Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums

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2.5.8 Faulheit

Faulheit ist die zu geringe innere Motivation eines Menschen, sich anzustrengen und im Leben etwas zu leisten. Die Erklärungen der Faulheit reichen von einer allgemein bestehenden Tendenz zur Trägheit und Bequemlichkeit bis zu einem schlechten Charakter. Faulheit kann individuell-immanent sein, aber auch durch Krankheit, geringe Anreize, bzw. mangelnde Erfolge oder aus Widerstand gegen ein System ausgelöst werden. Also ist vor der Bewertung bzw. Ergreifung von Maßnahmen zu prüfen, warum ein Mensch zur Faulheit neigt. Die Faulheit ist eine Untugend und gehört wie der Geiz, der Neid, die Völlerei, der Stolz, der Zorn und die Wollust im Christentum zu den 7 Todsünden. Das Gegenteil der Faulheit ist der Fleiß. Faulheit lässt sich sowohl wohlwollend als auch kritisch beurteilen.

► Thesen: Vor allem in der Pubertätszeit stellt die Faulheit ein Problem dar. „Auch ich war in dieser Zeit kein guter Schüler.“*190 Damit bin ich nicht der einzige, denn die Pubertät ist eine schwierige Zeit. Leider gibt es aber auch nicht wenige Erwachsene, die nicht arbeiten wollen: „Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute“ (Sprichwort). Ein fauler Mensch ist bestrebt, sich möglichst wenig anzustrengen: „Ich bin ein fauler Sack, und das ist gut so!“ (unbekannt). Oder ein anderer sagt: „Es ist schön, den ganzen Tag die bequeme Seite des Lebens genießen zu können.“* Faulheit lässt sich in wohlwollender Sicht ganz unterschiedlich ausdrücken:

▪ „Die Faulheit ist keine Zier, doch Entspannung schenkt sie dir“ (Querulix).

▪ „Morgen werde ich mich ändern, gestern wollt ich es heute schon“ (Ch. Busta).

▪ „Faulheit: Das eine nicht tun und das andere lassen“ (W. Ludin).

▪ „Faulheit: der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit“ (E. Kant).

▪ „Faulheit kennt kein Rückenweh“ (aus Russland).

Oder auch die folgende Version: „Der Faule lebt in Harmonie mit dem Bestehenden und verspürt keinen Drang es zu ändern“ (T. Troll). Manche verehren die Faulheit sogar: „Die Arbeit ist etwas Unnatürliches. Die Faulheit allein ist göttlich“ (A. France). Am Abend haben Arbeitsame und Faule etwas gemeinsam: „Abends werden auch die Faulen müde“ (D. Fleichhammel). Mit Effektivität lässt sich manches auffangen: „Effizienz ist die Faulheit der Intelligenten“ (Gräfin Fito).

► Antithesen: Auch hier zitiere ich gern meinen Lieblingsphilosophen S. Kierkegaard: „Aller Laster Anfang ist Faulheit.“ In realistischer Sicht der Faulheit stellen wir folgende Meinungen vor:

▪ „Faulheit ist Untätigkeit in Potenz“ (J. Panten).

▪ „Faulheit macht Schwielen am Hintern“ (aus Arabien).

▪ „Faulheit steht sich selbst im Wege“ (Seneca).

▪ „Zu den großen Leistungen sind nur wenige fähig, zu großer Faulheit fast jeder“ (H.J. Quadbeck -Seeger).

Gott sei Dank gibt es viele Menschen, die gern arbeiten, weil ihnen ihre Arbeit Spaß macht. Das ist wohl entscheidend. Und es gilt zeitlos: „Faulenzen ist längst nicht so schön, wie es klingt (E. Koch). Lassen wir uns also nicht von der Faulheit verführen.

► Synthese: „Wer in der Schulzeit faul ist, bekommt die negativen Folgen erst später zu spüren.“* Viele Eltern müssen oft resignierend erkennen, dass ihre Kinder in der Schule nicht aufpassen und schlechte Noten bringen. Mit Strafen und Zwang ist oft nicht viel zu gewinnen. Man sollte zuerst die Motivationshemmungen der Kinder zu ergründen versuchen. Auch Anreize für bessere Schulleistungen halte ich für hilfreich. Und: Jugendliche Faulheit erscheint heilbar.191 Jeder praktizierende Pädagoge weiß aber, dass das alles nicht so einfach ist. Später trifft es immer die Betroffenen selbst: dann ist es nicht selten zu spät. Wer auch als Erwachsener faul ist, hat keine Einnahmen: „Faulheit ist der Schlüssel zur Armut“ (Sprichwort). Häufig kommen weitere Probleme hinzu: „Nach Faulheit folgt Krankheit“ (Sprichwort).

Das Ausruhen von der Arbeit ist nicht mir Faulheit zu verwechseln: „Wer immer in den ganzen Tag hinein lebt, kennt den Stellenwert der Pausen nicht.“* „Trotz allem: Eine gewisse Faulheit ist wohl im Innersten eines jeden Menschen gegeben.“* „Aber die Faulheit, welche im Grunde der Seele des Tätigen liegt, verhindert den Menschen, das Wasser aus seinem eigenen Brunnen zu schöpfen“ (F.W. Nietzsche). „Der Mensch sollte auch schon früh lernen, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt. Mit unserer Leistungsgesellschaft ist Faulheit des Menschen als allgemeine Tendenz zur Ruhe und Bequemlichkeit nicht vereinbar.“* Auch die Bibel macht es deutlich: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ (2 Thess 3,9). Vor allem junge Menschen sollten zu der Erkenntnis gebracht werden, dass Arbeiten zum Leben gehört und dass Faulsein auf Dauer falsch ist192: „Es gibt kein Recht auf Faulheit“ (G. Schröder). Andere Frage: Sollen wir Almosen geben?

„Man gibt Almosen, um der Not abzuhelfen, aber nicht,

um die Faulheit auf die Weide zu treiben“

(Augustinus Aurelius)

Die Folgen des frühzeitigen Verweigerns von Leistung hat der Mensch immer selbst zu tragen: „Faulheit geht voraus, Schmalhans folgt hintendrein“ (aus Norwegen). Wirtschaftsexperten weisen in Deutschland seit Jahren darauf hin, dass viele Schulabsolventen hinsichtlich des nötigen Wissens und Könnens den Anforderungen der Berufswelt leider nicht mehr entsprechen.193 „Wer Schülerfaulheit nicht vertreibt, deren Lebenszukunft früh vergeigt.“* Wir sollten das ernster nehmen, sonst gibt es bald ein böses Erwachen.

2.5.9 Völlerei

Völlerei ist üppiges und unmäßiges Essen und Trinken, z. B. Fresssucht bzw. Sauferei. Sie zählt im Christentum zu den 7 Todsünden und ist ein Laster, das den Menschen zu einem ausschweifenden Leben verführt. Die Vergehen der Völlerei bzw. der Trunksucht stellten nicht nur im Altertum und in der ganzen Geschichte194 ein Problem dar, sondern sind auch heute noch ein großes Gesellschaftsproblem.195 Nicht wenige von uns können den Verführungen des unmäßigen Essens und Trinkens nicht widerstehen und verhalten sich in ihrer Genusssucht hemmungslos: Die Folgen sind Fettleibigkeit und totales Übergewicht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass vor allem im Alter mangelnde Bewegung das Ganze noch verstärkt. Mögliche Folgen davon sind z. B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall.196 Das Gegenteil von Völlerei als Maßlosigkeit ist die Mäßigung. Pseudonym-Schriftsteller B. Traven meint zu dem Thema: „Leicht wird es den Menschen auf Erden nicht gemacht, sie würden sonst zu rasch in Völlerei und Unzucht ausarten.“ Außer der Ess- und Trinkvöllerei sind – etwas locker interpretiert – Wissensvöllerei und Kapitalvöllerei unterscheidbar: „Mehr wissen zu wollen, als man braucht, ist eine Art Völlerei“ (Seneca). Zur Gier nach Geld halten wir fest: „Kapitalistische Völlerei ist unchristlich.“*

► Pro: „Das ganze Gerede von der Völlerei ist übertrieben“ (unbekannt). Es heißt doch immer: „Wer gut arbeitet, der soll auch gut essen“ (aus Russland). Wir alle wissen: „Der Appetit kommt beim Essen“ (F. Rabelais). Schon der kluge Konfuzius erkannte: „Essen und Beischlaf sind die beiden größten Begierden des Mannes.“ Manche Männer schwören darauf: „Viel Bier ist gut gegen Schlaflosigkeit“ (unbekannt). Auch: „Eine Flasche Wein pro Tag hilft gegen niedrigen Blutdruck“ (unbekannt). So hat jeder seine Rechtfertigungen. Aber leider gilt: „Der Bauch hat keine Ohren“ (M. Luther). Wenn der Mensch vom vielen Trinken einen Kater hat: „Der Kater hat nicht immer Völlerei, er hat auch Fastenzeiten“ (Sprichwort).

► Contra: Der französische Schriftsteller J.A. Brillat-Savarin drückt es sachlich und treffend aus: „Fresser und Säufer verstehen nichts vom Essen und Trinken.“ Man sollte das Essen und Trinken genießen, aber nicht übertreiben. Vielfach wird auch Weihnachten, eigentlich das Fest der Liebe, missbraucht. „Weihnachten: ein besonderer Tag der Völlerei, Trunksucht, Gefühlsduselei, Annahme von Geschenken, öffentlichem Stumpfsinn und häuslichem Protzen gewidmet“ (A.G. Bierce). Da verhalten sich Tiere besser: „Während das Tier die Lust sucht, um sich zu erhalten, erhalten wir Hedonisten das Leben um der Lust und Völlerei willen und gefährden so nicht selten unsere Selbsterhaltung“ (A. Vogt). Deshalb gelten die folgenden, wohlgemeinten Ratschläge: „Lass dich durch kein Beispiel zu den verbreiteten Ausschweifungen der Völlerei und der Trunkenheit verleiten – die erste bewirkt unvermeidlichen Stumpfsinn und die andere Tollheit“ (P.D. Stanhope). Und zum Schluss: „Hütet euch aber, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung und komme dieser Tag schnell über euch.“ (Lukas 21,34).

► Conclusio: Manche Menschen fürchten überhaupt nichts und leben ganz einfach in den Tag hinein. Der deutsche Politiker Walther Rathenau nennt sie Furchtmenschen: „Was den Furchtmenschen unrettbar verrät ist, dass er sich amüsieren kann. Der Furchtfreie kennt die Freude, die Begeisterung, den Rausch, die Völlerei – aber er ist nicht amüsabel.“ Der italienische Regisseur Marco Ferreri geht erheblich weiter: Er schockierte in 1973 mit seinem Film „Das große Fressen“ die Welt, denn er zeigte den Schock des Suizid durch übermäßiges Fressen und erzeugte große Abscheu, u. a. durch unappetitliche Gelage. Auch die Kirche war hier nicht immer ein Vorbild: Der italienische Kirchenlehrer Thomas von Aquin war so beleibt, dass eine Rundung in sein Pult gesägt werden musste, damit er arbeiten konnte. Und im Kloster Sankt Gallen tranken Mönche im Mittelalter nachweislich täglich fünf Maß Bier.197

 

Die Verführungen des Alkohols und des fetten Essens sind auch heute nicht zu unterschätzen. Deshalb sage ich: „Wenn du lebst im Überfluss, kommt sehr bald ein kalter Guss.“* Denn die Gesundheit spielt irgendwann nicht mehr mit: „Übermäßiges Essen und Trinken tötet mehr Menschen als das Schwert“ (Sir W. Osler). Deshalb ist zu raten: „Wenn das Essen am besten schmeckt, soll man aufhören“ (Sprichwort). Vor allem für manche Jugendliche gilt: „Komasaufen kann keiner brauchen!“* Und auch: „Gelegentliches Fasten ist die beste Heilnahrung“ (E. Rau). Zum Schluss: „Saufen, Fressen und dergleichen, von welchem ich euch habe zuvor gesagt und sage noch zuvor, dass, die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erben.“ (Galater 5,21).

2.6 Antriebe des Menschen

Antriebe sind in der Psychologie Impulse, die zielgerichtetes Handeln des Menschen auslösen, z. B. Bedürfnisse, Motive, Begehren, Egoismus, Ehrgeiz, Leidenschaft, Strebungen und Wollen. Sie bilden die wichtigste Grundlage des Verhaltens des Menschen. Häufig treten sie zusammen mit Emotionen auf, z. B. mit Affekten, Gefühlen und Stimmungen. Alle hier angesprochenen Antriebe sollen in dialektischer Sicht beurteilt werden.

2.6.1 Bedürfnis

Ein Bedürfnis ist das Empfinden eines Mangels, verbunden mit dem Wunsch, ihn zu beheben.198 Es stellt einen Beweggrund für menschliches Handeln dar: „Der Mensch braucht Wünsche“ (C.A. Helvetius). Die Bedürfnisse der Menschen sind praktisch unbegrenzt, die Mittel zu ihrer Befriedigung aber knapp. Die Bedürfnisse können vielfältiger Art199 sein, z. B. primäre Bedürfnisse (z. B. Hunger, Durst) und sekundäre Bedürfnisse, z. B. geistig-kulturelle Bedürfnisse. Es gibt soziale Bedürfnisse (z. B. Kontakt-, Geltungsbedürfnisse) und ökonomische Bedürfnisse, z. B. Kaufbedürfnisse. Es können auch individuelle und kollektive Bedürfnisse (z. B. Wunsch nach Verkehrssicherheit) unterschieden werden. Die Bedürfnispyramide von A. Maslow zeigt die hierarchische Ordnung der Bedürfnisse.200 Die Bedürfnisse sind Motive, die uns Menschen antreiben. Dabei gilt: „Die Evolution des Triebes ist das legitime Bedürfnis“ (F.P. Rinnhofer). Motive können im geisteswissenschaftlichen Universum positive und negative Wirkungen auslösen.

► Wir Menschen möchten glücklich leben: „Der Mensch hat ein gebieterisches und unaufhörliches Bedürfnis nach Glück“ (Sprichwort). Dabei haben Körper und Geist nicht die gleichen Motive: „Des Leibes Bedürfnis heißt nehmen, des Geistes Bedürfnis geben“ (A. Essigmann). Der Geist sucht eher den Genuss: „Essen ist ein Bedürfnis, genießen ist eine Kunst“ (La Rochefoucauld). Jeder Mensch genießt aber anders: „Jedem das Seine“ (M.P. Cato). Mancher liest dem Partner die Wünsche vom Mund ab: „Dein Wunsch ist mir Befehl“ (Vergil). Und: „Wir sollten nicht vergessen, dass sich jeder Mensch nach Liebe sehnt.“* „Der Mensch ist wohl mit einem Bedürfnis nach Liebe geboren, dem er nie entwächst“ (Sprichwort). Zum Schluss eine Weisheit: „Wer sich vom Feuer der Liebe verzehren lässt, hat kein Bedürfnis, das Feuer des Hasses zu schüren“ (K. Haberstich).

► Bedürfnisse können aber auch negative Wirkungen haben: „Jede Begierde ist ein Bedürfnis, das sich als Schmerz bemerkbar macht“ (Voltaire). Ein ähnliches Argument liefert A. Einstein: „Ein Leben, das vor allem auf die Erfüllung persönlicher Bedürfnisse ausgerichtet ist, führt früher oder später zur bitteren Enttäuschung.“ Und: „Je größer die Bedürfnisse, desto höher die Wahrscheinlichkeit von Unzufriedenheit.“ Es gibt im Leben nicht nur große sondern auch kleine Geister: „Kleingeister verspüren ein großes Bedürfnis, sich anderen überlegen zu fühlen“ (E. Ferstl). Wie entsteht unser Wille? „Alles Wollen entspringt aus Bedürfnis, also aus Mangel, also des Leides“ (A. Schopenhauer). Welche Folgen sind mit Machtbedürfnissen verbunden? „Das Bedürfnis des Machtgefühls treibt die große Politik vorwärts“ (F.W. Nietzsche). Und zum Schluss typisch: „Es gehört zum deutschen Bedürfnis, beim Biere von der Regierung schlecht zu reden“ (O. von Bismarck).

► Fazit: Wir Menschen haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse, die beispielsweise durch die Tradition, den Instinkt, die Bildung, die Gesellschaft bzw. die soziale Stellung geprägt sein können. Und es gilt auch: „Hinter jedem irritiertem Bedürfnis steckt ein gesunder, unerfüllter Wunsch“ (A. Selacher). Stärker ausgedrückt: „Was die Triebe dir diktieren, kann der Kopf nicht korrigieren“ (E. Koch). In den Wirtschaftswissenschaften rücken diejenigen Bedürfnisse in den Vordergrund, die am Markt als effektive Nachfrage wirksam werden. An der Spitze der individuellen Bedürfnisse des Menschen steht das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, welches für eine Person die erstrebte Entfaltung und Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten mit sich bringt. Selbstverwirklichung stößt aber immer wieder dann an Grenzen, wenn sie in die Gefahr gerät, dass sie ausufert. Dazu ein weiser Spruch:

„Statt zu klagen, dass wir nicht alles haben, was wir wollen, sollten wir lieber dankbar sein, dass wir nicht alles bekommen, was wir verdienen“

(Dieter Hildebrandt)

Und es gilt auch: „Je mehr wir brauchen, desto ärmer werden wir“ (M. Richter). Deshalb mein Rat: „Mit der Befriedigung unserer Bedürfnisse sollten wir es nicht übertreiben. Ein gewisses Maß an Bescheidenheit scheint gerade für unser heutiges Leben notwendig.“*

2.6.2 Begehren

Das Begehren kennzeichnet den gezielten Antrieb des Menschen zur Behebung eines Mangels mit einem damit verbundenen Bedürfnis, den Mangel zu beseitigen. Es wird auch als Begierde bezeichnet, wobei hier mehr körperliche Aspekte in den Vordergrund treten, z. B. Trieb, Lust, Wolllust. So wie es H.C. Neuert hinsichtlich der Begierde sehr treffend ausgedrückt hat: „Ich sehne mich nach deinen Küssen, begehre dich fast bis zum Schmerz, verzehre mich vor Lust und Verlangen, fiebere nach dir, mein Herz.“ Auf das Begehren gibt es noch eine andere kluge Antwort: „Der großen Liebe des Herzens ist das Begehren nicht mehr das wichtigste“ (M. Borée). Das Begehren kann sich nicht nur auf körperliche, sondern auch auf geldliche Aspekte richten.

► Wenn wir etwas begehren, dann ist das ganz normal: „Begierde ist des Menschen Wesen selbst“ (B. de Spinoza). Und anders gesagt: „Ein gewisses Maß an Begehren gibt dem Leben erst seinen Schwung“ (S. Johnson). Allerdings wissen wir auch: „Wir kennen uns bei weitem nicht in allen unsern Wünschen aus“ (La Rochefoucauld). Begehren ist mit einer gewissen Hoffnung verbunden: „Das Begehren, verbunden mit der Erwartung, das Gewünschte zu erlangen, nennt man Hoffnung“ (T. Hobbes). Die einen hoffen darauf, endlich den heiß begehrten Partner heiraten zu können und andere geben sich der Hoffnung hin, endlich reich zu werden. Dabei ist vor allem hinsichtlich des Reichtums zu beachten: „Die Begierde ist nach der Erfüllung der Wünsche ebenso ungestillt, wie sie es vorher war“ (M. Luther).

► Das Begehren der Menschen kann aber sehr schnell ausufern: „Die Sucht nach mehr richtet die Menschen zugrunde“ (Mohammed). „Je mehr die Menschen haben, desto mehr begehren sie“ (Justinus). Anders gesagt: „Der Menschen Wille ist ihr Himmelreich und wird oft ihre Hölle“ (aus Island). Mitunter ist der Wunsch das Begehren nicht Wert: „Man bedarf oft das Unnötigste am meisten“ (B. Auerbach). Hinsichtlich des Begehrens gilt:

▪ „Die Begehrlichkeit kennt keine Schranken, nur Steigerung“ (Seneca).

▪ „Begehren kennt keine Ruhe (aus England).

▪ „Das Laster lebt und wächst unter der Decke“ (Vergil).

▪ „Zuviel auf einmal wollen, das ist vom Bösen“ (Gotthelf).

▪ „Wer in einem silbernen Bett schläft, hat goldene Träume“ (aus Livland).

▪ „Je mehr er hat, je mehr er will. Nie schweigen seine Klagen still“ (J.M. Miller).

Körperliches Begehren reicht für das Gelingen einer guten Partnerschaft nicht aus. Vergessen wir nicht, dass in Deutschland etwa ein Drittel aller Ehen geschieden werden. In den Großstädten soll es schon mehr als die Hälfte sein. Hier kann durchaus von einer Krise des Begehrens201 gesprochen werden.

► Zusammenfassung: Das zehne Gebot in der Bibel lautet: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weibes und Besitzes“ (2. Mose 20,17). Aber menschlich ist: „Zu dem Verbotenen neigen wir stets und begehren Versagtes“ (Ovid). Dabei sollten wir andere Menschen aber nicht unglücklich machen: „Ehe man etwas begehrt, soll man das Glück dessen prüfen, der es besitzt“ (La Rochefoucauld). Eine wichtige Erkenntnis ist: „Des Glückes größter Feind ist die Begierde“ (E. Gött). Und: „Sündigen heißt, sich dem Leben hingeben“ (B. Steiner). Dieses Bestreben ist wohl unendlich: „Die Natur des Menschen ist so wesentlich auf das Bedürfen und Wünschen angelegt, dass jedes befriedigte wirtschaftliche Bedürfnis in unendlicher Folge neue weckt“ (H. von Treitschke). Und man ist nicht immer sich selbst gegenüber ehrlich: „Manch einer, der vor der Versuchung flieht, hofft doch heimlich, dass sie ihn einholt“ (G. Guareschi). Dazu Franz Grillparzer: „Ei, wer den Kelch der Weltlust nie versucht. Der weist vielleicht ihn von den trocknen Lippen. Doch wem’s einmal gelang daran zu nippen. Der ist zu ew’gem Trinken auch verflucht.“ Das Begehren wird dann immer stärker: „Wie wertvoll ein Ding ist, hängt davon ab, wie sehr wir es begehren“ (A. Maggauer-Kirsche). Ein Menschenkenner hat sich hinsichtlich des Reichtums so ausgedrückt:

„Der Reichtum gleicht dem Seewasser: Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man“

(A. Schopenhauer)

„Wer alles begehrt wird unzufrieden.“* Plutarch sagt zu diesem Thema: „Wer wenig bedarf, der kommt nicht in die Lage, auf vieles verzichten zu müssen.“ Auf der anderen Seite: „Wer keine Wünsche mehr hat, der ist ein armer Kerl.“* Aus Frankreich stammt: „Wünschend bereichert sich keiner.“ Zum Schluss: „Um glücklich zu sein, ist es nicht nötig, mehr zu besitzen, sondern weniger zu begehren“ (P. Bosmans).

2.6.3 Egoismus

Der Egoismus ist eine Handlungsweise des Menschen, bei der die Verfolgung eigener Zwecke vor anderen Zwecken als das zentrale Motiv gesehen wird.202 Es geht hier um Antriebe und selbstsüchtige Strebungen: „Ein Egoist ist ein unfeiner Mensch, der für sich mehr Interesse hat als für mich“ (A. Bierce). Dabei sind Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit und Unermüdlichkeit nicht mit dem Egoismus identisch: „Beharrlichkeit wird zuweilen mit Eigensinn verwechselt“ (A. von Kotzebue). „Das Gegenteil vom kranken Altruismus ist und bleibt: „gesunder“ Egoismus“ (A. Selacher). Biologisch gesehen beruht der Egoismus auf dem Selbsterhaltungstrieb. Verwerflich wird er, wenn er sich im Geltungs- und Machtstreben zur Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit steigert. Überzogener Egoismus ist auch ein Problem der Interessengruppen in unserer Gesellschaft.203 Das Gegenteil vom Egoismus ist der Altruismus (Selbstlosigkeit).

► Pro: In unserer heutigen Leistungsgesellschaft ist ein „gesunder“ Egoismus zum Überleben notwendig: „Auf ein Ziel gerichtet, ist er ein weiser Egoismus“ (P. Mulford). In diesem Sinne gilt: „Egoismus ist Drang zum Dasein und Wohlsein“ (A. Schopenhauer). Der bekannte Künstler S. Dali ergänzt: „Wer heute Karriere macht, muss schon ein wenig Menschenfresser sein.“ Auch Sport lebt der Egoismus: „Die Meisterschaft gilt oft für Egoismus“ (J.W. von Goethe). Man kann auch Bezug zum Theater nehmen: „Auf der Bühne des Lebens heißt der Souffleur meistens Egoismus“ (unbekannt). Auch in der Kindererziehung spielt er eine Rolle: „Egoismus der Eltern artikuliert sich gern in rücksichtsloser Förderung der eigenen Kinder.“ Dann verwundert folgendes nicht: „Kindergesichter zeigen schnell den Egoismus, den sie von ihren Eltern geerbt haben“ (M.M.Jung). Und zum Nachdenken: „Satire ist eine Art von Spiegel, in dem der Betrachter fast jedermanns Gesicht erkennen kann, außer dem eigenen“ (J. Swift).

 

► Contra: Demgegenüber ist kranker Egoismus verwerflich: „Der Egoismus ist des Menschen größter Fluch“ (W.E. Gladstone). Oder anders gesagt: „Egoismus: Ein kleiner Größenwahn“ (W. Mocker). Egoisten kennen nur sich und ihre eigenen Interessen: „Der Egoismus besteht darin, sein Glück auf Kosten anderer zu machen“ (J. Baptiste H. Lacordaire). Die Folgen des kranken Egoismus sind offenbar:

▪ „Egoismus ist Einsamkeit“ (F. von Schiller).

▪ „Egoismus: Die Leere vom Du“ (H.J. Quadbeck-Seeger).

▪ „Wer sich selbst zu wichtig nimmt, menschlich immer tiefer sinkt.“*

▪ „Niemand applaudiert dem, der etwas für sich tut“ (E. Pannek).

▪ „Der Egoismus kann viel in der Welt erreichen, nur nicht einen guten Leumund“ (E.J. Jonas).

▪ „Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch“ (Einstein).

▪ „Nur wer an sich denkt, geht an sich kaputt“ (B. Steiner).

▪ „Mangelhafte Gesundheit und Einsamkeit sind der Preis für grenzenlosen Egoismus.“*

▪ „Egoismus ist die Klippe, an der jede Freundschaft zerschellt“ (L. Tieck).

Der englische Dichter S.T. Coleridge drückt es n.m. A. zu milde aus: „Egoismus ist die Zärtlichkeit der Ellenbogen.“ Ich möchte es gern härter sagen: „Kranker Egoismus favorisiert die Rücksichtslosigkeit des Ellenbogens.“* Typisch für den Egoisten ist: „Der Mensch kennt ein Hauptwort nur, und das heißt ich“ (J.N. Nestroy). Der große deutsche Dichter T. Fontane sagt es pfiffig: „Manche Hähne glauben, dass die Sonne ihretwegen aufgeht.“

► Conclusio: Die Bewertung des Egoismus ist gar nicht so einfach: „Alle denken nur an sich – nur ich denk an mich“ (C.M. Schulz). Der deutsche Jurist R. von Ihering bringt es auf den Punkt: „Nicht der Egoismus als solcher ist unsittlich, sondern das Übermaß desselben.“ Die Literatur reicht von für mich nicht hilfreichen Versuchen seiner Befürwortung204 bis hin zur Ablehnung.205 „Mit der Verherrlichung des Egoismus und der Ignoranz seiner potentiellen Nachteile helfen wir unserer Gesellschaft in keiner Weise.“* „Ein „gesunder“ Egoismus ist heute zweifellos für das Überleben in unserer Gesellschaft notwendig, aber kranker Egoismus ist verabscheuenswert.“* Aber auch die totale Selbstlosigkeit ist nicht die Lösung. Deshalb gilt grundsätzlich:

„Wer den Altruismus übertreibt, wird ebenso untergehen,

wie derjenige, welcher der Ichsucht verfällt“

(Horst-Joachim Rahn)

„Der Egoismus ist oft das Gitter, das uns den Weg zum Du verschließt“ (A. Rademacher). Darüber hinaus sind große Gesellschaftssysteme in die Betrachtung einbeziehbar: „Weder Kapitalismus noch Sozialismus sind das wichtigste „ismus“-Problem: es ist der Egoismus“ (W.J. Reus). Typisch: „Man kann nicht allen helfen, sagte der Engherzige und hilft keinem.“ Und wieder zum Nachdenken: „Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns allmählich zwingt, in seinen Fehler zu verfallen“ (M. von Ebner-Eschenbach). „Deshalb ist Egoismus sehr ansteckend.“* Zum Schluss die weisen Worte von Martin Luther King: „Jeder muss entscheiden, ob er im Licht der Nächstenliebe oder im Dunkel der Eigensucht leben will.“