Za darmo

Die Uhr

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

VI

Ich war wieder in den Besitz meiner Uhr getreten, allein es machte mir nicht die geringste Freude. Ich konnte mich nicht, entschließen sie zu tragen; es war nothwendig, besonders vor David, zu verbergen, was ich gethan. Was würde er von mir, von meiner Charakterlosigkeit denken? Ich konnte die unglückliche Uhr nicht einmal in meine Schieblade einschließen; wir hatten alle Schiebladen gemeinschaftlich. Ich war genöthigt, sie bald oben auf meinem Schranke, bald unter der Matratze, bald hinter dein Ofen zu verstecken. . . Und es gelang mir dennoch nicht, David zu betrügen!

Eines Tages hatte ich die Uhr unter der Diele unseres Zimmers hervorgeholt und wollte die silberne Rückseite derselben mit meinem alten semisch-ledernen Handschuh abreiben. David war in die Stadt, ich weiß nicht wohin gegangen; ich erwartete durchaus nicht, daß er bald zurückkehren würde . . . da trat er plötzlich zur Thüre hinein. Ich war so bestürzt, daß ich die Uhr beinahe hätte fallen lassen; ganz verwirrt und mit schmerzhaft geröthetem Gesichte fuhr ich mit der Uhr an der Weste umher – ich konnte die Tasche gar nicht finden.

David sah mich an und lächelte seiner Gewohnheit nach schweigend.

»Was ist Dir,« sprach er endlich. – »Du denkst, ich wußte nicht, daß die Uhr wieder bei Dir ist? Ich habe sie am ersten Tage, wo Du sie brachtest, gesehen.«

»Ich versichere Dich,« begann ich fast mit Thränen.

David zuckte die Achseln.

»Die Uhr ist Dein; Du kannst ja mit ihr thun, was Du willst.«

Nachdem er diese harten Worte gesprochen, ging er hinaus.

Verzweiflung erfaßte mich. Diesmal war schon kein Zweifel mehr; David verachtete mich wirklich.

Das konnte nicht so bleiben.

»Ich will es ihm beweisen,« dachte ich, die Zähne zusammenpressend. Ich begab mich sofort festen Schrittes in’s Vorzimmer, suchte unsern kleinen «Kosaken Juschka auf und schenkte ihm die Uhr! Juschka wollte sie zuerst nicht nehmen, aber ich erklärte ihm, wenn er sie nicht von mir annähme, würde ich sie den Augenblick zerdrücken, mit den Füßen zerstampfen in tausend Stücke zerbrechen und in die Kehrichtgrube werfen! Er bedachte sich, kicherte und nahm die Uhr. Ich kehrte in unser Zimmer zurück, und als ich David in einem Buche lesend fand, theilte ich ihm meine Handlung mit.

Ohne die Augen von der Seite abzuheben, auf welcher er las, sagte David, wieder mit den Achseln guckend und vor sich hin lächelnd, daß die Uhr ja mir gehöre und ich mit ihr schalten und walten könne, wie ich wolle.

Aber es schien mir doch, daß er mich schon etwas weniger verachtete.

Ich war vollkommen überzeugt, daß ich mich nie mehr einem neuen Vorwurfe der Charakterlosigkeit aussetzen würde, denn die Uhr, dieses Geschenk meines garstigen Taufvaters war mir plötzlich so widerwärtig geworden, daß sich durchaus nicht im Stande war, zu begreifen, wie ich die Uhr bedauern, wie ich sie irgend einem Trofimitsch abdringen konnte, der überdies noch im Rechte war zu denken, daß er sehr großmüthig an mir gehandelt habe.

Es vergingen einige Tage . . . Ich erinnere mich dessen, wie an einem derselben auch in unsere Stadt die große Nachricht drang: Der Kaiser Paul sei verschieden und sein Sohn Alexander, dessen Seelengröße und Menschenliebe so bekannt waren, habe den Thron bestiegen. Diese Nachricht regte David schrecklich auf; es stellte sich ihm sogleich die Möglichkeit eines Wiedersehens, eines nahen Wiedersehens mit seinem Vater dar. Auch mein Vater freute sich.

»Jetzt werden alle Verbannten ans Sibirien zurückberufen werden und auch Bruder Jegor wird wohl nicht vergessen werden,« wiederholte er, sich die Hände reibend, hüstelnd und dennoch etwas verzagt.

David und ich, wir gaben das Arbeiten und den Besuch des Gymnasiums sogleich auf; wir gingen nicht einmal spazieren, wir saßen nur immer in irgend einem Winkel und berechneten und erwogen, in wie vielen Monaten, Wochen und Tagen »Bruder Jegor« zurückkehren müsse, wohin man ihm schreiben, wohin ihm entgegengehen könne, und auf welche Weise wir dann unser Leben einrichten wollten? »Bruder Jegor« war Architekt; wir beschlossen mit David, daß er nach Moskau übersiedeln und dort große Schulen für arme Leute aufbauen müsse, wo dann wir seine Gehilfen sein wollten. Die Uhr hatten wir darüber natürlich ganz vergessen, zudem stellten sich für David neue Sorgen ein . . . davon jedoch später; der Uhr aber war es bestimmt, sich noch in Erinnerung zu bringen.

VII

Eines Morgens, wir hatten soeben erst gefrühstückt – ich saß allein am Fenster und dachte an die Rückkehr des Onkels – das April-Thauwetter dampfte und glitzerte auf dem Hofe – als plötzlich Pulcheria Petrowna in’s Zimmer hinein gelaufen kam. Sie war immer sehr flink und unruhig, sprach mit einem kreischenden Stimmchen und fuhr dabei mit den Händen in der Luft umher; diesmal aber stürzte sie förmlich auf mich los.

»Geh! geh’ sogleich zu Deinem Vater, mein Herr!« schmetterte sie. »Was hast Du da für Streiche angegeben, Du Unverschämter! Ihr sollt aber auch Beide dafür bekommen! Nastasei Nastaseitsch hat alle Eure Streiche an’s Tageslicht gebracht! . . . Geh! der Vater ruft Dich . . . gehe den Augenblick!«

Noch immer Nichts begreifend, folgte ich meiner Taute; – als ich über die Schwelle des Gastzimmers trat, gewahrte ich meinen Vater, der mit großen Schritten und zerzaustem Haare auf- und niederging; Juschka stand in Thränen an der Thüre und in einem Winkel auf dem Stuhle saß mein Taufvater, Nastasei Nastaseitsch mit dem Ausdruck einer ganz besonderen Schadenfreude in den aufgeblasenen Nasenlöchern und den brennenden, schielenden Aeuglein.

Sobald ich hereintrat, flog mein Vater auf mich zu.

»Du hast Deine Uhr Juschka geschenkt? rede?

Ich warf einen Blick auf Juschka . . .

»So rede doch,« wiederholte mein Vater, mit den Füßen stampfend.

»Ja,« erwiderte ich und erhielt sogleich eine weit ausgeholte Ohrfeige, die meiner Tante große Freude machte. Ich hörte, wie sie krächzte, als hätte sie einen Schluck heißen Thee genommen.

Mein Vater lief von mir zu Juschka hinüber.

»Und Du, Niederträchtiger! hättest Dich nicht erdreisten dürfen, das Geschenk der Uhr anzunehmen,« sprach er, ihn an den Haaren herumziehend. – Und Du Schurke, hast sie noch dem Uhrmacher verkauft!«

In der Einfalt seines Herzens hatte Juschka in der That, wie ich in der Folge erfuhr, die Uhr zu dem benachbarten Uhrmacher getragen. Der Uhrmacher hatte sie in’s Schaufenster gehängt ; Nastasei Nastaseitsch hatte sie im Vorübergehen dort gesehen, sie aber rückgekauft und zu uns in’s Haus gebracht.

Mein und Juschka’s Verhör dauerte indessen nicht lange; mein Vater war athemlos, fing an zu husten und das Zürnen war überhaupt nicht seine Art.

»Bruder, Porphyri Petrowitsch,« sagte meine Taute, sobald sie, gewiß nicht ohne Bedauern bemerkte, daß meines Vaters Zorn sich besänftigte; »regen Sie sich doch nicht mehr auf; es ist nicht der Mühe werth, daß Sie sich die Hände damit besudeln. Ich aber schlage Folgendes vor: mit der Zustimmung des geachteten Nastasei Nastaseitsch und in Anlaß der großen Undankbarkeit Ihres Sohnes werde ich diese Uhr zu mir nehmen; da er aber durch seine Handlung bewiesen hat, daß er unwürdig ist, dieselbe zu tragen und deren Werth nicht begreift, so werde ich sie in Ihrem Namen einem Menschen schenken, der Ihr Wohlwollen tief empfinden wird.«

»Wer ist das?« fragte mein Vater.

»Chrysanth Lukitsch,« erwiderte meine Tante etwas zaghaft.

»Dem Chrysaschka ?«« fragte mein Vater noch einmal, holte dann mit der Hand aus und fügte hinzu: »meinetwegen; und wenn Ihr sie in den Ofen werft!«

»Und Sie, Verehrter, sind Sie damit einverstanden?« wandte sich meine Taufe an Nastasei Nastaseitsch.

»Mit der vollkommensten Bereitwilligkeit,« erwiderte jener. – Während des ganzen »Verhörs« hatte er sich nicht von seinem Stuhle gerührt und hatte nur leise geschnauft, sich leise die Fingerspitzen gerieben und seine Augen abwechselnd auf mich, auf den Vater und auf Juschka gerichtet. Wir hatten ihm ein wahrhaftes Vergnügen bereitet.

Der Vorschlag meiner Taute hatte mich in tiefster Seele empört. Nicht, daß die Uhr mir Leid gethan hätte, aber der Mensch, dem sie dieselbe zu schenken beabsichtigte, war mir allzusehr verhaßt. Dieser Chrysanth Lukitsch dessen Familienname Tranquillilatin hieß, war ein gesunder, vierschrötiger, langgestreckter Seminarist, der, weiß der Teufel weshalb, sich gewöhnt hatte, zu uns ins Haus zu kommen! »Um sich mit den Kindern zu beschäftigen,« versicherte die Taute; mit uns konnte er sich indessen schon deshalb nicht beschäftigen, weil er selbst nichts gelernt hatte, und dumm war wie ein Pferd.

Er erinnerte überhaupt an ein Pferd: er stampfte mit den Füßen wie mit Hufen, lachte nicht, sondern wieherte, wobei er seinen ganzen Rachen bis an die Kehle sehen ließ – und hatte ein langes Gesicht mit einem Höcker und breite, flache Backenknochen; er trug einen zottigen, friesenen Kaftan und roch nach rohem Fleische. Meine Tante hielt große Stücke auf ihn, nannte ihn einen ansehnlichen Mann, einen Cavalier und sogar einen Grenadier. Er hatte die Gewohnheit, uns Kindern auf die Stirne ein Schnippchen zu schlagen (er that es auch mit mir, als ich jünger war) mit seinen steinharten Fingern und dabei zu zanken und sich zu verwundern: »Wie Dein Kopf klingt, er muß wohl hohl sein!« – Und dieser Tölpel sollte meine Uhr besitzen? – Auf keinen Fall! beschloß ich bei mir, als ich ans dem Gastzimmer hinauslief und mit den Füßen auf mein Bett hinaufkroch, während meine Wange sich von der erhaltenen Ohrfeige röthete und brannte, und auch in meinem Herzen die Bitterkeit der Beleidigung und der Durst nach Rache aufloderten . . . Auf keinen Fall! Ich werde es nicht zulassen, daß dieser verfluchte Seminarist mich verspottet . . . meine Uhr anlegt, die Kette über den Magen herabhängen läßt und vor Vergnügen wiehert. . . . Auf keinen Fall!

 

Das war Alles richtig; aber was sollte ich thun? Wie sollte ich es verhindern?

Ich beschloß, meiner Tante die Uhr zu stehlen.

VIII

Zum Glück hatte sich Tranquillilatin um die Zeit gerade, ich weiß nicht wohin, ans der Stadt entfernt; er konnte nicht vor dem morgenden Tage zu uns kommen. Ich mußte die Nacht benutzen. Meine Tante schloß sich nicht in ihrem Zimmer ein, und in unserem ganzen Hause schloß ein einziger Schlüssel ein Schloß; aber wohin würde sie die Uhr legen? Wo würde sie dieselbe verwahren? Bis zum Abend trug sie die Uhr in der Tasche und hatte sie nicht ein einziges Mal hervorgezogen und betrachtet, aber in der Nacht? – Wo würde sie da sein? – Nun, dachte ich, das soll meine Sache sein, sie aufzufinden und schüttelte die geballte Faust.

Ich glühte förmlich in Kühnheit, Furcht und Freude an dem nahen, gewünschten Verbrechen; ich bewegte den Kopf fortwährend von Oben herab, ich zog die Augenbrauen zusammen ich flüsterte: »Wartet nur!« Ich drohte Jemand, ich war böse, ich war gefährlich . . . und ich ging David aus dem Wege! – Niemand, nicht einmal er sollte die geringste Ahnung von dem haben, was ich zu vollbringen beabsichtigte . . . Ich werde allein handeln – und allein die Verantwortung tragen!

Langsam zog sich der Tag hin dann der Abend . . . und endlich war die Nacht da. Ich that Nichts, ich suchte sogar mich nicht zu bewegen; ein einziger Gedanke hatte sich mir wie ein Nagel im Kopfe festgesetzt.

Bei Tisch machte mein Vater, der, wie ich schon gesagt habe, kein nachtragendes Herz hat, einen Versuch, mich zu versöhnen, – er schämte sich wohl auch seiner Heftigkeit – einen sechzehnjährigen Knaben schlägt man nicht mehr in’s Gesicht – allein, ich wies seine Freundlichkeit ab, nicht, weil ich nachtragend war, wie er sich damals einbildete, sondern weil ich fürchtete, weich zu werden; ich mußte mir die ganze Gluth meiner Rache, die ganze Festigkeit meines unwiderruflichen Entschlusses bewahren!

Ich legte mich sehr früh hin, ich schlief aber natürlich nicht ein und schloß nicht einmal die Augen, sondern riß sie vielmehr weit auf, ob ich mir gleich die Bettdecke über den Kopf gezogen hatte. Ich überlegte nicht vorher, wie ich handeln wollte, ich hatte durchaus keinen Plan; ich erwartete nur den Augenblick, wo endlich Alles im Hause still sein würde. Ich nahm nur eine Maßregel: ich zog meine Strümpfe nicht aus. Das Zimmer meiner Tante befand sich im zweiten Stock. Man mußte durch das Speisezimmer und die Vorzimmer gehen, die Treppe hinaufsteigen, durch einen kleinen Corridor, und dann . . . die Thüre rechts! . . . Es war unnöthig, ein Lichtendchen oder eine Laterne mitzunehmen; in der Ecke von Tantens Zimmer brannte vor dem Heiligenschrein ein ewiges Lämpchen, das wußte ich; da würde ich gut sehen können. Ich fuhr fort, mit weitgeöffneten Augen und offenem, vertrocknetem Munde dazuliegen; das Blut schlug mir in den Schläfen, den Ohren, dem Halse, dem Rücken, dem ganzen Körper! Ich wartete . . . aber es war, als wenn der Teufel sein Spiel mit mir trieb: Die Zeit floh, floh . . . und es wollte nicht still werden!