Verzaubert! Ein Kunstwerk aus Zahlen

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4. Kapitel

Müde und erschöpft packte Ariadne ihre Sachen zusammen. Sie wollte jetzt nur noch nach Hause. Es war eine harte und anstrengende Woche gewesen, denn die Auflistung der aktuellen Zahlen hatte viel Zeit in Anspruch genommen. Jeden Tag war sie früher zur Arbeit gefahren, nur um trotzdem erst spät nach Hause zu kommen. Zusätzlich war sie ständig mit ihrem Kollegen Jan aneinandergeraten, der immer noch alles andere als glücklich darüber war, dass Ariadne seine Bücher überprüfte. Im Gegenteil, er beschuldigte sie sogar, dass sie die Chefs gegen ihn aufhetzen wollte. Als Rache dafür, dass ihr dieser Bereich damals weggenommen wurde. Eine ziemliche Verdrehung der Ereignisse, wie Ariadne sehr genau wusste, schließlich war es damals ihre Idee gewesen. Aber davon wollte ihr Kollege nichts wissen. Ebenso wenig wie von der Tatsache, dass er Mist gebaut hatte. Denn warum er niemanden über die sinkenden Verkäufe informiert hatte, dazu schwieg er sich aus. Jedoch fürchtete Ariadne, dass Rache die Ursache gewesen war. Denn nie hatte Jan Neiger sich damit abfinden können, dass sie zur Leiterin der Buchhaltung befördert wurde.

Als Ariadne alles zusammengepackt hatte, verließ sie ihr Büro im Verwaltungsbereich und ging in die Richtung der Verkaufshallen. Von dort aus kam man direkt zum Besucherparkplatz, welchen auch die Angestellten zum Parken nutzten. Auf dem Weg dorthin kamen ihr andere Mitarbeiter der Fabrik entgegen, die Ariadne freundlich zulächelten. Normalerweise würde sie stehen bleiben und sich kurz mit ihnen unterhalten, doch heute war sie dafür nicht mehr in der Stimmung. Daher schenkte sie ihnen nur ebenfalls ein kurzes, schwaches Lächeln und wünschte ein schönes Wochenende. Und zu ihrem Glück ließen es die Kollegen darauf beruhen.

Fast draußen angekommen stieß Ariadne plötzlich mit zwei jungen Frauen zusammen. Die eine hatte dunkelrote Locken, die ihr fast bis zum Po reichten und grasgrüne Augen. Während die andere lange blonde Haare und saphirblaue Augen besaß. Verwundert sah Ariadne die beiden Frauen an, die ihr irgendwie bekannt vorkamen. Kurz blitzte ein Bild vor ihren Augen auf. Die Hochzeitseinladung, dachte sie und lächelte die Frauen an.

„Sie sind Larissa Krüger“, sagte Ariadne überrascht und reichte den Frauen abwechselnd die Hand. Ihr war nicht klar gewesen, dass die Cousins ihrer Chefs ihre Frauen mitbringen würden. „Oder sollte ich besser sagen, Larissa de Luca“ korrigierte Ariadne sich schnell. „Immerhin haben sie ja vor ein paar Monaten geheiratet. Und Sie müssen Ronja Kaiser sein“, wandte sie sich gleich darauf an die Rothaarige. „Valenzo, mein Chef, hat mir erzählt, dass sie auf der Hochzeit eine der Brautjungfern waren und ihn stark an seine eigene Tochter Jade erinnert haben. Ich bin Ariadne Steinmeyer, die Buchhalterin der de-Luca-Designfabrik.“

Lachend sahen sich die beiden Frauen an, dann wandte sich Ronja wieder Ariadne zu.

„Stimmt, ich bin Ronja, doch das ist nicht Larissa, sondern ihre Zwillingsschwester Jessica. Larissa konnte leider nicht mitkommen, da sie erst vor Kurzem die Leitung der Verkaufsfiliale in München übernommen hat.“

„Oh“, sagte Ariadne etwas verwirrt und sah wieder zu der blonden Frau hin. Ich hätte schwören können, dass sie die Frau von dem Einladungsfoto ist, dachte sie verwundert. Doch dann erinnerte sie sich an etwas, was ihr Jade, die jüngere Schwester von Juan und Joel, erzählt hatte.

„Jessica Neumann. Natürlich. Sie sind damals nach Judenburg gefahren, um etwas über ihre leiblichen Eltern zu erfahren. Stattdessen hat sich herausgestellt, dass Raphaels Frau ihre Schwester ist, von der sie kurz nach der Geburt getrennt wurden.“

Gleich darauf sah sie Jessica mitfühlend an.

„Das mit ihren Adoptiveltern tut mir wirklich leid. Ich weiß, wie schwer es ist, wenn man seine Mutter und seinen Vater so plötzlich verliert. Es war ein Autounfall, wenn ich mich richtig erinnere.“

Überrascht sah Jessica Ariadne an, aus deren Dutt sich ein paar rotblonde Strähnen gelöst hatten und ihr nun in leichten Wellen über die Schultern fielen.

„Woher wissen Sie das alles?“

„Ich habe ein fotografisches Gedächtnis“, erwiderte Ariadne schulterzuckend. „Ich vergesse nichts, was ich einmal gehört, gesehen oder gelesen habe.“

„Nicht schlecht“, meinte Ronja lachend. „Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Übrigens, ich heiße inzwischen auch de Luca. Alexander und ich haben vor Kurzem geheiratet.“

„Tut mir leid, das wusste ich nicht“, sagte Ariadne überrascht. „Dann wünsche ich Ihnen noch alles Gute nachträglich.“

„Danke, auch im Namen meines Mannes.“

Kaum hatte Ronja ihren Mann erwähnt, musste Ariadne wieder an den Grund ihres Besuches denken.

„Ist die Besprechung schon zu Ende?“, fragte sie verwundert. „Das ging aber schnell.“

„Ich denke nicht“, meldete sich diesmal Jessica zu Wort und schenkte Ariadne ein freundliches Lächeln. „Ronja und ich waren nur der Meinung, dass die Männer das unter sich besprechen sollten. Wir wollten uns stattdessen lieber das Gelände anschauen. Es ist beeindruckend. Ehrlich gesagt habe ich mir eine Fabrik immer ganz anders vorgestellt.“

Ariadne lachte auf. Es war nicht das erste Mal, dass sie das von einem Besucher hörte. Es stimmte ja auch. Die Gebäude, in denen inzwischen die Büros und Produktionshallen untergebracht waren, hatten früher zu einem Gut gehört. Nachdem Valenzo de Luca das Grundstück gekauft hatte, wurden zwar innen einige Umbauten vorgenommen, doch die äußere Fachwerkhausfassade und die roten Dachziegel waren beibehalten worden. Lediglich das angrenzende Gebäude, in dem die Verkaufsfläche und das Café untergebracht waren, sah anders aus. Dort hatte man sich für ein schwarzes Dach entschieden sowie eine weiß gestrichene Fassade, vor der sich, mit etwas Abstand, eine halb hohe graue Steinwand befand. Gleich dahinter waren mehrere Holztische und Bänke aufgestellt worden, an denen die Besucher Platz nehmen konnten, um etwas zu essen oder sich auszuruhen.

„Ich verstehe, was Sie meinen“, gab Ariadne lächelnd zu. „Damals, als ich das erste Mal hier war, habe ich das Gleiche gedacht. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Verkaufsgebäude gerade erst dazugebaut und auch das Café gab es noch nicht. Doch ehrlich gesagt bin ich froh, dass mein Chef das alte Gebäude nicht einfach abgerissen und stattdessen eine große hässliche Halle hingebaut hat. So sieht es viel schöner aus, da die Gebäude gut mit der Umgebung harmonieren.“

„Das stimmt“, gab Ronja zu. „Durch die Bäume und die Grasfläche sieht das Fabrikgelände viel ansprechender aus als die Verkaufsfiliale in Stuttgart.“

„Da muss ich Ihnen recht geben“, erwiderte Ariadne. „Ich war vor über einem Jahr einmal kurz in Stuttgart, für eine Schulung zum Thema kreative Buchführung. Das, was ich dort gesehen habe, hat mich äußerlich nicht wirklich angesprochen. Eben ein typisches Bürogebäude.“

Ronja nickte zustimmend. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, kam ihnen mit schnellen Schritten eine junge Frau entgegen, deren dunkelrote Haare ihr locker über die Schultern fielen. Bei der Gruppe angekommen, umarmte sie erst Ronja und dann Jessica, während sie Ariadne mit einem freundlichen Lächeln begrüßte.

„Das ist aber eine Überraschung“, wandte sich Jade, die einzige Tochter von Valenzo de Luca, an Ronja und Jessica. „Was macht ihr beide denn hier?“

„Juan wollte, dass unsere Männer zu einem wichtigen Gespräch herkommen“, antwortete Ronja verwirrt. „Und da unsere Hochzeitsreise ziemlich kurz ausgefallen ist, hat Alexander mich gebeten, ihn zu begleiten. Wir wollen uns hier noch ein paar schöne Tage machen und müssen erst Dienstag wieder in Stuttgart sein.“

„Aha“, erwiderte Jade irritiert, denn von dieser wichtigen Besprechung hörte sie heute zum ersten Mal. „Davon weiß ich gar nichts.“

„Es geht um die aktuellen Verkaufszahlen des Unternehmens“, warf Ariadne mit ernster Miene ein. „Juan und ich haben doch die Zahlen der letzten Monate überprüft. Leider sieht es nicht sehr gut aus.“

Jades Augen funkelten vor Wut.

„Und wieso sagt mir das keiner?“, wollte sie empört wissen. „Nur weil ich nicht Modedesign, sondern Medizin studiere, können sie mich doch nicht einfach ausschließen. Meinen Brüdern werde ich was erzählen. So geht es wirklich nicht. Es kann doch nicht sein, dass unsere Mitarbeiter mehr wissen als ich.“

Außer sich vor Zorn ließ Jade die Frauen stehen und ging mit schnellen Schritten in das Gebäude hinein. Schuldbewusst sah Ariadne ihr hinterher. Sie hatte nicht gewusst, dass Juan seiner Schwester noch nichts von den Problemen erzählt hatte. Ich hätte meinen Mund halten sollen, dachte sie angespannt.

„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte Ronja, als sie den schuldbewussten Ausdruck in Ariadnes Gesicht sah. „Meiner Meinung nach geschieht es Juan und Joel ganz recht, wenn sie jetzt von Jade eine Standpauke bekommen. Sie hätten ihrer Schwester die Probleme nicht verschweigen dürfen.“

Im Stillen stimmte Ariadne der jungen Frau zu, trotzdem fühlte sie sich unwohl. Besonders zu Joel war das Verhältnis im Moment ziemlich angespannt und sie wollte keinen Ärger. Seit er sie am Montag aus seinem Büro geworfen hatte, war sie ihm aus dem Weg gegangen. Selbst zu der Entschuldigung, die er leider verdiente, hatte sie sich bisher nicht durchringen können. Ariadne war es nicht gewohnt, im Unrecht zu sein, daher fiel es ihr schwer ihren Fehler, besonders vor ihm, einzugestehen. Außerdem war nicht alles ein Missverständnis gewesen. Gut, er hatte nichts mit den finanziellen Problemen zu tun, doch dass sein Vater diesen Herzinfarkt erlitten hatte, daran war er ihrer Meinung nach nicht ganz unschuldig. Denn wenn er in den letzten Jahren nicht nur planlos durch die Welt gereist wäre, sondern seinem Vater geholfen hätte, hätte dieser nicht so hart arbeiten müssen.

 

„Ich sollte jetzt gehen“, sagte Ariadne angespannt, ohne auf Ronjas Worte einzugehen. „Die Woche war ziemlich anstrengend.“

„Natürlich“, meinte Jessica mitfühlend. „Wir wollen Sie auch nicht länger aufhalten.“

„Eigentlich waren wir auf dem Weg zum Café, um dort auf unsere Männer zu warten“, berichtete Ronja.

„Dann wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende“, sagte Ariadne mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Ihnen auch“, erwiderten Ronja und Jessica fast gleichzeitig und gingen weiter in Richtung des Cafés.

Nur kurz sah Ariadne ihnen hinterher, dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem Wagen.

Auf dem Parkplatz angekommen, blieb Ariadne wie erstarrt stehen. Wo ist mein Auto?, fragte sie sich ungläubig, während sie fassungslos auf den leeren Parkplatz starrte. Ihr Wagen, den sie heute Morgen selbst auf den Besucherparkplatz gestellt hatte, war verschwunden. Das kann doch nicht wahr sein, ging es ihr durch den Kopf. Ausgerechnet heute. Verwirrt betrachtete sie die wenigen, noch vorhandenen Fahrzeuge. Alle gehörten Mitarbeitern der Fabrik, da zu dieser Zeit keine Besucher mehr auf dem Gelände waren. Sie konnte den kleinen roten Käfer der Produktionsleiterin ausmachen sowie die Autos der beiden Fabrikverkäuferinnen. Doch nirgendwo stand ihr grauen Fiat.

„Das hat mir nach dieser Woche wirklich noch gefehlt“, sagte Ariadne genervt und griff wütend in ihre Tasche, um ihr Handy herauszuholen. „Toll“, schimpfte sie weiter. „Statt nach Hause zu fahren, kann ich jetzt erst einmal auf die Polizei warten. Verdammt! Wo ist dieses blöde Telefon?“

Das gibt es doch nicht, dachte Ariadne frustriert, als sie ihr Handy nicht finden konnte. Angestrengt überlegte sie, wo sie das Gerät zum letzten Mal benutzt hatte. Dann kam ihr eine Idee. Wahrscheinlich hatte sie es in der Eile im Büro vergessen. Völlig genervt drehte sie sich um und ging zum Verwaltungsgebäude zurück. Heute ist einfach nicht mein Tag.

„Hallo Schatz!“

Mitten in der Bewegung blieb Ariadne wie erstarrt stehen und sah ihren Freund ungläubig an.

„Nathan? Was machst du denn hier?“

„Ich wollte dich abholen“, sagte er lächelnd und ging auf Ariadne zu, um sie zu küssen.

Teilnahmslos ließ Ariadne es geschehen, ohne den Kuss zu erwidern. Sie war einfach nicht in der Stimmung. Immer wieder musste sie an ihren Wagen denken. Wo konnte er nur sein?

Nathan, dem die fehlende Begeisterung seiner Freundin nicht entgangen war, ließ sie los und sah sie fragend an.

„Was ist los mit dir? Ich dachte, du würdest dich freuen, mich zu sehen. Immerhin ist unser letztes Treffen einige Tage her.“

„Was …?“

Verwirrt sah Ariadne ihren Freund an. Nur langsam drangen seine Worte zu ihr durch.

„Tut mir leid, Nathan“, sagte sie schließlich. „Ich bin nur gerade ziemlich durch den Wind. Jemand hat mein Auto gestohlen und ich muss die Polizei anrufen. Leider habe ich mein Handy im Büro vergessen. Keine Ahnung, wie mir das passieren konnte. Normalerweise habe ich es immer in meiner Tasche oder auf dem Schreibtisch.“

Als Ariadne weitergehen wollte, griff Nathan nach ihrem Arm.

„Jetzt warte mal. Hast du deine Nachrichten gar nicht gelesen?“, fragte er verwundert. „Dein Auto wurde nicht gestohlen. Ich habe es zu dir nach Hause gefahren.“

Ungläubig drehte sich Ariadne zu Nathan um. Sie konnte einfach nicht glauben, was sie da hörte. Soll das etwa witzig sein?

„Wie kommst du auf so eine Idee?“, fragte sie entgeistert. „Und woher hast du meinen Schlüssel?“

„Aus deinem Büro“, sagte Nathan schulterzuckend ohne ein Anzeichen von Reue. „Ich weiß doch, dass sich dein Zweitschlüssel in der obersten Schublade deines Schreibtisches befindet. Ich hätte dich ja gefragt, aber du warst gerade in einer Besprechung. Deshalb habe ich dir eine Nachricht geschrieben.“

„Verstehe“, sagte Ariadne gereizt. Das war heute wirklich zu viel. „Du bist also einfach in mein Büro spaziert, während ich nicht da war. Hast dir den Ersatzschlüssel geschnappt und mein Auto weggefahren. Wieso? Findest du das witzig?“

Rote Flecken bildeten sich auf Ariadnes Gesicht. Normalerweise war es nicht leicht, sie richtig wütend zu machen, doch jetzt kochte sie vor Wut. Die ganze Woche hatte sie hart gearbeitet und viele Überstunden gemacht. Jetzt war sie einfach nur fertig und wollte sich zu Hause in der Badewanne entspannen. Und ausgerechnet heute spielte Nathan ihr diesen Streich. Langsam zweifelte sie wirklich an ihrem Geschmack. Ja, sie mochte ihn, doch in der letzten Zeit trieb er es einfach zu weit. Erst die Streitigkeiten, weil sie nicht mit ihm verreisen wollte, und nun das. Langsam reichte es.

„Wieso regst du dich eigentlich so auf?“, wollte Nathan verwirrt wissen. „Ich wollte dir doch nur einen Gefallen tun.“

Ungläubig sah Ariadne ihn an.

„Einen Gefallen?“

„Ja“, sagte Nathan, der nicht verstand, worüber sich Ariadne so aufregte. „Wie willst du sonst am Montag zur Arbeit kommen? Immerhin waren wir für heute verabredet und wollten gemeinsam ins Wellnesshotel fahren. Ich wusste ja, dass es bei dir wieder später wird. Aus diesem Grund hole ich dich ab, damit wir gleich losfahren können.“

Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich Ariadne wieder an die Einladung erinnerte. Jedoch hatte sie nie fest zugesagt. Sie wollte es sich überlegen, doch nach dieser Woche hatte Ariadne darauf nun wirklich keine Lust.

„Nathan, tut mir leid, aber ich bin fix und fertig. Die ganze Woche musste ich Überstunden machen, um den Bericht fertigzustellen. Heute Abend fahre ich nirgendwo mehr hin, außer nach Hause. Außerdem, ich habe sowieso keine Wechselsachen dabei.“

„Das ist jetzt nicht dein Ernst“, sagte Nathan verstimmt. „Hättest du mir das nicht früher sagen können. Jetzt habe ich schon alles gebucht.“

„Wieso? Ich habe nie fest zugesagt, sondern nur versprochen, darüber nachzudenken.“ Obwohl ich dazu gar nicht gekommen bin, musste sie zugeben.

„Du hast aber auch nicht abgesagt“, schrie Nathan sie an und ging wütend hin und her. „Weißt du“, sagte er hart, als er wieder vor ihr stand, „langsam habe ich es satt, ständig von dir hingehalten zu werden. Immer wieder schiebst du deine Arbeit vor. Erst kannst du dir keinen Urlaub nehmen, jetzt sind es Überstunden. Langsam frage ich mich, warum ich es überhaupt noch bei dir versuche. Wir sind nun schon seit Wochen zusammen, doch immer wenn ich den nächsten Schritt machen möchte, blockst du ab. Ich habe keine Lust mehr, noch länger zu warten. Entweder du kommst jetzt mit oder es ist aus.“

Fassungslos sah Ariadne ihn an.

„Geht es dir etwa nur um Sex?“

„Tu doch nicht so überrascht“, sagte er spöttisch. „Oder hast du wirklich gedacht, wir würden im Hotel in getrennten Zimmern schlafen? Sei doch nicht so naiv. Wir sind schließlich erwachsene Menschen, da gehört Sex in einer Beziehung einfach dazu. Also, was ist jetzt?“, wollte er direkt wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kommst du nun mit oder nicht?“

Enttäuscht sah Ariadne Nathan an. So hatte sie ihn nicht eingeschätzt. Im Gegenteil, als sie sich kennengelernt hatten, war er so freundlich zu ihr gewesen. Ist das alles nur Show gewesen?, fragte sie sich verletzt, während Zweifel in ihr aufstiegen.

„Wieso hast du dich überhaupt mit mir getroffen?“

„Na ja, mit offenen Haaren und den richtigen Sachen siehst du wirklich heiß aus“, gestand Nathan schulterzuckend. „Du bist mir auf der Geburtstagsfeier sofort aufgefallen und ich wollte dich besser kennenlernen. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, wir würden an diesem Abend im Bett landen, aber du warst plötzlich verschwunden. Natürlich hätte ich mir eine andere suchen können, doch ich wollte dich. Also habe ich dich ausfindig gemacht. Dass du mich aber über Wochen hinhalten würdest, damit habe ich nicht gerechnet.“

Ariadne fühlte sich ausgenutzt und verraten. Es ging ihm also nie wirklich um mich, dachte sie traurig.

„Du bist wirklich das Letzte“, sagte sie wütend. „Ich werde mit dir bestimmt nirgendwo hinfahren. Ich dachte, du wärst etwas Besonderes und dir würde wirklich etwas an mir liegen. Doch du hast mir die ganze Zeit nur etwas vorgespielt. Ein Glück für mich, dass ich nicht auch noch mit dir geschlafen habe.“

„Wie du meinst“, sagte Nathan völlig unbeeindruckt und zuckte mit den Schultern. „Es gibt genug andere Frauen, die gerne mit mir ein Wochenende im Hotel verbringen. Hier“, sagte er und warf ihr ihren Ersatzschlüssel vor die Füße. Von seiner sonst so charmanten Fassade war nichts mehr zu sehen. „Viel Spaß beim Nachhausekommen.“

Ohne Ariadne noch eines Blickes zu würdigen, drehte er sich um und ging davon.

Ariadnes Augen füllten sich mit Tränen, als sie Nathan hinterherschaute. Wie konnte ich mich nur so in ihm täuschen?, fragte sie sich verletzt, während sie verzweifelt überlegte, was sie jetzt tun sollte. Sie wollte nicht zurück in die Firma. Wollte nicht, dass jemand sie so sah. Doch wie soll ich nach Hause kommen? Ihr Blick glitt zum Schlüssel, der immer noch vor ihr auf dem Boden lag, und sie hob ihn auf. Leider war er im Moment völlig nutzlos. Wenn Nathans Angaben stimmten, und das hoffte sie, stand ihr Wagen vor ihrer Wohnung. Leider befand sich diese mitten in der Stadt. Viel zu weit weg also, um dorthin zu laufen. Auf einmal bereute sie es, dass sie damals das Angebot ihres Chefs nicht angenommen hatte. Dieser hatte ihr eine der Wohnungen in seinem Haus angeboten. Diese dienten früher als Unterbringungsmöglichkeit für das Personal, bis Valenzo de Luca Haus und Grundstück kaufte und diese in Gästewohnungen umbauen ließ.

Da Ariadne schlecht die ganze Nacht auf dem Parkplatz verbringen konnte, wischte sie die Tränen fort und ging zurück in die Fabrik. Vielleicht komme ich ungesehen zurück in mein Büro, dachte sie hoffnungsvoll. Doch sie sollte nicht so viel Glück haben. Kaum hatte sie das Gebäude betreten, als Ronja auf sie zukam, die gerade zurück ins Café gehen wollte.

„Wollten Sie nicht nach Hause fahren?“, fragte Ronja verwundert und sah Ariadne prüfend an. „Ist etwas passiert? Sie haben ganz rote Augen.“

Frustriert schüttelte Ariadne den Kopf.

„Nein, mir ist nur etwas ins Auge geflogen“, log sie und hoffte, dass die junge Frau nicht weiter nachhaken würde. „Leider habe ich mein Handy vergessen und muss noch mal in mein Büro.“

„Verstehe“, sagte Ronja und lächelte Ariadne freundlich an. „Dann wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Noch einmal.“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging ins Café zurück. Schnell lief Ariadne weiter und hoffte, nicht noch mehr Leuten zu begegnen. Diesmal war das Glück auf ihrer Seite, denn ohne weitere Schwierigkeiten kam sie in ihrem Zimmer an. Nur kurz musste sie nach ihrem Handy suchen, bis sie es auf einem kleinen Beistelltisch fand. Seltsam, dachte Ariadne, als sie die rote Rose neben dem Handy erblickte. Die ist mir vorhin gar nicht aufgefallen. Nathan muss nicht nur meinen Ersatzschlüssel genommen, sondern auch mein Handy hierher umgelegt haben. Kein Wunder, dass ich es vergessen habe.

Ein kurzer Blick auf ihr Handy zeigte, dass sie eine Nachricht von Nathan bekommen hatte. Im ersten Moment wollte sie diese gleich löschen, doch dann begann sie zu lesen.

„Hallo Süße. Ich freue mich schon auf unser Wochenende. Damit wir später gleich losfahren können, habe ich deinen Wagen zu dir nach Hause gebracht. Hole dich später mit meinem ab. In Liebe Nathan.“

Ariadne spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Habe ich vielleicht doch überreagiert? Gut, er hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass es ihm nur darum ging, mit ihr ins Bett zu gehen, doch warum hatte er seine Nachricht mit „In Liebe Nathan“ beendet. Und dann die rote Rose. All dies passte einfach nicht zusammen. Vielleicht sollte sie doch noch einmal mit ihm sprechen. Doch so schnell dieser Gedanke gekommen war, verwarf sie ihn auch wieder.

„Er liebt mich nicht“, flüsterte sie vor sich hin. „Wenn er mich wirklich lieben würde, hätte er sich heute Abend anders verhalten. Wahrscheinlich waren die Nachricht und die Rose nur dazu gedacht, mich weichzuklopfen. Damit ich endlich mit ihm schlafe. Doch darauf kann er lange warten.“

Weil Ariadne irgendwie nach Hause kommen musste und keine Lust hatte, mit dem Taxi zu fahren, rief sie ihre beste Freundin Diana an. Dabei hoffte sie, dass diese nicht mit ihrem Freund ausgegangen, sondern zu Hause war. Ansonsten würde sie einen ihrer Kollegen bitten müssen, sie in die Stadt mitzunehmen.

 

Nachdem das Telefon vier Mal geklingelt hatte, ging ihre Freundin ran und Ariadne atmete erleichtert auf.

„Ariadne, ist etwas passiert?“, hörte sie die Stimme ihrer Freundin. „Sonst rufst du mich doch nie an einem Wochentag an.“

Damit hatte Diana recht. Normalerweise schickten sie sich Nachrichten, da Ariadne aufgrund ihrer Arbeit nie genau sagen konnte, wann sie Feierabend hatte. Dafür trafen sich die Freundinnen jeden Samstag zum Frühstück in ihrer Lieblingsbäckerei, um über alles Mögliche zu quatschen. Nur wenn ein wirklich guter Grund vorlag, wurde das Treffen verschoben. Wie beispielsweise, wenn jemand arbeiten musste oder eine Familienfeier bevorstand. Dies kam zum Glück aber nicht sehr oft vor.

„Tut mir leid“, sagte Ariadne entschuldigend. „Ich hoffe, ich störe nicht. Doch könntest du mich abholen?“

„Ich bitte dich, du störst mich nicht“, sagte ihre Freundin schnell. „Mein Freund ist dieses Wochenende nicht da, also bin ich heute sowieso alleine zu Hause. Also, von wo soll ich dich abholen?“

Ariadne lächelte. Auf Diana kann ich mich immer verlassen, ging es ihr durch den Kopf.

„Ich bin noch auf der Arbeit. Leider habe ich kein Auto hier.“

„Wieso, das denn?“, fragte Diana verwundert. „Sonst fährst du doch immer mit deinem Wagen zur Fabrik.“

„Das erzähle ich dir später“, sagte Ariadne müde. „Jetzt möchte ich einfach nur gerne nach Hause. Es war eine lange Woche.“

„In Ordnung. Ich fahre gleich los und bin in spätestens 20 Minuten bei dir.“

Ariadne bedankte sich bei ihrer Freundin und legte auf. Erschöpft setzte sie sich in ihren Bürostuhl und schloss die Augen. Schon nach kurzer Zeit war sie eingeschlafen.

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