H. G. Wells – Gesammelte Werke

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Als er, die Zei­tung in sei­ner Hand, den Strand ent­lang zum Tra­fal­gar-Platz kam, sah mein Bru­der ei­ni­ge Flücht­lin­ge aus West-Sur­rey. Ein Mann mit sei­nem Weib, zwei Kna­ben und ei­ni­gen Ein­rich­tungs­stücken führ­ten einen Kar­ren, wie ihn Ge­mü­se­händ­ler be­nüt­zen. Er kam aus Rich­tung der West­mins­ter Bridge, und dicht hin­ter ihm kam ein Heu­wa­gen mit fünf oder sechs an­stän­dig aus­se­hen­den Leu­ten dar­auf, und ei­ni­gen Kof­fern und Bün­deln. Die Ge­sich­ter die­ser Leu­te wa­ren ein­ge­fal­len, und ihre gan­ze Er­schei­nung stand in auf­fal­len­dem Ge­gen­satz zu dem sonn­tä­gig ge­schmück­ten Äu­ße­ren der Leu­te in den Stell­wa­gen. Mo­disch ge­klei­de­te Men­schen blick­ten neu­gie­rig aus ih­ren Miet­wa­gen auf die Flücht­lin­ge. Die­se mach­ten auf dem Platz Halt, wie un­schlüs­sig, wel­chen Weg sie ein­schla­gen soll­ten. Schließ­lich wand­ten sie sich ost­wärts und zo­gen den Strand ent­lang. Ei­ni­ge Zeit nach­her kam ein Mann in Werk­tags­klei­dern auf ei­nem je­ner alt­frän­ki­schen Drei­rä­der mit ei­nem klei­nen Vor­der­rad. Er hat­te ein krei­de­wei­ßes Ge­sicht und war über und über von Schmutz be­deckt.

Mein Bru­der wand­te sich ab­wärts nach Vic­to­ria und be­geg­ne­te ei­ner gan­zen An­zahl sol­cher Leu­te. Er heg­te den völ­lig un­be­stimm­ten Glau­ben, auch auf mich zu sto­ßen. Er be­merk­te eine un­ge­wöhn­lich große Men­ge von Schutz­leu­ten, die den Ver­kehr re­gel­ten. Ei­ni­ge von den Flücht­lin­gen be­spra­chen die Er­eig­nis­se mit den Leu­ten in den Stell­wa­gen. Ei­ner be­haup­te­te, die Mars­leu­te ge­se­hen zu ha­ben. »Kes­sel auf Stel­zen, sage ich Ih­nen, die ein­her­ge­hen wie Men­schen.« Die meis­ten er­schie­nen durch ihre selt­sa­men Er­fah­run­gen be­lebt und auf­ge­regt.

Jen­seits von Vic­to­ria mach­ten die Wirts­häu­ser mit die­sen An­kömm­lin­gen ein gu­tes Ge­schäft. An al­len Stra­ßen­e­cken sam­mel­ten sich Leu­te an, la­sen Zei­tun­gen, spra­chen er­regt mit­ein­an­der, oder starr­ten die­se un­ge­wohn­ten Sonn­tags­gäs­te an. Die­se schie­nen sich mit der all­mäh­lich an­bre­chen­den Nacht nur noch zu ver­meh­ren und schließ­lich sa­hen die Stra­ßen aus, nach dem Be­richt mei­nes Bru­ders, wie die Hoch­stra­ße von Ep­son an ei­nem Der­by­tag. Mein Bru­der sprach meh­re­re die­ser Flücht­lin­ge an, er­hielt aber von den meis­ten nur un­zu­läng­li­che Ant­wor­ten.

Kei­ner von ih­nen konn­te ihm ir­gend­wel­che Nach­rich­ten von Wo­king mit­tei­len, au­ßer ei­nem Mann, der ihm ver­si­cher­te, dass Wo­king in der vo­ri­gen Nacht gänz­lich zer­stört wor­den sei.

»Ich kom­me aus Byfleet«, er­zähl­te er, »ein Mann auf ei­nem Zwei­rad kam am frü­hen Mor­gen durch un­se­ren Ort; er lief von Tür zu Tür und er­mahn­te uns zur Flucht. Dann ka­men Sol­da­ten. Wir gin­gen hin­aus, um zu se­hen, was los sei und sa­hen dich­te Rauch­wol­ken ge­gen Sü­den — nichts als Rauch; kei­ne le­ben­de See­le kam des We­ges. Dann hör­ten wir die Ge­schüt­ze in Chert­sey und die Leu­te eil­ten aus Wey­bridge her­an. So schloss ich denn mein Haus ab und ging fort.«

Zu je­ner Zeit herrsch­te ein star­kes Ge­fühl der Er­bit­te­rung auf den Stra­ßen. Man fand, dass die Be­hör­den we­gen ih­rer Un­fä­hig­keit, der frem­den Ein­dring­lin­ge ohne alle die­se Un­zu­läng­lich­kei­ten Herr zu wer­den, Ta­del ver­dien­ten.

Um acht Uhr etwa er­scholl im gan­zen Sü­den Lon­d­ons hef­ti­ges Ge­schütz­feu­er. Bei dem großen Lärm auf den Haupt­stra­ßen konn­te es mein Bru­der nicht hö­ren, aber als er sich durch die stil­len Ne­ben­gas­sen zum Fluss durch­schlug, hör­te er es ganz deut­lich.

Es war zwei Uhr ge­wor­den, als er von West­mins­ter nach sei­ner Woh­nung am Re­gent Park zu­rück­kehr­te. Er war jetzt schon sehr be­sorgt um mich und durch die sicht­li­che Trag­wei­te die­ser Er­eig­nis­se ganz ver­stört. Sei­ne Ge­dan­ken be­schäf­tig­ten sich mit krie­ge­ri­schen Ein­zel­hei­ten, ge­nau so wie auch ich mich am Sams­tag da­mit be­schäf­tigt hat­te. Er dach­te an alle jene in er­war­tungs­vol­ler Ruhe har­ren­den Ge­schüt­ze, an je­nen plötz­lich in einen No­ma­den­be­zirk ver­wan­del­ten Land­strich. Er be­müh­te sich, hun­dert Fuß hohe »Kes­sel auf Stel­zen« sich vor­zu­stel­len.

Ei­ni­ge Kar­ren, be­setzt von Flücht­lin­gen, fuh­ren die Ox­ford Street ent­lang, man­che auch in der Ma­ry­le­bo­ne Road. Aber so lang­sam ver­brei­te­ten sich die Nach­rich­ten, dass die Re­gent Street und die Port­land­stra­ße von je­nen Leu­ten, die ge­wöhn­lich Sonn­tag nachts dort lust­wan­deln, voll wa­ren. Wohl stan­den auch Grup­pen leb­haft sich be­spre­chen­der Men­schen um­her. Aber am Ran­de des Re­gent Parks er­gin­gen sich so vie­le stil­le Pär­chen im Lich­te der spär­li­chen Gas­lam­pen, wie man sie nur im­mer ge­wohnt war dort zu se­hen. Die Nacht war still und warm, fast ein we­nig drückend; ge­le­gent­lich scholl der Lärm der Ge­schüt­ze her­über, und nach Mit­ter­nacht be­merk­te man ein Wet­ter­leuch­ten ge­gen Sü­den.

Mein Bru­der las im­mer wie­der das Zei­tungs­blatt, und fürch­te­te schon, dass mir das Schlimms­te zu­ge­sto­ßen sei. Er war rast­los und nach dem Abend­brot ging er wie­der aus und trieb sich ziel­los um­her. Dann kehr­te er zu­rück und ver­such­te sei­ne na­gen­den Ge­dan­ken durch sei­ne Prü­fungs­schrif­ten zu ver­scheu­chen. Bald nach Mit­ter­nacht ging er zu Bett, wur­de aber in den ers­ten Mor­gen­stun­den des Mon­tags durch den Schall von Tür­klop­fern, Fuß­ge­trap­pel auf den Stra­ßen, Ge­trom­mel und Glo­cken­läu­ten aus ei­nem düs­te­ren Traum ge­schreckt. Ein ro­ter Wi­der­schein spiel­te auf der De­cke. Ei­nen Au­gen­blick blieb er be­täubt lie­gen und frag­te sich, ob der Tag schon an­ge­bro­chen, oder die Welt ver­rückt ge­wor­den sei. Dann sprang er aus dem Bett und eil­te ans Fens­ter.

Sein Zim­mer war eine Dach­kam­mer; und als er den Kopf zum Fens­ter hin­aus­steck­te, ver­nahm er die Stra­ße hin­auf und hin­ab einen dut­zend­fa­chen Wi­der­hall des Lär­mes, den das Öff­nen sei­ner Fens­ter her­vor­rief; und Köp­fe in al­len Spiel­ar­ten nächt­li­cher Ver­stört­heit tauch­ten auf. Über­all wur­den fra­gen­de Rufe laut: »Sie kom­men!«, brüll­te ein Schutz­mann, in­dem er auf das Tor los­häm­mer­te. »Die Mars­leu­te kom­men!« Dann eil­te er wei­ter zum nächs­ten Tor.

Der Lärm von Trom­meln und Trom­pe­ten scholl von der Ka­ser­ne in der Al­ba­ny­stra­ße her­über; und in je­der Kir­che in Hör­wei­te war man da­mit be­schäf­tigt, den Schlaf durch re­gel­lo­ses hef­ti­ges Sturm­läu­ten zu tö­ten. Man ver­nahm das Geräusch sich öff­nen­der Tore, und in den ge­gen­über­lie­gen­den Häu­sern flamm­te ein Fens­ter nach dem an­de­ren in hel­lem, nach dem Dun­kel dop­pelt grel­len Licht auf.

Eine ge­schlos­se­ne Kut­sche kam die Stra­ße her­auf­ge­sprengt. Zu­erst scholl das Geräusch un­ver­mu­tet von der Ecke her, das Geras­sel er­reich­te sei­nen Hö­he­punkt un­ter dem Fens­ter, und all­mäh­lich erstarb es in der Fer­ne. Dicht auf dem Fuße folg­ten zwei Miet­wa­gen, die Vor­hut ei­ner lan­gen Rei­he da­hin­sau­sen­der Ge­fähr­te, die zum größ­ten Teil zur Hal­te­stel­le Chalk Farm eil­ten, wo die nord-west­li­chen Son­der­zü­ge die Rei­sen­den auf­nah­men, und wo man die Stei­gung zum Eu­ston Bahn­hof ver­mei­den konn­te.

Lan­ge Zeit starr­te mein Bru­der in dump­fer Be­täu­bung aus dem Fens­ter; er sah dem Schutz­mann nach, wie er auf ein Hau­stor nach dem an­de­ren häm­mer­te und sich sei­ner un­ver­ständ­li­chen Bot­schaft ent­le­dig­te. Da öff­ne­te sich die Zim­mer­tür mei­nes Bru­ders, und der Mann, der jen­seits der Trep­pe wohn­te, kam her­ein. Er war noch im Hemd, Bein­klei­dern und Pan­tof­feln, die Ho­sen­trä­ger hin­gen lose her­ab und sein wir­res Haar ver­riet noch die Spu­ren der Nacht.

»Was zum Teu­fel ist denn los?«, frag­te er. »Ein Feu­er? Der Teu­fel hole die­sen Ra­dau!«

Bei­de steck­ten ih­ren Kopf weit aus dem Fens­ter, eif­rig be­müht, zu ver­ste­hen, was es ei­gent­lich war, was der Schutz­mann rief. Aus den Sei­ten­gas­sen ka­men Leu­te her­aus, die in eif­rig schwat­zen­den Grup­pen um­her­stan­den.

»Was zum Teu­fel soll denn das al­les be­deu­ten?«, frag­te der Nach­bar mei­nes Bru­ders.

Mein Bru­der ant­wor­te­te nur so oben­hin und be­gann sich an­zu­zie­hen. Mit je­dem Klei­dungs­stück eil­te er ans Fens­ter, um nur ja nichts von der wach­sen­den Er­re­gung der Stra­ßen zu ver­säu­men. Auf ein­mal tauch­ten Leu­te auf, die ganz frü­he Zei­tungs­blät­ter ver­kauf­ten und mit ih­rem Ge­brüll die Stra­ße er­füll­ten.

»Lon­don droht Er­sti­cken! Die Ver­tei­di­gung von King­ston und Rich­mond er­stürmt! Furcht­ba­res Massa­ker im Them­se­tal!«

Und rings um ihn her­um — in den Zim­mern un­ten, in den Häu­sern ne­ben­an und ge­gen­über, und hin­ten in den Park Ter­race und in den hun­dert Gas­sen je­nes Tei­les von Ma­ry­le­bo­ne, und im West­bour­ne-Park-Be­zirk und in St. Pan­cras,2 und west­lich und nörd­lich in Kil­burn und St. John’s Wood und Hamps­tead, und öst­lich in Sho­re­ditch und High­bu­ry und Hag­ger­ston und Hox­ton und mehr noch, durch das gan­ze Rie­sen­ge­wir­re Lon­d­ons hin von Ea­ling bis East Ham — rie­ben sich die Leu­te die Au­gen und öff­ne­ten ihre Fens­ter, um hin­aus­zu­star­ren und zweck­lo­se Fra­gen zu stel­len, und klei­de­ten sich has­tig an, als der ers­te Wind­stoß, der dem kom­men­den Sturm der Angst vor­an­ging, durch die Stra­ßen fuhr. Es war das Her­auf­däm­mern der großen Pa­nik. Lon­don, das Sonn­tag nachts schlaff und stumpf schla­fen ge­gan­gen war, war nun in den ers­ten Stun­den des Mon­tag­mor­gens zu ei­ner star­ken Emp­fin­dung der Ge­fahr er­wacht.

Au­ßer­stan­de, von sei­nem Fens­ter aus zu er­fah­ren, was ei­gent­lich vor­ge­fal­len sei, ging mein Bru­der hin­ab und trat auf die Stra­ße hin­aus, ge­ra­de als die Mor­gen­däm­me­rung die Wol­ken zwi­schen den Firs­ten der Häu­ser ro­sig färb­te. Die flie­hen­de Men­ge zu Fuß und im Wa­gen wur­de je­den Au­gen­blick zahl­rei­cher. »Schwar­zer Rauch!«, hör­te er die Leu­te ru­fen, im­mer wie­der »Schwar­zer Rauch!«, die An­ste­ckung ei­ner so ein­mü­tig ge­fühl­ten Furcht war un­ver­meid­lich. Als mein Bru­der an der Tor­schwel­le zö­ger­te, sah er einen an­de­ren Zei­tungs­ver­käu­fer her­aus­kom­men und kauf­te ihm ein Blatt ab. Der Mann eil­te mit sei­ner Ware wie­der wei­ter und ver­kauf­te die Blät­ter zu ei­nem Schil­ling das Stuck — ein gro­tes­kes Ge­misch von Hab­gier und Angst.

 

Und in je­ner Zei­tung las mein Bru­der jene ver­häng­nis­vol­le Mel­dung des Ober­kom­man­dan­ten:

»Die Mars­leu­te sind im­stan­de, ver­mit­tels ei­ner Art von Ra­ke­ten un­ge­heu­re Wol­ken ei­nes schwar­zen und gif­ti­gen Damp­fes zu ver­sen­den. Sie ha­ben un­se­re Bat­te­ri­en er­stickt, Rich­mond, King­ston und Wim­ble­don zer­stört und rücken nun lang­sam ge­gen Lon­don vor, in­dem sie un­ter­wegs al­les ver­nich­ten. Es ist un­mög­lich, sie auf­zu­hal­ten. Es gibt kei­ne an­de­re Ret­tung vor dem schwar­zen Rauch als un­ver­züg­li­che Flucht.«

Das war al­les, aber es war ge­nug. Die gan­ze Be­völ­ke­rung der Sechs­mil­lio­nen­stadt schreck­te auf, lief und stürz­te in tol­lem Wirr­warr durch­ein­an­der; in Kür­ze wür­de sie sich wohl in Mas­sen nord­wärts er­gie­ßen.

»Schwar­zer Rauch!«, hall­te es von al­len Sei­ten. »Feu­er!«

Die Glo­cken der be­nach­bar­ten Kir­che ver­ur­sach­ten einen bim­meln­den Lärm, ein acht­los ge­lenk­ter Kar­ren zer­schell­te un­ter Schrei­en und Flu­chen an ei­nem Was­ser­trog auf der Stra­ße. Mat­te Lich­ter tanz­ten auf und ab in den Häu­sern, und auf man­chen der vor­über­ei­len­den Drosch­ken schie­nen noch die nicht ge­lösch­ten La­ter­nen. Und über uns wuchs die Däm­me­rung zur Hel­le, klar und ru­hig und mild.

Mein Bru­der hör­te in den Stu­ben und hin­ter ihm trepp­auf und trepp­ab ei­li­ge Schrit­te. Sei­ne Haus­frau, nur in einen Schlaf­rock und einen Schal gehüllt, trat ans Tor; un­ter kräf­ti­gen Aus­ru­fen folg­te ihr Gat­te.

Als mein Bru­der an­fing, sich die Be­deu­tung al­ler die­ser Din­ge klarzu­ma­chen, ging er has­tig auf sein Zim­mer zu­rück, steck­te al­les vor­rä­ti­ge Geld — al­les in al­lem etwa zehn Pfund — in sei­ne Ta­sche und trat wie­der hin­aus auf die Stra­ße.

1 Eine nur durch eine Häu­ser­rei­he vom Them­seu­fer ge­trenn­te Ver­gnü­gungs­stra­ße in Lon­don. Sie ist die Fort­set­zung der oben er­wähn­ten Fleet­street, in der sich fast sämt­li­che Lon­do­ner Zei­tungs­re­dak­tio­nen be­fin­den. <<<

2 St Pan­cras ist ei­ner der Haupt­bahn­hö­fe von Lon­don. Er be­fin­det sich im Stadt­be­zirk Lon­don Bo­rough of Cam­den. <<<

XV. In Surrey

Wäh­rend der Ku­rat da­saß und an der He­cke auf der ebe­nen Wie­se bei Hal­li­ford ver­wirr­te Re­den führ­te, wäh­rend mein Bru­der den Flücht­lin­gen zu­sah, wie sie über die West­mins­ter-Brücke ström­ten, hat­ten sich die Mars­leu­te zum An­griff ent­schlos­sen. So­weit man aus den wi­der­spre­chen­den Be­rich­ten, die dar­über ab­ge­fasst wur­den, klug wer­den kann, blieb die Mehr­heit, eif­rig mit Vor­be­rei­tun­gen be­schäf­tigt, bis neun Uhr abends in der Hor­sell-Gru­be. Sie ar­bei­te­ten mit großer Hast; und rie­si­ge Men­gen grü­nen Rau­ches wur­den aus­ge­schie­den.

Ge­wiss aber ist, dass drei Mars­leu­te etwa um acht Uhr aus der Gru­be her­aus­ka­men und, lang­sam und be­hut­sam vor­rückend, sich ih­ren Weg durch Byfleet und Py­r­ford nach Ri­pley und Wey­bridge bahn­ten. So ka­men sie, die sin­ken­de Son­ne im Rücken, in den Be­reich der ih­rer har­ren­den Bat­te­ri­en. Die­se Mars­leu­te rück­ten nicht ge­schlos­sen vor, son­dern in ei­ner Li­nie, je­der etwa an­dert­halb Mei­len vom an­de­ren ent­fernt. Sie setz­ten sich durch ein si­re­nen­ar­ti­ges Ge­heul mit­ein­an­der in Ver­bin­dung, das auf- und nie­der­stei­gend alle No­ten der Ton­lei­ter um­fass­te.

Die­ses Ge­heul und das Feu­ern der Ge­schüt­ze in Ri­pley und auf dem St.-Ge­or­g’s-Hü­gel wa­ren es, was wir in Ober-Hal­li­ford ge­hört hat­ten. Die Ka­no­nie­re in Ri­pley, un­er­fah­re­ne Ar­til­le­rie-Frei­wil­li­ge, de­nen man die­se Auf­ga­be nie zu­wei­sen hät­te sol­len, feu­er­ten eine wil­de, vor­zei­ti­ge und wir­kungs­lo­se Sal­ve ab und flo­hen dann zu Pferd und zu Fuß kopf­über durch das ver­öde­te Dorf. Der Mars­mann stieg ganz ge­mäch­lich über ihre Ge­schüt­ze hin­weg, ohne von sei­nem Hit­ze­strahl Ge­brauch zu ma­chen, fuhr sach­te zwi­schen ih­nen hin­durch, über­hol­te sie und kam so ganz un­ver­mu­tet zu den Ge­schüt­zen in Pains­hill Park, die er ver­nich­te­te.

Die Leu­te auf dem St.-Ge­or­g’s-Hü­gel aber stan­den un­ter bes­se­rer Füh­rung oder wa­ren von bes­se­rer Art. Da sie hin­ter ei­nem Fich­ten­ge­hölz ver­bor­gen wa­ren, schie­nen sie von dem Mars­mann, der ih­nen am nächs­ten war, gar nicht be­merkt wor­den zu sein. Sie rich­te­ten ihre Ge­schüt­ze mit so­viel Über­le­gung, als ob sie sich bei ei­ner Trup­pen­schau be­fän­den, und ga­ben auf etwa tau­send Yard Schuss­wei­te Feu­er.

Die Ge­schos­se blitz­ten alle um den Mars­mann her­um; man sah ihn ei­ni­ge Schrit­te vor­wärts­ma­chen, tau­meln und stür­zen. Ein all­ge­mei­nes gel­len­des Ge­schrei, und die Ge­schüt­ze wur­den in wil­der Hast von Neu­em ge­la­den. Der nie­der­ge­wor­fe­ne Mars­mann stimm­te ein lang­ge­dehn­tes Kla­ge­ge­heul an und im Nu tauch­te ein zwei­ter blin­ken­der Rie­se, der ihm ant­wor­te­te, bei den Bäu­men im Sü­den auf. Es hat­te den An­schein, als sei ein Bein des Drei­fu­ßes von ei­nem der Ge­schos­se zer­schmet­tert wor­den. Die vol­le La­dung der zwei­ten Sal­ve fiel weit vor dem Mars­mann zur Erde und im sel­ben Au­gen­bli­cke rich­te­ten sei­ne bei­den Ge­fähr­ten ihre Hit­ze­strah­len auf die Bat­te­rie. Die Mu­ni­ti­on flog auf, alle die Fich­ten­bäu­me um die Ge­schüt­ze her­um lo­der­ten in Feu­er und nur ei­ner oder zwei von der Mann­schaft, die be­reits über den Kamm des Hü­gels lie­fen, ent­ka­men.

Dann schi­en es, als ob die drei eine ein­ge­hen­de Be­ra­tung ab­hiel­ten; die Spä­her, die sie be­ob­ach­te­ten, be­rich­ten, dass sie, ohne sich zu rüh­ren, die nächs­te hal­be Stun­de dort ge­blie­ben sei­en. Der nie­der­ge­stürz­te Mars­mann kroch vor­sich­tig aus sei­nem Ge­häu­se her­aus. Eine klei­ne brau­ne Ge­stalt, die wun­der­lich ge­nug, bei die­ser Ent­fer­nung wie ein Rost­fleck aus­sah. Er war au­gen­schein­lich da­mit be­schäf­tigt, sei­ne Stüt­ze wie­der aus­zu­bes­sern. Um neun Uhr war er da­mit zu Ende, denn sei­ne Kap­pe tauch­te wie­der über den Bäu­men auf.

Ei­ni­ge Mi­nu­ten wa­ren nach neun Uhr ver­stri­chen, als sich die­sen drei Wach­pos­ten vier an­de­re Mars­leu­te bei­ge­sell­ten, von de­nen je­der ein dickes schwar­zes Rohr trug. Ein ähn­li­ches Rohr wur­de je­dem der drei an­de­ren ein­ge­hän­digt, und alle sie­ben rück­ten nun vor, um sich in glei­chen Zwi­schen­räu­men in ei­ner ge­krümm­ten Li­nie zwi­schen dem St.-Ge­or­g’s-Hü­gel, Wey­bridge, und dem Dor­fe Send süd­west­lich von Ri­pley zu ver­tei­len.

Ein Dut­zend Ra­ke­ten fuhr von den Hü­geln vor ih­nen auf, so­bald sie sich in Be­we­gung setz­ten, und warn­ten die war­ten­den Bat­te­ri­en um Dit­ton und Escher. Zur sel­ben Zeit über­setz­ten vier ih­rer Kriegs­ma­schi­nen, mit ähn­li­chen Roh­ren be­waff­net, den Fluss; zwei von ih­nen ka­men, sich vom west­li­chen Him­mel schwarz ab­he­bend, dem Ku­ra­ten und mir zu Ge­sicht, als wir, er­schöpft und von Schmer­zen ge­quält, die Stra­ße ent­lan­geil­ten, die von Hal­li­ford nord­wärts führ­te. Es sah ge­ra­de so aus, als ob sie auf ei­ner Wol­ke fuh­ren, denn ein milchar­ti­ger Ne­bel be­deck­te die Fel­der und er­hob sich zu ei­nem Drit­tel ih­rer Höhe.

Bei die­sem An­blick ver­fiel der Ku­rat in ein lei­ses Schluch­zen und be­gann zu lau­fen; ich aber wuss­te, dass es nicht gut­tat, ei­nem Mars­mann zu ent­lau­fen, wand­te mich seit­wärts und kroch durch tau­be­netz­te Nes­seln und Dor­nen­ge­strüpp in den brei­ten Gra­ben, der ne­ben der Stra­ße lief. Der Ku­rat blick­te sich um, sah, was ich vor­hat­te und wand­te sich nun, mir zu fol­gen.

Die zwei Mars­män­ner hat­ten Halt ge­macht; der eine, der nä­her bei uns stand, blick­te nach Sun­bu­ry, der an­de­re, wie eine graue Ne­bel­mas­se ge­gen den Abends­tern1 zu, stand ab­seits in Rich­tung Stai­nes.

Das zeit­wei­li­ge Ge­heul der Mars­leu­te hat­te auf­ge­hört; in je­nem rie­si­gen Halb­kreis mit ih­ren Zy­lin­dern als Mit­tel­punkt be­zo­gen sie in voll­kom­me­nem Schwei­gen ihre Stel­lun­gen. Es war ein Halb­mond, des­sen Horn­spit­zen zwölf Mei­len von ein­an­der ent­fernt wa­ren. Wohl nie­mals seit der Er­fin­dung des Schieß­pul­vers hat eine Schlacht in sol­cher Stil­le be­gon­nen. Wir so­wohl wie ein zu­fäl­li­ger Beo­b­ach­ter von Ri­pley hät­ten ge­nau den­sel­ben Ein­druck ge­won­nen – die Mars­leu­te schie­nen im un­be­strit­te­nen Be­sitz der her­ein­bre­chen­den Nacht nur von ei­nem mil­den Mond­licht, den Ster­nen, dem Ab­glanz des schei­den­den Ta­ges, und dem röt­li­chen Schein auf dem St.-Ge­or­g’s-Hü­gel und in dem Ge­hölz von Pains­hill be­leuch­tet.

Aber ge­gen die­sen Halb­mond ge­rich­tet, über­all, in Stai­nes, Hounslow, Dit­ton, Escher, Ock­ham, hin­ter Hü­geln und Ge­hölz süd­lich vom Fluss, die ebe­nen, sich nach Nor­den zie­hen­den Gras­wie­sen ent­lang, wo nur im­mer eine Grup­pe von Bäu­men oder Dorf­häu­sern ge­nü­gen­de De­ckung bot — stan­den die Ge­schüt­ze in stum­mer Er­war­tung. Die Si­gnal­ra­ke­ten fuh­ren auf, er­gos­sen ih­ren Fun­ken­re­gen in die Nacht und ver­schwan­den. Und der Geist al­ler je­ner har­ren­den Bat­te­ri­en wuchs zur ge­spann­tes­ten Er­war­tung. Die Mars­leu­te brauch­ten nur bis in die Feu­er­lücke vor­zu­rück­en, und so­fort wür­den jene re­gungs­lo­sen schwar­zen Men­schen­mas­sen, jene Ge­schüt­ze, die dun­kel durch die frü­he Nacht blitz­ten, in die donner­ge­wal­ti­ge Wut ei­nes wil­den Kamp­fes aus­bre­chen.

Kein Zwei­fel, der eine Ge­dan­ke, der in tau­sen­den je­ner wach­sa­men Köp­fe alle an­de­ren Ge­dan­ken be­herrsch­te, und der auch in mei­nem Kopf je­den an­de­ren Ge­dan­ken zu­rück­dräng­te, war die un­ge­lös­te Fra­ge, in wel­chem Aus­maß sie uns wohl zu be­ur­tei­len ver­stan­den. Er­fass­ten sie, dass un­se­re Mil­lio­nen ein or­ga­ni­sier­tes, dis­zi­pli­nier­tes und funk­tio­nie­ren­des Gan­zes er­ga­ben? Oder leg­ten sie un­se­re Feu­er­zei­chen, un­ser Bom­ben­schleu­dern, un­ser hart­nä­cki­ges Be­drän­gen ih­res La­gers etwa so aus, wie wir die wü­ten­de Ein­mü­tig­keit im An­griff ei­nes ge­stör­ten Bie­nen­schwar­mes aus­le­gen? Träum­ten sie da­von, uns aus­rot­ten zu kön­nen? (Da­mals wuss­te noch nie­mand, wel­cher Art Nah­rung sie be­durf­ten.) Hun­dert sol­cher Fra­gen kreuz­ten sich in mei­nem Geis­te, als ich die rie­si­gen For­men je­ner Wach­pos­ten be­ob­ach­te­te. Und im Hin­ter­grund mei­ner Ge­dan­ken schlum­mer­te noch die dunkle Emp­fin­dung al­ler je­ner un­be­kann­ten und ver­bor­ge­nen Ge­wal­ten, die sich in der Rich­tung nach Lon­don zu be­fin­den moch­ten. Hat­te man Gru­ben­fal­len an­ge­legt? Hat­te man die Pul­ver­müh­len in Hounslow zur Fal­le fer­tig ge­macht? Wür­den die Lon­do­ner Herz und Mut ge­nug be­sit­zen, um aus ih­rem mäch­ti­gen Häu­ser­be­zirk ein grö­ße­res Mos­kau zu ma­chen?

Da klang nach ei­ner, wie uns schi­en, un­er­mess­lich lan­gen Zeit, als wir durch das Busch­werk kro­chen und vor­sich­tig hin­aus­späh­ten, ein Schall wie der fer­ne Don­ner ei­nes Ge­schüt­zes zu uns her­über. Da hob der Mars­mann, der ne­ben uns stand, sein Rohr hoch in die Luft und feu­er­te es ab wie ein Ge­schütz mit ei­nem hef­ti­gen Knall, der die Erde er­schüt­tern ließ. Der Mars­mann, der bei Stai­nes stand, folg­te ihm. Kein Auf­blit­zen war zu se­hen, kein Rauch, nichts als je­nes schuss­ar­ti­ge Ge­tö­se.

Durch die­sen, Not­schüs­sen ver­gleich­ba­ren, Lärm wur­de ich der­art er­regt, dass ich mei­ne per­sön­li­che Si­cher­heit und den Zu­stand mei­ner ver­brüh­ten Hän­de ver­gaß und mich müh­sam in dem Ge­strüpp auf­rich­te­te, um ge­gen Sun­bu­ry hin­bli­cken zu kön­nen. Wäh­rend ich mich noch durch­kämpf­te, folg­te noch ein zwei­ter Knall in mei­ner Nähe, und ein großes Ge­schoss saus­te über mir Rich­tung Hounslow hin. Ich er­war­te­te, we­nigs­tens Rauch oder Feu­er oder eine an­de­re ähn­li­che Fol­ge zu se­hen. Aber al­les, was ich sah, war der tief­blaue Him­mel dro­ben, auf dem ein ein­zi­ger Stern schim­mer­te, und der wei­ße Ne­bel, der sich un­ten weit und tief aus­brei­te­te. Auch kein Ge­schütz­don­ner war zu hö­ren ge­we­sen, kein die Her­aus­for­de­rung be­ant­wor­ten­des Ge­tö­se. Die Ruhe war wie­der her­ge­stellt; aus ei­ner Mi­nu­te wur­den drei.

 

»Was ist ge­sche­hen?«, frag­te der Ku­rat, der ne­ben mir sich er­ho­ben hat­te.

»Gott weiß es!«, er­wi­der­te ich.

Eine Fle­der­maus husch­te an uns vor­bei und ver­schwand. Ein Geräusch wie von fer­nem Ge­schrei er­hob sich und ver­stumm­te. Ich blick­te wie­der auf den Mars­mann und sah, wie er nun in pfeil­schnel­ler Be­we­gung in öst­li­cher Rich­tung das Flus­sufer ent­lang­fuhr.

Je­den Au­gen­blick er­war­te­te ich, das Feu­er ei­ner ver­bor­ge­nen Bat­te­rie auf ihn los­bre­chen zu se­hen. Doch die Ruhe des Abends blieb un­ge­stört. Die Ge­stalt des Mars­man­nes wur­de im­mer klei­ner in der Ent­fer­nung, und bald hat­ten ihn der Ne­bel und die her­ein­bre­chen­de Nacht ver­schlun­gen. Von ei­ner ge­mein­sa­men Ein­ge­bung be­stimmt, klet­ter­ten wir hö­her hin­auf. Ge­gen Sun­bu­ry zu er­hob sich ein dunk­ler Ge­gen­stand, so etwa, als hät­te sich ein ke­gel­för­mi­ger Hü­gel plötz­lich dort ein­ge­scho­ben, der das wei­te­re Land un­se­ren Bli­cken ver­barg. Jen­seits des Flus­ses, fern ober­halb Wal­tons, sa­hen wir eine wei­te­re sol­che Er­he­bung. Noch wäh­rend wir sie an­starr­ten, schie­nen die­se hü­gel­ar­ti­gen Kör­per sich zu sen­ken und aus­zu­brei­ten.

Von ei­nem plötz­li­chen Ge­dan­ken be­wegt, blick­te ich nach Nor­den und sah, wie dort ein drit­ter die­ser wol­ki­gen schwar­zen Ke­gel auf­ge­taucht war.

Al­les war mit ei­nem Male ganz still ge­wor­den. Fern im Süd­os­ten hör­ten wir die eu­len­ar­ti­gen Schreie der Mars­leu­te, durch die sie sich mit­ein­an­der ver­stän­dig­ten und durch die die­se tie­fe un­heim­li­che Stil­le uns nur noch mehr zum Be­wusst­sein ge­bracht wur­de. Dann wie­der er­beb­te die Luft un­ter dem Don­ner ih­rer Ge­schüt­ze; aber kei­ne ir­di­sche Ar­til­le­rie gab Ant­wort.

Zu je­ner Zeit konn­ten wir alle die­se Vor­gän­ge nicht be­grei­fen; spä­ter aber soll­te ich die Be­deu­tung die­ser un­heim­li­chen Hü­gel, die sich in der Däm­me­rung bil­de­ten, noch ve­ste­hen. Je­der ein­zel­ne der Mars­leu­te, die sich in je­ner halb­mond­ar­ti­gen Li­nie, die ich be­schrie­ben habe, auf­ge­stellt hat­ten, hat­te auf ein un­be­kann­tes Zei­chen hin ver­mit­tels je­nes ge­schütz­ar­ti­gen Roh­res, das er trug, einen un­ge­heu­ren Be­häl­ter über­all dort­hin ab­ge­feu­ert, wo ein Hü­gel, eine An­hö­he, eine Häu­ser­grup­pe, oder ir­gend eine Schutz­wehr, hin­ter der er eine Bat­te­rie ver­mu­ten konn­te, ihm ein Ziel ge­bo­ten hat­ten. Man­che feu­er­ten nur eine je­ner Büch­sen ab, man­che, wie in dem Fal­le, den wir ge­se­hen hat­ten, auch zwei. Der Mars­mann vor Ri­pley soll nicht we­ni­ger als fünf Schüs­se nach­ein­an­der ab­ge­ge­ben ha­ben. Die­se Büch­sen bars­ten, wenn sie zur Erde fie­len, ex­plo­dier­ten aber nicht. Un­ver­züg­lich aber ström­te aus ih­nen eine un­ge­heu­re Men­ge schwe­ren tin­ten­schwar­zen Damp­fes, der sich auf­wärts schlän­gel­te und sich zu ei­ner rie­si­gen eben­holz­schwar­zen ge­ball­ten Wol­ke ver­dich­te­te, zu ei­nem gas­för­mi­gen Hü­gel, der sich hob und senk­te, und sich lang­sam über die ihn um­ge­ben­de Bo­den­flä­che hin aus­brei­te­te. Und die Berüh­rung die­ses Damp­fes, das Einat­men des ge­rings­ten sei­ner bei­ßen­den Teil­chen, be­deu­te­te für al­les, das at­me­te, den Tod.

Er war schwer, die­ser Dampf, schwe­rer als der dich­tes­te Rauch. So kam es, dass nach dem ers­ten hef­ti­gen Auss­trö­men und Auf­schie­ßen, das dem Bers­ten der Büch­se folg­te, er wie­der zu sin­ken be­gann und sich, mehr in der Art ei­nes flüs­si­gen als ei­nes gas­för­mi­gen Kör­pers, über das Erd­reich er­goss. Er ver­ließ die Hü­gel und ström­te in die Tä­ler und Pfüt­zen und Was­ser­rin­nen, ähn­lich wie es bei der Koh­len­säu­re, die aus vul­ka­ni­schen Klüf­ten her­vor­strömt, der Fall sein soll. Und be­vor er das Was­ser be­rühr­te, trat ein selt­sa­mer che­mi­scher Vor­gang ein: die Ober­flä­che be­deck­te sich so­fort mit ei­nem pul­ver­ar­ti­gen Schaum, der lang­sam sank und wei­te­ren Raum schuf. Die­ser Schaum war un­be­dingt un­auf­lös­lich, und es ist eine son­der­ba­re Er­schei­nung, wenn man sie mit der au­gen­blick­li­chen Wir­kung des Ga­ses ver­gleicht, dass man das Was­ser, von dem je­ner Schaum durch Sie­be ent­fernt wur­de, ohne Scha­den trin­ken konn­te. Der Dampf ver­teil­te sich nicht, wie das bei ech­tem Gas der Fall wäre. Er hing klum­pen­wei­se zu­sam­men, er­goss sich kleb­rig über ab­schüs­si­ges Erd­reich, ließ sich zö­gernd vom Win­de trei­ben, ver­meng­te sich nur all­mäh­lich mit dem Ne­bel und der Feuch­tig­keit der Luft und fiel in der Ge­stalt von Staub zur Erde. Wir kön­nen nur schlie­ßen, dass bei die­sem Dampf ein uns un­be­kann­tes Ele­ment wirk­sam sein muss, das im Blau der Spek­tral­ana­ly­se eine Grup­pe von vier Li­ni­en her­vor­ruft. In al­lem Üb­ri­gen tap­pen wir in Be­zug auf die Art sei­ner Zu­sam­men­set­zung völ­lig im Dun­keln.

Jetzt, da nach der De­to­na­ti­on der hef­ti­ge Schwall ver­flo­gen war, haf­te­te der schwar­ze Rauch so fest auf dem Bo­den, dass es selbst vor sei­nem Ab­flie­ßen, in ei­ner Höhe von fünf­zig Fuß, auf Dä­chern und obe­ren Stock­wer­ken ho­her Häu­ser und auf großen Bäu­men, eine Mög­lich­keit gab, sich sei­ner gif­ti­gen Wir­kung völ­lig zu ent­zie­hen; das be­währ­te sich noch in je­ner Nacht in Street Cob­ham und Dit­ton.

Ein Mann, der an je­nem Ort dem Tode ent­rann, über­lie­fert einen merk­wür­di­gen Be­richt von die­sen Vor­gän­gen: wie er das selt­sa­me, schlan­gen­ar­ti­ge Ver­tei­len des Rau­ches be­ob­ach­tet hät­te, wie er vom Kirch­turm aus her­un­ter­geblickt und die Häu­ser des Dor­fes wie Geis­ter aus dem pech­schwar­zen Nichts sich er­he­ben ge­se­hen habe. Ei­nen Tag und einen hal­b­en blieb er oben, er­schöpft, halb ver­hun­gert und von der Son­ne ver­sengt; die Erde hob sich un­ter dem blau­en Him­mel und vor dem Bil­de der fer­nen Hü­gel wie eine schwarz­sam­te­ne wei­te Flä­che ab; all­mäh­lich tauch­ten dann die ro­ten Dä­cher, die grü­nen Bäu­me, und spä­ter schwarz um­schlei­er­te Bü­sche und Zäu­ne, Ten­nen, Hüt­ten und Mau­ern hier und dort wie­der zum Son­nen­lich­te em­por.

Aber das ge­sch­ah nur in Street Cob­ham, wo der schwar­ze Dampf lie­gen blieb, bis er von selbst in die Erde sank. In der Re­gel rei­nig­ten die Mars­leu­te, wenn der Rauch ih­ren Ab­sich­ten ent­spro­chen hat­te, die Luft, in­dem sie in den Qualm hin­ein­wa­te­ten und einen Dampf­strahl auf ihn rich­te­ten.

In die­ser Wei­se ver­fuh­ren sie mit den Qualm­mas­sen in un­se­rer Nähe, wie wir das von den Fens­tern ei­nes ver­las­se­nen Hau­ses in Ober-Hal­li­ford, wo­hin wir zu­rück­ge­kehrt wa­ren, be­ob­ach­ten konn­ten. Von dort konn­ten wir auch die Schein­wer­fer auf den Hü­geln von Rich­mond und King­ston hin- und her­leuch­ten se­hen. Um elf Uhr flirr­ten un­se­re Fens­ter, und wir hör­ten den Don­ner der rie­si­gen Be­la­ge­rungs­ge­schüt­ze, die dort auf­ge­pflanzt wor­den wa­ren. In be­stimm­ten Zwi­schen­räu­men dau­er­te das Feu­ern un­ge­fähr eine Vier­tel­stun­de lang. Das konn­te nur ein Ab­feu­ern zu­fäl­li­ger Schüs­se auf die un­sicht­ba­ren Mars­leu­te in Hamp­ton und Dit­ton be­deu­ten. Dann ver­schwan­den die blei­chen Strah­len des elek­tri­schen Lich­tes, um ei­nem glü­hen­d­ro­ten Schein zu wei­chen.

Da­mals ging der vier­te Zy­lin­der nie­der — ein glän­zen­der, grü­ner Me­te­or — in Bus­hey Park, wie ich spä­ter er­fuhr. Ehe noch die Ge­schüt­ze auf der Hü­gel­ket­te von Rich­mond und King­ston ihr Feu­er er­öff­ne­ten, fand fern im Süd­wes­ten noch eine un­re­gel­mä­ßi­ge Ka­no­na­de statt, die, wie ich ver­mu­te, den ins Blaue hin­ein ab­ge­feu­er­ten Schüs­sen der dort auf­ge­pflanz­ten Ge­schüt­ze zu­zu­schrei­ben ist; sie wur­den noch ab­ge­ge­ben, be­vor der schwar­ze Dampf die Be­die­nungs­mann­schaft über­wäl­tig­te.