zu er­hei­tern. Zu­erst kam das Lied von dem al­ten Bau­ern, dann ging sie zu ei­nem al­ten Kir­chen­lied über, wie die Ne­ger sie bei den Ge­bet­ver­samm­lun­gen sin­gen.

»Ach, der jüngs­te Tag bricht an,

Er bricht an, ja er bricht an.

Und die Trom­pe­ten gel­len dann,

Hört nur, wie sie gel­len.«

Ein großes Au­to­mo­bil, das vor­bei­fuhr, wir­bel­te den Staub um sie auf und zwang Sa­xon, eine Pau­se zu ma­chen. Sie be­nutz­te die Zeit, um Bil­ly ih­ren letz­ten Ein­fall zu er­zäh­len.

»Weißt du, Bil­ly, denk dar­an, dass wir nicht das ers­te bes­te Stück Bo­den neh­men, das wir se­hen. Wir müs­sen die Au­gen auf­ma­chen –«

»Na, viel kön­nen wir noch nicht se­hen«, warf er ein.

»Und wir müs­sen vor­sich­tig sein. Wer sucht, fin­det, weißt du ja. Wir ha­ben mas­sen­haft Zeit, al­les zu ler­nen. Es kann uns gleich sein, ob es meh­re­re Mo­na­te dau­ert. Wir ha­ben kei­nen fes­ten Bo­den un­ter den Fü­ßen. Und man muss lie­ber ein­mal rich­tig an­fan­gen als ein dut­zend­mal falsch. Wir müs­sen mit den Leu­ten re­den, die wir tref­fen. Wir wol­len sie aus­fra­gen. Wir wol­len alle Men­schen fra­gen. Das ist die ein­zi­ge Mög­lich­keit, et­was zu er­fah­ren.«

»Im Aus­fra­gen bin ich nun ge­ra­de nicht groß«, sag­te Bil­ly zö­gernd.

»Dann fra­ge ich«, ant­wor­te­te sie. »Wir wer­den es schon er­rei­chen, aber wir müs­sen zu­erst Be­scheid wis­sen. Sieh all die­se Por­tu­gie­sen! Wo sind die Ame­ri­ka­ner? Ih­nen ge­hör­te das Land zu­erst nach den Me­xi­ka­nern. Wa­rum gin­gen die Ame­ri­ka­ner fort? Wie ma­chen die Por­tu­gie­sen es, dass es geht? Wir müs­sen Tau­sen­de von Din­gen fra­gen.«

Sie klim­per­te ein we­nig auf der Ukulélé und sang dann mit ih­rer schö­nen, kla­ren Stim­me:

»Ich muss zu­rück nach Di­xie,

Ich muss zu­rück nach Di­xie,

Zu­rück dort­hin, wo die Oran­gen blühn,

Ich hör die Kin­der lal­len,

Ich seh die Trä­nen fal­len –

Mein Herz sehnt sich nach Di­xie,

Dort muss ich hin.«

Dann un­ter­brach sie sich plötz­lich: »Ach, wie schön es hier ist! Sieh doch den Baum – der ist ganz mit Wein­ran­ken über­wu­chert!«

Im­mer und im­mer wie­der wur­de ihre Auf­merk­sam­keit von den klei­nen Ge­höf­ten ge­fes­selt, an de­nen sie vor­bei­ka­men. Jetzt hieß es: »Sieh die Blu­men!« oder: »Nein, welch Ge­mü­se!« oder: »Sieh, die ha­ben eine Kuh!«

Män­ner – Ame­ri­ka­ner –, die in Ein­spän­nern und Lan­dau­ern den Weg ent­lang fuh­ren, be­trach­te­ten Sa­xon und Bil­ly neu­gie­rig. Sa­xon fand sich viel bes­ser dar­ein als Bil­ly, der knur­ren­de und ge­reiz­te Kehl­lau­te aus­sto­ßen konn­te.

Am We­grand tra­fen sie einen Te­le­fon­ar­bei­ter, der sein Früh­stück aß.

»Bleib ste­hen und sprich mit ihm«, flüs­ter­te Sa­xon.

»Ach, wozu? Der ist nur Te­le­fon­ar­bei­ter. Was weiß der von Land­wirt­schaft?«

»Das kann man nicht wis­sen. Er ist ei­ner von un­se­ren Leu­ten. Los, Bil­ly, rede mit ihm. Er ar­bei­tet doch je­den­falls au­gen­blick­lich nicht, und da ist die Wahr­schein­lich­keit grö­ßer, dass er Lust hat zu re­den. Sieh den Baum dort hin­ter dem Tor, und die Art, wie die Zwei­ge zu­sam­men­ge­wach­sen sind. Das ist eine Ku­rio­si­tät. Frag ihn da­nach. Das ist eine gute Art, ein Ge­spräch ein­zu­lei­ten.«

Bil­ly blieb bei dem Mann ste­hen.

»Gu­ten Tag«, sag­te er barsch.

Der Te­le­fon­ar­bei­ter, ein ganz jun­ger Mann, hielt in sei­ner Be­schäf­ti­gung, ein hart ge­koch­tes Ei ein­zu­schla­gen, inne, um die bei­den an­zu­se­hen.

»Gu­ten Tag!« sag­te er.

Bil­ly nahm sein Bün­del ab und leg­te es auf die Erde, und Sa­xon leg­te eben­falls ih­ren Ruck­sack ne­ben sich.

»Hau­sie­rer?« frag­te der jun­ge Mann, der zu zu­rück­hal­tend war, um eine di­rek­te Fra­ge an Sa­xon zu rich­ten, sie aber mit ei­nem Sei­ten­blick auf den Ruck­sack für bei­de gel­ten ließ.

»Nein«, sag­te sie eif­rig. »Wir se­hen uns nach Bo­den um. Wis­sen Sie, ob es hier in der Nähe et­was gibt?«

Er ließ wie­der von sei­nem Ei ab und sah sie neu­gie­rig an, wie um sich über ihre fi­nan­zi­el­le Leis­tungs­fä­hig­keit klar zu wer­den.

»Wis­sen Sie, was der Bo­den hier in der Ge­gend kos­tet?« frag­te er.

»Nein«, ant­wor­te­te Sa­xon. »Sie?«

»Ja, das soll­te ich mei­nen. Ich bin hier ge­bo­ren. Und Bo­den wie der, den Sie um sich her se­hen, kos­tet zwei- bis vier­hun­dert Dol­lar den Mor­gen.«

Bil­ly stieß einen Pfiff aus. »Ja, dann glau­be ich nicht, dass wir et­was da­von krie­gen wer­den!«

 

»Aber warum ist er denn so teu­er? – Sind es Bau­plät­ze?« frag­te Sa­xon.

»Nein, die Por­tu­gie­sen schrau­ben die Prei­se so hoch.«

»Ich glaub­te, dass man für hun­dert den Mor­gen sehr gu­ten Bo­den be­käme«, sag­te Bil­ly.

»Ach, das ist vor­bei. Es gab auch Zei­ten, da man den Bo­den und den gan­zen Vieh­be­stand ge­schenkt be­kam, wenn man sehr brav war.«

»Aber wie steht es hier in der Nähe mit staat­li­chem Bo­den?« lau­te­te Bil­lys nächs­te Fra­ge.

»Hier gibt es gar kei­nen und hat nie wel­chen ge­ge­ben. Das hier ist al­ter me­xi­ka­ni­scher Be­sitz. Mein Groß­va­ter kauf­te sich hun­dert Mor­gen vom bes­ten Bo­den hier in der Nähe für ein­tau­send­fünf­hun­dert Dol­lar – fünf­hun­dert auf den Tisch und den Rest im Lau­fe von fünf Jah­ren – zins­frei. Aber das war die gute alte Zeit. Er kam 48 nach dem Wes­ten, weil er ein Land fin­den woll­te, wo es we­der Er­käl­tung noch Fie­ber gab.«

»Und das fand er denn auch«, sag­te Bil­ly.

»Ja, dar­auf kön­nen Sie schwö­ren! Und wenn er und mein Va­ter auf dem Bo­den sit­zen ge­blie­ben wä­ren, so wür­de das bes­ser ge­we­sen sein als eine Gold­mi­ne, und ich wäre nicht ge­zwun­gen, für mein täg­li­ches Brot zu ar­bei­ten. Was ist Ihr Be­ruf?«

»Kut­scher.«

»Den Streik in Oa­k­land mit­ge­macht?«

»Eben! Ich bin dort fast mein gan­zes Le­ben lang Kut­scher ge­we­sen.«

Die bei­den Män­ner ver­tief­ten sich in eine Un­ter­hal­tung über die Wirt­schafts­fra­gen und die Aus­sich­ten des Streiks, aber Sa­xon woll­te sich nicht aus­schal­ten las­sen und brach­te das Ge­spräch wie­der auf die Bo­den­prei­se.

»Wo­her kommt es, dass die Por­tu­gie­sen die Prei­se so hoch ge­schraubt ha­ben?« frag­te sie.

Der jun­ge Mann riss sich mit ei­ni­ger Mühe von der Dis­kus­si­on über die Ge­werk­schaf­ten los und sah sie einen Au­gen­blick mit ei­nem schlaf­fen Blick an, bis die Fra­ge in sein Be­wusst­sein ge­drun­gen war.

»Weil sie so mäch­tig mit dem Bo­den ge­ar­bei­tet ha­ben. Weil sie mor­gens, mit­tags und abends ge­schuf­tet ha­ben – Män­ner, Frau­en und Kin­der. Weil sie aus zwan­zig Mor­gen mehr her­aus­pres­sen kön­nen, als wir aus hun­dert­sech­zig. Se­hen Sie den al­ten Sil­va – An­to­nio Sil­va. Ich kann­te ihn schon, als ich ein klei­ner Ben­gel war. Er hat­te nichts zu es­sen, als er hier­her kam und Bo­den von mei­ner Fa­mi­lie pach­te­te. Und se­hen Sie ihn jetzt – er hat reich­lich sei­ne vier­tel Mil­li­on in bar, und ich möch­te wet­ten, dass er für eine gan­ze Mil­li­on Kre­dit hat, und Gott weiß, was die üb­ri­ge Fa­mi­lie be­sitzt!«

»Und das al­les hat er an dem Bo­den ver­dient, der Ih­rer Fa­mi­lie ge­hör­te?« frag­te Sa­xon.

Der jun­ge Mann nick­te, aber es war klar, dass er es nicht gern ein­räum­te.

»Aber warum tat Ihre ei­ge­ne Fa­mi­lie denn nicht das­sel­be?« fuhr sie fort.

»Ja, das fra­gen Sie nur!« sag­te er.

»Aber das Geld war doch da!« Sa­xon woll­te den Kampf nicht auf­ge­ben.

»Den Teu­fel war es da!« lau­te­te die Ant­wort mit ei­nem schwa­chen An­flug von Hef­tig­keit. »Wir ha­ben nie et­was da­von ge­se­hen – nein, wahr­haf­tig nicht! Ich glau­be eher, dass das Geld in den Köp­fen der Por­tu­gie­sen steck­te. Die ver­stan­den mehr von der Ge­schich­te als wir.«

Sa­x­ons of­fen­sicht­li­che Un­zu­frie­den­heit mit sei­ner Er­klä­rung sporn­te ihn an, sich an­zu­stren­gen. Er er­hob sich.

»Kom­men Sie, ich will es Ih­nen zei­gen«, sag­te er er­bit­tert. »Ich will Ih­nen zei­gen, warum ich mich für das lie­be Brot ab­ra­ckern muss, ob­wohl ich Mil­lio­när hät­te sein kön­nen, wenn mei­ne Vor­fah­ren nicht Idio­ten ge­we­sen wä­ren. Das sind wir eben, wir al­ten Ame­ri­ka­ner – ein Hau­fen Idio­ten.«

Er führ­te sie durch die Pfor­te zu dem Obst­baum, der vom ers­ten Au­gen­blick an Sa­x­ons Auf­merk­sam­keit auf sich ge­lenkt hat­te. Vom Stam­me spal­te­ten sich vier Äste ab, aber zwei Fuß dar­über wa­ren die Äste durch ein Band le­ben­der Zwei­ge ver­bun­den.

»Sie glau­ben viel­leicht, dass er so ge­wach­sen ist! Nun ja, das ist er auch auf sei­ne Art. Aber es war doch der alte Sil­va, der ihn mach­te – als der Baum noch ganz jung war, ver­flocht er zwei Schöß­lin­ge mit­ein­an­der. Sehr schlau, nicht wahr? Ja, dar­auf könnt ihr Gift neh­men! Der Baum wird nie um­ge­weht. Es ist ein na­tür­li­ches Dach, das pracht­voll fe­dert und bes­ser ist als alle ei­ser­nen Klam­mern. Se­hen Sie die Rei­hen ent­lang. Je­der Baum ist so ge­macht. Ver­ste­hen Sie? Und das ist nur eine von den Schlau­hei­ten der Por­tu­gie­sen. Die wis­sen viel der­glei­chen.

Sie kön­nen es sich ja den­ken. Die Bäu­me brau­chen kei­ne Stüt­ze, wenn sie auch noch so gut tra­gen. Wenn un­se­re Bäu­me so gut tru­gen, so brauch­ten wir für je­den fünf Stüt­zen. Sa­gen wir, dass wir ein paar Mor­gen Obst­bäu­me hät­ten! Das macht meh­re­re tau­send Stüt­zen, und die kos­ten Geld und die Ar­beit dazu, sie ein­zu­ram­men und je­des Jahr wie­der aus­zu­rei­ßen. Das hier kommt von sel­ber und ist je­der­zeit da. Ja, die Por­tu­gie­sen sind viel klü­ger als wir – das sind sie. Kom­men Sie, ich will Ih­nen et­was an­de­res zei­gen!«

Bil­ly, dem die Angst des Städ­ters vor ver­bo­te­nen We­gen in den Glie­dern steck­te, war et­was ner­vös über die Un­ge­niert­heit, mit der sie durch die klei­ne Wirt­schaft gin­gen.

»Ach, das macht nichts, so­lan­ge wir nichts zer­tre­ten«, be­ru­hig­te der Te­le­fon­ar­bei­ter sie. »Au­ßer­dem hat das al­les ein­mal mei­nem Groß­va­ter ge­hört. Die Leu­te ken­nen mich. Vor vier­zig Jah­ren kam der alte Sil­va von den Azo­ren her­über. Er hü­te­te ein paar Jah­re lang in den Ber­gen Scha­fe, und dann kam er nach San Le­an­dro. Die fünf Mor­gen wa­ren die ers­ten, die er pach­te­te. Und das war nur der An­fang. Dann pach­te­te er Höfe von hun­dert Mor­gen und hun­dert­sech­zig Mor­gen. Und sei­ne Schwes­tern und On­kel und Tan­ten ström­ten von den Azo­ren hier­her – drü­ben sind sie alle mit­ein­an­der ver­wandt, wis­sen Sie – und bald war ganz San Le­an­dro eine por­tu­gie­si­sche Ko­lo­nie.

Und der alte Sil­va kauf­te zu­erst die fünf Mor­gen von mei­nem Groß­va­ter. Aber bald – und zu dem Zeit­punkt war mein Va­ter so ver­schul­det, dass er nicht aus und ein wuss­te – bald kauf­te er mei­nem Va­ter den Bo­den in großen Stücken zu hun­dert­und­sech­zig Mor­gen ab. Und sei­ne Ver­wand­ten ta­ten alle das­sel­be. Mein Va­ter re­de­te im­mer da­von, reich zu wer­den – aber es soll­te im­mer schnell ge­hen, und er starb als ver­schul­de­ter Mann. Doch der alte Sil­va über­sah nicht das Ge­rings­te, nein, und wenn es noch so klein und un­an­sehn­lich ge­we­sen wäre. Und so sind all die an­de­ren auch. Se­hen Sie da drau­ßen vor dem Hau­se bis zu den Wa­gen­glei­sen – das sind lau­ter Pfer­de­boh­nen. Wir hät­ten nie an sol­che lä­cher­li­chen Klei­nig­kei­ten ge­dacht. Aber Sil­va dach­te dar­an! Und jetzt hat er ein Haus in San Le­an­dro und fährt in ei­nem Tou­ren­au­to für vier­tau­send Dol­lar her­um. Und doch wach­sen Zwie­beln in sei­nem Vor­der­gar­ten bis auf die Stra­ße hin­aus. Er ver­dient al­lein dar­an drei­hun­dert Dol­lar. Ich weiß, dass er letz­tes Jahr zehn Mor­gen kauf­te – sie ver­lang­ten tau­send Dol­lar den Mor­gen, aber er blin­zel­te nicht ein­mal! Er wuss­te, dass er das wie­der her­ein­be­kom­men wür­de und mehr dazu. Und in den Ber­gen hat er ein Gut von fünf­hun­dert­un­dacht­zig Mor­gen, die er für ein But­ter­brot kauf­te, und ich sage Ih­nen, für das Geld, das er dort ver­dient, könn­te ich je­den Tag in der Wo­che in ei­nem neu­en Auto her­um­rei­sen. Er züch­tet dort Pfer­de je­der Art, von schwe­ren Brau­er­pfer­den bis zu den feins­ten Lu­xus­tie­ren.«

»Ja, aber – wie – hat er denn das al­les be­kom­men?« frag­te Sa­xon.

»In­dem er ver­nünf­ti­gen Acker­bau ge­trie­ben hat. Ich sage – die gan­ze ver­fluch­te Fa­mi­lie ar­bei­tet. Sie schä­men sich nicht, die Är­mel auf­zu­krem­peln und zu gra­ben – Söh­ne und Töch­ter und Schwie­ger­söh­ne, der Alte und die Frau und alle Kin­der. Sie ha­ben ein al­tes Sprich­wort, dass ein vier­jäh­ri­ger Ben­gel nichts taugt, der ei­ner Kuh kein Fut­ter auf der Land­stra­ße ver­schaf­fen und sie in gu­tem Stan­de hal­ten kann. Se­hen Sie die Sil­vas, den gan­zen Stamm der Sil­vas – sie be­bau­en hun­dert Mor­gen mit Erb­sen, acht­zig mit To­ma­ten, drei­ßig mit Spar­gel, zehn mit Rha­bar­ber, vier­zig mit Kür­bis – ach, und mas­sen­haft an­de­re Sa­chen.«

»Ja, aber wie ma­chen sie das denn nur?« forsch­te Sa­xon wei­ter. »Wir ha­ben uns auch nie ge­schämt, et­was zu tun. Wir ha­ben all un­se­re Tage schwer ge­ar­bei­tet. Ich kann bes­ser ar­bei­ten als eine Por­tu­gie­sin – das habe ich in der Ju­te­fa­brik ge­se­hen. Dort sa­ßen eine Men­ge por­tu­gie­si­scher Mäd­chen an den Web­stüh­len um mich her, und ich konn­te sie in Grund und Bo­den we­ben – und das tat ich auch. Auf die Ar­beit kommt es nicht an. Aber wor­auf denn?«

Der Te­le­fon­ar­bei­ter sah sie an, als wüss­te er nicht recht, was er sa­gen soll­te.

»Ja, ich habe mir oft die­sel­be Fra­ge ge­stellt. Wir sind bes­ser als die­se lum­pi­gen Aus­wan­de­rer, sage ich mir. Wir wa­ren zu­erst da, und uns ge­hör­te die Erde. Ich kann je­den Por­tu­gie­sen, den die Azo­ren je aus­ge­brü­tet ha­ben, ver­prü­geln. Ich habe eine bes­se­re Er­zie­hung ge­nos­sen. Aber wie geht es dann zu, zum Don­ner­wet­ter, dass sie uns über­trump­fen, uns den Bo­den weg­neh­men und sich Bank­kon­tos ein­rich­ten? Die ein­zi­ge Ant­wort, die ich weiß, ist, dass wir nicht ihr Sabe1 ha­ben. Wir ge­brau­chen un­se­re Köp­fe nicht or­dent­lich. Das ist es. Nun, und je­den­falls wa­ren wir nicht so ge­ris­sen in Be­zug auf Acker­bau. Wir spiel­ten nur mit der Erde. Soll ich es Ih­nen zei­gen? Des­halb habe ich Sie mit her­ein ge­nom­men – da­mit Sie se­hen, wie der alte Sil­va und sein Stamm Acker­bau trei­ben. Se­hen Sie sich das an! Hier wohnt ein Vet­ter von ihm, der ge­ra­de von den Azo­ren ge­kom­men ist und hier­mit an­fan­gen soll. Er be­zahlt dem al­ten Sil­va eine recht hüb­sche Ab­ga­be, aber bald wird er so­weit sein, dass er sich sel­ber von ir­gend­ei­nem rui­nier­ten ame­ri­ka­ni­schen Far­mer Bo­den kauft.

Und se­hen Sie das dort – ja, Sie soll­ten es selbst­ver­ständ­lich im Som­mer se­hen, aber das ist nun ei­ner­lei! Nicht ein Zoll geht ver­lo­ren. Wo wir eine ma­ge­re Ern­te ha­ben, ha­ben sie vier fet­te Ern­ten. Und se­hen Sie, wie sie es aus­nut­zen – Jo­han­nis­bee­ren zwi­schen den Bäu­men, eine Rei­he grü­ner Boh­nen zu bei­den Sei­ten der Bäu­me und Boh­nen­rei­hen zu bei­den En­den der Bäu­me. Der alte Sil­va wür­de die fünf Mor­gen hier nicht für fünf­hun­dert den Mor­gen ver­kau­fen, und wenn er das Geld bar auf den Tisch be­käme. Er be­zahl­te mei­nem Groß­va­ter fünf­zig für den Mor­gen, mit lan­ger Zah­lungs­frist, und ich ar­bei­te hier für die Te­le­fon­ge­sell­schaft und lege den Vet­tern des al­ten Sil­vas aus den Azo­ren die Te­le­fo­ne an, ob­wohl sie nicht ein­mal ame­ri­ka­nisch re­den kön­nen.

Pfer­de­boh­nen am We­grand – ja, als Sil­va auf die Idee kam, ver­dien­te er mit Schwei­ne­mast mehr, als mein Groß­va­ter an sei­nem gan­zen Be­trieb ver­dient hat­te. Mein Groß­va­ter rümpf­te die Nase über Pfer­de­boh­nen. Er starb bis über bei­de Ohren ver­schul­det und mit Hy­po­the­ken bis zum Schorn­stein be­las­tet. To­ma­ten in Pack­pa­pier pflan­zen – ha­ben Sie so et­was je ge­hört? Mein Va­ter fauch­te, als er die Por­tu­gie­sen das zum ers­ten Mal tun sah. Und er fauch­te wei­ter. Aber des­halb er­ziel­ten sie doch mäch­ti­ge Ern­ten, und Va­ters biss­chen To­ma­ten wur­den von schwar­zen Kä­fern ge­fres­sen. Wir ha­ben nicht die Sabe, das dazu ge­hört, oder die Ge­schick­lich­keit, oder was es nun ist. Se­hen Sie nur das Stück Erde – vier Ern­ten im Jahr, und je­der Zoll Bo­den macht dop­pel­te Ar­beit. Se­hen Sie, hin­ter der Stadt liegt Bo­den, wo man auf ei­nem ein­zi­gen Mor­gen mehr ver­dient, als wir in al­ten Ta­gen auf fünf­zig ver­dien­ten. Die Por­tu­gie­sen sind die ge­bo­re­nen Acker­bau­er, das ist es, und wir ver­ste­hen nichts da­von und ha­ben es nie ge­tan.«

Sa­xon sprach mit dem Te­le­fon­ar­bei­ter und ging mit ihm her­um, bis es eins war. Dann sah er auf die Uhr, ver­ab­schie­de­te sich und kehr­te zu sei­ner Ar­beit zu­rück, die dar­in be­stand, bei ei­nem der zu­letzt an­ge­kom­me­nen Aus­wan­de­rer von den Azo­ren ein Te­le­fon an­zu­le­gen.

Wenn sie durch ein Städt­chen ka­men, trug Sa­xon ih­ren Ruck­sack in der Hand; aber er hat­te Rie­men, durch die sie die Arme ste­cken konn­te, so­dass sie ihn, so­bald sie auf die Land­stra­ße ka­men, auf dem Rücken trug. Wenn sie das tat, schob sich der Ukulélé­kas­ten un­ter ih­ren lin­ken Arm.

 

Als sie et­was wei­ter ge­kom­men wa­ren, mach­ten sie an ei­ner Stel­le halt, wo ein klei­ner, schil­fum­kränz­ter Bach quer über die Land­stra­ße floss. Bil­ly woll­te, dass sie sich mit kal­tem Früh­stück be­gnü­gen und das But­ter­brot es­sen soll­ten, das die letz­te Mahl­zeit war, die Sa­xon im Hau­se in der Pine Street be­rei­tet hat­te. Aber sie blieb da­bei, dass sie Feu­er ma­chen und Kaf­fee ko­chen woll­ten. Nicht, dass sie sich selbst et­was aus dem Kaf­fee ge­macht hät­te, aber sie war fest ent­schlos­sen, al­les vom Be­ginn die­ser aben­teu­er­li­chen Wan­de­rung an so an­ge­nehm wie mög­lich für Bil­ly zu ma­chen. Und da sie ihn um je­den Preis zu ei­ner Be­geis­te­rung ent­flam­men woll­te, die sich mit ih­rer ei­ge­nen mes­sen konn­te, woll­te sie nicht den Fun­ken, der mög­li­cher­wei­se in ihm glomm, mit et­was so Trost­lo­sem wie kal­tem Es­sen al­lein aus­lö­schen.

»Sieh, et­was, das wir uns gleich von An­fang an aus dem Kop­fe schla­gen müs­sen, ist, dass wir Eile hät­ten. Wir ha­ben kei­ne Eile, und uns ist es gleich­gül­tig, ob Schu­le oder Fei­er­tag ist. Wir wol­len uns amü­sie­ren, wir sind auf Aben­teu­er aus­ge­gan­gen – wie man es in den Bü­chern liest! Gott, wie wünsch­te ich, dass der Jun­ge, der mich in sei­nem Boot mit­nahm, mich in die­sem Au­gen­blick se­hen könn­te! Oa­k­land sei der rech­te Start­platz, sag­te er. Und – nun ja, wir sind ge­st­ar­tet, nicht wahr? Und hier ma­chen wir nun halt und ko­chen Kaf­fee. Du musst Feu­er ma­chen, Bil­ly, und ich hole Was­ser und pa­cke das Früh­stück aus.«

»Weißt du«, sag­te Bil­ly, wäh­rend sie dar­auf war­te­ten, dass das Was­ser koch­te, »weißt du, wor­an mich das hier er­in­nert?«

Sa­xon wuss­te es sehr gut, aber sie schüt­tel­te den Kopf. Sie woll­te es ihn sa­gen hö­ren.

»Selbst­ver­ständ­lich an den Sonn­tag, nach­dem ich dich ken­nen ge­lernt hat­te, als wir mit King und Prin­ce vor dem Wa­gen nach dem Mora­ga-Tal fuh­ren. Da pack­test du auch das Früh­stück aus.«

»Nur mit dem Un­ter­schied, dass es ein viel üp­pi­ge­res Früh­stück war«, füg­te sie mit ei­nem glück­li­chen Lä­cheln hin­zu.

»Aber ich möch­te im üb­ri­gen wis­sen, warum wir da­mals kei­nen Kaf­fee be­ka­men«, fuhr er fort.

»Das hät­te viel­leicht et­was zu sehr aus­ge­se­hen, als ob wir ver­hei­ra­tet ge­we­sen wä­ren«, lach­te sie, »et­was, das Mary un­pas­send ge­nannt hät­te –«

»Oder roh«, warf Bil­ly ein. »Sie ge­brauch­te das Wort im­mer.«

»Und nun kannst du se­hen, was aus ihr ge­wor­den ist!«

»Ja, so geht es im­mer«, brumm­te Bil­ly mür­risch. »Ich habe im­mer be­merkt, dass die Emp­find­lichs­ten und Zim­per­lichs­ten zu­erst um die Ecke ge­hen. Sie sind wie ge­wis­se Pfer­de, die am meis­ten vor den Din­gen scheu­en, die sie am we­nigs­ten fürch­ten.«

Sa­xon schwieg, be­schwert von dem Ge­fühl ei­ner un­be­stimm­ba­ren und fer­nen Trau­rig­keit, das sie im­mer über­kam, wenn Berts Wit­we er­wähnt wur­de.

»Ich weiß noch et­was an­de­res, das an dem Tage ge­sch­ah, aber das er­rätst du selbst­ver­ständ­lich nie«, sag­te Bil­ly, in Erin­ne­run­gen an die Ver­gan­gen­heit ver­lo­ren. »Ich möch­te wet­ten, dass du es nicht rätst!«

»Da bin ich aber neu­gie­rig«, sag­te Sa­xon, aber ihre Au­gen zeig­ten deut­lich, dass sie es er­ra­ten hat­te.

Bil­lys Au­gen ant­wor­te­ten ihr, und ganz un­will­kür­lich beug­te er sich zu ihr her­ab, er­griff ihre Hand und drück­te sie zärt­lich ge­gen sei­ne Wan­ge.

»Sie ist so win­zig klein, ach Gott ja!« sag­te er zu der ge­fan­ge­nen Hand. Und dann sah er Sa­xon an, die vor Freu­de über sei­ne Wor­te warm ge­wor­den war. »Wir fan­gen wohl wie­der von vor­ne da­mit an, Lie­bes­leu­te zu spie­len, nicht wahr, Sa­xon?«

Sie aßen bei­de gut, und Bil­ly trank drei gan­ze Tas­sen Kaf­fee.

»Weißt du – die Land­luft macht tüch­ti­gen Ap­pe­tit«, mur­mel­te er und nahm sich das fünf­te Stück But­ter­brot. »Ich könn­te ein gan­zes Pferd es­sen und es hin­ter­her in Kaf­fee er­trän­ken.«

Sa­x­ons Ge­dan­ken be­schäf­tig­ten sich wie­der mit dem, was der jun­ge Te­le­fon­ar­bei­ter ge­sagt hat­te, und sie fass­te alle Aus­künf­te, die sie er­hal­ten hat­te, zu ei­ner Art Re­sü­mee zu­sam­men.

»Herr­gott!« rief sie. »Wie viel wir schon ge­lernt ha­ben!«

»Ja, ei­nes ha­ben wir je­den­falls ge­lernt, näm­lich, dass dies nicht der rech­te Ort für uns ist, wenn der Bo­den tau­send Dol­lar den Mor­gen kos­tet, und wir nur zwan­zig Dol­lar in der Ta­sche ha­ben.«

»Ja, hier wol­len wir auch gar nicht blei­ben«, warf sie schnell ein. »Aber des­halb sind es doch die Por­tu­gie­sen, die dem Bo­den sei­nen Wert ge­ge­ben ha­ben, ihm große Ern­ten ab­zwin­gen und ihre Kin­der für das, was sie da­mit ver­die­nen, in die Schu­le schi­cken … und Kin­der ha­ben, die, wie du selbst sag­test, so rund wie But­ter­ku­geln sind.«

»Und ich zie­he den Hut vor ih­nen«, ant­wor­te­te Bil­ly. »Aber des­halb möch­te ich doch lie­ber vier­zig Mor­gen zu hun­dert Dol­lar als vier Mor­gen zu tau­send Dol­lar den Mor­gen ha­ben. Mir wäre mör­der­lich ban­ge vor ei­nem sol­chen Be­trieb von vier Mor­gen – ban­ge, dass ich hin­austru­de­le, ver­stehst du?«

Sie ver­stand ihn gut, denn tief in ih­rem Her­zen war auch sie mehr auf die vier­zig Mor­gen er­picht. Mit dem Un­ter­schied, den eine zwi­schen ih­nen lie­gen­de Ge­ne­ra­ti­on schuf, hat­te sie auf ihre Art den­sel­ben Drang nach Raum um sich her, wie ihr On­kel Will ihn ge­habt.

»Nun, hier blei­ben wir je­den­falls nicht«, ver­si­cher­te sie Bil­ly. »Wir sind aus­ge­zo­gen – nicht nach vier­zig Mor­gen, son­dern nach hun­dert­und­sech­zig, die der Staat uns ganz um­sonst ge­ben soll.«

»Ja, ich fin­de auch, dass der Staat uns das schul­det, für al­les, was un­se­re Vä­ter und Müt­ter ge­tan ha­ben. Ich sage dir, Sa­xon, und wenn eine Frau über die Prä­rie mar­schiert, wie dei­ne Mut­ter ge­tan, und wenn ein Mann und eine Frau von den In­dia­nern nie­der­ge­macht wor­den sind, wie mein Groß­va­ter und mei­ne Groß­mut­ter, dann schul­det der Staat ih­nen doch et­was.«

»Ja, und wir wer­den ihn auch dazu brin­gen, uns zu be­zah­len, was er uns schul­det.«

»Und wir wol­len ihn auch schon dazu brin­gen, da brauchst du kei­ne Angst zu ha­ben – ir­gend­wo in den Rie­sen­tan­nen­wäl­dern süd­lich von Mon­te­rey.«

*

Erst spät am Nach­mit­tag er­reich­ten Bil­ly und Sa­xon Ni­les. Sie muss­ten zu­erst nach Hay­wards, und lie­ßen sich zu­dem Zeit zu al­len mög­li­chen klei­nen Ab­ste­chern von der Haupt­land­stra­ße. Sie folg­ten den par­al­le­len We­gen durch ge­pfleg­te Fel­der, wo der Bo­den bis zu den Wa­gen­spu­ren aus­ge­nutzt war. Sa­xon sah mit großem Er­stau­nen die klei­nen dun­kel­häu­ti­gen Aus­wan­de­rer, die sich in die­ser Ge­gend nie­der­lie­ßen, ohne das ge­rings­te zu be­sit­zen, und doch aus dem Bo­den zwei­hun­dert, fünf­hun­dert und tau­send Dol­lar den Mor­gen her­aus­hol­ten.

Über­all herrsch­te Ge­schäf­tig­keit. Frau­en und Kin­der ar­bei­te­ten wie die Män­ner auf den Fel­dern. Der Bo­den wur­de ge­pflügt und wie­der ge­pflügt; es war, als gönn­ten sie ihm nie Ruhe. Aber er lohn­te ih­nen die Mühe. Er muss­te ih­nen die Mühe loh­nen – sonst hät­ten sie es sich nicht leis­ten kön­nen, in all den klei­nen lä­cher­li­chen Fahr­zeu­gen her­um­zu­fah­ren, in ge­brauch­ten Ein­spän­nern oder star­ken, leich­ten Wa­gen.

»Sieh ihre Ge­sich­ter!« sag­te Sa­xon. »Sie sind froh und zu­frie­den. Sie se­hen nicht aus wie die Leu­te in un­se­rer Nach­bar­schaft nach Be­ginn der Streiks.«

»Ja, sie ha­ben es gut«, gab Bil­ly zu, »das kann man mit ei­nem hal­b­en Auge se­hen. Aber des­halb brau­chen sie sich vor mir nicht di­cke zu tun, das sage ich dir nur – weil sie uns um den Bo­den und al­les be­tro­gen ha­ben.«