Fälle zum Recht der Leistungsstörungen

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Teil 1: Unmöglichkeit der Leistung








Teil 1: Unmöglichkeit der Leistung

 › Fall 1: Versendungsprobleme





Fall 1: Versendungsprobleme



Inhaltsverzeichnis




Sachverhalt (Ausgangsfall)





Gutachten und weiterführende Hinweise zu Fall 1 Ausgangsfall







Teil 1: Unmöglichkeit der Leistung

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Fall 1: Versendungsprobleme

 › Sachverhalt (Ausgangsfall)





Sachverhalt (Ausgangsfall)



Privatmann V mistet den Keller seines Hauses aus und findet hierbei einige Antiquitäten, die er zu Geld machen möchte. Unter anderem befinden sich darunter drei alte Vasen, die sich in Form und Verzierung unterscheiden und einen Zeitwert von jeweils ca. 600 Euro haben. Diese fotografiert V (alle drei Vasen auf einem Foto) und stellt sie bei eBay-Kleinanzeigen wie folgt zum Verkauf ein.



„Verkaufe wunderschöne antike Vasen (s. Abbildung). Preis: je 400 Euro. Bitte kontaktieren Sie mich unter“

 (es folgt eine Telefonnummer).



V vertippte sich jedoch beim Erstellen der Anzeige. Eigentlich wollte er als Preis 500 Euro angeben. Als K, der auf der Suche nach Dekorationsgegenständen für seine neue Wohnung ist, die Vasen erblickt, tritt er in Kontakt mit V und erklärt diesem gegenüber, dass er eine der Vasen „wie angeboten“ für 400 Euro kaufen möchte. Nach kurzer Diskussion wird folgende Vereinbarung getroffen: K soll 500 Euro für eine der Vasen zahlen. V verschickt dafür eine Vase auf eigene Kosten an den Wohnort des K. Die Zahlung soll „per Nachnahme“ bei Lieferung der Vase erfolgen. Weil sich K nicht für eine der Vasen entscheiden kann, überlässt er dem V die Auswahl.



Nach alldem bringt V die ordnungsgemäß verpackte Vase zum Lieferunternehmer L, der dem V wegen der Zerbrechlichkeit der Vase besondere Schutzmaßnahmen für den Transport zusichert. Die Versendung erfolgt vereinbarungsgemäß mittels „Paketsendung“ (Versicherung bis 520 Euro pro Paket inklusive). Aufgrund einer leichten Nachlässigkeit des bei L angestellten und mit dem Transport betrauten Fahrers F verunfallt dieser jedoch auf dem Weg zu K. Hierbei wird die Vase, die seitens des L nicht besonders gesichert wurde, irreparabel zerstört. V verlangt dennoch Zahlung von K, der jedoch erklärt, hierzu nur gegen Übereignung einer Vase bereit zu sein.








            1.






            Kann K Übereignung einer Vase von V verlangen?









            2.






            Kann V Zahlung der 500 Euro von K verlangen?










Hinweise zur Bearbeitung:

 Es ist davon auszugehen, dass die „Paketversicherung“ aufgrund einer zwischen L und der A-Versicherung abgeschlossenen Transport- bzw. Frachtführerversicherung besteht, aus der dem jeweiligen Eigentümer des Transportgutes bei dessen Verlust oder Zerstörung unmittelbar ein Anspruch gegen den Versicherer aus § 44 I 1 VVG zusteht (sog. Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ i.S.v. § 48 VVG). Einen entsprechenden Versicherungsschein hat V von L ausgehändigt bekommen, so dass er (V) über den Anspruch auch verfügen kann (vgl. § 44 II VVG).



Auf die Vorschriften über den Frachtvertrag (§§ 407 ff. HGB), insbesondere auf die §§ 421, 425 HGB, wird hingewiesen.





Abwandlung 1



Könnte K Übereignung einer Vase verlangen, wenn V die Vase im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit über eBay verkauft hätte und er die verkauften Waren ausschließlich an die Käufer versendet (Versandhandel ohne Ladengeschäft)?





Abwandlung 2



V hat nur eine einzige Vase im Wert von 600 Euro zum Verkauf angeboten. Diese verkauft er für 500 Euro zunächst an K. Danach verkauft und übereignet er die Vase an D für 800 Euro, der diese unter keinen Umständen wieder hergeben möchte. K fragt Sie, ob und – bejahendenfalls – in welcher Höhe er den Veräußerungserlös von V verlangen kann.





Abwandlung 3



V hat nur die eine Vase zum Verkauf angeboten. Eine Nachnahme wurde nicht vereinbart, vielmehr sollte K den Kaufpreis nach Erhalt der Vase an V überweisen. Die Vase kommt nicht völlig zerstört bei K an, aber Teile der Vase sind abgebrochen. K nimmt die Vase entgegen und erkennt die Schäden erst nachdem er diese dem Paket entnommen hat.



Variante 1:

 Eine Reparatur hätte zwar keine für Laien erkennbaren Spuren, wohl aber einen merkantilen Minderwert von ca. 10 % zur Folge. V bietet die Reparatur der Vase an und verlangt Zahlung. Wie ist die Rechtslage?



Variante 2:

 Eine Reparatur ist ohne bleibenden Schaden möglich. K lässt die Vase von dem Werkunternehmer W reparieren, ohne den V zuvor über die Mangelhaftigkeit zu unterrichten. Die hierbei entstandenen Kosten von 150 Euro verlangt K nunmehr von V. Dieser verweigert jegliche Zahlung. Im Übrigen – so V zutreffend – hätte er die Reparatur für einen Aufwand von 80 Euro vornehmen können. Wie ist die Rechtslage?





Hinweise zur Bearbeitung:

 Ansprüche aus GoA und Bereicherungsrecht sind nicht zu prüfen.





Abwandlung 4



Nachdem V die Anzeige bei eBay-Kleinanzeigen geschaltet hat, aber noch bevor sich K bei V meldet, werden die drei Vasen aus den ordnungsgemäß abgeschlossenen Kellerräumen des V von einem unbekannten Dieb entwendet und sind fortan nicht mehr auffindbar. Da V hiervon zunächst keine Kenntnis hat, schließt er den Kaufvertrag mit K am nächsten Tag. Der Kaufpreis soll 600 Euro betragen (= objektiver Wert der Vase).



Aufgrund des mit V getätigten Geschäfts unterlässt es K am Morgen des Folgetages, eine von Händler H auf einem Flohmarkt angebotene Vase im Wert von 500 Euro für 450 Euro zu erstehen. Am Mittag desselben Tages bemerkt V den Diebstahl und unterrichtet K hierüber. Da H die Vase mittlerweile anderweitig veräußert hat, erwirbt K eine Vase für 700 Euro, was auch deren objektiven Wert entspricht, und macht die Mehrkosten in Höhe von 100 Euro bei V geltend. Dieser weigert sich. Er wendet ein, er habe – was zutrifft – am Abend vor dem Vertragsschluss mit K noch nach den Vasen gesehen und diese seien erst in der Nacht vor dem Geschäftsabschluss unbemerkt entwendet worden.



Kann K Ersatz der Mehrkosten in Höhe von 100 Euro oder wenigstens die 50 Euro ersetzt verlangen, die er durch den Kauf der Vase des H hätte erzielen können?





Anmerkungen









MüKo/

Gottwald

, BGB, 8. Aufl. 2019, § 328 Rn. 106 f.





Teil 1: Unmöglichkeit der Leistung

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Fall 1: Versendungsprobleme

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Gutachten und weiterführende Hinweise zu Fall 1

Ausgangsfall

Frage 1: Übereignungsanspruch des K gegen V?



K könnte gegen V einen Anspruch auf Übereignung der Vase gemäß § 433 I 1 BGB haben.





A. Kaufvertrag



Durch das Gespräch zwischen V und K ist ein wirksamer Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von 500 Euro sowie ein damit einhergehender Übereignungsanspruch des K entstanden. Insbesondere steht dem Vertragsschluss nicht entgegen, dass zunächst nicht eindeutig geklärt wurde, welche Vase konkret Gegenstand des Kaufvertrags sein sollte. Vielmehr sollte die nähere Auswahl dem V überlassen sein. Insofern war der Leistungsgegenstand jedenfalls hinreichend bestimmbar (irgendeine der drei abgebildeten Vasen).





Klausurtipp:

 Da der Kaufpreis eindeutig in Höhe von 500 Euro vereinbart wurde, reicht die kurze Feststellung eines entsprechenden Vertragsschlusses.



Klausurtaktisch stellt sich freilich die Frage, wie mit der im Sachverhalt durchaus angelegten Problematik einer

invitatio ad offerendum

 umzugehen ist (V vertippt sich, K nimmt „wie angeboten“ an). Da der Inhalt des Kaufvertrags aber letztlich klar aus dem Sachverhalt hervorgeht („K soll 500 Euro für eine der Vasen zahlen“), sollten Ausführungen hierzu am besten gänzlich weggelassen werden (Problembewusstsein, Schwerpunktsetzung). Möchte man dennoch einige Worte hierzu schreiben, sollte dies jedenfalls in gebotener Kürze im Urteils-, nicht hingegen im Gutachtenstil geschehen.





B. § 275 I BGB?



Der Anspruch des K aus § 433 I BGB könnte indes nach § 275 I BGB ausgeschlossen sein.



Hiernach wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht befreit, wenn diese für ihn oder für jedermann unmöglich ist. Das ist anzunehmen, wenn die geschuldete Leistung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft nicht erbringbar ist.





Systematik:

 Die Frage nach dem rechtlichen „Schicksal“ der (etwaig) unmöglich gewordenen Leistungspflicht bestimmt sich nach § 275 I-III BGB.



Die versendete Vase wurde aufgrund des von F verschuldeten Unfalls irreparabel zerstört. V vermag daher jedenfalls

diese

 Vase nicht (mehr) an K zu übereignen.

 



Indessen befinden sich die zwei weiteren auf dem Foto abgebildeten Vasen noch unversehrt bei V. Insoweit wäre eine Erfüllung seitens des V noch möglich.



Der Anspruch des K aus § 433 I BGB ist mithin nur dann gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen, wenn sich die Leistungspflicht des V auf die zerstörte Vase beschränkt.



Eine solche Beschränkung bzw.

Konkretisierung

 der Leistung ist immer dann unproblematisch anzunehmen, wenn von vornherein feststeht, dass nur ein einziger, ganz konkreter Gegenstand geschuldet ist (sog. Stückschuld). Ist hingegen – wie hier – nicht von Beginn an festgelegt, welche konkrete Sache Vertragsgegenstand sein soll, bestimmt § 243 II BGB, dass jedenfalls der Schuldner einer

Gattungssache

 von seiner Leistungspflicht befreit ist, wenn er das zur Leistung

„seinerseits Erforderliche“

 getan hat.



Fraglich ist mithin, ob die Voraussetzungen des § 243 II BGB vorliegen.





I. Konkretisierung, § 243 II BGB

1. Gattungssache („solche Sache“)



Ob es sich bei dem geschuldeten Leistungsgegenstand um eine Gattungssache handelt, richtet sich danach, ob der

Schuldner

 aus mehreren Leistungsgegenständen wählen kann, die sich durch

gemeinschaftliche Merkmale

 von Gegenständen anderer Art unterscheiden. Letzteres folgt bereits aus dem Begriff der „Gattung“, ersteres aus § 243 I BGB, auf den sich § 243 II BGB bezieht. Hiernach hat der Gattungsschuldner eine Sache von „mittlerer Art und Güte“ zu leisten. Ihm muss daher ein gewisses Auswahlermessen dahingehend verbleiben, welchen konkreten Gegenstand er aus der Gattung leisten möchte.



V und K vereinbarten, dass eine der auf dem Foto abgebildeten Vasen Gegenstand des Kaufvertrags sein sollte. Hierdurch wurde die von V geschuldete Leistung zunächst nach bestimmten Merkmalen beschrieben („auf dem Foto abgebildet“) und damit hinreichend von anderen Gegenständen abgegrenzt. Die Parteien haben die nähere Auswahl der aus der so umschriebenen Leistung sodann dem Schuldner V überlassen. Eine Gattungsschuld liegt mithin – in Form einer beschränkten Gattungsschuld – vor.





Verständnis und Abgrenzung:

 Letztlich bestimmen allein die Parteien, ob eine Gattungsschuld vorliegt. Die Grenzen der Gattung können durch Vereinbarung beliebig eng oder weit gezogen werden, weshalb auch unvertretbare Sachen grundsätzlich geeignet sind, Gegenstand einer Gattungsschuld zu sein, sofern sie nur nach Gattungsmerkmalen (z.B. Typ, Sorte, Hersteller, ggf. auch Preis) beschrieben sind (z.B. irgendein Bild des Malers X; irgendein Grundstück in der Gemeinde Y).



In Ausnahmefällen ist eine Abgrenzung der (beschränkten) Gattungsschuld zur Wahlschuld vorzunehmen, weil in beiden Fällen ein Wahlrecht besteht, das im Falle der Gattungsschuld stets, im Falle der Wahlschuld jedenfalls im Zweifel dem Schuldner zusteht (§ 262 BGB). Die richtige Einordnung der Schuld kann entscheidend sein, da der Gattungsschuldner die Möglichkeit der Beschränkung seiner Schuld durch Konkretisierung (§ 243 II BGB) hat, die bei einer Wahlschuld gerade nicht besteht (§ 265 BGB). Die Abgrenzung richtet sich auch hier in erster Linie nach dem Parteiwillen. Bei der beschränkten Gattungsschuld verstehen die Parteien die Gesamtmenge, aus der geleistet werden soll, als eine Menge gleichartiger Gegenstände (z.B. irgendein Bild des Malers X), bei der Wahlschuld dagegen als eine Anzahl von individuell geprägten verschiedenartigen Gegenständen (z.B. entweder Getriebeöle, Schmierfette oder Autolacke). Im Zweifel ist von einer Gattungsschuld auszugehen. In der Praxis wird die Wahl bei einer Wahlschuld aber ohnehin dem Gläubiger eingeräumt, so dass eine Gattungsschuld schon aus diesem Grunde ausscheidet.



Zur Abgrenzung der Wahlschuld von der sog. elektiven Konkurrenz vgl.

Fall 6, Abw. 3

.





2. „Seinerseits Erforderliche“



Fraglich ist, ob V auch das „seinerseits Erforderliche zur Leistung“ i.S.v. § 243 II BGB getan hat.



Was für die jeweilige Leistung erforderlich ist, hängt vom Einzelfall ab. Maßgeblich ist hierbei, welche Handlung(en) der Schuldner im Rahmen der konkreten Rechtsbeziehung schuldet. Besonderer Bedeutung kommt hierbei dem

Leistungsort

 gemäß § 269 BGB zu, also dem Ort, an dem der Schuldner die Leistungs

handlung

 vornehmen darf. Im Regelfall lässt sich der Leistungsort durch Kategorisierung nach der Art der Schuld (Hol-, Schick- oder Bringschuld) ermitteln.





a) Leistungsort kraft Parteivereinbarungen oder Umstände des Vertragsschlusses



Der Leistungsort kann grundsätzlich durch besondere gesetzliche Vorschriften bestimmt werden, wird aber in aller Regel durch Parteivereinbarung festgelegt. Fehlt es an beidem, so ist der Leistungsort aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses zu erschließen (§ 269 I BGB).



V und K vereinbarten, dass die Vase an K

versendet

 werden soll. Hieraus ergibt sich jedenfalls, dass der

Erfolgsort

, also der Ort, an dem der Leistungserfolg eintreten soll (beim Kauf: Übergabe), beim Käufer K und damit der Wohnort des

Gläubigers

 sein soll. Daher scheidet eine Holschuld bereits aus, weil aus dem Umstand, dass der Gläubiger bei Vorliegen einer solchen die Sache abzuholen hat, zu folgern ist, dass sowohl der Leistungs- als auch Erfolgsort gerade beim Schuldner (hier: V) liegt.



Fraglich ist daher allein, ob es sich bei der Vereinbarung um eine Schick- oder Bringschuld handelt.





Verständnis:

 Zu unterscheiden ist mithin zwischen Leistungs- und Erfolgsort. Zu beachten ist jedoch, dass das Gesetz für den Begriff des Leistungsortes an einigen Stellen auch die Terminologie „Erfüllungsort“ (§§ 447 I, 644 II BGB) verwendet. Hiermit ist also gerade

nicht

 der „Erfolgsort“ gemeint, was zwar sprachlich naheliegen, dem Telos der genannten Normen indessen nicht gerecht werden würde.





b) Schick- oder Bringschuld?



Bei der Schick- und Bringschuld liegt der Erfolgsort jeweils beim Gläubiger, während sich der Leistungsort unterscheidet.



Die Schickschuld zeichnet sich schon semantisch dadurch aus, dass der Schuldner den Leistungsgegenstand

verschicken

 darf. Denklogisch trägt sich die Leistungshandlung mithin am Wohn- bzw. Geschäftsort des Schuldners zu. Die vorzunehmende Handlung muss dabei geeignet sein, den Leistungserfolg am Wohnort des Gläubigers ohne weiteres Zutun des Schuldners herbeizuführen. Hieraus ergibt sich, dass der Schuldner „das seinerseits zur Leistung Erforderliche“ getan hat, wenn er die Sache an eine

Transportperson übergeben

 hat, wobei diese

zuverlässig

 sein muss, weil bei Beauftragung eines (offensichtlich) nachlässigen Transporteurs ein (Auswahl-)Verschulden des Schuldners gegeben und es mithin nicht zu rechtfertigen wäre, den Schuldner gemäß § 243 II BGB aus seiner Leistungspflicht zu entlassen. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, „reist“ die Sache bei der Schickschuld auf Gefahr des Gläubigers.



Bei der Bringschuld muss die Sache hingegen dem Gläubiger gebracht werden. Der Schuldner hat die erforderliche Leistungshandlung mithin erst dann vollzogen und seine Schuld damit konkretisiert, wenn er oder – wie im Regelfall – ein von ihm Beauftragter (z.B. Post, aber auch eigene Mitarbeiter) dem Gläubiger die Leistung an dessen Wohnort

tatsächlich

 gemäß § 294 BGB angeboten hat, weil schon begriffslogisch nur dann von einem „bringen“ die Rede sein kann.





Verständnis und Exkurs:

 In der Praxis unterscheiden sich die Handlungen des Schuldners bei Schick- und Bringschulden rein äußerlich nicht, da in beiden Fällen regelmäßig eine Transportperson eingeschaltet wird. Anders als bei der Schickschuld „reist“ die Sache bei einer Bringschuld unter Zuhilfenahme einer Transportperson aber auf Gefahr des Schuldners, weil das leistungsbefreiende tatsächliche Angebot gemäß § 294 BGB erst durch die Transortperson gemacht wird, indem diese die Ware dem Gläubiger an dessen Wohn- oder Geschäftsort zustellt oder zuzustellen versucht. (Zur Problematik, wie Annahmeverzug bei Abwesenheit des Gläubigers eintritt, vgl. i.Ü.

Fall 3

)



Bedeutung erlangt die Frage, ob Schick- oder Bringschuld vorliegt, auch in den Fällen, in denen der Schuldner die bereits an den Transporteur übergebene Sache kurzfristig an einen anderen Gläubiger umleiten möchte. Liegt nämlich Schickschuld vor, wäre dieses „Umleiten“ zugleich eine Rückgängigmachung der einst durch Übergabe an die Transportperson erfolgten Konkretisierung. Ob eine solche

„Rekonkretisierung“

 möglich ist, ist strittig, wohl aber zu bejahen. Denn der mit der Konkretisierung bewirkte Gefahrübergang dient in erster Linie dem Schutz des Schuldners (Beschränkung der Schuld bei zufälligem Untergang), auf den dieser einseitig verzichten können muss.



Da die Vase dem K nicht tatsächlich an dessen Wohnort angeboten wurde, ist die Übereignungspflicht des V mithin gemäß § 275 I BGB nur dann ausgeschlossen, wenn es sich bei der zugrundeliegenden Schuld um eine Schickschuld handelt.



Der Versendungsabrede zwischen V und K ist indes nicht eindeutig zu entnehmen, ob eine Schick- oder Bringschuld vereinbart wurde. Allein der Umstand, dass V die Vase „verschicken“ sollte, spricht jedenfalls nicht zwingend für das Vorliegen einer Schickschuld, weil auch eine Bringschuld durch Versenden der Ware erfüllt werden kann. Zudem kommt es nicht auf die von den Parteien verwendeten Begrifflichkeiten an, sondern allein darauf, wer die

Gefahr

 des zufälligen Untergangs der Sache tragen soll. Letztlich ist jedoch zumindest nach der Auslegungsregel des § 269 I BGB, wonach die Leistung in Zweifelsfällen beim Schuldner zu erfolgen hat, vom Vorliegen einer Schickschuld auszugehen.



Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass V die Versendungskosten übernommen hat. Denn gemäß § 269 III BGB ist aus diesem Umstand allein nicht zu entnehmen ist, dass der Ort, nach welchem die Versendung zu erfolgen hat, hier also der Wohnort des Gläubigers K, der

Leistungs

ort sein soll. Entsprechendes gilt für die Vereinbarung, dass die Ware gegen Nachnahme geliefert werden soll. Denn eine solche Nachnahmeklausel betrifft nur die Frage der

Geld

übermittlung gemäß § 270 I, IV BGB (hierzu

Fall 3

) und ist für die Bestimmung des Ortes der

Sach

leistung mithin unerheblich.



Nach alldem hat V seine Leistungspflicht auf die versendete Vase beschränkt (konkretisiert), indem er diese mangelfrei an die (geeignete) Transportperson L übergeben hat. Durch die unfallbedingte vollständige Zerstörung ist die Übereignung

dieser

 Vase unmöglich geworden. Eine andere aus der Gattung stammende Vase muss V aufgrund § 243 II BGB nicht mehr leisten.





II. Ergebnis zu Frage 1:



K hat keinen Anspruch gegen V auf Übereignung einer Vase.





Übersicht:

 „Seinerseits Erforderliche zur Leistung“ i.S.d. § 243 II BGB



Holschuld:

 Bei der Holschuld hat der Schuldner seine Leistungsverpflichtung bereits dann vollständig erbracht (also das seinerseits Erforderliche zur Leistung getan), sobald er (1.) die jeweilige Sache von den restlichen Gattungssachen aussondert, diese (2.) zur Abholung bereitstellt, (3.) den Schuldner über die Abholungsmöglichkeit unterrichtet und (4.) eine zur Abholung angemessenen Zeit verstrichen ist (str.). Denn unter diesen Voraussetzungen tritt gemäß § 295 S. 1 Var. 2 BGB Gläubigerverzug ein, so dass der Schuldner denklogisch das „seinerseits Erforderliche“ zur Leistung getan haben muss.



Schickschuld:

 Bei der Schickschuld hat der Schuldner seine Leistungsverpflichtung bereits dann vollständig erbracht, sobald er die Sache einer geeigneten Transportperson (z.B. gemäß § 447 I BGB) übergeben hat. Dies folgt schon daraus, dass der Schuldner bei der Schickschuld eine solche Handlung vorzunehmen hat, die an seinem Wohn- bzw. Geschäftsort erbringbar und zugleich geeignet ist, die Sache an den Wohn- bzw. Geschäftsort des Gläubigers zu verbringen und auf diese Weise Annahmeverzug zu begründen.



Bringschuld:

 Bei der Bringschuld beschränkt sich die Leistungspflicht des Schuldners erst dann, wenn er diese dem Gläubiger an dessen Wohn- bzw. Geschäftsort in Annahmeverzug begründender Weise gemäß § 294 BGB

tatsächlich angeboten

 hat, weil nur dann von einem „bringen“ gesprochen werden kann. Nach einer weitergehenden Ansicht soll demgegenüber ein wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB auch für § 243 II BGB ausreichen, wenn der Schuldner neben dem wörtlichen Angebot die Sache zusätzlich noch

ausgesondert

 hat.

 



Sonstige Schuld durch Vereinbarung eines neutralen Ortes:

 Freilich können die Parteien auch einen neutralen Ort als Leistungsort bestimmen, also einen Ort, an dem weder der Schuldner noch der Gläubiger seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat. Der Schuldner muss dann die Leistungs

handlung

 an