Vergnügt! Ein Treffen in den Wolken

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Vergnügt! Ein Treffen in den Wolken
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Vergnügt! Ein Treffen in den Wolken

Der de Luca Clan (Band 6)

Isabella Defano

Inhaltsverzeichnis

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

Epilog

Farmer

Designer

Verkäufer

So geht´s weiter …

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Über die Autorin

Erweitertes Impressum

Prolog

Erleichtert atmete Matthias auf, als er endlich den Sicherheitsbereich des Flughafens verlassen durfte. Nach dem langen Flug von Frankfurt nach Los Angeles war ihm die amerikanische Einreiseprozedur wie eine Schikane vorgekommen. Die Warteschlangen vor den Schaltern hatten einfach kein Ende nehmen wollen, und seine sowieso schon schlechte Laune war mit der Zeit immer schlechter geworden.

Suchend sah sich Matthias in der Menge um, in der Hoffnung seine Cousine Sophie zu finden. Er war müde, erschöpft und wollte jetzt nur noch etwas essen und ins Bett. Danach würde er sich bestimmt besser fühlen und konnte seinen Urlaub genießen.

Tief atmete Matthias durch, ohne die Suche nach Sophie zu unterbrechen, und zog seinen Koffer dichter an sich heran. Im Grunde konnte er froh sein, dass es überhaupt mit dieser Reise geklappt hatte. Durch die Hochzeit seines Bruders in wenigen Wochen hatte dieser Urlaub eine Weile auf der Kippe gestanden. Schließlich würden die Feier und die Hochzeitsreise ausgerechnet in einer Zeit stattfinden, wo auf der Farm die meiste Arbeit anfiel. Doch anders hatten sie es nicht organisieren können. Seine zukünftige Schwägerin steckte mitten in ihrer Ausbildung in Kindergartenpädagogik und konnte sich keine Fehlzeiten erlauben. Daher sollte Matthias Christian vertreten.

Leicht schüttelte Matthias mit dem Kopf, während er über die letzten Wochen nachdachte. Im Grunde war er trotz seiner Ausbildung in Landwirtschaft und Umwelt gar nicht dazu befähigt, einen so großen Besitz zu führen. Seit er nach seinem Abitur mit dem Studium in Agrarwirtschaft begonnen hatte, war er nur noch selten zu Hause gewesen. Und wenn, dann nur um seine Eltern zu besuchen oder seine kleine Schwester Manuela nach Judenburg zu fahren. Sein Leben hatte sich in Wien abgespielt, in seiner großzügig geschnittenen Vier-Zimmer-Wohnung in Hietzing. Er war zur Uni gegangen, hatte sich mit Freunden getroffen und Partys gefeiert. Jetzt, aus heiterem Himmel eine solche Verantwortung zu übernehmen, machte ihm Angst. Besonders wenn er daran dachte, dass so nun sein weiteres Leben aussehen sollte.

Matthias´ Hände ballten sich zu Fäusten, während er versuchte, seine bedrückenden Gedanken zu verdrängen. Ich muss aufhören, darüber nachzudenken, ging es ihm durch den Kopf und er atmete tief durch. Egal, wie seine Einstellung zu diesem Thema auch war, er hatte es seinem Bruder versprochen. Christian verließ sich auf ihn, und das nicht nur, um während seiner Hochzeitsreise die Führung auf der Farm zu übernehmen. Er sollte in das Familienunternehmen mit einsteigen und seinen Beitrag leisten. Wie er selbst darüber dachte, war nicht wichtig.

„Matt!“

Als Matthias seinen Spitznamen hörte, wurde er aus seinen Gedanken gerissen und sah sich suchend um. Es dauerte nicht lange, bis er die junge Frau erblickte, die lächelnd auf ihn zukam. Sophie?, dachte er überrascht und konnte kaum glauben, wie sehr sich seine Cousine in den letzten Monaten verändert hatte. Anders als früher trug sie jetzt einen schwarzen Hosenanzug, schwarze Pumps und hatte ihre langen blonden Haare zu einem festen Dutt zusammengebunden. Auf diese Weise sah sie sehr geschäftsmäßig aus und hatte kaum noch Ähnlichkeiten mit der Frau, die vor fast einem Jahr in die USA aufgebrochen war.

„Tut mir leid, es ging nicht früher“, entschuldigte sich Sophie und umarmte ihren Cousin. „Die Einsatzbesprechung hat doch länger gedauert, als gedacht.“

„Kein Problem“, erwiderte Matthias mit einem schwachen Lächeln. „Ich habe den Sicherheitsbereich erst vor ein paar Minuten verlassen. Ich warte also noch nicht lange.“

„Du Armer“, sagte Sophie mitfühlend und hakte sich bei ihm unter. „Dann lass uns schnell von hier verschwinden. Du bist bestimmt erledigt.“

„Gerne“, stimmte Matthias ihrem Vorschlag zu und ließ sich von seiner Cousine zum Ausgang führen. „Aber bevor wir zu dir fahren, muss ich unbedingt noch etwas essen“, warf er ein, als sein Magen zu knurren begann.

Sophie nickte und ging mit Matthias zu ihrem Wagen, der auf dem Parkplatz stand.

„Irgendwelche besonderen Wünsche?“, wollte sie lächelnd wissen, nachdem sie eingestiegen waren, doch Matthias schüttelte mit dem Kopf.

„Mir ist es egal“, versicherte er und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Hauptsache, es gibt dort etwas zu essen.“

„Gut“, erwiderte Sophie zufrieden und fuhr los. „Dann fahren wir zu meinem Lieblingsrestaurant in Los Angeles. Dort fahre ich immer hin, wenn ich auswärts essen gehe.“

Matthias nickte nur, denn ihm war es wirklich egal. Er wäre auch mit einem Würstchenstand zufrieden gewesen. Obwohl er sich nicht sicher war, ob es so etwas in Los Angeles überhaupt gab.

Als Sophie ihren Wagen zwanzig Minuten später vor einem Restaurant zum Stehen brachte, atmete Matthias erleichtert auf. Endlich, ging es ihm durch den Kopf und er musste ein Stöhnen unterdrücken. Wenn ich gewusst hätte, wie lange die Fahrt dauert, hätte ich mir einen Laden in der Nähe ausgesucht. Aber er behielt seine Meinung für sich, um seine Cousine nicht vor den Kopf zu stoßen. Immerhin hatte sie es nur gut gemeint. Doch so ganz konnte er seine schlechte Laune nicht verbergen. Dafür war sein Hunger inzwischen zu groß.

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Sophie, während sie ausstiegen. „Ich hätte wissen müssen, dass die Fahrt um diese Zeit länger dauert.“

Matthias sagte nichts dazu, sondern ging nur mit schnellen Schritten auf das Gebäude zu. Er wollte jetzt endlich etwas essen. Seine letzte Mahlzeit lag schon mehrere Stunden zurück und er spürte bereits ein richtiges Loch in seinem Bauch.

Schweigend folgte ihm seine Cousine, ohne auf die schlechte Stimmung ihres Cousins einzugehen. Matthias konnte jedoch deutlich ihren Blick in seinem Rücken spüren. Er kannte diese Reaktion nur zu gut. Sie wollte, dass er etwas sagte. Aber er schwieg und öffnete die Tür zum Restaurant, wo ihnen fast sofort ein lächelnder Kellner entgegenkam.

„Mrs. de Luca. Es freut mich, Sie zu sehen. Bitte folgen Sie mir. Wir haben für Sie und Ihren Begleiter noch einen Tisch am Fenster frei.“

Überrascht sah Matthias seine Cousine an, diese zuckte aber nur mit den Schultern.

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich öfter hier bin“, flüsterte sie ihm leise auf Deutsch zu, während sie dem Kellner folgten.

Kurze Zeit später saßen sie an einem freien Tisch und ihnen wurde als Vorspeise eine Schüssel mit warmer Gemüsesuppe serviert.

Verwundert sah Matthias erst den Kellner und dann seine Cousine an, denn sie hatten noch gar nichts bestellt. Aber als diese ihm nur freundlich zulächelte, zuckte er mit den Schultern und begann zu essen.

„Willst du nichts essen?“, wollte Matthias nach einer Weile wissen, als sein größter Hunger gestillt war. „Du stocherst ja nur in der Suppe herum.“

„Was?“, fragte sie verwirrt und sah ihn an. „Entschuldige, ich war in Gedanken.“

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, wollte Matthias besorgt wissen und verfluchte sich selbst, weil er seit ihrem Wiedersehen nur mit seinen eigenen Bedürfnissen beschäftigt gewesen war.

„Es ist nichts“, erwiderte Sophie ausweichend und begann zu essen.

Matthias glaubte ihr kein Wort. Eindringlich betrachtete er sie und überlegte, was vorgefallen sein könnte. Schließlich hielt er die Ungewissheit nicht mehr aus und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

 

„Jetzt sag schon“, forderte er sie mit ernster Miene auf. „Ich dachte, du freust dich darüber, dass ich dich für ein paar Wochen besuchen komme, bevor du nach Deutschland zurückmusst.“

„Natürlich freue ich mich, dich zu sehen“, sagte sie schnell und sah ihn mit einem schwachen Lächeln an. „Ich weiß nur nicht, wie ich es meiner Familie beibringen soll, dass ich nicht mit dir zurückfliegen kann.“

„Wie meinst du das?“, fragte Matthias verwirrt. „Es ist doch alles abgesprochen. Schließlich läuft dein Vertrag mit der Firma aus.“

„Das stimmt“, gab Sophie zögernd zu und sah ihn nachdenklich an. „Doch sie haben mich gebeten, noch etwas länger zu bleiben. Die Eröffnung der Filiale, um die ich mich in den letzten Monaten gekümmert habe, wurde verschoben. Es gibt ein paar Probleme, die noch beseitigt werden müssen. Kurz bevor ich zum Flughafen gefahren bin, hat es mir mein Chef mitgeteilt“, ergänzte sie angespannt und sah ihren Cousin mit ernster Miene an. „Ich habe bis Montag Zeit, es mir zu überlegen.“

„Können sie das so einfach von dir verlangen? Du hast an diesem Projekt doch bestimmt nicht alleine gearbeitet“, erwiderte Matthias verwirrt. „Außerdem ist deine Arbeitserlaubnis in Amerika nur begrenzt.“

„Das ist nicht das Problem“, gab Sophie zögernd zu und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. „Die Erlaubnis gilt für drei Jahre. Ich könnte also bleiben. Aber ich habe meinem Bruder versprochen, in der Wiener Verkaufsfiliale beim Umzug zu helfen. Alexander möchte nämlich, dass jemand von der Familie dabei ist.“

Überrascht sah Matthias seine Cousine an. Von diesem Umzug hörte er heute zum ersten Mal. Aber warum hätten sie es mir auch sagen sollen?, ging es ihm gleich darauf durch den Kopf. Schließlich hatte er mit dem Verkauf der de-Luca-Kollektionen rein gar nichts zu tun.

„Kann sich nicht jemand anderes darum kümmern?“, fragte Matthias nach kurzem Schweigen, als er sah, wie seine Cousine wieder zu grübeln begann. „Unsere Familie ist schließlich sehr groß.“

Sophie schüttelte mit dem Kopf.

„Leider nicht“, gab sie angespannt zu und berührte mit einer Hand ihre Schläfe. „Die Einzigen, die infrage kommen würden, sind meine Brüder. Aber Raphael kann die Vertriebsfiliale in München nicht solange alleine lassen. Und Alexander muss sich um die Leitung der Firma kümmern.“

„Verstehe“, erwiderte Matthias nachdenklich. „Eine blöde Situation.“

„Das kannst du laut sagen“, sagte Sophie traurig und seufzte auf. „Egal, wie ich mich entscheide, einen muss ich enttäuschen. Dabei wäre es mir so wichtig, die Arbeit ordentlich abzuschließen. Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren. Aber ich will auch meinen Bruder nicht im Stich lassen. Immerhin soll ich nächstes Jahr die Leitung des Onlineversands in Wien übernehmen.“

Eindringlich betrachtete Matthias seine Cousine. Eine schwere Entscheidung, ging es ihm durch den Kopf und er wünschte, er könnte ihr helfen. Plötzlich hatte er eine Idee.

„Wann genau sollst du denn in Wien anfangen?“, wandte er sich an Sophie, während sein Herz vor Aufregung schneller schlug. Möglicherweise gab es für ihn doch noch einen Weg, seinen Arbeitsbeginn auf der Farm zu verzögern.

„Gleich nach Christians Hochzeit“, gab sie verwirrt zu. „Alexander dachte, es wäre eine gute Idee. Da ich schon in Österreich bin. Wieso?“

„Na ja“, gab er zögernd zu. „Was hältst du davon, wenn ich dich vertrete? Jedenfalls so lange, bis du mit deiner Arbeit hier fertig bist.“

„Du?“, fragte sie ungläubig. „Aber du verstehst doch gar nichts von Betriebswirtschaft oder dem Verkauf.“

„Muss ich ja auch nicht“, erwiderte er gelassen und beobachtete den Kellner, der mit einem Lächeln auf dem Gesicht den Tisch abräumte. „Du hast selbst gesagt, dass nur jemand aus der Familie anwesend sein soll“, ergänzte er, nachdem sie wieder alleine waren, und sah Sophie eindringlich an. „Und ich muss sowieso noch einmal nach Wien, um meine Wohnung leer zu räumen.“

„Das würdest du wirklich für mich tun?“, fragte Sophie hoffnungsvoll und Matthias nickte.

„Jedoch geht es erst, wenn mein Bruder von seiner Hochzeitsreise zurück ist“, warf er ein. „Außerdem bin ich noch bei einem Freund zum Geburtstag eingeladen. Aber ab Ende August hätte ich Zeit. Natürlich nur, wenn Alexander einverstanden ist.“

„Mein Bruder hat bestimmt nichts dagegen“, erwiderte Sophie erfreut. „Ich werde ihn später gleich anrufen. Vielen Dank. Dafür schulde ich dir etwas.“

„Das tust du nicht“, erwiderte Matthias lachend und griff nach ihrer Hand. „Ich mache es wirklich gerne. Also hör auf zu grübeln und fang endlich an zu essen. Sonst denkt der Besitzer des Restaurants noch, es schmeckt dir heute nicht.“

Lachend sah seine Cousine ihn an und zum ersten Mal, seit seiner Ankunft in Amerika, hatte Matthias das Gefühl, die alte Sophie vor sich zu haben. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass sein Cousin zustimmen und sein eigener Bruder nicht allzu sauer reagieren würde.

1. Kapitel

Vier Wochen später.

Ein Lächeln huschte über Matthias´ Gesicht, als er seinen Wagen auf dem Parkplatz seiner Eltern zum Stehen brachte, und er stieg aus. Endlich zu Hause, ging es ihm durch den Kopf und er sah sich zufrieden um. Auch wenn er es nicht gerne zugab, er hatte das zweistöckige weiße Herrenhaus seiner Familie mit dem roten Ziegeldach und dem großen Garten vermisst. Ebenso wie die Ruhe, die die Farm verströmte, und die gute Landluft.

Langsam holte er seine Sachen aus dem Kofferraum, während er über die letzten Wochen nachdachte, und ging zum Haus. Die Stadt war hektisch, laut und immer voller Menschen und Autos gewesen. Teilweise hatte es Stunden gedauert, um von einem Ort zu einem anderen zu gelangen. Kein Wunder also, dass er sich jetzt nach etwas Ruhe sehnte. Und er beneidete Sophie nicht darum, dass sie sich diesem Lärm noch ein paar Monate länger aussetzen musste.

Plötzlich fiel Matthias das Versprechen wieder ein, welches er seiner Cousine gemacht hatte, und er hielt mitten in der Bewegung inne. Konsequent hatte er das Angebot in den letzten Wochen verdrängt, um sich nicht den Urlaub zu ruinieren. Doch jetzt konnte er dieses Gespräch nicht mehr länger vor sich herschieben, sondern musste endlich mit Christian sprechen. Schließlich war alles mit seinem Cousin Alexander abgesprochen. Und sogar den Filialleiter Mario Hebbeler hatte man bereits über seine Ankunft informiert.

„Christian wird ganz schön sauer sein“, sagte Matthias leise vor sich hin, während er weiterging, und stöhnte laut auf.

Dieser hatte nämlich geplant, dass Matthias nach seinem Studium die Leitung des Tierbereiches übernehmen sollte, um selbst mehr Zeit für seine Frau zu haben. Denn durch Christians Arbeit auf der Farm und Jessicas Ausbildung in Kindergartenpädagogik waren beide beruflich ziemlich eingespannt.

Für Matthias war dies am Anfang auch kein Problem gewesen. Er hatte sich gerade von seiner Freundin Valentina getrennt und war froh, Wien verlassen zu können. Aber mit der Zeit waren Zweifel in ihm aufgestiegen, ob er diesen Weg wirklich gehen wollte. Ob er tatsächlich jahrelang hart studiert hatte, nur um sich anschließend um die Aufzucht von Angorakaninchen zu kümmern. Leider konnte er jetzt nicht mehr zurück. Er hatte ein Versprechen gegeben und würde es auch halten. Doch dieser Job in Wien gab ihm wenigstens die Möglichkeit, das alles noch ein bisschen hinauszuzögern.

„Mattias!“

Als hinter Matthias eine tiefe Männerstimme ertönte, wurde dieser aus seinen Gedanken gerissen und er drehte sich verwundert um. Sofort verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. Und er sah seinem Vater dabei zu, wie er mit schnellen Schritten auf ihn zugelaufen kam. Dicht gefolgt von der Berner Sennenhündin Atuna, ohne die er fast nie aus dem Haus ging.

„Hallo Vater“, begrüßte Matthias Carlos de Luca lächelnd, als dieser vor ihm stand, und umarmte ihn kurz. „Du bist aber früh unterwegs. Wo ist den Amira?“

Die zweite Hündin seines Vaters ließ sich diese Spaziergänge normalerweise ebenfalls nicht entgehen, und er hoffte nur, dass ihr nichts fehlte. Denn nachdem Carlos de Luca die Leitung der Farm an seinen Sohn Christian abgegeben hatte, waren die Tiere zum wichtigsten Teil seines Lebens geworden.

„Amira hat vor zwei Tagen ihre Welpen bekommen“, erzählte Carlos de Luca mit einem Leuchten in den Augen und streichelte Atuna über den Kopf. „Drei Hündinnen und fünf Rüden, alle kerngesund. Daher bleibt sie drinnen. Obwohl, wirklich Ruhe hat sie dort im Moment nicht“, ergänzte er nach kurzem Zögern und sah mit ernster Miene zum Haus. „Dafür ist zu viel los.“

„Wieso? Ist irgendetwas Schlimmes passiert, während ich in Amerika war?“, wollte Matthias besorgt wissen und ging mit seinem Vater auf das Herrenhaus zu.

Sofort kamen ihm die Tierschützer in den Sinn, die im letzten Jahr versucht hatten, in die Hallen der Angorakaninchen einzubrechen. Angestachelt durch die Lügen ihres ehemaligen Mitarbeiters in der Presse war es ihr Ziel, die katastrophalen Haltungsbedingungen auf dieser Farm zu dokumentieren. Dies war am Ende so weit gegangen, dass selbst die Verkäufe ihrer Kleidungsstücke deutlich zurückgegangen waren. Bis seine Familie die Idee hatte, ein paar von ihnen in die heiligen Hallen zu lassen, um sich ihr eigenes Bild zu machen. Trotzdem war das Gerede nie ganz verschwunden. Und es gab weiter einige Leute, die diesen Anschuldigungen glaubten und die späteren Berichtigungen für eine Form der Vertuschung hielten.

„Nein“, versicherte Carlos lächelnd und Matthias sah seinen Vater prüfend an. „Jedenfalls nichts, was uns im Moment Probleme macht. Claas hat nur vor ein paar Tagen erwähnt, dass er im nächsten Jahr in den Ruhestand gehen möchte. Tja, und dein Bruder ist wegen der bevorstehenden Hochzeit ziemlich durch den Wind und macht mit seinen Launen alle Mitarbeiter verrückt. Na ja“, ergänzte Matthias´ Vater kopfschüttelnd. „Zum Glück sind es bis dahin nur noch zwei Tage.“

Matthias lachte erleichtert auf und sah seinen Vater mitfühlend an.

„Ja, Christian kann anstrengend sein, wenn er will.“

Doch dann erinnerte er sich an die anderen Worte seines Vaters und blieb mitten in der Bewegung stehen. Ihr Verwalter Claas Philipps wollte in den Ruhestand gehen? Das konnte nicht sein. Neben den beiden Vorarbeitern Finn Katzer und Konrad Riedl war er schließlich einer der Mitarbeiter mit der größten Erfahrung. Und Matthias wusste nur zu gut, welches Vertrauen sein Vater und auch sein Bruder in diesen Mann setzten.

Überrascht sah Matthias seinen Vater an.

„Aber Claas ist doch erst Anfang 60.“

„62, um genau zu sein“, antwortete Carlos de Luca mit ernster Miene. „Aber er möchte mehr Zeit für seine Familie haben. Ich glaube, es macht ihm immer noch zu schaffen, dass er die Schwangerschaft seiner Tochter damals übersehen hat. Und er gibt sich die Schuld daran, dass Liesbeth ihre Töchter verloren hat.“

„Das ist doch verrückt“, erwiderte Matthias kopfschüttelnd. „Liesbeth hat die Schwangerschaft vor allen verheimlicht. Wie hätte er davon wissen sollen. Und dass ihr Exfreund die Kinder gleich nach der Geburt in einem Krankenhaus aussetzen würde, damit hätte niemand rechnen können.“

„Das ist mir klar“, meinte Carlos traurig und sah seinen Sohn an. „Aber Gefühle haben nicht unbedingt etwas mit Logik zu tun.“

Matthias nickte, damit hatte sein Vater wohl recht. Trotzdem konnte er den Verwalter nicht verstehen. Gut, vielleicht hätte ihm und seiner Frau die Schwangerschaft ihrer 15-jährigen Tochter auffallen müssen. Aber alles, was im Anschluss passiert war, war die Schuld von Liesbeths ehemaligem Freund gewesen. Er hatte ihre Erschöpfung nach der Geburt ausgenutzt, um ihr die Kinder wegzunehmen.

Doch die Sache war am Ende gut ausgegangen. Sie hatten sich wiedergefunden, wenn auch erst nach vielen Jahren. Und nun würde eines dieser Mädchen in wenigen Tagen seinen Bruder heiraten.

„Ist Liesbeth mit ihrer Familie schon hier?“, wechselte Matthias das Thema und sah seinen Vater fragend an.

„Noch nicht“, erwiderte Carlos und sie gingen weiter. „Jessica hat erzählt, sie würden morgen Nachmittag ankommen. Auch der Rest der Familie sollte im Verlauf des Tages eintreffen“, ergänzte er mit einem schwachen Lächeln. „Und dann wird es eng im Haus.“

Matthias lächelte zurück und öffnete seinem Vater die Tür.

„Keine Sorge, ich werde einfach mein Zimmer räumen und im neuen Haus übernachten“, versprach er feierlich. „Schließlich soll niemand auf dem Boden schlafen müssen.“

 

„So weit kommt es noch“, antwortete Carlos de Luca lachend. „Wir werden schon für alle einen Platz zum Schlafen finden. Deine Mutter ist sogar sehr froh über den Trubel. Seit ihr Kinder nur noch zu Besuch nach Hause kommt, ist es still geworden. Außerdem ist dein Haus gar nicht fertig.“

Matthias zuckte nur mit den Schultern.

„Das macht mir nichts aus. Es ist Sommer. Die Wände stehen und das Dach ist bereits drauf. Es wird also für ein paar Nächte gehen.“

„Wenn du meinst“, erwiderte Carlos schulterzuckend und ging auf die Küche zu, in der es bereits nach Kaffee, Speck und gebratenen Eiern duftete. „Es ist deine Entscheidung. Aber jetzt lass uns frühstücken.“

Matthias nickte und folgte seinem Vater in die Küche, wo seine Mutter gerade eine dampfende Kaffeekanne auf den Tisch stellte.

„Mattias“, rief sie überrascht und lief auf ihren Sohn zu.

Und bevor Matthias wusste, wie ihm geschah, hatte Melanie de Luca ihn bereits an ihre Brust gedrückt und konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten.

„Ich bin so froh, dass du wieder hier bist“, sprach sie mit belegter Stimme weiter, nachdem sie ihn losgelassen hatte. „Wie war es bei deiner Cousine? Habt ihr viel unternehmen können? Ist sie noch draußen?“

Matthias´ Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, während seine Mutter ihn mit Fragen bombardierte, ohne dass er eine Chance zum Antworten hatte.

„Es geht mir gut“, erwiderte er schließlich, als sie Luft holte. „Sophie und ich hatten eine schöne Zeit. Leider war sie beruflich sehr eingespannt, sodass ich oft alleine losgezogen bin. Sie konnte auch nicht mit mir zurückfliegen, sondern musste dortbleiben. Ihr Projekt in Los Angeles hat sich verzögert.“

Mit hochgezogenen Brauen sah Melanie de Luca ihren Sohn an.

„Ich dachte, sie muss in Wien für ihren Bruder ein paar Dinge erledigen? Christin hat jedenfalls so etwas am Telefon erwähnt.“

„Das stimmt schon“, gab Matthias zu und setzte sich mit seinen Eltern an den gedeckten Tisch. „Eigentlich sollte Sophie mit ihrem Auftrag auch längst fertig sein. Doch der Eröffnungstermin hat sich verschoben. Und sie wollte ihre Arbeit ordentlich beenden.“

„Ja, das kann ich verstehen“, antwortete Carlos de Luca lachend und goss sich etwas Kaffee ein. „In dieser Hinsicht kommt sie ganz nach ihrem Vater. Mein kleiner Bruder wollte auch immer, dass alles perfekt ist. Damit hat er unsere Eltern oft in den Wahnsinn getrieben. Wenn ihm beispielsweise ein Punkt in einer Prüfung fehlte, hat er sich anschließend in seinem Zimmer eingeschlossen und wie verrückt gelernt“, berichtete er kopfschüttelnd. „Und als er später begonnen hatte, seine Firma aufzubauen, hat er oft nächtelang kaum geschlafen. Da wundert es mich nicht, dass seine älteste Tochter genauso ist.“

Matthias´ Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und er griff nach einem Stück Toast.

„Das hast du uns bisher noch nie erzählt.“

Carlos zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck Kaffee.

„Es hat sich nie ergeben. Außerdem gibt es so einige Geschichten aus meiner Kindheit, die ihr Kinder nicht unbedingt wissen müsst.“

„Was vielleicht auch besser ist“, warf Melanie de Luca ein und sah ihren Mann belustigt an. „Du willst sie schließlich nicht auf dumme Gedanken bringen.“

Carlos erwiderte das Lächeln seiner Frau und Matthias sah seine Eltern neugierig an. Doch sein Vater schüttelte nur mit dem Kopf.

„Deine Mutter hat recht, ich sollte nicht mit den alten Geschichten anfangen. Nur so viel“, ergänzte er vergnügt. „Meine Brüder und ich waren auch einmal jung und haben ein paar sehr verrückte Dinge angestellt. Und das nicht immer zur Freude unserer Eltern.“

Nach dieser Aussage häufte er sich etwas Rührei auf den Teller und sie begannen zu essen.

Nachdem Matthias mit dem Frühstück fertig war, verabschiedete er sich von seinen Eltern und machte sich auf die Suche nach Christian. Inzwischen müsste er im Büro sein, ging es ihm durch den Kopf und er schlenderte nachdenklich den Weg entlang. Noch immer hatte er keine Ahnung, wie er seinem Bruder sagen sollte, dass er die Leitung des Tierbereiches vorerst nicht übernehmen konnte. Und er wünschte sich, er hätte mehr Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen.

Als er das einstöckige Gebäude mit rotem Ziegeldach und einer Steinfassade erreichte, wurde ihm klar, dass seine Frist abgelaufen war. Er konnte das Gespräch nicht weiter aufschieben. Schließlich war bereits alles abgesprochen. Außerdem hatte Alexander geplant, mit seiner Frau Ronja und dem gemeinsamen Sohn Michael ebenfalls zur Hochzeit zu kommen. Spätestens dann würde es herauskommen. Und er wollte nicht, dass sein Bruder es auf diese Weise erfuhr.

Noch einmal holte Matthias tief Luft, dann ging er langsam in das Verwaltungsgebäude hinein. Als er die junge dunkelblonde Frau erblickte, die am Schreibtisch im Eingangsbereich saß, blieb er mitten in der Bewegung stehen. Irritiert sah er sie an, und für einen kurzen Moment vergaß er ganz den Grund seines Besuches.

„Sie sind nicht Jenna“, sagte er verwirrt und konnte seine Überraschung nur schwer verbergen.

Auf keinen Fall hatte sein Bruder ihre aktuelle Gutsekretärin Jenna Bade entlassen und auch sein Vater hatte nichts von einer Kündigung erwähnt. Doch was macht diese Frau dann an ihrem Computer?

„Tut mir leid“, erwiderte die blonde Frau entschuldigend, als sie ihn sah und stand auf. „Ich habe Sie gar nicht reinkommen hören. Falls Sie Frau Bade suchen, die ist krank“, ergänzte sie schnell und kam auf ihn zu. „Herr de Luca hat mich daher gebeten, sie kurzfristig zu vertreten.“

„Ist das wahr?“, fragte Matthias überrascht und sah sie nachdenklich an. Wenn er so eine Entscheidung trifft, dann ist er im Moment wirklich nicht mehr zurechnungsfähig, ging es ihm durch den Kopf. Sie ist ja noch ein halbes Kind. „Ist Christian in seinem Büro?“, wollte er etwas ungeduldig wissen. Denn er musste dringend mit ihm sprechen.

Die junge Frau nickte, sah Matthias aber erneut entschuldigend an.

„Herr de Luca möchte aber nicht gestört werden“, sagte sie zögernd und sah in die Richtung des Büros. „Vielleicht kommen Sie später noch einmal wieder.“

Matthias ließ sich davon aber nicht beeindrucken, sondern sah sie nur mit ernster Miene an.

„Für mich hat er Zeit. Ich bin nämlich sein Bruder.“

Und ohne auf das überraschte Gesicht der Frau zu achten, ging er an ihr vorbei.

„Hast du unsere Gutsekretärin wirklich durch dieses Kind ersetzt?“, fragte Matthias ohne Begrüßung, als er das Büro seines Bruders betrat, und schloss die Tür.

Überrascht schaute Christian von seinen Papieren hoch und sah seinen Bruder an.

„Matt? Du bist schon da?“ Lächelnd stand er auf, um ihn zu umarmen.

„Ja“, erwiderte Matthias mit ernster Miene. „Seit etwa einer Stunde. Aber was ist mit diesem Kind?“, kehrte er sofort zum Thema zurück. „Wieso kümmert sie sich um das Büro?“

„Kind?“, fragte Christian verwirrt, dann verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. „Ach so, du meinst Janina. Ich war in einer Notlage. Jenna ist plötzlich krank geworden und es gab sonst niemanden, der einspringen konnte. Außerdem“, ergänzte Christian belustigt, während er sich zurück an seinen Schreibtisch setzte. „Ich würde dir raten, sie nicht als Kind zu bezeichnen. Janina Scheld ist 19, also so alt wie unsere Schwester. Und sie ist Manuelas Freundin. Sie wollen im Herbst zusammen in München studieren.“

„Seltsam“, erwiderte Matthias verwirrt und setzte sich ebenfalls hin. „Ich habe noch nie von dieser Freundin gehört. Dabei hat Manuela in den letzten Jahren die Wochenenden fast immer bei mir verbracht.“

Christian zuckte mit den Schultern.

„Also wenn ich unsere Schwester richtig verstanden habe, ist diese Freundschaft auch noch ziemlich frisch. Janina hat im Internat viel Unsinn angestellt. Scheinbar, um ihre Eltern zu provozieren. Aber es hat wohl nie funktioniert. Erst als sie jetzt schwanger geworden ist, sind sie ausgerastet.“

„Sie ist schwanger?“, fragte Matthias fassungslos und dachte an die junge Frau mit den blauen Augen, die er eher auf 16 geschätzt hätte.

Christian nickte.

„Und da sie das Kind nicht abtreiben, sondern behalten möchte, haben ihre Eltern sie rausgeschmissen.“

Entsetzt sah Matthias seinen Bruder an.

„Was? Wie kann man so etwas tun?“

„Das haben wir uns auch alle gefragt“, antwortete Christian ernst und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Na ja, auf jeden Fall hat Manuela zufällig davon erfahren und versprochen, ihr zu helfen.“

„Und wie genau stellt sie sich das vor?“, wollte Matthias irritiert wissen. „Sie wird in den nächsten Jahren mit ihrem Studium genug beschäftigt sein.“

„Stimmt“, gab Christian zu. „Aber Jessicas Schwester Larissa hat versprochen, Janina zu unterstützen. Sie arbeitet sowieso nur halbtags in der Verkaufsfiliale in München, um noch Zeit für ihre Töchter zu haben. Daher hat sie angeboten, sich nachmittags auch um ihr Baby zu kümmern, wenn es da ist. Und unsere Cousine Emilia lässt Manuela und ihre Freundin, zusammen mit ihr und ihrer Tochter, in Raphaels altem Haus wohnen.“

„Wollten Raphael und Larissa nicht ein eigenes Kind bekommen?“, fragte Matthias immer noch verwirrt. „Das habe ich jedenfalls gehört.“