Sex, Love & Rock'n'Roll

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Rosa Heckenröschen

Es sei doch „ganz egal“, ob man ein Junge oder ein Mädchen sei, sang Udo Lindenberg bereits 1973 und erwähnte in dem Song auch David Bowie, „der seinen Gitarristen auf der Bühne küsst“. Nichtsdestotrotz fällt es auch fast 40 Jahre später vielen schwer, sich zu outen und so zu ihrer sexuellen Orientierung zu bekennen. Denn schwul oder lesbisch zu sein, gilt in gewissen Kreisen noch immer als unnatürlich und ist in manchen Ländern weiterhin verboten.

So hatte Elton John sein Coming-Out erst mit 23 Jahren, als er 1970 in San Francisco eine Nacht mit John Reid verbrachte, der anschließend nicht nur sein Management übernahm und seine Karriere gehörig pushte, sondern auch mit ihm zusammenzog. An seine erste Nacht mit einem Mann erinnerte Elton John sich später wie an einen Vulkanausbruch: „Alles drängte aus mir heraus, es war eine unglaubliche Erleichterung.“ Inzwischen ist er stolz darauf, „die berühmteste Schwuchtel der Welt“ zu sein.

Noch schwerer tat sich Freddie Mercury damit. Zwar trat er in Video-Clips schon mal in einem Fummel auf, doch bis zu seinem Aids-bedingten Tod im November 1991 machte er nicht allzu viel Aufhebens davon. Im musikexpress erklärte er 1984: „Das letzte, was ich machen würde, wäre, zur [englischen Boulevardzeitung] Sun zu gehen und zu sagen: ,Ich geb’s zu, ich gebe zu, dass ich schwul bin.‘ Das ergibt keinen Sinn. Wenn doch, hätte ich es schon vor Jahren gemacht.“

Später tat er es dann doch. Zwar lief er nicht gerade zur englischen Bildzeitung, um sich zu outen, doch er ließ keinen Zweifel an seiner sexuellen Orientierung: „Ja, ich bin schwul. Ich habe das alles gemacht. Ich bin so schwul wie ein rosa Heckenröschen, meine Süßen.“ Gleichwohl schränkte er sein Bekenntnis etwas ein, indem er erklärte, er könne sich nie so in einen Mann verlieben wie in ein Mädchen: „Ich gehe nicht aus, um mich in einem besonders schwulen Umfeld zu bewegen, aber in diesem Geschäft ist es sehr schwierig, loyale Freunde zu finden und sie auch zu behalten. Unter meinen Freunden sind viele homosexuelle Leute und viele Mädchen – und außerdem auch sehr viele alte Männer! Ich bewege mich in einer theatralischen Welt, und die Leute können ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen. Ich hatte einmal eine Freundin, mit der ich sieben Jahre zusammengelebt habe – Mary. Freunde hatte ich ebenfalls.“ Zugleich begründete er, warum er sich nicht schon früher geoutet habe: „Wenn ich immer alles über mich erklären würde, würde das nur meine geheimnisvolle Aura zerstören. Komplett auszupacken und all diese Sachen im Detail zu schildern, ist, ehrlich gesagt, ein bisschen unter meiner Würde. Meine sexuellen Neigungen sind vielleicht etwas breiter gefächert als die der meisten Leute, aber mehr will ich dazu nicht sagen.“

Holly Johnson von Frankie Goes To Hollywood hatte dafür allerdings kein Verständnis. „Einer wie er hätte so viel für die Schwulen tun können, tun müssen“, zürnte er im Zeitgeist-Magazin Tempo. Im Showgeschäft versteckten sich leider sehr viele, weil sie hofften, so ein paar Platten im Mittleren Westen der USA zu verkaufen.

Auch der Latino-Star Ricky Martin versuchte lange Zeit, seine Homosexualität zu verbergen, „weil es so viele gesellschaftliche Vorurteile gegen Homosexuelle gibt“. Seit seiner Jugend fühlte er sich zu Männern hingezogen, aber obwohl er von seiner Familie und seinen Freunden unterstützt wurde, konnte er es sich jahrelang nicht vorstellen, sich öffentlich dazu zu bekennen, weil er kulturell darauf gepolt war, „dass Liebe und Anziehung zwischen zwei Männern eine Sünde“ sei. „Aus Angst“ verdrängte er deshalb seine Neigungen, „anstatt zu ihnen zu stehen“.

Ricky Martin war streng katholisch erzogen worden, was es ihm nicht gerade erleichterte, sich mit seiner Homosexualität auseinanderzusetzen. Irgendwann gelangte er aber an einen Punkt, an dem er sich nicht länger als „Sohn des Teufels“ begreifen wollte, nur weil er schwul war. Statt zu beten, man möge ihn doch von seiner Homosexualität erlösen, ging er nicht mehr in die Kirche.

Aber auch er empfand sein Coming-Out schließlich als Befreiung, und heute bekennt er sich stolz zu seiner Vorliebe für Männer: „Ich bin sehr gesegnet, der zu sein, der ich bin.“

Wesentlich couragierter und selbstverständlicher trat da schon Beth Ditto von Gossip auf. Für die englische Tageszeitung The Guardian verfasste sie die Kolumne „What would Beth Ditto do?“ und stellte darin die Frage: „Wärst du lieber ein Kannibale oder eine Lesbe? Eine Lesbe? Hab ich’s mir doch gedacht.“

Ich bin Steve Blame, und das ist auch gut so

Bevor MTV Europe 1987 auf Sendung ging, hatte die Chefetage der Clip-Schule ein Problem. Der Kokain-Konsum des News-Produzenten hatte offenbar „Scarface-Ausmaße“ angenommen, doch das störte die aus den USA angereisten Bosse nicht. Viel gravierender war für sie, dass der News-Moderator Steve Blame sich als schwul geoutet hatte. Konnte man so einen unbehelligt auf Sendung gehen lassen?

Blame fürchtete um seinen Job und beteuerte, er habe nie beabsichtigt, vor die Kamera zu treten und zu verkünden: „Hallo, ich bin Steve Blame, und ich bin schwul.“

Die traditionell prüden Amerikaner schien das nicht zu überzeugen. Erst als die österreichische Pressechefin Christine Gorham sie darüber aufklärte, dass im europäischen Fernsehen jeder schwul sei, und das auf Nachfrage der ungläubig staunenden Yankees noch einmal bekräftigte, war das Thema vorerst vom Tisch.

Zwei Jahre später hatte man im Hause MTV aber erneut ein Problem. Kaum im Amt, hatte der neue Chef Bill Roedy, ein ehemaliger Kommandant der U.S. Army, seiner Freundin Bänder sämtlicher Moderatoren übergeben, sie darüber informiert, dass einer von ihnen schwul sei, und sie gebeten, die in Frage kommende Person zu identifizieren. Wie sie ausgerechnet Steve Blame bei einem Dinner erzählte, sei es eindeutig gewesen, dass es sich bei dem gesuchten Moderator nur um Paul King handeln könne. Blame war erleichtert – und King heterosexuell! In seiner Autobiografie Getting Lost is Part of the Journey erzählt Blame aber auch, wie heuchlerisch der damals als modern und fortschrittlich gepriesene Musikkanal war. Von Musikern wie Holly Johnson (Frankie Goes To Hollywood), Boy George (Culture Club) oder Morten Harket (a-ha) hatte man sich Bilder und Selbstporträts malen lassen, um sie später zugunsten der Aids-Hilfe zu versteigern. Aus der groß angekündigten Aktion wurde jedoch nie etwas. Blame: „Etwa ein Jahr danach fand ich sie in einer Besenkammer im Büro, verwaist und ruiniert.“

Homophobie I: Boom Bye Bye

Spätestens, nachdem Diana Ross und Donna Summer, die ihre Karrieren nicht zuletzt ihren schwulen Fans zu verdanken haben, die Immunschwächekrankheit Aids als „Strafe Gottes“ bezeichneten, war für Holly Johnson von Frankie Goes To Hollywood klar, dass das Musikgeschäft „eine spießige und schwulenfeindliche Branche“ ist. In den frühen 1990ern erregten aber insbesondere Rapper mit homophoben Texten und Äußerungen die Gemüter.

So sang Buju Banton auf der Dance-Hall-Single „Boom Bye Bye“: „Faggots have to run or get a bullet in the head.“ Nach Protesten der Gay and Lesbian Alliance Against Defamation wurde die Single allerdings von den großen amerikanischen Radiosendern nicht mehr gespielt.

Auch Brand Nubian hielten sich auf ihrer Single „Punks Jump Up To Get Beat Down“ nicht zurück. Darauf hieß es: „Fuck up a faggot. Don’t understand their ways. And I’m not down with gays.“ Als sie einmal, ohne es zu wissen, in einer Schwulen-Disco im Rahmen eines Aids-Benefiz-Konzerts auftraten, bereuten sie das hinterher zutiefst: „Wenn wir das geahnt hätten …“

Shabba Ranks, der mit „Mr. Loverman“ einen großen Hit gelandet hatte, wurde gar wegen schwulenfeindlicher Äußerungen von einer Grammy-Verleihung ausgeschlossen. Sein Kollege Mad Cobra versuchte ihn zu verteidigen, erwies sich dabei aber ebenfalls als ausgemachter Dummkopf: „Schwule sind widernatürlich, pervers und ekelhaft, aber wenn man diese Wahrheit ausspricht, ist man doch nicht gleich ein Schwulenfeind.“

Wes Geistes Kind er ist, demonstrierte auch James Smith vom Rapalot-Label. Nachdem die National Organisation for Woman (NOW) die Geto Boys wegen des schwulenfeindlichen Anti-Abtreibungs-Raps „The Unseen“ kritisiert hatte, wiegelte er ab: „Leute, die sich darauf spezialisiert haben, Babys zu ermorden, sind für mich des Teufels.“

Als Eminem 2001 für einen Brit Award, das englische Pendant zum Grammy, nominiert wurde, kam das Peter Tatchell, dem Sprecher der Homosexuellen-Gruppe OutRage!, so vor, „als wolle man einem Sänger des Ku-Klux-Klan einen Preis verleihen“. Und als er bei der Grammy-Verleihung im selben Jahr ausgerechnet zusammen mit Elton John seinen neuen Hit „Stan“ sang, verglich der Sprecher einer schwulen Aktionsgruppe ihren Auftritt mit einem Duett zwischen einem Juden und einem bekennenden Nazi.

Da wollte man wohl auch in Deutschland nicht zurückstehen. G-Hot alias Gökhan Sensan rappte über Schwule: „Was ist bloß passiert, sie werden akzeptiert, es gab Zeiten, da wurden sie mit der Axt halbiert.“ Und Bushido radebrechte: „Ich mach jetzt mein Solo hart, schreib den Text im Polo-Shirt. Ich mach die Kohle, keiner von euch Homos ist was wert.“

Der 2001 gegründete Verein Brothers Keepers, ein Zusammenschluss von 84 Künstlern und Produzenten, forderte daraufhin von dem HipHop-Label Aggro Berlin „ein Ende der Produktion und Vermarktung rassistischer und sexistischer Images und Inhalte“. Und der HipHop-Experte Hannes Loh wies 2007 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung darauf hin, dass „Homosexualität im Gangsta-Rap das konsensfähigste Ausgrenzungsmerkmal“ sei. Frauen könnten dort Heilige oder Huren und Ausländer gut oder böse sein, aber Schwulsein habe nichts Ambivalentes. „Es klingt nach intellektuellem Milieu, nach Verweichlichung. Und das geht gar nicht.“

 

Umso kurioser las sich eine Pressemitteilung der Plattenfirma Universal vom September 2005, in der Bushido „die immer wiederkehrenden Vorwürfe und Vorverurteilungen der Schwulenfeindlichkeit, dem Aufruf zu Gewalttaten, der Frauenfeindlichkeit und der absurden Behauptung, ich wäre rechtsradikal“ in schlechtem Deutsch strikt zurückwies und klarstellte, dass die aktuell in den Medien vielzitierte Textzeile „ihr Tunten werdet vergast“ sich weder auf seinem demnächst erscheinenden Album Staatsfeind Nr. 1 noch auf irgendeiner anderen CD von ihm befinde.

Das mochte ja sein, aber wer wollte das damals schon freiwillig überprüfen? Nichtsdestoweniger, erkannte der Pop-Kritiker Jonathan Fischer, sei die Homophobie aber so eng mit dem HipHop verknüpft, „dass ein amerikanischer Rapper ohne ‚faggot‘ im Fluchrepertoire leicht in den Verdacht kommen könnte, selbst eine ,Schwuchtel‘ zu sein“. Nicht zuletzt deshalb hänge wohl Eminem im Song „Criminal“ seinen Gewaltphantasien gegen Schwule nach oder finde 50 Cent sie „uncool“.

Auch wenn Gayngsta Rapper wie Deadlee keineswegs das homophobe HipHop-Milieu erschütterten, wie Fischer hoffte, so hatte er doch wenigstens die Lacher auf seiner Seite, als ihn der ölglänzende Oberkörper, mit dem 50 Cent sich auf CD-Hüllen präsentierte, ausgerechnet an Bilder aus Schwulenmagazinen erinnerte.

Beverly Hills Cop

Als Officer Marcelo Rodríguez von der Beverly Hills Police am 7. April 1998 in einer Schwulenklappe des Will Roger Memorial Parks Georgios Kyriacos Panayiotou festnahm, konnte er unmöglich ahnen, was auf ihn zukommen sollte. Der Mann, den er kurz vor drei Uhr nachmittags wegen unzüchtigen Benehmens in der Parktoilette verhaftete, war Mitte 30 und hatte, wie es im Polizeibericht hieß, in dem Pissoir „seinen erigierten Penis“ in Rodríguez’ Richtung geschwenkt und „mit der rechten Hand“ zu masturbieren begonnen.

Auf der Wache wies Panayiotou sich aus und gab eine Adresse in Santa Barbara als festen Wohnsitz an. Bevor man ihn gegen Zahlung einer Kaution von umgerechnet 920 Mark wieder freiließ, wurde er jedoch von einem Polizisten erkannt und als George Michael identifiziert. Officer Rodríguez war ein ganz dicker Fisch ins Netz gegangen.

Zwei Tage später kannte die ganze Welt alle schmutzigen Details der Klo-Affäre des britischen Popstars. George Michael: „Die Polizei von Beverly Hills verkaufte diesen lächerlichen Bericht meiner Festnahme an die Sun.“

Doch die Cops von Beverly Hills hatten ihre Rechnung ohne George Michael gemacht. Statt vor Scham im Boden zu versinken, ging der „Mann mit dem größten Herzen und dem kleinsten Ego in der Branche“, so Michaels Biograf Tony Parsons, in die Offensive und vollzog sein Going-Public im Interview mit CNN: „Ich lebe mit einem Mann zusammen, war seit zehn Jahren mit keiner Frau mehr zusammen.“ Die Gefahr, erwischt zu werden, habe einen Teil des Kitzels ausgemacht, der ihn bewog, vor den Augen eines anderen Mannes zu masturbieren.

Natürlich war auch ihm die ganze Angelegenheit furchtbar peinlich: „Wenn ich die Oxford Street nackt rauf und runter gelaufen wäre und dabei ‚I Am What I Am‘ gesungen hätte, wäre das würdevoller gewesen, um mich zu offenbaren.“ Aber er empfand auch das, was an diesem Nachmittag geschah, als „total unfair“ und nahm in Interviews kein Blatt mehr vor den Mund.

In seinem Bericht hatte Officer Rodríguez behauptet, er, Rodríguez, habe nur so getan, als ob er uriniere. „Wenn du das zu Hause versuchst, pinkelst du überall daneben“, höhnte Michael. „Wenn du einen Mann siehst, der direkt vor dir mit seinem Penis spielt, kommst du nicht auf den Gedanken, es könnte ein Cop sein. Ich kann einfach nicht verstehen, warum es für einen Polizisten legaler sein soll, in eine Toilette zu gehen und seinen Schwanz vor Leuten zu schwenken, als für jemand, der genau das tun will.“ Die Amerikaner würden sicherlich nicht verstehen, dass man ihre Steuern für derlei fragwürdige Polizeiaktionen verschwende. Leute, „die ihr Schwulsein heimlich leben“, würden so ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt, ihr Familienleben werde ruiniert. „Es gibt Menschen, die bringen sich deswegen um.“ Was die Polizei in jener Gegend tue, sei absolut überflüssig, und Officer Rodríguez habe einen wirklich ekligen Job.

Dabei ließ es George Michael jedoch nicht bewenden – er schrieb auch noch einen Song darüber, „Outside“, und drehte im Stil eines europäischen Pornofilms ein Video, in dem er jenen Cop spielte, der ihn festgenommen hatte. Sogar dessen Vorname erschien, leicht abgewandelt, darin.

Für Susan Irving vom Verband der britischen Psychotherapeuten lag der Grund klar auf der Hand: „Er stellt die größte Jury der Welt zusammen, wenn er seine Fans auffordert, über sein Verhalten zu urteilen, indem sie entweder seine neue Platte kaufen oder nicht.“

Die Rechnung ging auf. Michael bekannte sich schuldig im Sinne der Anklage, wurde von seinen Fans aber freigesprochen. Eher belustigt nahm er zur Kenntnis, dass er daraufhin von Officer Rodríguez, der seit der Veröffentlichung von „Outside“ unter physischen und psychischen Qualen leidet und seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, auf zehn Millionen Dollar Schadenersatz verklagt wurde. „Was ist der Unterschied zwischen George Michael und einer Mikrowelle?“, witzelte Michael selbstironisch, nachdem die Klage abgewiesen worden war. „Die Mikrowelle hört auf, wenn man die Tür aufmacht.“

Homophobie II: I wish I was queer

Elvis Presley mag in den Augen seiner Fans ja gegen alle Kritik erhaben sein, die Witze, die er vor Leibwächtern und Roadies über Schwule riss, waren jedoch ziemlich frivol und sexistisch: „Er ist kein Schwanzlutscher, er nimmt ihn nur in den Mund.“

Umso erstaunlicher war es, dass er Elton John nach einem Konzert in Washington D.C. backstage empfing und sich gar von ihm umarmen ließ. Allerdings konnte er es sich nicht verkneifen, ihn zu fragen: „Hast du nicht diesen Song ,Don’t Let YOUR SON Go Down On Me‘ geschrieben?“

Einen ähnlichen Humor pflegte Little Richard, der John Waters zufolge einst als Drag Queen Princess Lavonne aufgetreten war, bevor er den Rock’n’Roll erfand. Von ihm stammt das Bonmot: „God made Adam and Eve, not Adam and Steve.“

Politisch ebenso unkorrekt gab sich auch die Bloodhound Gang, eine Art amerikanisches Pendant zur Deutsch-Rock-Band Die Ärzte. Im Video zu ihrer Single „The Bad Touch“ griff sie zwei Franzosen an, die beide weiße Hosen und rot-weiß gestreifte bretonische Pullis trugen und Baskenmützen auf dem Kopf hatten. Statt mit Baseballschlägern malträtierte die Gang das offensichtlich schwule Pärchen mit Baguettes. Mit dem Clip, erläuterte ihr Sänger Jimmy Pop, habe man niemanden diffamieren, sondern lediglich suggerieren wollen, dass alle Franzosen schwul seien.

Das Anecken hatte Methode. Bereits 1996 hatte die Bloodhound Gang Lesben und Schwule auf ihre Art provoziert und gesungen: „I wish I was queer so I could get chicks.“

Jimmy Somerville, einst Sänger von Bronski Beat und den Communards, ließ das kalt. Im Interview mit der Zeitschrift Galore traf er aber solch schlichte Gemüter ins Mark, als er die Frage aufwarf, wofür Frauen überhaupt noch Männer bräuchten: „Fürs Jagen? Zum Geldverdienen? Sogar Babys können heute aus der Retorte kommen. Wenn daraus keine Sinnkrise entsteht, woraus dann? Das Schöne ist: Als homosexueller Mann muss man sich um all diese Dinge keine Sorgen machen. Sie sind egal. Das, liebe Männerwelt, sind nicht meine Probleme.“

Abgesang auf den Hedonismus

Als Neil Tennant noch ein Teenager war, ängstigte ihn nichts mehr als die Vorstellung, nach einem Fußballspiel gemeinsam mit anderen Jungs unter der Dusche zu stehen. Nachdem der schüchterne Tennant gemeinsam mit Chris Lowe die Pet Shop Boys gegründet hatte, ein Synthie-Pop-Duo, das Teenager-Hymnen am Fließband produzierte, wurde er von pubertierenden Mädchen jedoch als „Sexgott“ verehrt.

Dass er mit Fußball nichts am Hut hatte, hielt die Anhänger des Ruhrgebiet-Clubs Borussia Dortmund allerdings nicht davon ab, ihren Song „Go West“ zum neuen Vereinslied zu erklären. Beim UEFA-Cup-Spiel gegen Bröndby Kopenhagen im Herbst 1993 sangen die Borussen-Fans gleich eine ganze Halbzeit lang den Pet-Shop-Boys-Hit, der in den späten siebziger Jahren schon einmal an der Spitze der Hitparaden gestanden hatte. Damals galt er noch, in der Version der Village People, als Schwulen-Hymne, und die Aufforderung, westwärts zu ziehen, bezog sich auf San Francisco, das Utopia der Gay People. Anlässlich einer Benefizshow für den an Aids erkrankten und später verstorbenen Filmemacher Derek Jarman nahmen ihn dann, mehr als ein Jahrzehnt später, die Pet Shop Boys erneut auf – als Abgesang auf eine Ära des Hedonismus, wie es sie möglicherweise nie wieder geben wird.

Im Gegensatz zum unbekümmerten, flotten Original der als Gay-Band vermarkteten Village People, konnten Fußball-Fans die wesentlich langsamere, traurigere Version der Pet Shop Boys aber mitsingen, ohne gleich aus dem Takt zu geraten. Von Dortmund aus gelangte die neue Fußballhymne über Paris St. Germain nach London, wo sie von Arsenal-Fans aufgegriffen wurde. Als Arsenals Alan Smith 1994 im Finale des Europapokals der Pokalsieger gegen Parma bereits in der 18. Minute das spielentscheidende 1:0 schoss, stimmten sie „Go West“ an und sangen es bis zum Schlusspfiff.

Den Pet Shop Boys war das egal. Sie hätten, so Tennant, „nichts zu gewinnen und nichts zu verlieren“. Es ginge allein darum, „ob wir uns selber amüsieren“.

Homophobie III: Glory, Glory, Hallelujah

Für Elton John war es „der schönste Tag in meinem Leben“, als er 1974 zum Präsidenten des englischen Viertliga-Clubs FC Watford gewählt wurde. Er versprach sich davon wohl, „maskuliner“ und „härter“ zu erscheinen, wie sein Biograf Mark Bego mutmaßt, doch zum Spiel seines Clubs gegen Rochdale zog er sich „wie ein schwuler Clown“ an und tauchte in einem karierten Anzug mit Borten in Grellorange und einer Brille mit pinkfarbenem Gestell im Stadion auf. Zur Melodie von „Glory, Glory, Hallelujah“ sangen die gegnerischen Fans denn auch „Elton John’s a Homosexual“ oder beschimpften ihn lautstark als Schwuchtel.

Elton John hielt das jedoch nicht davon ab, so viel Geld in den Verein zu investieren, bis der in der Premier League spielte, und für ein Elton-Fanzine nackt in der Badewanne der Umkleidekabine des FC Watford zu posieren; auf anderen Fotos waren vier nur in Handtücher gehüllte Spieler zu sehen, die den „Rocket Man“ aus der Wanne hoben.

Wesentlich rüder ging es da schon 1981 beim Auftritt von Prince im Vorprogramm der Rolling Stones zur Sache. Beschränkten sich die Fans am ersten Abend im Los Angeles Coliseum darauf, den damals noch weitgehend unbekannten Musiker mit dem androgynen Image auszubuhen und mit Pappbechern zu bewerfen (weshalb er seinen Auftritt bereits nach 15 Minuten abbrach), so brachten sie am zweiten Abend Obst und andere Wurfgeschosse mit. Als Prince den homoerotisch angehauchten Song „Jack U Off“ anstimmte, entzündete er, so der Prince-Biograf Alex Hahn, „das Pulverfass der schwulenfeindlichen, von Testosteron und Alkohol befeuerten Menge“, und der Band flogen Flaschen mit Orangensaft und Jack Daniel’s, Pampelmusen und halbe Hähnchen um die Ohren. Prince verließ daraufhin, sichtlich schockiert, die Bühne.

Als schlagfertiger erwies sich da Boy George, als jemand bei einem Auftritt in Nordengland rief: „Schwuchtel, runter von der Bühne!“ Der Culture-Club-Sänger, der später „No Clause 28“ schreiben sollte, einen Song, der sich gegen den Plan der britischen Konservativen wandte, öffentlichen Einrichtungen die „Förderung von Homosexualität“ per Gesetz zu verbieten, konterte cool: „Nennt mich, wie ihr wollt. Ich habe jetzt euer Geld, und ich werde mir jede Menge Lidschatten dafür kaufen.“

Homosexualität in Songs

Hats Off To Halford

Mit dem Heavy Metal verhält es sich wie mit dem Fußball – wenn man schwul ist, outet man sich besser nicht. Allein der Judas-Priest-Sänger Rob Halford hat sich bislang zu seiner Homosexualität bekannt. Den Post-Punk Atom and His Package alias Adam Goren beeindruckte das so sehr, dass er den Song „Hats Off To Halford“ darüber schrieb.

Machine Gun

Als ehemaliger Angehöriger der 101. Luftlandedivision war Jimi Hendrix bei den Angehörigen der U.S. Army äußerst beliebt, nicht zuletzt, weil er den Song „Machine Gun“ live „allen Soldaten“ widmete, die in Chicago, Birmingham oder, „ach ja, in Vietnam kämpfen“. Um nicht selbst nach Vietnam eingezogen zu werden, erzählte er 1962 einem Psychiater aber, dass er ständig masturbieren müsse, sich in einen Kameraden verliebt und aus Liebeskummer 15 Pfund abgenommen habe. Hendrix wurde daraufhin prompt entlassen und konnte seiner Karriere nachgehen, in deren Verlauf er in Woodstock auch die amerikanische Nationalhymne „Star Spangled Banner“ spielte und dazu mit der Gitarre den Sound von Bombern imitierte, die über Vietnam Napalm abwarfen.

 

One In A Million

Als schwulenfeindlich gebrandmarkt wurden Guns N’ Roses, weil der aus Indiana stammende Axl Rose im Song „One In A Million“ erzählte, wie er nach seiner Ankunft in Los Angeles von einem Fremden fast vergewaltigt wurde. Die in New York ansässige Aids-Organisation Gay Men’s Health Crisis empfand den Text jedoch als rassistisch und homophob und verzichtete 1989 auf einen Benefiz-Gig der Band.

Kill Your Sons

Lou Reeds Eltern meinten es nur gut mit ihm. Um ihn von seinen homosexuellen Gefühlen und abrupten Stimmungsumschwüngen zu kurieren, schickten sie ihn 1959 zu einem Psychiater, der ihm eine damals sehr populäre Behandlung mit Elektroschocks verordnete. „Der Strom, der durch Lous Körper schoss“, heißt es in Victor Bockris’ Biografie Walk on the Wild Side, „veränderte die Schaltkreise seines Gehirns und verursachte einen fürchterlich anzusehenden Krampfanfall. Als Lou einige Minuten später wieder zu sich kam, war er totenbleich, Speichel rann aus seinem Mund, seine Augen waren rot und tränten“, und als er das Krankenhaus wieder verließ, fühlte er sich wie „Gemüse“. Die Elektroschock-Therapie verarbeitete er später im Song „Kill Your Sons“.

Komm schlaf bei mir

Rio Reiser hatte nie verheimlicht, dass er schwul war, es aber auch nicht für nötig befunden, damit hausieren zu gehen, weil es in der linken Szene der BRD noch als „dekadent und unproletarisch“ galt, wenn man in den frühen siebziger Jahren Männer liebte und die auch noch deutlich jünger waren. Manch einer übersah somit, dass mit dem Song „Komm schlaf bei mir“, der sich auf dem Album Keine Macht für Niemand seiner Band Ton Steine Scherben findet, nicht ein Mädchen, sondern ein Junge aufgefordert wird, über Nacht zu bleiben. Und auch auf dem letzten Album der Scherben appellierte Reiser nicht an eine Frau, als er sang: „Lass uns ’n Wunder sein, ’n wunderbares Wunder sein, nicht nur du und ich allein, könnte das nicht schön sein.“ Die Fans mussten also schon sehr genau hinhören, um diesen kleinen Unterschied zu entdecken, und es gab nicht wenige Frauen, die sich in Rio verliebten, weil er nicht nur zum Klassenkampf aufrief, sondern auch Gefühle so eindringlich artikulierte wie kaum ein anderer.

Die 7 schönsten Liebeslieder von Rio Reiser und Ton Steine Scherben

1. Halt dich an deiner Liebe fest

2. Schritt für Schritt ins Paradies

3. Übers Meer

4. Lass uns ’n Wunder sein

5. Komm schlaf bei mir

6. Für immer und dich

7. Ich denk an dich

10 Schwulen-Hymnen

1. Village People: Y.M.C.A.

Der Casting-Band, die mit Blick auf eine homosexuelle Zielgruppe zusammengestellt wurde, gehörten ein Polizist, ein Cowboy, ein Indianer, ein Bauarbeiter, ein Soldat und ein Lederrocker an, die maskuline Stereotypen verkörperten. Ihr Song „Go West“, der später von den Pet Shop Boys gecovert wurde, war ein Aufruf an alle Schwulen, nach San Francisco zu kommen und sich der dortigen Subkultur anzuschließen. In Songs wie „Y.M.C.A.“ oder „In The Navy“ thematisierten sie die latente Homosexualität von Männerbünden. Als herauskam, dass bis auf den Indianer keiner von ihnen schwul war, war dies für ihre Karriere aber nicht hinderlich. Anlässlich der WM 1994 nahmen die Village People gemeinsam mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft den Song „Far Away In America“ auf.

2. Tom Robinson – Glad To Be Gay

Der aus Cambridge stammende Tom Robinson bekannte sich von Anfang an zu seiner Homosexualität und hatte mit „Glad To Be Gay“ einen großen Hit in England. Wie Steve Blame in seiner Autobiografie schreibt, wurde seine erste Single „2 – 4 – 6 – 8 Motorway“, textlich leicht verändert, zum Schlachtruf schwuler Demonstranten: „2 – 4 – 6 – 8 is your Seargent really straight“.

3. Dead Fingers Talk – Nobody Loves You When You’re Old And Gay

Die nach einem Roman von William S. Burroughs benannte Punk-Band aus dem englischen Hull war von David Bowie und Lou Reed beeinflusst und wurde von Bowies Gitarristen Mick Ronson produziert. Mit diesem Song thematisierte sie das im Titel angesprochene Problem.

4. The Cretins – Samen im Darm

Die musikalisch an die frühen Clash erinnernde hannoversche Punk-Band existierte nur eine Single lang, ihr Song „Samen im Darm“ wurde aber von den Ärzten gecovert und enthält den Refrain: „Mir ist so warm im Darm, ich habe Samen im Darm.“

5. Bronski Beat – Smalltown Boy

Der von Jimmy Somerville geschriebene Song beschrieb anschaulich die Erfahrungen eines Kleinstadt-Jugendlichen, der sich seiner Homosexualität bewusst wird und dem deshalb übel mitgespielt wird. Um keinen Zweifel daran zu lassen, wie der Song gemeint war, wurde auf dem Cover ein rosa Winkel abgebildet, wie ihn Homosexuelle unter den Nazis zu tragen hatten, als Pendant zum gelben Stern, mit dem Juden sich kennzeichnen mussten.

6. Erasure – Chains Of Love

Mit diesem Song warb das britische Synthie-Pop-Duo, das aus Vince Clarke (Ex-Depeche Mode) und der späteren Gay-Ikone Andy Bell bestand, für eine größere Akzeptanz schwuler Pärchen.

7. Army Of Lovers – Crucified

Die New Yorker Village Voice bezeichnete diesen Song der „bisexuellen“ schwedischen Disco-Truppe als „ultimative Schwulen-Hymne“.

8. Cake – I Will Survive

Gloria Gaynors Disco-Hit aus dem Jahr 1980 wurde u.a. von Diana Ross, Robbie Williams und den Pussycat Dolls gecovert, war in zahlreichen Filmen zu hören und dürfte die bekannteste Schwulen-Hymne sein. Die beste Version stammt von der kalifornischen Rock-Band Cake und wurde 1996 auf ihrem zweiten Album Fashion Nugget veröffentlicht.

9. Gossip – Men In Love

Beth Dittos Queercore-Band beschränkte sich nicht darauf, mit „Men In Love“ eine „neue Schwulen-Hymne“ zu schreiben, sondern protestierte mit dem Album Standing In The Way Of Control auch gegen eine Entscheidung der Bush-Administration, die Zulassung von Homo-Ehen wieder rückgängig zu machen.

10. Lady Gaga – Born This Way

Als US-Präsident Barack Obama den Juni 2011 zum Monat der Schwulen und Lesben, Bi- und Transsexuellen erklärte, lag er inhaltlich voll auf der Linie von Lady Gaga, die mit ihrem Hit „Born This Way“ kurz zuvor zur neuen Stimme der Schwulen und Lesben avanciert war. Glaubt man Elton John, dann hat der Song das Zeug, „I Will Survive“ als größte Gay-Hymne aller Zeiten abzulösen.

… und dann war da noch

Kurt Cobain, der zu einem Bußgeld von 180 Dollar und 30 Tagen Gefängnis auf Bewährung verurteilt wurde, nachdem man ihn Mitte der 1980er in Aberdeen wegen Vandalismus verhaftet hatte. Stein des Anstoßes: Er hatte die Parolen „Gott ist schwul“ und „Homo-Sex ist geil“ auf Autos gesprüht.

Die Top 10 der Frauen, die Frauen lieben

Alicia Keys konnte schon 2002 „mit definitiver Sicherheit“ behaupten: „Ich bin nicht lesbisch.“ Das konnten nicht alle Sängerinnen von sich sagen. Und das wollen auch nicht alle.

1. k.d. lang

Die buddhistische Vegetarierin erregte nicht nur mit ihrer Musik Aufsehen, sondern auch dadurch, dass sie sich schon sehr früh dazu bekannte, lesbisch zu sein. Nachdem die gebürtige Kanadierin einen Grammy als beste Country-Sängerin erhalten und zum Abschluss der Winter-Olympiade in Calgary ihren Song „Turn Me Round“ gesungen hatte, outete sie sich als Lesbe und machte trotzdem unaufhaltsam Karriere. Wenn sie von Radio-Sendern ignoriert wurde, dann nicht wegen lesbischer Texte, sondern weil sie sich 1997 auf einem Konzeptalbum gegen ein öffentliches Rauchverbot aussprach, obwohl sie selbst Nichtraucherin war.

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