Stirb, Iblis..!!

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Stirb, Iblis..!!

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Auge um Auge...
I. N. Sider
Impressum
Texte:
Mail: i-n-sider@tutanota.com
Umschlag:
Verlag: bmg-new-media
Publisher epubli - ein Service der
neopubli GmbH, Berlin

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt :
Vorgeschichte der Lone-Brüder
Vorgeschichte Mehmet Coscun
Vorgeschichte Josef Hofstetter
Vorgeschichte Sarah Glaser
Bekanntschaften
Interessen
Geschehnisse
Pläne
Grenzenlos
Grenzenlose Wut
Auge um Auge
Anmerkung:

Alle in diesem Buch genannten Namen von Personen (mit Ausnahme von in der Danksagung erwähnten) sind frei erfunden. Ähnlichkeiten und Namensgleichheiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt. Sollten manche Handlungen dieses Romans den Anschein erwecken, bestimmte Volksgruppen oder Religionen zu bevorzugen oder zu benachteiligen, so ist auch dies keineswegs beabsichtigt. Beabsichtigt hingegen sind Ähnlichkeiten von Handlungen in der politischen Ebene sowie der Arbeit von Geheimdiensten und anderen Diensten staatlicher Stellen.

Danksagung:

Ich bedanke mich für die Genehmigung einer namentlichen Erwähnung bei:

Herrn Cemil Ay (Jimmy‘s Kebabhaus),

Titel

 Vorgeschichte der Lone-Brüder

Neu-Delhi, Oktober 2005. Innerhalb von knapp zwanzig Minuten explodierten drei Bomben in belebten Marktvierteln der indischen Hauptstadt, wobei 60 Menschen ums Leben kamen und 200 weitere zum Teil schwer verletzt wurden.

Srinagar/Kaschmir, 11. Juli 2006. Sieben Menschen wurden getötet und 34 verletzt, als in der Regionalhauptstadt die Touristeninformation in der Stadtmitte sowie ein Minibus und ein Auto mit indischen Touristen gezielt angegriffen wurden. Gleichzeitig explodierten Handgranaten in einem Gebiet am Stadtrand, einem Geschäftsviertel im Zentrum sowie einem belebten Markt.

Bombay, 11. Juli 2006. Eine Anschlagserie auf Vorort-Züge erschütterte die indische Millionenmetropole wenige Stunden nach den Ereignissen in Srinagar.

*

Punch/Jammu-Kashmir, 18. März 2008. Der 36 Jahre zählende Abdul Lone war im Begriff, sich für die Nachtruhe bereit zu machen – seine Frau und die beiden Söhne waren bereits in ihren Betten – als er ein Kratzen am Fensterladen vernahm. Er öffnete die Eingangstür des Häuschens am Rande der Stadt und spähte blinzelnd in die Dunkelheit. Ein Schatten bewegte sich und schon stand sein Freund Rafiq vor ihm und schob ihn zurück ins Innere des Hauses.

Schwer atmend, sah der Freund den überraschten Abdul an.

„Ihr müsst weg. Sie haben Ahmad verhaftet! Mein Gewährsmann in Bombay hat mir mitgeteilt, dass sie auch euch holen werden.“

Ahmad war der um vier Jahre jüngere Bruder Abduls und es war in der Region allgemein bekannt, dass der sich bereits seit geraumer Zeit mit Mitgliedern der Lashkar-e Taiba, also der ‚Armee der Reinen‘, traf und gemein machte.

„Allah! Ich wusste, dass es eines Tages so kommen würde. Wie oft habe ich diesen Dummkopf gewarnt!“

Abdul ließ sich auf eine der niedrigen Sitzgelegenheiten sinken und bot mit einer Handbewegung dem Freund ebenfalls einen Sitz an. Dieser nahm Platz und fuhr fort:

„Ihr werdet nicht viel Zeit haben – mein Mann in Bombay vermutet, dass sie vielleicht schon am frühen Morgen zu euch kommen, um euch zu holen.“

Abdul erhob sich und blickte fragend auf den Freund aus Jugendtagen.

„Willst du Tee?“

Die Antwort war ein zustimmendes Wiegen des Kopfes, so dass Abdul nach Draußen ging, um den Tee zu bereiten. - Er kam nach etwa zehn Minuten wieder und stellte die zwei Gläser mit dem Milch-Tee auf das runde Tischchen. Die beiden Männer bedienten sich und schlürften ihr heißes, süßes Getränk.

Schon lange hatte Abdul mit dem gerechnet, was jetzt auch tatsächlich eingetreten war. Sein Bruder war für die Sache der Muslime zum Kämpfer geworden und jetzt hatten sie ihn in Bombay erwischt. Was sie mit ihm machen würden, stand außer Frage und es stand zu hoffen, dass Ahmad sich dem durch eine Selbsttötung vorher entziehen konnte.

Rafiq, der mit Abdul im gleichen Alter war, stellte sein leeres Glas auf das Tischchen und erhob sich.

„Ihr könnt die Nacht bei meinem Cousin verbringen. Morgen wird am Abend ein Freund da sein, der euch nach Wasiristan in Pakistan bringt. Im Dorf Datta Khel haben die Tehrik-i-Taliban Pakistan, die ‚TTP‘ das Sagen, wie du sicher weißt. Dort wird man sich um euch kümmern.“

Ohne ein weiteres Wort verließ Rafiq das Zimmer und trat hinaus in die Nacht. Abdul gab sich einen Ruck, stellte sein leeres Teeglas ab und suchte seine Frau und die beiden Söhne, den 13-jährigen Iqbal und den 11-jährigen Naim auf, um ihnen Bescheid zu geben und sie zur Eile anzutreiben.

Datta Khel, Wasiristan, 17. März 2011. Nachdem bereits im September letzten Jahres im Dorf der für Afghanistan und Pakistan zuständige Führer der Al-Qaida, Sheikh Fateh durch einen Drohnenangriff getötet wurde, griffen die teuflischen Kriegstreiber der USA am heutigen Tage erneut an und töteten neben dem Taliban-Kommandanten Sherabat Khan Wazir mehr als vierzig weitere Menschen, darunter Abdul Lone, den Vater von Iqbal und Naim Lone.

Die verzweifelte Witwe fand mit ihren nunmehr 16- und 14-jährigen Söhnen Unterstützung bei den Dorfbewohnern und hatte – trotz ihrer übermächtigen Trauer – zumindest die Gewissheit, mit Gleichgesinnten und ebensolchen Opfern wie sie selbst und ihre Kinder, das unheilvolle Schicksal zu teilen.

Diese Gewissheit der Witwe endete bereits am 11. Juli 2011, als sie Bekannte besuchte, welche in einem einzeln liegenden Gehöft lebten. Ein neuerlicher Drohnenangriff der verhassten Amerikaner tötete zwanzig Menschen auf diesem Hof, nachdem nur Minuten zuvor fünf Personen in einem Fahrzeug ebenfalls durch einen Drohnenangriff ums Leben kamen.

Ein Verwandter des Ortsvorstehers brachte die beiden verwaisten Knaben in die Stadt Chitral an der Grenze zu Afghanistan, wo sie in einer Teestube Arbeit fanden und eine der dortigen Koranschulen besuchen konnten. Zwei Jahre später machten sich die Brüder auf, um über die Grenze nach Afghanistan und dort in die Region um die Hauptstadt Kabul zu gelangen...

Titel

 Vorgeschichte Mehmet Coscun

Ahmet Coscun entschloss sich nicht ganz freiwillig, den weiten Weg nach Deutschland zu wagen. Die Eltern sowie alle anderen Dorfbewohner des kleinen Ortes in der Provinz Konya erwarteten einfach, dass jeder Junge in seinem Alter den Weg auf sich nahm und in der Ferne gutes Geld verdiente, um seine Familie Zuhause zu unterstützen.

Ahmet war 21 Jahre alt und alle Gleichaltrigen des Ortes waren schon gegangen oder hatten die Fahrkarte bereits in der Tasche, so dass es für den eher unwilligen Ahmet keine Ausrede mehr geben konnte. - So nahm er denn das Wagnis auf sich und verabschiedete sich im März 1973 von Familie und Dörflern, um ebenfalls die Reise nach Deutschland anzutreten.

Elf Jahre hatte Ahmet im ‚Farbenbau‘ der großen Chemiefabrik in Ludwigshafen gearbeitet, hatte in einer billigen Wohnung im Stadtteil Hemshof gewohnt, hatte jeden Monat Geld nach Hause geschickt, um die Angehörigen Zuhause zu unterstützen und die Möglichkeit zu haben, später einmal zurück in die Heimat zu kehren und dort ein angenehmes Leben zu fristen.

Diese Hoffnung zerschlug sich bei seinem letzten Besuch Zuhause, als sich herausstellte, dass der Vater an Krebs erkrankt war und nur eine teure Behandlung im Ausland ihn noch retten könne. Somit wurden die Ersparnisse für die Behandlung des kranken Vaters aufgebraucht, der dann letztendlich doch nicht zu retten war und im Jahre 1986 verstarb. - Ahmet war zugegen zu der Beerdigung seines Vaters und nahm, als er zurückfuhr, das Foto einer Frau mit, welche seine Eltern gerne als Ahmets Ehefrau gesehen hätten. Nun, da der Vater nicht mehr lebte, konnte der Sohn diesen Wunsch unmöglich ignorieren und setzte, zurück in Deutschland, Hebel in Bewegung, um seine zukünftige Frau nachkommen zu lassen.

 

Im Jahr 1988 war es endlich soweit. Ahmet heiratete und am 14. Oktober 1992 wurde sein Sohn Mehmet geboren. Dieser erwies sich als ruhiges, überlegtes Kind, das sich schon früh über alles mögliche Gedanken machen und unentwegt Fragen stellen wollte, bis seine Neugier endlich befriedigt war.

Mehmet war, ob seiner ruhigen, überlegten Art, einerseits beliebt bei den Mitschülern, andererseits jedoch gab es auch eine Sorte, die Gutmütigkeit und Vernunft als Schwäche auslegen wollte und den ruhigen Mehmet bei jeder Gelegenheit, ob passend oder nicht, verspotten und auf den Arm nehmen wollte. Mehmet hatte sehr wohl erkannt, dass dies auch mit seiner Herkunft zu tun hatte, da andere türkisch-stämmige Mitschüler noch weitaus mehr drangsaliert wurden – und einige von Diesen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, auch das gleiche bei ihren ‚deutschen‘ Mitschülern taten.

Schon bald hatte Mehmet verinnerlicht, dass bei letztgenanntem Menschenschlag Vernunft nicht fruchtete, so dass er - im Alter von 15 Jahren - die Eltern bat, im nahen Mannheim eine Schule für Kampfsport besuchen zu dürfen.

3. März 2008. Mehmet hatte seine erste Stunde in der Karateschule, welche er für die nächsten sechs Jahre besuchen sollte, beendet und stand an der Straßenbahn-Haltestelle, um mit der Bahn zurück nach Ludwigshafen zu fahren...

Titel

 Vorgeschichte Josef Hofstetter

März 2004. Der Milchbauer Georg Hofstetter hatte letztendlich eingesehen, dass er mit seinem Hof zukünftig kein Auskommen für sich und seine Familie mehr haben könne und sich zu dem schweren Schritt entschlossen, alle seine Liegenschaften zu veräußern.

Der Freilassinger Makler hatte Wort gehalten und sich um alles gekümmert und Wald, Felder und Wiesen zum bestmöglichen Preis verkauft, so dass Hofstetter wenigstens die Zukunft des noch minderjährigen Sohns Josef gesichert wusste. Diesem sollte - nach dem Ableben der schwerkranken Ehefrau und Mutter, Maria Hofstetter - der Erlös des Verkaufs einmal zugute kommen und ihm ein Studium in der Stadt ermöglichen.

Georg Hofstetter fuhr zurück nach Hause, brachte alle seine Papiere in Ordnung, ließ sich mit einem Taxi ins Krankenhaus nach Reichenhall fahren, um dort die Bestätigung zu erhalten, dass seine Frau die Woche nicht mehr überleben würde. Hofstetter fuhr mit einem weiteren Taxi heim, packte Koffer und brachte am nächsten Tag den 12-jährigen Sohn Josef zu dessen Tante nach Bayerisch Gmain, fuhr wenige Kilometer weiter in Richtung Berchtesgaden, stellte seinen Wagen ab und warf sich vor einen herannahenden Zug. -

24. Februar 2010. Josef Hofstetter feierte seinen 18. Geburtstag und fieberte schon seit dem frühen Morgen der Rückkehr ins Elternhaus zu, über welches er nunmehr, da endlich volljährig, frei und vollständig verfügen könne. Nach seinem Abgang von der Schule hatte er sich für ein Studium der Informatik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden interessiert, dies Studium jedoch bis nach seiner Volljährigkeit aufgeschoben. Seine Tante war es zufrieden, da der Junge sich selbst - wie er behauptete - täglich am Computer die notwendigen Vorkenntnisse aneignete.

Heute nun war es endlich soweit. Josef erhielt alle notwendigen Papiere zum Antritt seines Erbes und setzte sich am Vormittag bereits in den Zug, um nach Ainring/Mitterfelden zu gelangen, von wo aus es nur noch ein Katzensprung nach Bruch war, wo sein Elternhaus stand.

Josef war von kräftiger Gestalt, 1,82 Meter groß, hatte rötlich-blondes Haar und Sommersprossen im blassen Gesicht. Mit Mädchen hatte er bisher noch nicht allzu viel im Sinn gehabt, so wie er überhaupt nicht Neigung zeigte, viel nach draußen in Gesellschaft zu kommen, sondern saß lieber vor seinem Computer und übte sich im Programmieren...

Titel

 Vorgeschichte Sarah Glaser

In Salzburg/Schallmoos wurde am 18. Juli 1993 in der Rupertgasse, als Tochter des Ehepaares Samuel und Judith Glaser, Sarah Glaser geboren. Das Ehepaar Glaser war Teil der übrig gebliebenen beziehungsweise wieder neu gebildeten, jüdischen Salzburger Gemeinde, die zu diesem Zeitpunk aus gerade einmal etwa achtzig Personen bestand und als solche am religiösen und kulturellen Leben noch teilnahm.

Die Eltern der kleinen Sarah besuchten die nahe Synagoge und gingen mit dem Kind, nachdem es in der Lage war, zu laufen, gerne auf einen nahen Spielplatz, wo das stille Mädchen oft Stunden des Tages, oftmals auch ohne weitere Kinder als Spielgefährten, im Spiel verbringen mochte. - Ansonsten hielt sich die kleine Sarah gerne in ihrem kleinen Bereich bei ihren geliebten Puppen auf, wo sie in Träumen versunken in ihren Eltern fremden Welten verweilte.

War die Kindheit relativ sorglos und behütet, so wollten späterhin doch jugendliche Sorgen von Sarah Besitz ergreifen. Klassenkameraden ließen hin und wieder eine Bemerkung über Sarahs Wurzeln, aufgrund ihrer Besuche in der Synagoge, fallen und ließen das Mädchen schon früh erkennen, dass sie anders sein musste, als die Mehrheit ihrer Klassenkameraden.

Im Alter von 18 Jahren war Sarah ein hübsches Mädchen mit südländischem Aussehen, schmalem Gesicht und glatten, brünetten Haaren, das 1,64 Meter klein war und die Blicke der Passanten aufgrund ihrer anmutigen, zierlichen Gestalt auf sich zog. Eine Ausbildung hatte Sarah als Floristin gemacht, arbeitete jedoch seit einem halben Jahr als Verkäuferin in einer Bäckerei. Die Abende verbrachte das Mädchen zum Großteil in ihrem Zimmer vor dem Laptop, wo sie sich mit unterschiedlichsten Dingen befasste. Eines dieser Dinge war die virtuelle Währung ‚Bitcoin', welche Sarah das Glück hatte, im Oktober 2011 für einen Kurs von circa 3 Dollar das Stück zu erstehen. Umgerechnet 300 Dollar gab sie aus und kümmerte sich eine ganze Weile nicht mehr um ihr Guthaben, bis sie bemerkte, dass die virtuelle Währung im Oktober 2013 ein Hoch erreicht hatte. Sie verkaufte für 140 Dollar und erwarb für die Hälfte des Gewinnes neuerlich Bitcoin - dies eher aus einer Laune heraus, denn fundiertem Wissen über die Gegebenheiten. Im November war der Kurs bereits bei 200 Dollar, so dass Sarah beschloss, die Gelegenheit zu nutzen und aus dem ungeliebten Salzburg in das nahe, auf der deutschen Seite gelegene Ainring/Feldkirchen zu ziehen, wo es ihr aufgrund des ruhigen Umfelds besser gefallen wollte als im betriebsamen Salzburg. Ihren Job in der Bäckerei behielt Sarah bei und ging täglich zu Fuß die kurze Strecke nach Salzburg, wo sie auch immer wieder ihren Eltern einen Besuch abstattete...

Titel

 Bekanntschaften

Samstag, 29. März 2014. Am Uferweg der Saalach bei Freilassing. Der März war durchweg warm und sonnig, doch etwas zu trocken. Josef Hof-stetter befand sich auf seiner täglichen Jogging-Tour am Vormittag entlang der Saalach Richtung Freilassing, welchen Ausgleich er sich zugelegt hatte, um auch einmal aus den ‚Vier Wänden‘ herauszukommen und dieserart drohendem Übergewicht zu entgegnen.

Josef hatte sein Informatik-Studium abgebrochen, um seinen ‚eigenen Weg‘ zu gehen, wie er es vor sich selbst rechtfertigend nannte. Auf seinem Rechner war nunmehr ein Linux – und ausschließlich Linux – installiert und Josef hatte es als Programmierer und selbst gelernter ‚Hacker‘ zu nicht unerheblichen Erfolgen gebracht. Einen guten Teil seines Erbes hatte er in Bitcoin gesteckt und einen erfreulichen Gewinn verzeichnet und nach wie vor beobachtete er eingehend den Kurs dieser virtuellen Währung, um jederzeit bereit zu sein, mehr zu kaufen oder zu verkaufen.

In recht großem Umkreis hatte er sich als Techniker einen Namen gemacht und wurde öfter gerufen, um zickige Computer wieder in Gang und Ordnung zu bringen. Josef hatte es längst aufgegeben, seinen Kunden ihr Windows ausreden zu wollen, um ein sichereres Betriebssystem auf dem Rechner zu haben, das auch gleichzeitig weniger anfällig gegen Störungen sei. Er verdiente schließlich Geld mit den Vorurteilen, welche die Leute immer noch in Bezug auf Linux hatten, sodass er kam, wenn man ihn rief, um nach dem Rechten zu sehen und nach getaner Arbeit seine Rechnung stellte.

Josef passierte die Pferdekoppel, die während der Überschwemmung im letzten Jahr hierher verlegt wurde, da der vorherige Platz überschwemmt war, wie auch sonst in der Gegend erheblicher Schaden durch das Wasser zu beklagen stand. Schöne große Bäume, welche zuvor am Rand der Saalach standen, wurden entwurzelt und in die Fluten geschwemmt, so dass der Uferweg, auf welchem Josef joggte, gesperrt wurde, was er auch zum jetzigen Zeitpunkt offiziell immer noch war. Einheimische Spaziergänger und Radler kannten jedoch ihren Weg und benutzten den Uferweg weiterhin.

Bei Kilometer 4 saß ein Mädchen, das der Jogger diesen Monat bereits zwei- oder dreimal an oder nahe dieser Stelle gesehen, jedoch nicht weiter beachtet hatte, auf der sich dort befindenden Ruhebank; im Schoß einen Laptop. Als Josef mit ihr auf gleicher Höhe war, hörte er ein halblautes Aufstöhnen und sah, wie die junge Frau verzweifelt die Augen nach oben rollte. - Er blieb stehen und erkundigte sich:

„Macht er Probleme?“
Das Mädchen sah auf und lächelte schüchtern.

„Ja, leider macht er es immer öfter, dass er abstürzt – und dazu wird er auch noch immer langsamer.“

Josef kam näher und wollte wissen:
„Was ist denn installiert? Etwa noch ein XP?“

„Ja“, war die Antwort, „nächsten Monat werde ich mir eh die nächste Version kaufen müssen, wenn der Support wirklich ausläuft.“

Die junge Frau streckte ihm ihre Rechte entgegen.
„Ich heiße übrigens Sarah.“
„Josef – Sepp.“

Josef ergriff die Hand kurz und setzte sich dann neben das Mädchen.

„Ich habe dich einigemal gesehen. Wohnst du in der Nähe?“

Sarah erzählte, dass sie kürzlich von Salzburg nach Feldkirchen gezogen war, doch immer noch in Salzburg als Verkäuferin in einer Bäckerei arbeite. Josef gab ihr zu verstehen, dass er quasi ‚um die Ecke‘ zu ihr in Bruch wohne und gerne bereit sei, sich ihres Problems mit dem Laptop anzunehmen.

Er erzählte ein wenig von sich; sie gab ein bisschen aus ihrem Leben preis und nach einer guten Stunde machten sie sich gemeinsam auf den Weg, da sie ohnehin die gleiche Richtung hatten. Als die Stelle erreicht war, an welcher Sepp nach Bruch abbiegen musste, verabschiedeten sie sich, nachdem Sarah versprochen hatte, am nächsten Vormittag mit ihrem Laptop bei Josef vorbeizukommen, um gemeinsam Kaffee zu trinken und sich mit dem Betriebssystem ihres Rechners zu befassen.

19. April 2014, Bruch. Josef hatte damals Wort gehalten und sich am nächsten Tag um Sarahs Laptop gekümmert. Diese hatte nunmehr ein Anfänger-Linux, Linux-Mint, auf dem Rechner und kam – nach kurzer Einweisung – von Beginn an gut damit zurecht. Die Beiden waren sich im Laufe der Tage und Wochen näher gekommen und sahen sich an den Wochenenden und darüber hinaus auch dann und wann unter der Woche, nachdem Sarah Feierabend hatte. Ansonsten waren sie in Kontakt per Mail oder auch Sozialem Netzwerk.

Morgen war Ostersonntag und Josef verstand, dass Sarah über die Feiertage bei den Eltern sei, auch wenn diese keine Christen waren, wie Sarah mittlerweile verraten hatte.

Es war nun kurz vor 21 Uhr und Sarah war längst wieder Zuhause, sodass Josef in Ruhe über die vergangenen drei Wochen nachdenken konnte.

Sarah und er waren sich menschlich nähergekommen. Amüsiert und gleichzeitig erstaunt war er über die Tatsache, dass auch sie ein kleines Vermögen in Bitcoin angespart hatte, obwohl sie doch so wenig von Sicherheit am Computer verstand. Sie war derart sorglos im Umgang mit ihrer Bitcoin-Wallet gewesen, dass Josef ihr gleich den ‚Kopf zurecht setzte‘ und sie über die notwendigen Schritte aufklärte. Es freute ihn, dass sie so aufgeschlossen und lernbereit war – und dies nicht nur in Bezug auf Fragen der IT.

 

Auch Josef hatte einige Dinge lernen müssen, die ihn nicht wenig verblüfft hatten. Die Tatsache, das Sarah Jüdin war, hatte er als eher belanglos abgetan, doch dass sie und ihre Eltern als Juden gegen den Staat Israel und jede gelebte Form des Zionismus waren, erstaunte ihn doch immens. Er erfuhr, dass es gar Gruppierungen gläubiger, orthodoxer Juden gab, die aufseiten der Palästinenser standen und nichts lieber sähen, als wenn dieses unsägliche Gebilde des israelischen Staates endlich abgeschafft und zerstört würde. Josef, der sich stets als unvoreingenommen gesehen hatte, musste sich eingestehen, dass er bisher fälschlicherweise orthodoxes Judentum und Zionismus über einen Kamm geschoren hatte. Dabei würde ihm doch auch nicht im Traum einfallen, ‚automatisiert‘ Deutsche mit Nazis und Faschisten gleichzusetzen. - Was waren Nazis eigentlich?

Josef erhob sich von seinem Platz auf der Couch und holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, um sich sodann wieder niederzulassen und seinen Gedanken weiter zu spinnen. Nazi – eigentlich ein blödes Wort für das, was man im Grunde mit dem Begriff ausdrücken wollte. Das Wort ‚Nazi‘ kam von den damaligen ‚Nationalsozialisten‘ ...und was war denn falsch mit dem Sozialismus? Nichts war falsch damit! Falsch waren die Verschlagwortungen, welche die heutige Politik mithilfe der hörigen Presseorgane weltweit anwendete, egal welcher Couleur sie auch immer anhing. Josef hatte sich mit Sarah einig gezeigt, dass den Menschen mit bestimmten Begriffen Sand in die Augen gestreut werden sollte, so dass am Ende niemand mehr wusste, wofür oder wogegen er eigentlich sein sollte. Der Mensch als solcher zählte nicht viel, da sich die Umstände seit den Zeiten der Industrialisierung massiv geändert hatten. Somit bestand für die herrschenden Klassen kein Grund, sorgsam mit den Leben der Bevölkerungen der Welt umzugehen.

Josef seufzte und trank aus seinem Glas. Er musste wieder an seinen Vater und dessen Schicksal denken und erneut verspürte er den brennenden Hass, den er schon damals verspürt hatte, als er alt genug war, zu begreifen, warum sein Vater diesen Schritt gegangen war. Der kleine Bauer hatte zu weichen, um Platz zu schaffen für die großen Konzerne, die mithilfe ihrer ‚Sklaven‘ das ganz große Geld für sich beanspruchten. Konzerne, Banken – für sie alleine schien die Welt noch zu bestehen. Alles drehte sich nur um Finanzen. Wie hatte Sarah gesagt: ‚Die Deutschen haben damals den Juden Wucher und was nicht noch alles vorgeworfen. Ob dies nun stimmte oder nicht, sieh, was die Deutschen heute selbst mit ihren Landsleuten tun. Sie lassen nichts aus, was sie einmal den Juden vorwarfen und wofür sie die jüdische ‚Rasse‘ vernichten wollten.‘

Josef leerte sein Glas und machte sich auf den Weg ins Bad, wo er sich bereit machte für die Nacht.

Ostertage 2014, Bruch. Die Feiertage verbrachte Josef mit Nachdenken und vor dem Computer. Zwischendurch joggte er seinen üblichen Weg am Ufer der Saalach entlang, wobei ihn die Gedanken über die Ungerechtigkeiten der modernen Welt begleiteten. - Eine Idee begann in seinem Geist Gestalt anzunehmen, die ihn zunächst verunsicherte und ein wenig erschreckte – doch der Gedanke daran wollte nicht mehr weichen, so dass Josef beschloss, diese Idee weiter zu verfolgen und auch mit seiner Freundin Sarah zu besprechen. Wozu schließlich war er Programmierer und Hacker, wenn er Hacks nicht auch aus Gründen notwendig gewordenen ‚Ausgleichs‘ für erlittenes Unrecht anwenden sollte? War es nicht gerade das Wort und Denken der herrschenden Eliten, dass jedes Mittel erlaubt sei – natürlich nur, falls es ihnen selbst zupass käme? Dieses Denken wollte Josef sich nun ebenfalls zu eigen machen, um für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen, nicht nur gegenüber den Finanz-Eliten‘, sondern auch gegenüber allen Idioten mit ihren unsäglichen Vorurteilen, die Sarah und ihre Eltern aufgrund derer Volkszugehörigkeit ächteten und bedrohten...

Donnerstag, 14. Oktober 2010, Ludwigshafen/Rhein. Mehmet Coscun feierte seinen 18. Geburtstag und hatte große Pläne für die nahe Zukunft.

„Baba, Ana; als Laborant verdiene ich in einem Monat, was ich dort in zwei oder drei Tagen bekomme!“

Mit theatralischer Geste der rechten Hand unterstützte Mehmet diese eindringlich hervorgebrachten Worte. Sein Vater blickte ostentativ auf diese Hand und erwiderte lächelnd:

„Möchtest du stattdessen nicht lieber die Schauspielschule besuchen? Das Talent hättest du dazu.“

Die Mutter lächelte still und legte ihrem Mann die Hand auf den Arm. Grinsend bemerkte Mehmet, der natürlich wusste, worauf sich die Bemerkung bezog, dass er eine weiterführende Schauspielschule nicht für notwendig erachte, da er in dieser Hinsicht bereits gut genug ausgebildet sei. Dann wurde er wieder ernst und legte den Eltern dar, dass er in diesem Club und Nobel-Disco tatsächlich bessere Chancen hätte, es im Leben weiter zu bringen, als in einem Labor der BASF, in welchem er bis dahin beschäftigt war. Zudem hätte er eine schöne Wohnung nahebei in Aussicht und hätte am Tage viel Zeit, da sich die Arbeitsstunden in den Abend und die Nachtstunden verlagerten.

„Außerdem ist das alles in den Quadraten in Mannheim, wo ich unter unseren Leuten wäre.“

„Wie sich das anhört: Unseren Leuten“, verwahrte sich die Mutter.