Fälle zum Recht der Leistungsstörungen

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b) §§ 823 ff. BGB gegen L und F (anspruchsbegründende Voraussetzungen bis auf Schaden)?

Darüber hinaus kommen sowohl gegen F als auch gegen L deliktische Ansprüche in Betracht, weil in der Zerstörung der Vase zugleich eine unerlaubte Handlung gemäß § 823 I BGB zu sehen ist. Hinsichtlich L erscheint eine eigene Haftung aus § 823 I BGB indes nur denkbar, wenn man in der vertraglichen Zusicherung gegenüber V die Begründung einer Rechtspflicht zur Gefahrenabwendung erblickt, die er schuldhaft unterlassen hat. Jedenfalls kommt § 831 BGB in Betracht, weil F Verrichtungsgehilfe des L ist. Zur Exkulpation gemäß § 831 I 2 BGB hat L bislang nichts vorgetragen.

Exkurs: Dem F wird man jedoch im Innenverhältnis zu L einen Freistellungsanspruch zu gewähren haben. Dies folgt aus dem arbeitsrechtlichen Grundsatz des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, wonach der Arbeitnehmer, der bei Wahrnehmung seiner geschuldeten Arbeitsleistung leicht fahrlässig einen Schaden verursacht, gegenüber dem Arbeitgeber nicht haftet.

Da L und F gegenüber V als Gesamtschuldner gemäß §§ 421 ff. BGB anzusehen sind (L: § 425 HGB und ggf. § 831 BGB; F: § 823 BGB) und die genannten arbeitsrechtlichen Grundsätze im (Außen-)Verhältnis zu V freilich keine Geltung erlangen können, kann F gemäß § 426 I 1 BGB im Innenverhältnis von L verlangen, von der Haftung gegenüber V freigestellt zu werden (Besonderheiten des Arbeitsrechts = „ein anderes bestimmt“ gemäß § 426 I 1 BGB). Aus eben diesen Besonderheiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gilt auch § 840 II BGB im Verhältnis Arbeitnehmer-Arbeitgeber nicht.[33]

c) Schaden des V?

Fraglich ist jedoch, ob dem V durch die Zerstörung der Vase ein adäquat kausaler Schaden, wie er zur Anspruchsbegründung sowohl von § 425 HGB als auch den §§ 823 ff. BGB vorausgesetzt wird, entstanden ist.

Nach der den §§ 249 ff. BGB grundsätzlich zugrundeliegenden Differenzhypothese ist zur Feststellung eines Schadens die infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen Vermögenslage zu vergleichen, die (hypothetisch) ohne jenes Ereignis eingetreten wäre.[34] Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst, wobei es nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage insgesamt geht.[35] Liegt insoweit eine negative Differenz vor, ist ein entsprechender Schaden zu bejahen.[36]

Vor der Zerstörung der Vase, die einen objektiven Wert von 600 Euro hatte, traf den V die vertragliche Verpflichtung, diese an K gegen Zahlung von 500 Euro zu übereignen. Aufgrund des Übergangs der Preisgefahr gemäß § 447 BGB ist V auch nach dem Unfall weiterhin Inhaber des Kaufpreisanspruchs in Höhe von 500 Euro geblieben. Auf Seiten des V stellen sich die Vermögensverhältnisse mithin vor und nach dem schädigenden Ereignis gleich dar.

Bei der Schadensberechnung hat dabei freilich außer Betracht zu bleiben, dass V im Zeitpunkt des Unfalls noch Eigentümer der 600 Euro werten Vase war. Denn schuldrechtlich war diese mit Abschluss des Kaufvertrags bereits nicht mehr seinem, sondern dem Vermögen des K zugewiesen (§ 433 I 1 BGB).

Nach der Differenzhypothese hat V mithin keinen Schaden erlitten, weil sich an seiner Vermögenslage auch nach dem Unfall nichts geändert hat. Ein Anspruch des V besteht daher weder gegen L aus § 425 BGB oder § 831 noch gegen F gemäß § 823 BGB.

3. Drittschadensliquidation?

Möglicherweise kann V jedoch den Schaden des K gegenüber F bzw. L nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation geltend machen.

a) Dogmatische Begründung und Voraussetzungen

Denn es wäre mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn ein Schädiger nur deshalb nicht zum Ersatz eines von ihm verursachten Schadens verpflichtet werden kann, weil der Eigentümer der beschädigten Sache aufgrund schuldrechtlicher Anspruchs- und Gefahrtragungsnormen keinen Schaden davonträgt, während dem eigentlich geschädigten Dritten mangels Eigentums an der Sache oder vertraglicher Beziehung zum Schädiger kein eigener Anspruch gegen diesen zusteht. Daher muss der dinglich Berechtigte (hier: V) zumindest dann zur Geltendmachung des Schadens des faktisch Geschädigten (hier: K) berechtigt sein, wenn letzterem aufgrund obligatorischer Risikoverteilung keinerlei Rechte gegenüber dem Schädiger zustehen (Drittschadensliquidation).

b) Eigener Anspruch des K gegen L aus § 421 I 2 Hs. 1 HGB?

K könnte jedoch einen Anspruch gegen L aus § 421 I 2 Hs. 1 HGB haben. Hiernach kann der Fracht-Empfänger im Falle der Beschädigung des Transportgutes oder dessen Verlusts, die Ansprüche aus dem Frachtvertrag im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend machen.

Mit Blick auf den Wortlaut der Norm ist indessen fraglich, ob hiernach dem Fracht-Empfänger tatsächlich ein eigener Anspruch gegen den Frachtführer gewährt wird. Denn die Formulierung „im eigenen Namen“ legt nahe, in § 421 I 2 Hs. 1 HGB lediglich eine Ermächtigung zur Einziehung fremder Rechte und damit eben gerade keinen eigenen Anspruch zu erblicken.

Demgegenüber lässt sich aus dem Verfügungsrecht des Empfängers gemäß § 418 II 2, I HGB schließen, dass es sich bei einem Frachtvertrag um einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß §§ 328 ff. BGB handeln muss, der dem Dritten typischerweise einen eigenen Anspruch gegenüber dem Versprechenden (hier: L) gewährt (vgl. § 328 I BGB). Insbesondere das aus § 418 I 2 Var. 2 HGB folgende Weisungsrecht des Empfängers gegenüber dem Frachtführer, der gerade nicht Vertragspartner des Empfängers ist, ist dogmatisch nur zu rechtfertigen, wenn Letzterem aus dem zwischen Versender und Frachtführer geschlossenen Frachtvertrag auch entsprechende eigene Ansprüche gegen den Frachtführer zustehen. Entsprechendes folgt aus dem Umstand, dass der Absender gemäß § 421 I 2 Hs. 2 HGB weiterhin zur Geltendmachung seiner Ansprüche befugt bleibt. Dies entspricht nämlich dem Charakter eines echten Vertrags zugunsten Dritter i.S.v. § 328 BGB, bei dem der Versprechensempfänger (hier: V) gerade Gläubiger des Vertrags bleibt.[37]

Die Bestimmung des § 421 I 2 HGB gewährt dem Empfänger des Transportgutes mithin einen eigenen Anspruch gegen den Frachtführer; Absender und Empfänger sind Gesamtgläubiger i.S.v. §§ 428 ff. BGB.[38] Die Grundsätze der Drittschadensliquidation sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 421 HGB mithin nicht anwendbar.

4. Zwischenergebnis

K hat insgesamt nur eine wirksame synallagmatische Gegenforderung i.S.v. § 320 BGB gegen V, und zwar auf Abtretung des Anspruchs gegen den Versicherer in Höhe von 520 Euro aus § 285 I BGB.

III. Rechtsfolge

K kann nach alldem die Erfüllung seiner Leistungspflicht bis zur Bewirkung der Gegenleistungspflicht des V (= Abtretung des Anspruchs gegen den Versicherer) Zug um Zug verweigern, ohne dass er hierdurch in Verzug gerät. Da es sich bei § 320 BGB um eine Einrede im materiellen Sinne handelt, muss sich der Schuldner auf diese auch berufen. Dies hat K jedenfalls konkludent gemacht, indem er die Zahlung mit Hinweis auf die Pflicht des V verweigerte.

D. Ergebnis

V kann Zahlung der 500 Euro gemäß § 433 II BGB von K verlangen, während K die Leistung bis zur Bewirkung der von V gemäß § 285 I BGB geschuldeten Gegenleistung (Abtretung des Anspruchs gegen den Versicherer in Höhe von 520 Euro) verweigern kann. Tritt V den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag an K ab, muss dieser Zug um Zug 500 Euro an V zahlen.

Exkurs zur Drittschadensliquidation: Fallen in Drei-Personen-Konstellationen (Schädiger-Gläubiger-Dritter) Schaden und Anspruch auseinander, so erfolgt der Interessenausgleich über die gesetzlich nicht geregelten Grundsätze der Drittschadensliquidation, wenn der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs keinen Schaden erleidet, weil dieser von einem Dritten getragen wird, dem wiederum kein eigener Anspruch gegen den Schädiger zusteht. Dabei muss das Auseinanderfallen von Anspruch und Schaden aus Sicht des Schädigers zufällig erfolgen, d.h. aufgrund eines zwischen Gläubiger und Dritten bestehenden Schuldverhältnisses, kraft dessen der Dritte die wirtschaftliche Gefahr der Ordnungsgemäßheit der Leistung des Gläubigers zu tragen hat.[39] Letzterer vermag in derartigen Fällen den Schaden des Geschädigten gegenüber dem Schädiger in Rechnung zu stellen und den Schadensersatz an den Dritten auszukehren oder diesem die Forderung gegen den Schädiger gemäß § 285 BGB analog abzutreten, auf Leistung an den Geschädigten zu klagen oder diesen zur Einziehung zu ermächtigen. Insbesondere folgende Konstellationen sind von Bedeutung:[40]


1. § 447 BGB (Ausnahme: § 421 I 2 HGB, s.o.).
2. § 644 I BGB (Besteller ist durch Einbau schon Eigentümer der Sache, Werkunternehmer trägt bis zur Abnahme die Gefahr des zufälligen Untergangs, so dass bei Beschädigung der Sache durch einen Dritten der Eigentümer zwar den Anspruch, aber keinen Schaden hat, weil der Werkunternehmer weiterhin zur Herstellung verpflichtet bleibt, seinerseits aber keinen Anspruch gegen den Schädiger hat).
3. §§ 2147 ff. BGB (Erbe ist verpflichtet, Vermächtnis an Vermächtnisnehmer zu übereignen, Dritter zerstört vor Übereignung den Vermächtnisgegenstand: Erbe hat keinen Schaden, da Vermächtnisgegenstand ohnehin schuldrechtlich dem Vermächtnisnehmer zugeordnet, Letzterer hat keinen Anspruch gegen Schädiger – mangels Eigentums insbes. nicht aus § 823 BGB –, aber Schaden, da nunmehr keinen Übereignungsanspruch gegen Erben, § 275 I BGB).
4. Mittelbare Stellvertretung (M schließt im eigenen Namen, aber auf Rechnung des G mit dessen Mitteln Vertrag mit S, der sodann Pflichtverletzung begeht, etwa Schlechtleistung, wodurch Vermögensschaden bei G entsteht, der aber keinen Anspruch hat, da allein M Vertragspartner des S geworden ist (§ 164 II BGB). M wiederum hat keinen Schaden, weil er die Leistung weder bezahlt noch von ihr betroffen ist. Ein gesetzlich geregelter Fall ist der Kommissionär (§§ 383 ff. HGB).

Wegen des Anspruchs aus § 285 I BGB wird das Bedürfnis für eine Drittschadensliquidation in den Fällen der sog. obligatorischen Gefahrentlastung (mithin insbes. § 447 BGB) insgesamt angezweifelt. Denn der Gläubiger könne gemäß § 285 BGB vom nach § 275 BGB freigewordenen Schuldner Abtretung der diesem gegen den Schädiger zustehenden Schadensersatzansprüche (etwa aus § 823 BGB) verlangen und anschließend den Anspruch selbst geltend machen. Damit habe der Gläubiger in derartigen Fällen aber stets einen eigenen Anspruch gegen den Schädiger, wenn auch über den Umweg des § 285 BGB.[41]

 

Diese Ansicht bedenkt indes nicht, dass es trotz § 285 BGB jedenfalls dann auf die Möglichkeit einer Drittschadensliquidation ankommt, wenn der Schaden des Gläubigers größer ist als derjenige des Schuldners,[42] etwa weil – wie hier – der geschuldete Gegenstand mehr Wert war als der Kaufpreis oder weil dem Gläubiger durch die Schädigung ein Gewinngeschäft entgangen ist. Dann ist der aus § 285 I BGB abgeleitete Anspruch des Schuldners – wie hier – nämlich nicht hinreichend, weshalb auf den Schaden des Gläubigers (hier also K) abzustellen ist, um die Folgen der Schädigung vollständig zu beseitigen. Dies erscheint wiederum bei Fehlen eines eigenen Anspruchs des Gläubigers (etwa aus § 421 I HGB) nur mittels der Figur der Drittschadensliquidation möglich, weil hiernach der Schaden des Gläubigers zum Anspruch des Schuldners gezogen wird. (Zum Verhältnis von § 285 BGB und Drittschadensliquidation bei obligatorischer Gefahrentlastung vgl. auch Fall 3).

Abwandlung 1

K könnte einen Anspruch gegen V auf Übereignung gemäß § 433 I BGB haben.

A.

Ein Kaufvertrag ist wirksam zustande gekommen (s.o.).

B. § 275 I BGB

Möglicherweise ist die Leistungspflicht des V jedoch gemäß § 275 I BGB wieder erloschen.

Hierzu müsste die Übereignung der Vase dem V unmöglich geworden, mithin dauerhaft nicht erbringbar sein.

Hinsichtlich der zerstörten Vase ist dies ohne weiteres anzunehmen. Fraglich ist mithin, ob sich die Schuld des V aus § 433 I BGB zur Übereignung auf diese konkrete Vase beschränkt oder auch auf die beiden noch unversehrten Vasen erstreckt. Maßgeblich hierfür ist, ob V im Zeitpunkt der Zerstörung der Vase gemäß § 243 II BGB bereits das „seinerseits Erforderliche“ zur Leistung getan hat. Zur Bestimmung des Umfangs der von V zu fordernden Leistungspflichten ist entscheidend, an welchem Ort er die Leistung vornehmen durfte (im Einzelnen s. Ausgangsfall).

I. Konkretisierung, § 243 II BGB?

Gemäß § 269 I BGB kommt es zur Bestimmung des Leistungsortes zuvorderst auf die zwischen den Parteien bestehenden Abreden an. Wurden solche nicht getroffen, so ist zu fragen, ob sich der Leistungsort aus den Umständen, namentlich der Natur des Schuldverhältnisses entnehmen lässt.

1. Leistungsort kraft Parteivereinbarung, § 269 I Var. 1 BGB?

Die Parteien kamen überein, dass die Vase von V an K „verschickt“ werden sollte. Jedenfalls die Vereinbarung einer Holschuld kann daher sicher ausgeschlossen werden. Denn eine solche setzt voraus, dass sich sowohl der Leistungs- als auch der Erfolgsort am Wohn- bzw. Geschäftsort des Schuldners befinden. Vorliegend ist aber zumindest der Erfolgsort nicht der Wohn- bzw. Geschäftsort des Schuldners V, sondern derjenige des Gläubigers K.

Fraglich ist daher alleine, ob zwischen den Parteien eine Schick- oder Bringschuld vereinbart wurde. Im ersteren Falle hätte V mit der Übergabe an L bereits alles seinerseits Erforderliche zur Leistung getan und seine Schuld damit gemäß § 243 II BGB auf die versendete Vase beschränkt (zur Konkretisierung im Einzelnen s. Ausgangsfall). Im letzteren Falle wäre hingegen noch keine Beschränkung der Schuld eingetreten, so dass K weiterhin Übereignung verlangen könnte. Denn bei Vorliegen einer Bringschuld hat der Schuldner zur Konkretisierung seiner Leistungspflicht ein den Erfordernissen des § 294 BGB genügendes tatsächliches Angebot seiner Leistung am Wohnort des Gläubigers vorzunehmen, was zwar auch unter Zuhilfenahme von Dritten (Transporteuren, etc.) geschehen kann, vorliegend jedoch aufgrund der Zerstörung der Vase während des Transports nicht erfolgte.

Im Ergebnis lässt sich der Abrede zwischen V und K jedoch nicht eindeutig entnehmen, an welchem Ort die Leistungshandlung des V vorgenommen werden sollte bzw. welche Art von Schuld vereinbart wurde (zu Einzelheiten s. Ausgangsfall).

2. Umstände/Natur des Schuldverhältnisses, § 269 I Var. 2 BGB?

Denkbar wäre indes, bei ausschließlich über den Versandhandel abgewickelten Rechtsgeschäften stets vom Vorliegen einer Bringschuld auszugehen und dies mit den solchen Geschäften zugrundeliegenden Umständen zu begründen.

Jedenfalls bei einem reinen Versandhandel, bei dem der Unternehmer überhaupt kein Ladengeschäft unterhält, kann der Gläubiger (Käufer) nämlich den Gefahren des Versandes nicht entgehen, etwa indem er die Sache selbst beim Verkäufer abholt. Der Verkäufer ist in derartigen Konstellationen regelmäßig auch gar nicht darauf eingerichtet, dass die Kaufsache bei ihm abgeholt wird und hieran in aller Regel auch gar nicht interessiert.

Ebenso ergibt die Auslegung, dass der bei einem Versandhandel bestellende Käufer gerade ein besonderes Interesse an der Versendung der Ware hat, so dass diese nach dem Willen der Vertragsparteien den Charakter einer Hauptleistungspflicht erlangt, und nicht einer bloßen Nebenpflicht, wie dies etwa bei einem reinen Privatverkauf anzunehmen ist. Bei einem reinen Versandhandelskauf ist die Versendung der Waren (und nicht nur die Übergabe an eine Transportperson) aus der Sicht des Käufers – für den Verkäufer erkennbar – elementare Voraussetzung für das Zustandekommen des Geschäfts. Diese Besonderheit des gewerblichen Versandhandels schlägt sich nicht zuletzt im Ausschluss des § 447 BGB gemäß § 475 II BGB nieder, der die Gefahr des zufälligen Untergangs für den absoluten Regelfall gerade – wie bei der Bringschuld – auf den Unternehmer-Verkäufer überträgt.[43] Leistungsort ist bei einem reinen Versandhandelsgeschäft nach alldem der Wohnort des Gläubigers. Es liegt in derartigen Fällen stets eine Bringschuld vor.

V hat seine Schuld mithin noch nicht konkretisiert, indem er die Vase an die Transportperson übergeben hat. (A.A. gut vertretbar).

II. Ergebnis:

K kann weiterhin Übereignung einer der beiden unversehrten Vasen von V verlangen.

Alternativlösung: Folgendes Ergebnis ist anzunehmen, wenn man entgegen der obigen Darstellung gemäß der Zweifelsregelung des § 269 I BGB eine Schickschuld des V annimmt: V ist zwar von seiner Übereignungspflicht gemäß § 275 I BGB frei geworden, allerdings ist auch K von seiner Gegenleistungspflicht befreit (§ 326 I 1 BGB). Eine Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht durch Übergang der Preisgefahr nach § 447 BGB ist zu verneinen, weil es sich bei dem Kaufvertrag zwischen K und V um ein Verbrauchsgüterkauf i.S.v. § 474 BGB handelt, auf den § 447 BGB gemäß § 475 II BGB nicht anwendbar ist. Denn V veräußert eine bewegliche Sache als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB und K ist Verbraucher gemäß § 13 BGB.

Abwandlung 2

K könnte gegen V einen Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlöses gemäß § 285 I BGB haben.

A. Leistungsbefreiung des Schuldners gemäß § 275 BGB

V ist jedenfalls mit Übereignung der Vase an D von seiner Übereignungspflicht gegenüber K gemäß § 275 I BGB wegen rechtlicher Unmöglichkeit frei geworden, weil er hierdurch die Verfügungsmacht über diese verloren hat und aufgrund der Unwilligkeit des D, die Sache zurückzuübereignen, auch nicht mehr in der Lage ist, diese wieder zu erlangen.

Hinweis: Rechtliche Unmöglichkeit liegt erst vor, wenn und sobald feststeht, dass sich der Schuldner die Verfügungsmacht über den Gegenstand nicht (mehr) verschaffen kann. Hierzu ausführlich Fall 2.

B. Veräußerungserlös als Ersatz „infolge“ des Umstands, der zur Unmöglichkeit führte?

Fraglich ist jedoch, ob V den Veräußerungserlös auch – wie von § 285 I BGB ausdrücklich gefordert – „infolge“ des Umstands, der zur Unmöglichkeit führte, erlangt hat.

Dies erscheint zunächst zweifelhaft, weil die Unmöglichkeit der von V gegenüber K geschuldeten Leistung (Übereignung der Vase) durch die Eigentumsübertragung, also die Verfügung von V an D herbeigeführt wurde, während der von K nunmehr im Wege des § 285 BGB begehrte Verkaufserlös des V allein aus dem zugrundeliegenden Kausalgeschäft (Kaufvertrag V-D) herrührt. Zwischen dem die Unmöglichkeit verursachenden Umstand (Verfügung V-D) und dem von V erlangten Kaufpreis könnte es mithin an der für § 285 BGB erforderlichen Kausalität fehlen.[44]

Indessen besteht zwischen den beiden Vorgängen jedenfalls ein hinreichender wirtschaftlicher Zusammenhang, weil V das Eigentum an der Vase nicht ohne den vorherigen Abschluss des Kaufvertrags mit D auf diesen übertragen hätte. Da weder Wortlaut noch Telos des § 285 BGB es zwingend erscheinen lassen, lediglich solche Gegenstände als von der Norm erfasst anzusehen, die der Schuldner aufgrund des Untergangs der Sache erlangt (sog. commodum ex re), sondern § 285 BGB allein an die Unmöglichkeit der Leistung anknüpft, und zwar unabhängig davon, ob diese tatsächlicher oder rechtlicher Natur ist, sprechen die besseren Argumente dafür, auch das rechtsgeschäftliche Surrogat (sog. commodum ex negotiatione) in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen.[45]