Za darmo

Neu-Land

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

– Danke, Marianne Wikentjewna.

Tatjana holte sich einen Stuhl, setzte sich und sing an Thee zu trinken, wobei sie von einem Stück Zucker, das sie unaufhörlich zwischen den Fingern drehte, kleine Stückchen abbiß und das Auge immer auf der betreffenden Seite zukniff. Marianne ließ sich in ein Gespräch mit ihr ein. Tatjana beantwortete ihre Fragen ohne Befangenheit, fragte selbst und erzählte ihnen Allerlei. Ssolomin betete sie beinahe an, ihrem Mann räumte sie aber die erste Stelle gleich nach Wassili Fedotitsch ein. Das Leben auf der Fabrik war ihr jedoch eine Last.

– Es ist hier weder Stadt, noch Land ohne Wassili Fedotitsch bliebe ich keine Stunde hier!

Marianne hörte ihr aufmerksam zu. Der abseits sitzende Neshdanow beobachtete seine Freundin: ihre Aufmerksamkeit nahm ihn durchaus nicht Wunder; Marianne war das Alles neu, ihm aber schien es, daß er schon ganze Hunderte solcher Tatjana’s gesehen und hundert Mal mit ihnen gesprochen habe.

– Hören Sie, Tatjana Ossipowna, – sagte endlich Marianne. – Sie glauben, daß wir das Volk unterrichten wollen; das ist durchaus nicht der Fall – wir wollen ihm dienen.

– Was heißt das – dienen? – Unterrichtet das Volk – das ist Euer Dienst. Da haben Sie an mir selbst ein Beispiel. Als ich den Jegoritsch heirathete, verstand ich weder zu lesen, noch zu schreiben; jetzt aber kann ich Beides und danke es Wassili Fedotitsch. Er hat mich nicht selbst unterrichtet, aber einem alten Männchen dafür gezahlt. Der hat es mich gelehrt. – Ich bin ja noch jung, trotzdem, daß ich so stark bin.

Marianne schwieg.

– Ich möchte, Tatjana Ossipowna, – begann sie nach einer kleinen Pause, – irgend ein Handwerk lernen. . . nun, wir können ja noch ein anderes Mal darüber sprechen. Zu nähen verstehe ich nicht; wenn ich kochen gelernt hätte, könnte ich Köchin werden.

Tatjana dachte nach.

– Wie denn Köchin? – Köchinnen sind nur bei reichen Leuten, die Armen aber kochen selbst. Für die Arbeiter aber kochen . . . nun, das ist schon das Letzte!

– Ich würde ja auch bei reichen Leuten leben, wenn ich nur mit den Armen Umgang habe. Wo soll ich denn sonst mit ihnen zusammenkommen? Es wird sich ja nicht immer so treffen, wie jetzt mit Ihnen.

Tatjana setzte die leere Tasse verkehrt auf die Unterschale.

– Das ist eine schwierige Sache, – sagte sie endlich mit einem Seufzer, – die sich nicht um den Finger wickeln läßt. Was ich kann – will ich Ihnen anzeigen – verstehe aber selbst nicht viel. Da muß ich mit Jegoritsch sprechen. Wissen Sie, was das für ein Mensch ist? – Der liest allerlei Bücher! – und schafft und thut Alles im Handumdrehen! – Hierbei blickte sie auf Marianne, die sich eine Cigarette drehte . . . Und noch etwas, Marianne Wikentjewna: verzeihen Sie; wenn Sie sich aber vereinfachen wollen, – so müssen Sie das da lassen. – Sie wies auf die Cigarette. – Denn in jenem Stande, wenn Sie z. B. Köchin sind – geht das nicht; – da wird man gleich sehen, daß Sie ein Fräulein sind. – Ja.

Marianne warf die Cigarette zum Fenster hinaus.

– Ich werde nicht mehr rauchen das kann ich mir leicht abgewöhnen. – Die einfachen Frauen aus dem Volke rauchen nicht: dann brauche ich auch nicht zu rauchen.

– Da haben Sie Recht, Marianne Wikentjewna. Das Männervolk treibt wohl auch bei uns damit Unfug, aber die Weiber thun es nicht. So ist’s . . . Eh! da kommt ja Wassili Fedotitsch. Das ist sein Schritt. Fragen Sie ihn: er wird Ihnen gleich Alles auf’s Beste erklären.

Hinter der Thür ertönte in der That Ssolomin’s Stimme.

– Kann man eintreten? – Herein, herein! – rief Marianne.

– Das habe ich mir in England angewöhnt, – sagte er im Eintreten. – Nun, wie fühlen Sie sich? Langweilen Sie sich noch nicht? – Ich sehe, Sie trinken hier Thee mit Tatjana. – Hören Sie auf sie! sie ist ein gescheidtes Weib . . . Mein Prinzipal kommt heute her recht zur Unzeit! Und wird hier speisen. – Was ist zu machen! Dafür ist er mein Prinzipal!

– Was ist das für ein Mensch? – fragte Neshdanow, aus seiner Ecke hervortretend.

– Es geht . . . Kein Kind mehr. . . Am Lappen saugt er nicht – wie man bei uns zu sagen pflegt. Einer von den Neuen. Unendlich höflich – mit Manschetten an den Händen – steckt aber seine Nase überall hinein, nicht weniger als die Alten. Zieht Einem das Fell über die Ohren – spricht aber dabei: »Drehen Sie sich bitte auf die andere Seite; – da ist noch eine ganze Stelle die muß abgeschunden werden!« – Nun, ich brauche nicht zu klagen, gegen mich ist er seidenweich; er hat mich ja nöthig! Doch ich bin ja nur gekommen, um Euch zu sagen, daß wir uns heute wohl schwerlich noch ein Mal sehen werden. – Das Mittagsessen wird man Euch herbringen. Auf dem Hofe dürft Ihr Euch aber nicht zeigen. Was glauben Sie, Marianne, wird Ssipjagin Euch suchen lassen, wird er Euch nachsetzen?

– Ich glaube nicht, – antwortete Marianne.

– Und ich bin überzeugt, daß er es wohl thun wird, – sagte Neshdanow.

– Nun, es bleibt sich gleich, – fuhr Ssolomin fort: – Ihr müßt in der ersten Zeit jedenfalls vorsichtig sein. Später wird es schon gehen.

– Ja; – bemerkte Neshdanow, – aber Markelow muß durchaus wissen, wo ich mich aufhalte; es muß ihm mitgetheilt werden.

– Weshalb?

– Es geht nicht anders; unserer Sache wegen ist es nöthig. Es muß ihm stets bekannt sein, wo ich mich befinde. Ich habe ihm mein Wort gegeben. Er wird uns ja nicht verrathen!

– Nun gut. Wir wollen Paul zu ihm schicken.

– Und meine Kleider? – fragte Neshdanow.

– Das heißt: das Kostüm! – gewiß . . . gewiß . . .

Es ist ja eine Maskerade – zum Glück keine theure., Lebt wohl und erholt Euch. – Komm Tatjana.

Marianne und Neshdanow blieben wieder allein.

Achtundzwanzigstes Capitel

Marianne und Neshdanow drückten einander zuerst fest die Hand, dann rief Marianne: »Wartet ich werde Dir Dein Zimmer einrichten helfen!« und begann seine Sachen auszupacken. Neshdanow wollte ihr dabei behilflich sein, sie erklärte aber, daß sie Alles allein thun wollte. – »Man muß sich an’s Dienen gewöhnen,« meinte sie. So hängte sie denn die Kleider an die Nägel, welche sie in der Lade des Tisches gefunden und in Ermangelung eines Hammers mit der Rückseite einer Kleiderbürste in die Wand eingeschlagen hatte, und legte die Wäsche in eine alte Kommode, welche zwischen den Fenstern stand.

– Was ist das? – fragte sie plötzlich, – ein Revolver? Ist er geladen? Wozu brauchst Du ihn?

– Er ist nicht geladen . . . gieb ihn übrigens her. Du fragst: wozu? Wie kann denn Einer unseres Schlages ohne Revolver sein?

Marianne lachte und fuhr in ihrer Arbeit fort, indem sie jedes einzelne Stück zuerst schüttelte und dann mit der flachen Hand daraus klopfte, auch ein Paar Stiefel stellte sie ihm unter den Divan; einige Bücher aber, ein Packet mit Papieren und das berühmte Heft mit den Gedichten breitete sie feierlich auf einem dreibeinigen Ecktisch aus, den sie Schreib- und Arbeitstisch, im Gegensatz zu dem runden Tisch, dem Eß- und Theetisch, nannte. Darauf hob sie das Gedichtheft empor, sah Neshdanow über den Rand desselben freundlich lächelnd an und sprach:

– Das werden wir in unseren Mußestunden zusammen lesen, nicht wahr?

– Gieb mir das Heft! Ich werde es verbrennen! – rief Neshdanow. – Es verdient kein anderes Schicksal!

– Weshalb hast Du es denn mitgenommen? – Nein, nein, ich gebe es Dir nicht. Uebrigens drohen die Dichter ja nur – und verbrennen ihre Sachen doch nicht. Bei mir wird es aber doch sicherer aufgehoben sein!

Neshdanow wollte protestiren, Marianne sprang aber mit dem Heft in das Nebenzimmer und kam ohne dasselbe zurück.

Sie setzte sich neben Neshdanow – und stand gleich wieder auf. – Du bist noch nicht bei mir gewesen – in meinem Zimmer. Willst Du es sehen? – Es ist nicht schlechter, als das Deinige. Komm – ich will es Dir zeigen.

Neshdanow erhob sich und folgte Marianne in’s Nebenzimmer. Ihr Zimmer, wie sie sich ausdrückte, war etwas kleiner als das seinige; dafür schienen aber die Möbel reiner und neuer zu sein; am Fenster stand eine kleine Glasvase mit Blumen – und in der Ecke ein kleines eisernes Bett.

– Siehst Du, wie lieb er ist, der Ssolomin, – rief Marianne, – man muß sich nur nicht allzusehr verwöhnen: solche Wohnungen werden uns nicht oft geboten werden. Weißt Du, was doch sehr gut wäre: wenn wir es so einrichten könnten, daß wir zusammen irgendwo eine Stelle annähmen! – Freilich ist das schwer, – setzte sie nach einer Pause hinzu, – nun, wir werden ja sehen. Nach St. Petersburg kehrst Du ja doch nicht zurück?

– Was sollte ich in St. Petersburg machen? – Die Universität besuchen und Stunden geben? Das taugt zu nichts!

– Wollen sehen, was Ssolomin sagt. – erwiederte Marianne, – er wird am Besten entscheiden, was jetzt zu thun ist.

Sie kehrten in das erste Zimmer zurück und setzten sich nebeneinander auf den Divan. Sie lobten Ssolomin, Tatjana, Paul, gedachten Ssipjagin’s, sprachen von ihrem früheren Leben und wie es ihnen jetzt so fern liege, als ob ein Nebel es einhüllte; darauf drückten sie sich wieder die Hände, und tauschten freudevolle Blicke; dann begannen sie von ihrem unternehmen zu sprechen, ihre Gedanken darüber auszutauschen, in welche Schichten einzudringen man sich ganz besonders bemühen müsse, und wie sie sich zu benehmen hätten, um nicht Verdacht zu erregen.

Neshdanow versicherte, daß es am Besten wäre, gar nicht daran zu denken und sich so einfach wie möglich zu geben.

– Natürlich! – rief Marianne. – Wir wollen uns ja vereinfachen, wie Tatjana sagt.

– Ich habe es nicht so gemeint, entgegnete Neshdanow. – Ich wollte sagen, daß man sich keinen Zwang anthun müsse.

– Es fiel mir ein, Alex – unterbrach ihn Marianne lachend, – wie ich uns Beide vereinfachte Leute genannt! – Neshdanow lachte gleichfalls auf, wiederholte: »vereinfachte« . . . und wurde plötzlich nachdenklich.

 

Auch Marianne schien über etwas zu sinnen.

– Alex-! – sagte sie.

– Nun?

– Es scheint mir, daß wir uns Beide ein wenig unbehaglich fühlen. – Etwas Aehnliches müssen junge Leute – des nouveaux mariés – setzte sie erklärend hinzu – am ersten Tage ihrer Hochzeitsreise empfinden. – Sie sind glücklich . . . es ist ihnen so wohl – und doch nicht ganz behaglich.

– « .

Neshdanow lächelte gezwungen.

– Du weißt sehr gut, Marianne, daß wir keine jungen Leute sind – in Deinem Sinne.

Marianne erhob sich und blieb dicht vor Neshdanow stehen.

– Das hängt von Dir ab.

– Wie?

– Alex, Du weißt, daß wenn Du mir als ehrlicher Mensch sagst – und ich glaube Dir, denn Du bist wirklich ein ehrlicher Mensch; – wenn Du mir also sagst, daß Du mich mit jener Liebe liebst . . . nun, mit jener Liebe, die das Recht auf ein anderes Leben giebt – wenn Du mir das sagst – so bin ich Dein.

Neshdanow erröthete und wandte sich ab.

– Wenn ich Dir das sage. . .

– Ja, dann! Aber Du siehst ja selbst, Du sagst es mir nicht. . . O ja, Alex, Du bist ein ehrlicher Mensch. Nun, so sprechen wir also über ernstere Dinge!

– Aber ich liebe Dich ja, Marianne!

– Ich zweifle nicht daran . . . und werde warten! – Halt, ich habe Deinen Schreibtisch noch nicht ganz in Ordnung gebracht. Da ist noch etwas eingewickelt, etwas Hartes. . .

Neshdanow sprang ungestüm auf.

– Laß das, Marianne. . . Ich bitte Dich, laß das! Marianne wandte den Kopf und hob erstaunt die Brauen.

– Ist es – ein Geheimniß? Du hast ein Geheimniß vor mir.

– Ja . . . ja, – versetzte Neshdanow, und fügte in der Verwirrung, als ob er sich entschuldigen wollte, hinzu: – es ist . . . ein Portrait.

Das Wort entfuhr ihm gegen seinen Willen. Das Papier in Mariannen’s Händen enthielt ihr Bild, dasjenige, welches Markelow Neshdanow gegeben hatte.

– Ein Portrait! – fragte sie gedehnt. . . – Das Portrait einer Frau?

Sie reichte ihm das Packet; er hatte es jedoch so ungeschickt ergriffen, daß es ihm fast aus der Hand gefallen wäre und sich dabei öffnete.

– Das ist ja . . . mein Portrait! – rief Marianne lebhaft aus. – Nun, mein eigenes Bild habe ich wohl das Recht zu nehmen. – Sie nahm es aus Neshdanow’s Händen.

– Haft Du es gezeichnet?

– Nein . . . ich nicht.

– Wer denn? Markelow?

– Du hast es errathen . . . Markelow.

– Wie kommt es denn in Deinen Besitz?

– Er hat es mir geschenkt.

– Wann? Neshdanow erzählte ihr, wann und bei welcher Gelegenheit Markelow es ihm gegeben hatte. Während er sprach, blickte Marianne bald auf ihn, bald auf das Portrait . . . und Beiden fuhr plötzlich derselbe Gedanke durch den Kopf: »wenn er in diesem Zimmer wäre, so hätte er das Recht zu jener Forderung.« . . . Aber weder Marianne, noch Neshdanow gaben diesem Gedanken Worte . . . vielleicht weil Beide fühlten, daß sie dasselbe dachten.

Marianne schlug das Papier um das Bild und legte es auf den Tisch.

– Der Gute! – flüsterte sie. – Wo ist er jetzt?

– Wo? – Zu Hause, auf seinem Gut. Ich fahre morgen oder übermorgen hin, um mir Bücher und Flugschriften von ihm zu holen. Er wollte mir neulich welche mitgeben, hatte es aber wohl vergessen.

– Und Du glaubst, Alex, daß er, als er Dir dies Portrait gab, Allem entsagt . . . Allem?

– Es schien mir wenigstens so.

– Und Du hoffst ihn zu Hause zu finden?

– Natürlich.

Marianne schlug die Augen nieder – ihre Hände fielen herab. – Da bringt uns Tatjana das Mittagsessen, – rief sie plötzlich. – Was für ein prächtiges Wesen!

Tatjana kam mit dem Essen, mit Tellern, Messern, Servietten und begann den Tisch zu decken. Während sie damit beschäftigt war, erzählte sie, was unterdessen auf der Fabrik vorging.

–– Der Herr ist mit der Eisenbahn aus Moskau gekommen – und läuft nun in allen Stockwerken rastlos umher; er versteht ja von Allem nichts, thut aber doch so, des Scheines halber. – Wassili Fedoditsch behandelt ihn wie ein kleines Kind; er wollte da irgend etwas Widersinniges einführen: – da hat ihn Wassili Fedoditsch gleich vor den Kopf gestoßen; ich gehe augenblicklich fort, sagte er; da ist Jener ganz windelweich geworden. . . Jetzt speisen sie zusammen; der Herr hat seinen Kompagnon mitgebracht. . . Der wundert sich nur über Alles. Muß aber viel Geld haben, dieser Kompagnon, weil er meist schweigt und blos mit dem Kopfe nickt. Und dick ist er, ganz ungeheuer dick! . . . Ein Moskauer Geldsack! Heißt es ja im Sprichwort, das Rußland der Berg und Moskau das Thal ist, in welches Alles hinabfließt.

– Wie Sie auf Alles aufmerken! – rief Marianne.

– Es ist schon so meine Natur, – versetzte Tatjana. – Nun, da habt Ihr Euer Mittagessen. Laßt es Euch schmecken. Ich setze mich unterdeß und sehe Euch zu.

Marianne und Neshdanow begannen zu essen; Tatjana hatte sich auf das Fensterbrett gesetzt und drückte nun die Wange in die stützende Hand.

– Wenn ich Euch anschaue, sagte sie, – wie seid Ihr doch Beide so jung und schlank. So angenehm ist es, Euch anzusehen, daß man dabei ganz wehmüthig wird! Ach Ihr Lieben! Was bürdet Ihr Euch denn eine Last auf, die Ihr nicht tragen könnt? Solche, wie Ihr, die liebt der Landvogt in einen steinernen Sack zu stecken!

– Laßt das, Tatjana. Wozu uns unnützer Weise schrecken! – Ihr kennt das Sprichwort: »Hast Du Dich Pfifferling genannt, so krieche in den Korb.

– Ich weiß . . ich weiß; es sind jetzt nur die Körbe so eng, daß kein Pfifferling wieder herauskriecht!. . .

– Habt Ihr Kinder? – fragte Marianne, um aus anderes Thema zu kommen.

– Ja wohl, ein Söhnchen, das schon die Schule besucht. Ich hatte auch eine Tochter, – sie ist gestorben, die Arme! Sie hat das Unglück gehabt, unter ein Rad zu gerathen. Ach, wenn die Maschine sie doch gleich getödtet hätte! Aber sie hat sich noch lange quälen müssen. Seitdem bin ich sehr ängstlich geworden; früher war ich wie ein Stück Nußholz so hart und steif!

– Nun, und Ihr Mann – haben Sie ihn denn nicht geliebt?

– Das ist ja eine ganz andere Sache, das ist Mädchensache. Sie selbst – Sie lieben den Ihrigen doch? Oder nicht?

– Ja, ich liebe ihn.

– Und lieben ihn sehr?

– Sehr.

– Wirklich . . . – Tatjana blickte abwechselnd bald auf Neshdanow, bald auf Marianne – und schwieg.

Marianne sah sich wieder genöthigt, das Gesprächsthema zu ändern. Sie erzählte Tatjana, daß sie jetzt nicht mehr rauche; Tatjana lobte sie dafür. Dann bat sie dieselbe nochmals, ihr ein Kleid zu verschaffen, und erinnerte sie ferner daran, daß sie das Kochen lehren wollte.

– Und noch eins! Könnten Sie mir nicht dicken, festen Zwirn bringen? Ich will Strümpfe stricken . . . ganz einfache Strümpfe.

Tatjana versetzte, daß sie Mariannen’s Wünsche pünktlich erfüllen werde und verließ, nachdem sie den Tisch abgeräumt, mit festem und ruhigem Schritt das Zimmer.

– Nun, und wir – was werden wir thun? – wandte sich Marianne zu Neshdanow, und fuhr, ohne seine Antwort abzuwarten, sogleich fort: – Da wir erst morgen zu arbeiten anfangen, wollen wir den heutigen Abend der Literatur widmen. Willst Du? – Wir lesen Deine Gedichte! Ich werde ein strenger Richter sein.

Neshdanow widersetzte sich Anfangs, willigte aber schließlich ein und begann ihr aus seinem Hefte vorzulesen. Marianne hatte sich in seine Nähe gesetzt und sah ihn die ganze Zeit über aufmerksam an. – Sie hatte die Wahrheit gesprochen: es erwies sich, daß sie in der That ein strenger Richter war. Es gefielen ihr nur wenige Gedichte: sie zog die kurzen, rein lyrischen – ohne moralische Nutzanwendung, wie sie sich ausdrückte, – den anderen vor. Neshdanow las nicht gut: er mochte nicht deklamiren und wollte doch auch wieder nicht in einen trockenen Ton verfallen, so daß nichts rechtes herauskam. Marianne unterbrach ihn plötzlich mit der Frage, ob er das wunderbare Gedicht von Dobroljubow kenne, welches mit den Worten beginnt: »Ich sterbe, sei’s – kein Unglück ist’s.6 – und declamirte es ihm gleich vor, ebenfalls nicht sonderlich gut, gleichsam ein wenig nach Kinderart.

Neshdanow bemerkte, daß es unendlich traurig und bitter sei, und fügte hinzu, daß er, Neshdanow, schon aus dem einen Grunde ein solches Gedicht nicht hätte schreiben können, weil er nicht zu befürchten brauche» daß an seinem Grabe Jemand . . . Thränen weinen werde.

– O ja, ich, wenn ich Dich überlebe – sagte Marianne langsam – und fragte nach einer kleinen Pause, die Augen zur Decke emporhebend, mit leiser Stimme, als spräche sie mit sich selbst:

– Wie hat er mich denn gezeichnet? Aus dem Gedächtniß?

Neshdanow wandte sich hastig um.

– Ja, aus dem Gedächtniß.

Marianne war erstaunt, daß er ihre Frage beantwortete; es schien ihr, daß sie dieselbe nur in Gedanken gestellt.

– Das ist wunderbar . . . fuhr sie ebenso fort. – Er besitzt ja doch gar kein Talent zur Malerei . . . Was wollte ich doch sagen? – setzte sie laut hinzu – ja! es bezog sich auf das Gedicht von Dobroljubow. – Man muß solche Gedichte schreiben, wie Puschkin, – oder solche, wie Dobroljubow; – es ist nicht Poesie . . . aber etwas, was nicht weniger hoch steht.

– Und solche Gedichte, wie die meinigen – fragte Neshdanow – die müßte man gar nicht schreiben? Nicht wahr?

– Solche Gedichte, wie die Deinigen – gefallen den Freunden, nicht weil sie sehr gut sind, sondern weil Du ein guter Mensch bist – und sie Dir ähnlich sind.

Neshdanow lächelte.

– Du hast sie zu Grabe getragen – und mich dazu! Marianne schlug ihm auf die Hand und nannte ihn einen bösen Menschen . . . Bald darauf erklärte sie auch, daß sie müde sei und schlafen gehen wolle.

– Du weißt – es fällt mir jetzt gerade ein, – setzte sie hinzu, das kurze, aber dichte Haar zurückwerfend, – daß ich Rubel habe – und wie viel hast Du?

– 98 Rubel, – O! dann sind wir ja sehr reich . . . für einfache Leute! – Nun – bis morgen!

Sie entfernte sich; einige Augenblicke daran wurde ihre Thür von Neuem geöffnet, und aus der schmalen Spalte ertönte zuerst ein fragendes: Gute Nacht? – dann etwas leiser: Gute Nacht! – und der Schlüssel klang im Schloß.

Neshdanow sank in den Divan und bedeckte das Gesicht mit den Händen . . . Dann erhob er sich plötzlich, trat an die Thür und klopfte an dieselbe.

– Was willst Du? – fragte Marianne.

– Nicht bis morgen, – Marianne . . . sondern – morgen!

– Morgen – ertönte die leise Antwort.

Neunundzwanzigstes Capitel

Am andern Morgen klopfte Neshdanow abermals an Mariannen’s Thür.

– Ich bin es, – antwortete er, als sie fragte, wer da sei. – Kannst Du herauskommen?

– Ward ein wenig . . . gleich.

Sie trat aus ihrem Zimmer – und fuhr mit einem Aufschrei zurück.

Im ersten Augenblick erkannte sie ihn nicht.

Er war in einen zerlumpten, gelblichen Nanking- Kittel mit kleinen Knöpfchen und hoher Taille gekleidet; das Haar hatte er nach russischer Art mir einem geraden Scheitel gekämmt; um den Hals war ein blaues Tüchlein geschlungen; in der Hand hielt er eine Mütze mit einem zerbrochenen Lederschirm; die Füße steckten in ungeputzten Stiefeln aus rohem Leder.

– Gott im Himmel! – rief Marianne, – wie Du . . . häßlich bist! – umarmte ihn aber rasch und küßte ihn noch rascher. – Warum hast Du dich denn gerade so verkleidet? Du siehst aus, wie ein erbärmlicher Kleinbürger aus der Stadt . . . oder wie ein Hausirer oder wie ein abgedankter Diener irgend eines Gutsbesitzers.

Weshalb denn diesen Kittel – und nicht einen ärmellosen Kutscherrock, oder einfach einen gewöhnlichen Bauernkittel?

– Das ist es ja eben, – antwortete Neshdanow, der in der That einem hausirenden Kleinbürger ähnlich sah, dieses selbst fühlte und darüber erbittert und auch verwirrt war, ja er war so verwirrt, daß er mit den gespreizten Fingern beider Hände auf der Brust herumfuhr, als ob er sich den Kittel rein zu wischen bestrebte . . . – Im Kutscherrock oder im Bauernkittel hätte man mich gleich erkannt, wie Paul versichert; in dieser Kleidung aber sehe ich seiner Meinung nach aus, als ob ich nie etwas Anderes am Leibe gehabt! Was meiner Eitelkeit gerade nicht sehr schmeichelt, bemerke ich in Parenthese.

 

– Willst Du denn schon anfangen? – fragte Marianne lebhaft.

– Ja; ich will es versuchen, obgleich eigentlich – Du Glücklicher! – unterbrach ihn Marianne.

– Dieser Paul – das ist ein ganz merkwürdiger Mensch, – fuhr Neshdanow fort.

– Wenn er Einen mit seinen scharfen, durchdringenden Augen ansieht, so scheint er Alles zu wissen und zu verstehen; dann aber macht er wieder ein solches Gesicht, als ob gar nichts ihn angehe, als ob er sich nie in Etwas mische! Er spielt den unterthänigen Diener – und lacht Einen die ganze Zeit über aus. – Er hat mir einige Bücher von Markelow gebracht, den er bei Namen nennt: Ssergei Michailowitsch. Für Ssolomin geht er durch Feuer und Wasser

– Tatjana ebenfalls, – versetzte Marianne – Woher sind ihm diese Menschen so ergeben?

Neshdanow schwieg.

– Was sind es für Bücher, die Paul Dir gebracht? – fragte Marianne.

– Die gewöhnlichen . . . »Das Märchen von den vier Brüdern« . . . Dann noch . . . immer dieselben, bekannten Bücher. Diese sind übrigens besser.

Marianne blickte sich fragend um.

– Wo bleibt denn Tatjana? Sie hat versprochen, recht früh zu kommen. . .

– Da bin ich ja, – sagte Tatjana, während sie mit einem Bündel in der Hand über die Schwelle trat. Sie hatte hinter der Thür gestanden und Mariannen’s Ausruf vernommen.

– Werdets wohl nicht so eilig haben . . . große Herrlichkeit!

Marianne stürzte ihr entgegen.

– Haben Sie gebracht?

Tatjana schlug mit der Hand auf das Bündel.

– Ist Alles hier . . . in bester Ordnung. . . Jetzt nur noch anpassen . . . und dann könnt Ihr stolziren und Euch angaffen lassen!

– Ach, kommen Sie, kommen Sie, liebe Tatjana Ossipowna. . .

Marianne zog sie in ihr Zimmer.

Als er allein geblieben, ging Neshdanow ein paar Mal schleppenden Ganges durchs Zimmer. . . (Er bildete ich ein, daß die Kleinbürger immer so zu gehen pflegen); – darauf roch er vorsichtig am Aermel des Kittels, an dem Innern der Mütze – und verzog das Gesicht; dann blickte er in den kleinen Spiegel, der neben dem Fenster an der Wand hing – und schüttelte den Kopf; er sah doch gar zu unansehnlich aus! (»Desto besser übrigens!« dachte er.) Vom Spiegel zurücktretend, holte er einige Flugschriften hervor, die er sich in die Tasche steckte, und murmelte leise einige Worte im Volksdialekt vor sich hin. . .

– »Es scheint, daß ich den Ton getroffen,« dachte er wieder; »doch wozu diese Komödie! mein Anzug schützt mich vor jedem Verdacht!« Und es fiel ihm dabei ein deutscher Flüchtling ein, der nur schlecht Russisch sprach, aber auf seiner Flucht ganz Rußland durchwandern mußte; er hatte sich in einer Kreisstadt eine mit einem Katzenfell verbrämte Mütze, wie sie die Kaufleute zu tragen pflegen, gekauft. Dank dieser Mütze wurde er überall für einen Kaufmann gehalten und auf diese Weise entkam er wohlbehalten in’s Ausland.

In diesem Augenblick trat Ssolomin in’s Zimmer.

– Aha! – rief er, – hast Dich ausstaffirt! – Entschuldige, Freund, in diesem Aufzuge kann man doch nicht »Sie« zu Dir sagen.

– Ich bitte Sie ich bitte Dich . . . ich wollte Dich ohnedies darum ersuchen.

–Aber es ist noch ein wenig zu früh, oder wolltest Du Dich erst an die Kleider gewöhnen? – Dann ist es einerlei. Aber Du mußt doch noch etwas warten; der Prinzipal ist noch hier. Er schläft.

– Ich werde erst später ausgehen – versetzte Neshdanow, – mich in der Umgegend ein wenig tummeln, bis ich weitere Instruktionen erhalte.

– Richtig! Was ich Dir aber sagen wollte, Bruder Alexei . . . So heißt Du doch jetzt, nicht wahr?

– Ja. – Wenn Du in der Volkssprache reden willst, kannst Du mich auch Lixei nennen – fügte Neshdanow lachend hinzu.

– Nein, mach’s nicht zu arg. – Höre: – ein Mann, ein Wort – ich sehe, daß Du Bücher bei Dir hast, vertheile sie wo Du willst – aber nur nicht auf der Fabrik – unter keiner Bedingung!

– Weshalb denn nicht?

– Erstens deshalb, weil es für Dich selbst gefährlich ist; zweitens weil ich meinem Prinzipal versprochen habe, darauf zu achten, daß hier nichts Derartiges vorfällt, und es ist ja doch seine Fabrik; drittens haben wir hier Einiges eingerichtet – Schulen und dergleichen . . . Nun – damit könntest Du Alles verderben. Thu’ was Du willst, auf Deine eigene Verantwortung hin – ich werde Dich nicht hindern; meine Fabrikarbeiter laß aber in Ruhe!

– Vorsicht ist besser denn Nachsicht . . . he? – bemerkte Neshdanow mit höhnischem Lächeln.

Ssolomin lächelte in der ihm eigenen offenen Weise.

– Das ist es eben, Bruder Alexei; Vorsicht kann niemals schaden. – Was sehe ich aber? Wer ist das?

Diese Worte bezogen sich auf Marianne, welche in einem bunten, verwaschenen Kattunkleide, mit einem gelben Tüchlein um den Hals und einem rothen auf dem Kopfe auf der Schwelle ihrer Thür erschien. Hinter ihr stand Tatjana und schaute sie mit gutmüthigem Wohlgefallen an. Marianne schien in dem einfachen Kleide viel frischer und jünger; es kleidete sie dieser Anzug viel besser, als Neshdanow sein langschößiger Kittel.

– Lachen Sie nicht, Wassili Fedotitsch, ich bitte Sie – flehte Marianne und wurde so roth wie eine Mohnblüthe.

– Ei, was für ein Pärchen! – rief Tatjana und klopfte in die Hände. – Hör aber, liebes Bürschchen, sei mir nicht böse. Du bist wohl auch gut, aber gegen meine junge Dirne kommst Du doch nicht auf!

»Sie ist auch wirklich reizend« – dachte Neshdanow – »o, wie ich sie liebe!«

– Sieh mal – fuhr Tatjana fort – wir haben die Ringe gewechselt. Mir hat sie ihr goldenes Ringelein gegeben und hat meinen silbernen Ring dafür genommen.

– Mädchen aus dem Volke tragen keine goldenen Ringe – meinte Marianne.

Tatjana seufzte.

– Ich werde es Ihnen aufbewahren, Herzblättchen, fürchten Sie nichts.

– Nun, setzt Euch, setzt Euch Beide, – rief Ssolomin, der Marianne die ganze Zeit über mit etwas herabgebeugtem Kopf unverwandt angeblickt hatte, – früher pflegte man ja, wie Ihr wißt, wenn man eine Reise unternahm, zuerst ein paar Minuten ruhig zu sitzen, bevor man sich auf den Weg machte. – Auch Euch steht eine weite und schwierige Reise bevor.

Marianne, deren Wangen noch immer geröthet waren, setzte sich; auch die Andern setzten sich: Neshdanow . . . Ssolomin . . . endlich auch Tatjana – auf den Rand eines aufrecht stehenden dicken Scheites Brennholz. – Ssolomin schaute der Reihe nach Alle an.

 
»Laßt uns sehen, wie erbaulich
Wir hier sitzen und wie traulich . . .« —
 

sagte er, die Augen ein wenig zusammenkneifend – und begann dabei plötzlich laut und so herzlich zu lachen, daß sich Niemand beleidigt fühlen konnte, sondern daß, im Gegentheil, Alle sich recht gemüthlich dabei fühlten.

Da erhob sich plötzlich Neshdanow.

– Ich gehe setzt, – sagte er, – denn das ist Alles zwar sehr nett, – aber doch ein wenig possenhaft – ein Schwank mit Verwandlungen! – Sei unbesorgt, – wandte er sich zu Ssolomin, – Deine Fabrikarbeiter werde ich nicht behelligen. Ich werde mich in der Umgegend ein wenig tummeln, zurückkommen – und Dir, Marianne, meine Abenteuer erzählen, wenn ich nur überhaupt etwas zu erzählen haben werde. Reich mir Deine Hand, damit das Glück mir hold sei.

– Sie sollten doch zuerst Thee trinken, – bemerkte Tatjana.

– Nein, wozu denn noch Thee! – Wenn ich Lust bekomme, gehe ich in ein Wirthshaus, oder selbst in die Schenke!

Tatjana schüttelte den Kopf.

– Diese Wirthshäuser findet man jetzt in solcher Menge an der Landstraße, wie Flöhe im Schafspelz. Es giebt jetzt nur noch große Kirchdörfer . . . Ballmassowo zum Beispiel. . .

– Lebt wohl, auf Wiedersehen . . . Glück und Gesundheit allerseits! verbesserte sich Neshdanow im Geiste seiner neuen Rolle. – Kaum hatte er sich jedoch der Thür genähert, als Paul plötzlich aus dem Korridor trat, dicht vor ihm stehen blieb und ihm einen langen, dünnen Stock reichte mit einem schraubenförmig in denselben geschnittenen Streifen.

– Empfangen Sie dieses, Alexei Dmitritsch, – sagte er, – stützen Sie sich darauf – und je weiter Sie mit eben diesem Stock ausholen, desto angenehmer wird es sein.

Neshdanow ergriff schweigend den Stock und entfernte sich; Paul folgte ihm. Auch Tatjana wollte gehen, Marianne erhob sich jedoch und hielt sie zurück.

– Warten Sie, Tatsana Ossipowna; ich brauche Sie.

– Ich komme gleich wieder, mit der Theemaschine. Ihr Gefährte ist ohne Thee fortgegangen, er schien keine Geduld mehr zu haben. . . . Sie aber, wozu sollen Sie denn bestraft werden?

Taijana entfernte sich.

Ssolomin erhob sich. Marianne stand mit dem Rücken gegen ihn; – und als sie sich endlich umwandte, da ihm so lange kein Wort über die Lippen kam – erblickte sie in seinen Zügen, in seinen fest auf sie gehefteten Augen einen Ausdruck, den sie früher nie an ihm bemerkt hatte: einen fragenden, unruhigen, fast neugierigen Ausdruck. Sie gerieth in Verwirrung und erröthete von Neuem. Ssolomin aber, der sich jetzt dessen, was sie in seinem Antlitz gelesen, gleichsam schämte, begann mit lauter Stimme, lauter als gewöhnlich:

6Ich sterbe – sei’s! Kein großes Unglück ists!Nur Eins macht Unruh meinem kranken Sinn:Ich fürchte, daß der Tod ein häßlich SpielMit meinen Ueberresten spielen wird.Ich fürchte, daß auf meinen kalten LeibNoch heiße Thränen rinnen werden, undMit Blumen meinen Sarg zu schmücken wähntBeschränkter Eifer Liebesdienst zu thun;Daß Freunde, wohlgesinnt, in dichter SchaarGeleiten meiner Bahre Trauerzug,Und daß ich, von des Grabes Stoff umhüllt,Noch Gegenstand der Liebt werden kann.O, Alles, was so heftig und umsonstBei Leibes Leben ich ersehnt, begehrt,An meinem stillen Grabmal lächelt’s erstBeseligend und hoffnungsvoll mich an!Dobroljudow’s Werke. Bb. IV. Seite 615.