Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

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e) Härtefallfonds

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Üblich ist auch die Einrichtung von Härtefallfonds, auf die der Arbeitgeber einzahlt, um besondere soziale Härtefälle ausgleichen zu können. Ein solcher wurde in 31 % der befragten Unternehmen eingerichtet. Ein Härtefonds trägt zur Beschleunigung des Sozialplanverfahrens bei, indem der Sozialplan nicht mit individuellen Detailregelungen überfrachtet wird. Dennoch wird hierbei die erforderliche Einzelfallbezogenheit sichergestellt. Die zur Verfügung gestellten Mittel und ein Rahmen für die Verteilungskriterien im Zusammenhang mit Härtefonds werden oftmals in Sozialplänen vereinbart. Der Mitarbeiter hat dann zwar keinen Individualanspruch auf Leistungen aus dem Fonds, kann aber eine Auszahlung beantragen bzw. bekommt diese durch die eigens vorgesehene Stelle zugeteilt. Allerdings ist im Rahmen von Härtefallfonds in der Praxis die Umverteilung der Masse problematisch und der Betriebsrat will sich in der Regel jedenfalls ein Mitspracherecht, wenn nicht sogar die Entscheidungshoheit vorbehalten.

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Die Auswertung ergab, dass 50 % der Teilnehmer einen Härtefallfonds von weniger als 50.000 EUR und insgesamt 83 % weniger als 100.000 EUR zur Verfügung stellten. Bei 17 % war der Fonds sogar mit über 200.000 EUR ausgestattet. Der Umfang des Fonds hängt dabei auch wesentlich von der Größe des Unternehmens bzw. der Zahl der betroffenen Mitarbeiter ab.

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Nahezu 18 % der Teilnehmer sahen in ihrem Sozialplan Halteprämien bzw. Retention Boni vor. Dabei handelt es sich um ein gängiges Instrument, um Mitarbeiter mit besonderem Fachwissen bis zu ihrem Ausscheiden länger auf ihrer Stelle zu halten, wenn dies unter Umständen auch im Zuge einer zeitlichen Überbrückung für den Betrieb notwendig ist. Die Höhe der Halteprämien bewegte sich in einem Rahmen von bis zu 20.000 EUR, sofern ein Fixbetrag vorgesehen war. Auch hier gab es wieder dynamische Prämien, die entweder an monatliche Anwesenheitstage oder das Bruttomonatsgehalt anknüpften.

f) Freiwilligenprogramm

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Gemäß der Umfrage wurde auch regelmäßig ein sog. Freiwilligenprogramm zur Verfügung gestellt, worunter die Durchführung eines Personalabbaus durch einen systematischen Abschluss von Aufhebungsverträgen zu verstehen ist. Ein Freiwilligenprogramm kann sowohl losgelöst vom Sozialplan angeboten als auch im Rahmen der Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat entsprechend verhandelt werden.

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Das Freiwilligenprogramm verstößt per se nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es ist den Betriebsparteien nicht untersagt, neben dem Sozialplan auch andere finanzielle Anreize zu setzen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass der Abschluss einer größeren Anzahl von Aufhebungsverträgen zu einer Massenentlassung im Sinne von § 17 KSchG führen kann. Ein Aufhebungsvertrag, den der Arbeitgeber veranlasst hat, stellt eine Entlassung in diesem Sinne dar. Damit ist auch in diesen Fällen eine Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit notwendig.

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Wie bereits ausgeführt, war nach Auswertung der Sozialplanstudie ein schnelles Erreichen der Abbauziele in 75 % der Unternehmen mit einem Freiwilligenprogramm ein Grund für das Angebot eben eines solchen. Hierfür spielte auch die positive Erfahrung aus der Vergangenheit bei knapp 60 % der Unternehmen eine gewichtige Rolle. Überraschenderweise wurde in über 8 % der Fälle das Freiwilligenprogramm durch den Betriebsrat eingefordert.

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Wesentliche Gründe für das Angebot eines Freiwilligenprogramms waren vor allem:

 – schnelles Erreichen der Abbauziele;

 – positive Erfahrungen aus der Vergangenheit;

 – Verbesserung der Verhandlungsposition mit dem Betriebsrat.

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Wie nach alldem zu erwarten war, wurden in 90 % der Fälle die gesetzten Ziele durch das Freiwilligenprogramm erreicht. Entscheidender Faktor bei der Ausgestaltung des Freiwilligenprogramms waren zusätzliche Abfindungen. Daneben wurden bei einem knappen Drittel Outplacement-Beratungen angeboten.

g) Branchenspezifische Besonderheiten

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Obwohl die angebotene Leistung vor allem von Unternehmensgröße und -umsatz abhängt, waren doch branchentypische Tendenzen zu verzeichnen:

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Die Abfindungssummen in der Medienbranche, im Pharma- und Gesundheitswesen sowie im Bau- und Immobiliensektor wiesen beispielsweise keine großartigen Besonderheiten auf und fielen durchschnittlich aus; im Schnitt wurden hier für die Abfindung ein Faktor von 1,0 Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr zugrunde gelegt und Mindestbeträge von 5.000 EUR brutto bis hin zu Höchstbeträgen von 150.000 EUR brutto bezahlt.

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Im Gegensatz dazu wurden – sicherlich wenig überraschend – die höchsten Mindest- und Höchstabfindungsbeträge im Bank- und Finanzdienstleistungssektor angeboten. Die Vertreter dieser Branche gaben in der Umfrage Mindestbeträge von 20.000 EUR brutto bis hin zu Höchstbeträgen von 2.500.000 EUR brutto an.

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Im Übrigen fielen insbesondere bei den Berechnungsmethoden branchentypische Tendenzen auf. In der Automobilbranche sowie dem Bank- und Finanzdienstleistungssektor wurde die Abfindung in mehr als 50 % der Fälle unter Berücksichtigung des Alters des betroffenen Mitarbeiters berechnet; vor allem wird dabei auf eine Staffelung des Faktors nach Altersgruppen zurückgegriffen: Dieser steigt in einigen Fällen bis zu einer Höhe von 2,0 Bruttomonatsgehältern je Jahr der Betriebszugehörigkeit an und fällt für rentennahe Altersgruppen dann wieder ab.

4. Outplacement-Beratung

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Unter Outplacement-Beratung ist eine praktische Unterstützung des Betroffenen bei der Suche nach einem passenden neuen Job zu verstehen. Nach langjähriger Tätigkeit bei einem Arbeitgeber können die meisten Beschäftigten weder ihren Marktwert, noch die Chancen einschätzen, die der aktuelle Arbeitsmarkt ihnen bietet. Daher erleben die meisten Beschäftigten Veränderungen zunächst als Bedrohung und halten an Bekanntem fest.

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Genau hier setzt eine Outplacement-Beratung an. Gemeinsam mit dem Berater erarbeiten die Betroffenen basierend auf ihrer Qualifikation, ihren Stärken und Wünschen eine neue berufliche Perspektive sowie eine passende Bewerbungsstrategie und Bewerbungsunterlagen. Auch bei allen weiteren Schritten wie der Vor- und Nachbereitung von Vorstellungsgesprächen, Vertragsverhandlungen und der Entscheidung für ein Angebot steht der Berater dem Jobsuchenden zur Seite. Outplacement erhöht die Chance, einen neuen Job zu finden, maßgeblich. So zeigt beispielsweise die Statistik des deutschen Marktführers im Outplacement, von Rundstedt, dass die Klienten mit Hilfe der Beratung doppelt so schnell einen neuen Job finden wie jene Arbeitnehmer, die keine Beratung in Anspruch nehmen.

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Das Angebot einer Outplacement-Beratung gibt Beschäftigten Sicherheit und erhöht die Bereitschaft, das Unternehmen „im Guten“ zu verlassen. Outplacement ist damit ein geeignetes Instrument, um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Darüber hinaus wirkt sich diese faire und wertschätzende Gestaltung des Trennungsprozesses positiv auf die Motivation und Bindung der verbleibenden Mitarbeiter aus.

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Laut Umfrage zeigt sich: Wer bereits in der Vergangenheit Erfahrungen mit der Outplacement-Beratung gemacht hat, greift gerne wieder darauf zurück. 69 % der Teilnehmer sahen es als ein bewährtes Instrument im Rahmen des Sozialplans an.

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Wesentliche Gründe für das Angebot eines Outplacement waren vor allem:

 – positive Erfahrungen aus der Vergangenheit;

 – schnelles Erreichen der Abbauziele;

 – Verbesserung der Verhandlungsposition mit dem Betriebsrat.

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Was aber kostet die Outplacement-Beratung? So flexibel der Sozialplan selbst ist, so flexibel sind die Möglichkeiten, dementsprechend weit ist das Preisspektrum. Die Umfrage aber zeigt, dass nach oben viel Spielraum ist: Wer seinen Beschäftigten eine umfassende Beratung bieten will, der muss dafür auch tiefer in die Tasche greifen. Das ist aber eher eine Ausnahme: Die Hälfte der Teilnehmer bot Pakete zwischen 2.500 EUR und 5.000 EUR pro Mitarbeiter an.

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Mehr als 40 % der Teilnehmer mit Sozialplan boten allen Betroffenen eine solche Möglichkeit, nicht nur einer ausgewählten Gruppe.

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Frühzeitig eingebunden, unterstützen entsprechende Anbieter nicht nur bei der Auswahl passender Beratungsangebote für den Sozialplan und die Belegschaft, sondern auch bei der Implementierung eines fairen und wertschätzenden Trennungsprozesses. Dies kann in vielen Fällen dann auch den Durchbruch in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat bedeuten.

5. Transfergesellschaften

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Transfergesellschaften scheinen gemäß Umfrage eine nachrangige Rolle in Sozialplänen zu spielen. Nur ein Fünftel der Teilnehmer gab in der Umfrage an, in ihrem Sozialplan eine Transfergesellschaft bzw. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft vorgesehen zu haben.

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Die Transfergesellschaft wird als eigene Gesellschaft gegründet, um Mitarbeiter in ein maximal auf zwölf Monate befristetes, sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu übernehmen, die vor der Kündigung stehen (§ 111 SGB III). Die Gründung der Gesellschaft erfolgt in wenigen Tagen nach entsprechender Anmeldung bei der Agentur für Arbeit, ohne dass eine Eintragung in das Handelsregister erforderlich ist. Voraussetzung für die Gründung einer Transfergesellschaft ist, dass mindestens 5 % der Belegschaft von der Restrukturierung betroffen ist.

 

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Die Mitarbeiter werden nach Gründung im Rahmen eines sog. dreiseitigen Vertrags rechtssicher auf die Transfergesellschaft übergeleitet. Im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses werden Profile der Mitarbeiter erstellt, um diese am Arbeitsmarkt zu vermitteln. Die „Transfer-Mitarbeiter“ erhalten während dieses Beschäftigungsverhältnisses Transferkurzarbeitergeld, das ungefähr 60–70 % des letzten Nettogehalts beträgt und damit der Höhe nach in etwa dem Anspruch auf Arbeitslosengeld I entspricht. Dieses wird in der Regel auf 80 % des letzten Netto-Gehalts aufgestockt. Die Verweildauer der Mitarbeiter in der Transfergesellschaft beträgt in der Regel deren doppelte individuelle Kündigungsfrist beim alten Arbeitgeber, bis maximal zwölf Monate.

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Vorteile für die Mitarbeiter:

 – Der Wechsel in die Transfergesellschaft hat keine negativen Auswirkungen auf den Bezug von Arbeitslosengeld I.

 – Die Mitarbeiter erhalten eine unabhängige und individuelle Beratung zu ihren Qualifikationsbedarf sowie Unterstützung bei der Suche nach passenden Angeboten.

 – Die Mitarbeiter können Praktika und Probearbeitszeiten absolvieren und innerhalb der Transferzeit jederzeit wieder in die Transfergesellschaft zurücckehren, wenn sich daraus kein neuer Anstellungsvertrag ergibt.

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Vorteile für das Unternehmen:

 – Durch Einsatz des Instruments Transfergesellschaft wird der geplante Personalabbau rechtssicher zu einem festgelegten Termin realisiert.

 – Zu diesem Termin fallen damit auch die Gehälter weg. Es bleiben lediglich die Aufstockungskosten übrig, durch die das staatliche Transferkurzarbeitergeld für die Mitarbeiter auf durchschnittlich 80 % ihres ursprünglichen Nettogehalts angehoben wird.

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In der Gesamtrechnung zeigt sich, dass Unternehmen sogar – abhängig von den jeweiligen Mitarbeiterstrukturdaten – Geld sparen können, wenn sie den Personalabbau über eine Transfergesellschaft umsetzen, anstatt diesen auf dem Wege einer betriebsbedingten Kündigung durchzusetzen. Zudem kann damit eine Sozialauswahl und somit der ungewollte Verlust gewünschter Arbeitnehmer vermieden werden.

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So gibt es hier Modelle, nach denen Transfergesellschaften derart ausgestaltet werden, dass die gesamten Transferkosten einschließlich aller weiteren Kostenbestandteile, z.B. Verwaltungs-, Qualifizierungskosten (für Seminare, Workshops und Weiterbildungskurse), Gehälter, Aufstockungsbeträge etc., maximal der Summe der aggregierten Kündigungsfristgehälter entsprechen.

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Damit gelingt es Unternehmen, ein Transfermodell mindestens kostenneutral zu finanzieren und ihren Mitarbeitern sämtliche Leistungen der beruflichen Neuorientierung zu bieten. Gleichzeitig wird dadurch das Risiko von Kündigungsschutzklagen und den damit verbundenen Kosten und Verzögerungen des Abbauprozesses reduziert.

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Die Erfahrung zeigt ferner, dass neben einer effizient gestalteten Transfergesellschaft auch ein auf das jeweilige Projekt abgestimmter Maßnahmenplan inkl. Kommunikationskonzept entscheidend für den nachhaltigen Maßnahmenerfolg sind. Dies umfasst auch ein Training der umsetzungsverantwortlichen Führungskräfte in dem Führen von Retentions- und Trennungsgesprächen gleichermaßen.

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Eine zugeschaltete Steuer- oder Rentenberatung im Rahmen der Entscheidungsfindungsphase gekoppelt mit einer sog. Orientierungs- oder Perspektivenberatung sorgt zudem für eine zügige Mobilisierung der gewünschten Zielgruppe im Rahmen von Freiwilligenprogrammen.

6. Erkenntnisse aus der Umfrage

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Der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil stellte bereits im Zusammenhang mit der Digitalisierung fest, dass wir „... eine Verschiebung von Machtverhältnissen: zwischen Regierungen und Bürgern und Bürgerinnen, zwischen Nationalstaaten und mitunter global agierenden Unternehmen, zwischen Produzenten und Konsumenten, aber auch zwischen Menschen und Maschinen“ erleben. Diese Verschiebung der Machtverhältnisse macht auch nicht vor der Arbeitswelt halt und stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Wie aus der Umfrage hervorgeht, lässt diese Entwicklung auch einzelne Mitarbeiter nicht unberührt und spielt für Sozialplanverhandlungen eine maßgebende Rolle.

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Folglich heißt es bei kleinen sowie großen Um- bzw. Neustrukturierungen wirtschaftliche Nachteile für die Mitarbeiter möglichst gering zu halten bzw. diese entsprechend auszugleichen.

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Die vereinbarten Maßnahmen und angebotenen Leistungen im Rahmen der Sozialpläne führen im Ergebnis zu einer großen Zufriedenheit. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Anfang an ist für die Betriebsparteien, insbesondere aber für die Unternehmen, auch ein Effizienzgewinn. Zwar muss seitens der Betriebsparteien unter Umständen Zeit und Mittel in Sozialplanverhandlungen investiert werden, doch selbst bei Personalabbaumaßnahmen sind diese Ziele für alle Betriebsparteien zufriedenstellend erreicht worden. Da der oftmals als Regelabfindung herangezogene Berechnungsfaktor von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr längst überholt ist, müssen Unternehmen hier unter Umständen tiefer in Tasche greifen. Der Mehrwert liegt auf der Hand: Gestaltet man die im Rahmen des Sozialplanes angebotenen Leistungen, wie Abfindungssummen und weitere Zuschläge, für die betroffenen Mitarbeiter attraktiv und zeigt ihnen berufliche Perspektiven außerhalb des Unternehmens auf, lassen sich auch langwierige und kostspielige Kündigungsschutzprozesse vermeiden. Damit steht für alle Betriebsparteien und die betroffenen Mitarbeiter fest: Die Investition in Sozialpläne vermeidet weitere Konflikte in der Zukunft und zahlt sich somit aus.

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So positiv die Auswirkungen eines Sozialplans sein können, so schwierig kann es sein, diesen mit einem für beide Seiten vernünftigen Ergebnis in Krisensituationen zu verhandeln. Denn in Krisenzeiten stehen die handelnden Personen unter extremem Zeit- und Kostendruck, sind angespannt und die (betroffenen) Arbeitnehmer beunruhigt und unsicher. Auch spielen persönliche Empfindungen in diesen Verhandlungen oftmals eine erhebliche Rolle. Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, dass die Betriebsparteien schon – präventiv – vor Eintritt einer Krise und der zwingenden Erforderlichkeit für den Abschluss eines Sozialplans Rahmenbedingungen vereinbaren, unter deren Berücksichtigung in Krisenzeiten gehandelt werden soll. Beispielsweise können in diesen Bedingungen zeitliche Abläufe für die Verhandlungen oder aber auch der Umgang der Betriebsparteien insgesamt miteinander geregelt werden. Im Einzelnen kann bzw. sollte zwar noch kein „Mustersozialplan“ aufgestellt werden, da dies immer eine Einzelfallentscheidung sein muss. Die tatsächlich eintretenden Nachteile für die Arbeitnehmer und das wirtschaftliche Umfeld sind insoweit noch nicht vorhersehbar. Wenn sich die Betriebspartner aber bereits vor Eintritt der tatsächlichen Krisensituation abstrakt über Maßnahmen und Abläufe ausgetauscht haben und sich für den Eintritt der Krise einen „Rahmen“ gegeben haben, erleichtert dies die Verhandlungen und den Umgang miteinander in schwierigen Situationen sehr.

1 BAG, 26.5.2009 – 1 AZR 198/08 bzw. 23.3.2010 – 1 AZR 832/08; EuGH, 6.12.2012 – C152/11.

II. Berechnung des Ausgleichs wirtschaftlicher Nachteile aus Sicht des Betriebsrats
1. Einleitung

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„Der beste Sozialplan ist der, den man nicht benötigt.“ So oder so ähnlich wird die Sozialplanthematik Betriebsratsgremien im Falle von Betriebsänderungen aus Arbeitnehmersicht häufig vermittelt. Damit möchte man dem Grundgedanken der ergebnisoffenen Beratungen nach § 111 BetrVG Ausdruck verleihen, wonach die Zielsetzung des Gremiums im Rahmen einer Betriebsänderung nicht in der Maximierung der Abfindungen liegen muss. Im erfolgreichsten Fall kann auch die Minimierung der Menschen mit tatsächlichem wirtschaftlichen Nachteil als Ergebnis stehen.

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Die Praxis zeigt, dass dieser Vorsatz jedoch nur in wenigen Fällen derart umgesetzt werden kann, dass eine angekündigte Betriebsänderung tatsächlich am Ende ohne wirtschaftliche Nachteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Realität wird. Eine wirtschaftliche Mitbestimmung des Betriebsrats ist bekannterweise vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Insofern gilt es, in der Regel die wirtschaftlichen Nachteile von Betroffenen im Rahmen von Sozialplanverhandlungen durch das Betriebsratsgremium zu bewerten und entsprechende Forderungen in den Beratungen mit dem Arbeitgeber durchzusetzen.

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Dabei sind verschiedene Aspekte bei der Bemessung eines angemessenen Sozialplanes zu berücksichtigen und somit auch in der Aufstellung einer vertretbaren und begründbaren Forderung im Blick zu behalten sowie betriebs- bzw. fallindividuell anzupassen. Generell sind zwischen populären Höchstforderungen, die vor allem aus den Medien in Form von „goldenen Handschlägen“ bekannt sind, und klassisch niedrig angesetzten Arbeitgeberangeboten realistische Kompromisse zu finden und auszutarieren.

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Grundlage für die Diskussionen sind die unbestimmten Vorgaben durch Gesetzgeber und Rechtsprechung, die bewusst offengehalten sind und nur grobe Leitplanken setzen: Einerseits darf der Sozialplan keine über den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile hinausgehenden Leistungen vorsehen. Andererseits verlangt § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, dass der Sozialplan – unter dem Vorbehalt seiner wirtschaftlichen Vertretbarkeit – zumindest so dotiert ist, dass seine Leistungen eine effektive Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Beschäftigten darstellen. Es muss sich um eine im Verhältnis zu den Nachteilen substanzielle, spürbare Entlastung der Beschäftigten handeln.1

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Die wirtschaftlichen Nachteile sind in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes vor allem im Lichte der zukunftsbezogenen Überbrückungsfunktion zu sehen.2 Die in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts teilweise herangezogene vergangenheitsbezogene Entschädigungsfunktion3 ist hingegen mittlerweile nicht mehr zentraler Bestandteil der höchstrichterlichen Betrachtungen. Gleichwohl findet das Prinzip der Vergangenheitsbetrachtung auch heute noch in den gängigen Formeln der Abfindungsberechnung Berücksichtigung, indem die Betriebszugehörigkeit zumeist maßgeblich die Höhe der Abfindungsleistung mitdefiniert.

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Zur Berechnung der anzunehmenden wirtschaftlichen Nachteile aus Sicht des Betriebsrats sind dabei mit dem Blick des externen Beraters vor allem drei verschiedene Dimensionen im Blick zu behalten. Diese weisen – schematisch gesehen – eine betriebliche, unternehmerische sowie individuelle Dimension auf und sollen nachfolgend erläutert werden.