H. G. Wells – Gesammelte Werke

Tekst
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

XIII. Wie ich mit dem Kuraten zusammentraf

Nach­dem sie uns die­sen un­er­be­te­nen Un­ter­richt über die Un­voll­kom­men­heit der ir­di­schen Waf­fen er­teilt hat­ten, zo­gen sich die Mars­leu­te wie­der in ihr ur­sprüng­li­ches Haupt­quar­tier auf der Hor­sell-Wei­de zu­rück. In ih­rer Hast und über­dies mit den Res­ten ih­res zer­schmet­ter­ten Ge­fähr­ten be­la­den, über­sa­hen sie ohne Zwei­fel vie­le sol­che ver­streut lie­gen­de und un­nö­ti­ge Op­fer, wie ich es war. Hät­ten sie ih­ren Ka­me­ra­den im Stich ge­las­sen und hät­ten sie sich so­fort auf­ge­macht, so hät­te es zu je­ner Zeit zwi­schen ih­nen und Lon­don nichts ge­ge­ben, als Bat­te­ri­en von Zwölf­pfün­dern; und ohne Zwei­fel hät­ten sie die Haupt­stadt schnel­ler er­reicht als die Kun­de ih­res Her­an­na­hens. Ihre An­kunft wäre eben­so plötz­lich, er­schre­ckend und ver­nich­tend ge­we­sen, wie das Erd­be­ben, das ein Jahr­hun­dert vor­her Lissa­bon zer­stört hat­te.

Doch sie hat­ten kei­ne Eile. Ein Zy­lin­der folg­te dem an­de­ren auf sei­ner Bahn von Pla­net zu Pla­net; alle vier­und­zwan­zig Stun­den er­hiel­ten sie Ver­stär­kun­gen. Un­ter­des­sen gin­gen die Mi­li­tär- und Ma­ri­ne­be­hör­den, die sich jetzt der un­ge­heu­ren Ge­walt ih­rer Geg­ner völ­lig be­wusst wa­ren, mit fie­ber­haf­tem Ei­fer ans Werk. Jede Mi­nu­te wur­de ein neu­es Ge­schütz auf­ge­pflanzt; be­vor noch die Däm­me­rung her­ein­brach, barg je­des Ge­hölz, jede Rei­he vor­städ­ti­scher Land­häu­ser an dem hü­ge­li­gen Ab­hang um King­ston und Rich­mond eine kampf­lus­ti­ge schwar­ze Mün­dung. Durch die ver­kohl­te und ver­öde­te Flä­che — in ei­nem Aus­maß von etwa zwan­zig Qua­drat­mei­len — die das Feld­la­ger der Mars­leu­te auf der Hor­sell-Wei­de um­schloss, durch die aus­ge­brann­ten und in Trüm­mern lie­gen­den Dör­fer mit ih­ren grü­nen Bäu­men, durch die schwar­zen und rau­chen­den Säu­len­gän­ge, die noch einen Tag vor­her Fich­tenan­pflan­zun­gen ge­we­sen wa­ren, kro­chen die treu­en Kund­schaf­ter mit den He­lio­gra­fen, wel­che den Ka­no­nie­ren das Her­an­na­hen der Mars­leu­te an­zei­gen soll­ten. Die Mars­leu­te aber wa­ren jetzt von der Be­deu­tung un­se­rer Ar­til­le­rie un­ter­rich­tet, sie kann­ten die Ge­fah­ren mensch­li­cher Nähe, und nicht ei­ner von ih­nen wag­te sich au­ßer­halb des Be­rei­ches ei­ner Mei­le vor je­dem Zy­lin­der, au­ßer um den Preis sei­nes Le­bens.

Es schi­en, als ver­brach­ten die­se Rie­sen den frü­hen Nach­mit­tag da­mit, hin- und her­zu­wan­dern und den ge­sam­ten In­halt des zwei­ten und des drit­ten Zy­lin­ders – je­ner lag in Add­le­sto­ne-Golf links, die­ser bei Py­r­ford – in ihre ur­sprüng­li­che Gru­be auf der Hor­sell-Wei­de zu schaf­fen. Wei­ter drü­ben, bei dem ge­schwärz­ten Hei­de­kraut und den zer­trüm­mer­ten Ge­bäu­den, die sich weit und breit er­streck­ten, stand ei­ner als Wa­che, wäh­rend die üb­ri­gen ihre rie­si­gen Kriegs­ma­schi­nen ver­lie­ßen und in die Gru­be hin­ab­stie­gen. Sie ar­bei­te­ten bis spät in die Nacht hin­ein mit vol­len Kräf­ten, und die hoch­ge­türm­te Säu­le dich­ten grü­nen Rau­ches, die sich aus der Gru­be er­hob, konn­te von den Hü­geln bei Mer­row ge­se­hen wer­den und soll selbst von Ban­s­tead und Ep­som Downs be­merkt wor­den sein.

Wäh­rend so die Mars­leu­te hin­ter mir sich für ih­ren nächs­ten Aus­fall rüs­te­ten, wäh­rend vor mir die Mensch­heit sich zum Kampf vor­be­rei­te­te, bahn­te ich mir un­ter un­säg­li­chen Schmer­zen und Mü­hen mei­nen Weg vom Feu­er und vom Rauch des bren­nen­den Wey­bridge nach Lon­don.

Ich sah ein sehr klei­nes ver­las­se­nes Boot in ziem­li­cher Ent­fer­nung fluss­ab­wärts trei­ben. Und nach­dem ich den größ­ten Teil mei­ner durch­näss­ten Klei­dungs­stücke ab­ge­wor­fen hat­te, eil­te ich ihm nach, er­reich­te es und ent­kam so der Ver­wüs­tung. Es wa­ren kei­ne Ru­der im Boot, aber ich be­schloss, zu plät­schern, so­weit es mei­ne ver­brüh­ten Hän­de er­laub­ten. So ge­lang­te ich nur sehr müh­sam mich wei­ter­trei­bend, den Fluss hin­ab nach Hal­li­ford und Wal­ton; da­bei blick­te ich mich un­auf­hör­lich um, wie man wohl be­grei­fen wird. Ich folg­te dem Fluss, in­dem ich mir sag­te, dass das Was­ser mir die bes­te Ge­le­gen­heit zum Ent­kom­men bie­ten wer­de, wenn jene Rie­sen wie­der­kehr­ten.

Das hei­ße Was­ser, das sich bei dem Sturz der Mars­ma­schi­ne ge­bil­det hat­te, floss mit mir strom­ab­wärts, und so konn­te ich fast wäh­rend ei­ner Mei­le nur we­nig von bei­den Ufern er­bli­cken. Ein­mal je­doch ge­wahr­te ich eine Rei­he schwar­zer Ge­stal­ten, die aus der Rich­tung von Wey­bridge über die Wie­sen eil­ten. Hal­li­ford schi­en gänz­lich ver­ödet zu sein, und ei­ni­ge dem Fluss zu­ge­wen­de­te Häu­ser stan­den in Flam­men. Es be­rühr­te mich selt­sam, den Ort so fried­lich da­lie­gen zu se­hen, so ver­las­sen un­ter dem hei­ßen blau­en Him­mel, und wie doch der Rauch und klei­ne Feu­er­fä­den ker­zen­ge­ra­de in die schwü­le Luft des Nach­mit­tags auf­stie­gen. Ich hat­te nie noch vor­her Häu­ser ohne den Zu­lauf ei­ner im Wege ste­hen­den Men­schen­men­ge bren­nen se­hen. Ein we­nig wei­ter rauch­te und glüh­te das aus­ge­dorr­te Schilf am Ufer, und eine Feu­er­li­nie, die land­ein­wärts führ­te, kroch gie­rig über ein ver­spä­te­tes Heu­feld.

Lan­ge Zeit trieb ich so hin; ich war von Schmer­zen ge­pei­nigt und er­schöpft nach all dem Schreck­li­chen, das ich er­lebt; und die Hit­ze auf dem Was­ser war fast un­er­träg­lich. Dann über­fiel mich wie­der die Furcht, und ich nahm mein Plät­schern wie­der auf. Die Son­ne ver­seng­te mei­nen blo­ßen Rücken. End­lich, als nach der Krüm­mung die Brücke von Wal­ton mir ent­ge­gen­blick­te, be­sieg­ten Fie­ber und Schwä­che mei­ne Furcht; ich lan­de­te am Midd­le­sex-Ufer und leg­te mich, fast zu Tode er­schöpft, im lan­gen Gras nie­der. Es war, wie ich ver­mu­te, etwa vier oder fünf Uhr. Ich er­hob mich bald wie­der, ging eine hal­be Mei­le wei­ter, ohne ei­ner le­ben­den See­le zu be­geg­nen, und leg­te mich dann wie­der in den Schat­ten ei­ner He­cke. Ich er­in­ne­re mich dun­kel, wäh­rend die­ses letz­ten an­stren­gen­den Mar­sches mit mir selbst ge­spro­chen zu ha­ben. Ich war auch sehr durs­tig und be­reu­te es bit­ter, nicht mehr Was­ser ge­trun­ken zu ha­ben. Es ist auch ei­gen­tüm­lich, dass ich et­was wie Är­ger über mei­ne Frau emp­fand; ich kann es mir nicht er­klä­ren; aber mein ohn­mäch­ti­ges Ver­lan­gen, Lea­ther­head zu er­rei­chen, brach­te mich über die Ma­ßen auf.

Ich ent­sin­ne mich nicht mehr deut­lich der An­kunft des Ku­ra­ten. Ich schlum­mer­te also wahr­schein­lich. Ich wur­de sei­ner erst ge­wahr als ei­nes Ge­schöp­fes, das mit ruß­be­deck­ten Hem­d­är­meln da­saß und mit sei­nem auf­wärts­ge­rich­te­ten, glat­tra­sier­ten Ge­sicht auf ein schwach fla­ckern­des Licht starr­te, das am Him­mel tanz­te. Es war ein Him­mel, über und über be­sät mit fei­nen dau­nen­fe­der­glei­chen Wölk­chen, die von der sin­ken­den Hoch­som­mer­son­ne ro­sig an­ge­haucht wa­ren.

Ich setz­te mich auf, und beim Geräusch mei­ner Be­we­gung blick­te er rasch nach mir.

»Ha­ben Sie et­was Was­ser?«, frag­te ich ohne Be­grü­ßung.

Er schüt­tel­te den Kopf.

»Sie ha­ben schon seit ei­ner gan­zen Stun­de um Was­ser ge­be­ten«, sag­te er.

Ei­nen Au­gen­blick lang schwie­gen wir und ma­ßen uns ge­gen­sei­tig mit den Bli­cken. Ich muss ge­ste­hen, dass er eine recht wun­der­li­che Ge­stalt in mir fand, nackt bis auf mei­ne durch­näss­ten Bein­klei­der und So­cken, halb­ver­brüht, und Ge­sicht und Schul­tern von Rauch ge­schwärzt. Sein Ge­sicht war das ei­nes blon­den Schwäch­lings, sein Kinn trat stark zu­rück, und sein Haar lag in krau­sen, fast flachs­far­be­nen Wel­len auf sei­ner nied­ri­gen Stirn. Sei­ne Au­gen wa­ren ziem­lich groß, blass­blau und ins Lee­re star­rend. Er sprach ab­ge­bro­chen und blick­te ge­wöhn­lich un­s­tet von mir weg.

»Was be­deu­tet das?«, sag­te er, »Was sol­len alle die­se Din­ge be­deu­ten?«

Ich starr­te ihn an und gab kei­ne Ant­wort.

Er streck­te eine dün­ne wei­ße Hand aus und fuhr in fast kla­gen­dem Ton fort:

»Wa­rum wer­den sol­che Din­ge zu­ge­las­sen? Was für Sün­den ha­ben wir be­gan­gen? Die Mor­ge­n­an­dacht war zu Ende, ich wan­del­te durch die Stra­ßen, um mei­ne Ge­dan­ken für den Nach­mit­tag zu klä­ren — da — Feu­er, Erd­be­ben, Tod! Als ob es So­dom und Go­mor­rha wäre! Die gan­ze Ar­beit zer­stört, die gan­ze Ar­beit! Wer sind die­se Mars­leu­te?«

»Wer sind wir?«, ant­wor­te­te ich und räus­per­te mich.

Er um­klam­mer­te sei­ne Knie und wand­te sich wie­der mir zu. Eine hal­be Mi­nu­te viel­leicht brü­te­te er schwei­gend vor sich hin.

»Ich wan­del­te durch die Stra­ßen, um mei­ne Ge­dan­ken zu klä­ren«, sag­te er. »Und plötz­lich Feu­er, Erd­be­ben, Tod!«

Er ver­fiel wie­der in Schwei­gen; sein Kinn sank fast auf sei­ne Knie.

Bald dar­auf fing er wie­der an und fuhr mit der Hand um­her.

»Die gan­ze Ar­beit — alle die Sonn­tags­schu­len. Was ha­ben wir denn ge­tan — was hat Wey­bridge ge­tan? Al­les ver­schwun­den — al­les zer­stört. Die Kir­che! Wir ha­ben sie erst vor drei Jah­ren wie­der auf­ge­baut. Ver­schwun­den! — Vom Erd­bo­den weg­ge­fegt! Wa­rum?«

Aber­mals eine Pau­se; dann brach er wie­der los wie ein Ra­sen­der.

»Der Rauch Sei­nes Feu­ers ge­het auf für ewig und im­mer­dar!«, schrie er.

Sei­ne Au­gen flamm­ten, und sein ma­ge­rer Fin­ger wies ge­gen Wey­bridge.

Ich war jetzt so weit, um mir über ihn klar zu wer­den. Das ent­setz­li­che Trau­er­spiel, in das er ver­floch­ten war — er war of­fen­bar ein Flücht­ling aus Wey­bridge — hat­te ihn an den Rand des Wahn­sinns ge­trie­ben.

»Sind wir weit von Sun­bu­ry?«, frag­te ich in ei­nem gleich­gül­ti­gen Ton.

»Was sol­len wir tun?«, frag­te er. »Sind denn die­se Ge­schöp­fe über­all? Ist ih­nen denn die Erde über­ge­ben wor­den?«

 

»Sind wir weit von Sun­bu­ry?«

»Die­sen Mor­gen erst hielt ich den Früh­got­tes­dienst ab.«

»Die Din­ge ha­ben sich seit­her ver­än­dert«, sag­te ich ru­hig. »Sie müs­sen Ihren Kopf oben be­hal­ten. Es gibt noch Hoff­nung.«

»Hoff­nung!«

»Ja; Hoff­nung in Men­ge — trotz al­ler die­ser Zer­stö­rung!«

Ich fing an, mei­ne An­sicht über un­se­re Lage dar­zu­le­gen. Er hör­te an­fangs zu, aber wäh­rend ich wei­ter­sprach, ver­wan­del­te sich das In­ter­es­se in sei­nen Au­gen wie­der in das lee­re Star­ren von frü­her, und sei­ne Bli­cke schweif­ten von mir weg in die Fer­ne.

»Das muss der An­fang vom Ende sein«, sag­te er, mich un­ter­bre­chend, »das Ende! Der große und schreck­li­che Tag des Herrn! Wenn die Men­schen wer­den an­ru­fen die Ber­ge und die Fel­sen, dass sie mö­gen fal­len auf sie und sie ver­ber­gen — ver­ber­gen vor Sei­nem An­ge­sicht, vor dem Ant­litz des­sen, der da sit­zet auf dem Thro­ne!«

Ich be­gann, die Sach­la­ge zu ver­ste­hen. Ich gab mei­ne an­stren­gen­den Ver­nunftspre­dig­ten auf, rich­te­te sich müh­sam auf, und zu ihm tre­tend, leg­te ich mei­ne Hand auf sei­ne Schul­ter.

»Sei­en Sie ein Mann«, sag­te ich. »Der Schre­cken hat Sie um Ihren Ver­stand ge­bracht. Wozu ist denn die Re­li­gi­on gut, wenn sie beim ers­ten Un­glück zu­sam­men­bricht? Be­den­ken Sie doch, was Erd­be­ben und Was­ser­flu­ten, Krie­ge und Vul­ka­ne schon frü­her der Mensch­heit an­ge­tan ha­ben. Dach­ten Sie denn, dass Gott mit Wey­bridge eine Aus­nah­me ma­chen woll­te? … Er ist kein Ver­si­che­rungs­agent, Herr.«

Eine Zeit lang saß er in Schwei­gen ver­lo­ren da.

»Aber wie sol­len wir ent­flie­hen?«, frag­te er plötz­lich. »Sie sind un­ver­wund­bar, sie sind er­bar­mungs­los.«

»We­der das eine, noch, viel­leicht, das an­de­re«, ant­wor­te­te ich. »Und je mäch­ti­ger sie sind, umso ver­nünf­ti­ger und be­hut­sa­mer soll­ten wir sein. Nicht drei Stun­den sind es her, dass ei­ner von ih­nen da drü­ben ge­tö­tet wur­de.«

»Ge­tö­tet!«, sag­te er, und starr­te mich an. »Wie kön­nen die Ge­sand­ten des Herrn ge­tö­tet wer­den?«

»Ich sah es«, fuhr ich in mei­ner Er­zäh­lung fort. »Der Zu­fall will es eben, dass wir ins Ärgs­te hin­ein­ge­ra­ten sind«, sag­te ich, »das ist al­les.«

»Was be­deu­tet denn je­nes Fla­ckern am Him­mel?«, frag­te er un­ver­mit­telt.

Ich sag­te ihm, dass es die Si­gna­le der He­lio­gra­fen sei­en – das Zei­chen mensch­li­cher Hil­fe und Be­mü­hun­gen am Him­mel.

»Wir sind ge­ra­de mit­ten dar­in­nen«, sag­te ich, »so ru­hig al­les auch ist. Das Fla­ckern am Him­mel deu­tet auf na­hen­den Sturm. Dort drü­ben, glau­be ich, sind die Mars­leu­te, und ge­gen Lon­don zu, dort, wo die Hü­gel um Rich­mond und King­ston sich er­he­ben, und die Bäu­me Schutz ge­wäh­ren, wer­den Schan­zen auf­ge­wor­fen und Ge­schüt­ze auf­ge­pflanzt. Bald wer­den die Mars­leu­te wie­der hier­her­kom­men…«

Wäh­rend ich noch sprach, sprang er auf und un­ter­brach mich mit ei­ner Ge­bär­de.

»Hö­ren Sie«, sag­te er …

Von jen­seits der nied­ri­gen Hü­gel über dem Was­ser er­schol­len der dump­fe Wi­der­hall fer­ner Ge­schüt­ze und in wei­ter Fer­ne ein un­heim­li­ches Schrei­en. Dann war al­les still. Ein Mai­kä­fer schwirr­te über die He­cke an uns vor­über. Hoch im Wes­ten hing, bleich und kaum sicht­bar, die Si­chel des Mon­des über dem Rauch von Wey­bridge und Shep­per­ton und der hei­ßen stil­len Pracht der sin­ken­den Son­ne.

»Wir tun am bes­ten, die­sen Weg ein­zu­schla­gen«, sag­te ich, »nach Nor­den.«

XIV. In London

Mein jün­ge­rer Bru­der war in Lon­don, als die Mars­leu­te Wo­king über­fie­len. Er war Stu­dent der Me­di­zin, ar­bei­te­te ge­ra­de für eine be­vor­ste­hen­de Prü­fung, und hör­te von ih­rer An­kunft nichts vor Sams­tag früh. Die Mor­gen­blät­ter am Sams­tag ent­hiel­ten als Er­gän­zung ziem­lich aus­führ­li­che Fach­ar­ti­kel über den Pla­ne­ten Mars, das Le­ben auf dem Pla­ne­ten und so wei­ter und nur ein kur­z­es, in un­be­stimm­ten Wen­dun­gen ge­hal­te­nes Te­le­gramm, das durch sei­ne Kür­ze umso auf­fäl­li­ger wirk­te.

Die Mars­leu­te, durch die An­nä­he­rung ei­ner Men­schen­men­ge er­schreckt, ha­ben eine An­zahl Men­schen mit ei­nem Schnell­feu­er­ge­schütz ge­tö­tet, so etwa lau­te­te der Be­richt. Das Te­le­gramm schloss mit den Wor­ten: »So furcht­bar sie auch schei­nen mö­gen, ha­ben sich die Mars­leu­te noch nicht aus der Gru­be, in die sie ge­fal­len sind, ge­rührt und schei­nen auch ganz un­fä­hig dazu zu sein. Dies ist wahr­schein­lich eine Fol­ge der re­la­tiv un­gleich stär­ke­ren An­zie­hungs­kraft der Erde.« Über die­sen letz­te­ren Punkt ver­brei­te­te sich der Ar­ti­kel­schrei­ber mit großem Be­ha­gen.

In dem bio­lo­gi­schen Kurs der Vor­be­rei­tungs­schu­le, die mein Bru­der zu je­ner Zeit be­such­te, wa­ren na­tür­lich alle Stu­den­ten von dem leb­haf­tes­ten An­teil an die­sen Vor­gän­gen er­füllt. Aber auf den Stra­ßen wa­ren kei­ne Zei­chen ei­ner un­ge­wöhn­li­chen Er­re­gung wahr­zu­neh­men. Die Nach­mit­tags­blät­ter ver­brei­te­ten ei­ni­ge Bro­cken Neu­ig­kei­ten un­ter rie­si­gen Auf­schrif­ten. Aber au­ßer der Be­we­gung der Trup­pen auf der Wei­de und dem Brand des Fich­ten­ge­höl­zes zwi­schen Wo­king und Wey­bridge um acht Uhr wuss­ten sie nichts zu be­rich­ten. Spä­ter teil­te die »St. Ja­mes Ga­zet­te« die nack­te Tat­sa­che von der Un­ter­bre­chung der te­le­gra­fi­schen Ver­bin­dung in ei­ner be­son­de­ren Aus­ga­be mit. Man nahm an, dass dies dem Auf­fal­len ei­ni­ger bren­nen­der Fich­ten­stäm­me auf die Dräh­te zu­zu­schrei­ben sei. Über das Ge­fecht wur­de in je­ner Nacht, der Nacht mei­ner Fahrt nach Lea­ther­head und zu­rück, nichts wei­ter be­kannt.

Mein Bru­der war nicht im Min­des­ten um uns be­sorgt, da er aus der Be­schrei­bung der Blät­ter wuss­te, dass der Zy­lin­der gute zwei Mei­len von un­se­rem Haus ent­fernt war. Er nahm sich vor, in der Nacht zu mir zu fah­ren, um, wie er sag­te, sich die Ge­schöp­fe an­zu­se­hen, be­vor sie ge­tö­tet wür­den. Er sand­te mir ein Te­le­gramm, das mich nie er­reich­te. Das war um vier Uhr. Den Abend ver­brach­te er in ei­ner Sing­spiel­hal­le.

Auch in Lon­don herrsch­te Sams­tag nachts ein star­kes Un­wet­ter, und mein Bru­der fuhr in ei­ner Drosch­ke zum Wa­ter­loo­bahn­hof. Auf dem Bahn­steig, von dem der Mit­ter­nachts­zug die Sta­ti­on ge­wöhn­lich ver­lässt, er­fuhr er nach ei­ni­gem War­ten, dass ein Un­fall die Züge ver­hin­de­re, die­se Nacht Wo­king zu er­rei­chen. Über das Nä­he­re die­ses Un­falls konn­te er nichts Ver­läss­li­ches er­fah­ren; selbst die Bahn­be­am­ten wuss­ten da­mals noch nichts Be­stimm­tes. Auf dem Bahn­hof herrsch­te nur ge­rin­ge Auf­re­gung, und die Bahn­be­am­ten, weit ent­fernt, et­was an­de­res an­zu­neh­men als eine ein­fa­che Stö­rung zwi­schen Byfleet und dem Kno­ten­punkt Wo­king, führ­ten die Thea­ter­zü­ge, wel­che ge­wöhn­lich über Wo­king fuh­ren, auf einen Um­weg über Vir­gi­na Wa­ter oder Guild­ford. Eben­so eif­rig wa­ren sie da­mit be­schäf­tigt, die Li­ni­en der Sonn­tags-Ver­gnü­gungs­zü­ge nach Southamp­ton und Ports­mouth zu än­dern. Der Nacht-Be­richt­er­stat­ter ei­ner Zei­tung, der mei­nen Bru­der irr­tüm­lich für den Be­triebs­lei­ter hielt, mit dem er eine ent­fern­te Ähn­lich­keit be­sitzt, stell­te sich ihm in den Weg und ver­such­te, ei­ni­ges aus ihm her­aus­zu­be­kom­men. Au­ßer ei­ni­gen Bahn­be­am­ten brach­ten nur we­ni­ge Leu­te den Un­fall mit den Mars­män­nern in Zu­sam­men­hang.

In ei­nem an­de­ren Be­richt die­ser Er­eig­nis­se habe ich ge­le­sen, dass am Sonn­tag­mor­gen »ganz Lon­don durch die Nach­rich­ten aus Wo­king elek­tri­siert war.« In Wahr­heit aber gab es nichts, das die­sen sehr über­trie­be­nen Aus­druck recht­fer­ti­gen konn­te. Zahl­rei­che Leu­te in Lon­don hat­ten bis zur Pa­nik am Mon­tag­mor­gen nichts von den Mars­leu­ten ge­hört. Und die da­von ge­hört hat­ten, be­durf­ten ei­ni­ger Zeit, um sich aus den has­tig ent­wor­fe­nen Te­le­gram­men der Sonn­tags­blät­ter ein Bild zu ma­chen. Die Mehr­heit der Leu­te in Lon­don liest kei­ne Sonn­tags­blät­ter.

Au­ßer­dem wur­zelt das ge­wohn­te Ge­fühl per­sön­li­cher Si­cher­heit so tief in der See­le des Lon­do­ners, und auf­re­gen­de Zei­tungs­nach­rich­ten sind eine so all­täg­li­che Sa­che in Lon­don, dass die Leu­te ohne be­son­de­re Furcht Din­ge wie die­se le­sen konn­ten: »Vo­ri­ge Nacht ka­men die Mars­leu­te um sie­ben Uhr aus ih­rem Zy­lin­der her­aus. Sie wag­ten sich in Har­ni­schen aus Me­tall­plat­ten her­vor, zer­stör­ten das Bahn­hofs­ge­bäu­de von Wo­king samt den um­lie­gen­den Häu­sern voll­stän­dig und ver­nich­te­ten ein gan­zes Ba­tail­lon des Car­di­gan-Re­gi­men­tes. Ein­zel­hei­ten sind nicht be­kannt. Ma­xim-Ge­schüt­ze er­wie­sen sich völ­lig nutz­los ge­gen ih­ren Har­nisch; Feld­ge­schüt­ze wur­den von ih­nen zer­trüm­mert. Flie­hen­de Husa­ren spreng­ten nach Chert­sey. Die Mars­leu­te schei­nen lang­sam nach Chert­sey oder Wind­sor vor­zu­rück­en. In West-Sur­rey herrscht große Angst und Schan­zen wer­den auf­ge­wor­fen, um ei­nem Ein­rücken in Lon­don vor­zu­beu­gen.« In die­ser Wei­se drück­te sich die »Sun­day Sun« aus; und ein ge­schick­ter, und mit be­mer­kens­wer­ter Schnel­lig­keit ge­schrie­be­ner Fach­auf­satz im »Re­fe­ree« ver­glich die Sa­che mit ei­ner plötz­lich auf ein Dorf los­ge­las­se­nen Me­na­ge­rie.

Nie­mand war in Lon­don über die Be­schaf­fen­heit der ge­pan­zer­ten Mars­leu­te ge­nau un­ter­rich­tet und noch im­mer herrsch­te die fixe Idee, dass die­se Un­ge­heu­er nur schwer­fäl­lig »krab­bel­ten«, »müh­se­lig kro­chen«. Sol­che Aus­drücke fan­den sich fast in je­dem der ers­ten Be­rich­te. Kei­nes je­ner Te­le­gram­me konn­te von ei­nem Au­gen­zeu­gen je­ner Vor­gän­ge her­rüh­ren. Die Sonn­tags­blät­ter druck­ten Son­der­aus­ga­ben, als wei­te­re Nach­rich­ten be­kannt wur­den, man­che auch, bei de­nen das nicht der Fall war. Aber es gab tat­säch­lich nichts, was man den Leu­ten brin­gen konn­te, bis zum spä­ten Nach­mit­tag, als die Be­hör­den den Pres­se­agen­ten die Nach­rich­ten über­mit­tel­ten, die in ih­rem Be­sitz wa­ren. Es wur­de die Mit­tei­lung ge­macht, dass die Be­woh­ner von Wal­ton und Wey­bridge, und über­haupt aus die­sem gan­zen Be­zirk auf den Stra­ßen Lon­don zu­ström­ten. Das war al­les.

Am Mor­gen ging mein Bru­der in die Kir­che des Fin­del­hau­ses, im­mer noch ohne zu wis­sen, was sich am Abend vor­her zu­ge­tra­gen hat­te. Er hör­te dort An­spie­lun­gen auf den Ein­fall der Mars­be­woh­ner und ein be­son­de­res Ge­bet um Frie­den. Nach dem Got­tes­dienst kauf­te er eine Num­mer des »Re­fe­ree«. Die dar­in ent­hal­te­nen Nach­rich­ten mach­ten ihn doch be­sorgt, und er be­gab sich er­neut zum Wa­ter­loo-Bahn­hof, um dort aus­fin­dig zu ma­chen, ob die Ver­bin­dung schon her­ge­stellt sei. Die Stell­wa­gen, die Drosch­ken, die Rad­fah­rer und die zahl­lo­sen Leu­te, die in ih­ren bes­ten Klei­dern um­her­wan­del­ten, schie­nen von den selt­sa­men Nach­rich­ten, wel­che die Zei­tungs­jun­gen aus­rie­fen, kaum be­rührt zu wer­den. Die Leu­te in­ter­es­sier­ten sich höchs­tens da­für, oder wenn sie be­sorgt wa­ren, so wa­ren sie es nur um ihre dort woh­nen­den An­ge­hö­ri­gen. Auf dem Bahn­hof hör­te er zum ers­ten Mal, dass die Li­ni­en nach Wind­sor und Chert­sey schon un­ter­bro­chen wa­ren. Die Trä­ger er­zähl­ten ihm, dass am Mor­gen ei­ni­ge wich­ti­ge Te­le­gram­me von den Sta­tio­nen Byfleet und Chert­sey ein­ge­trof­fen sei­en. Plötz­lich aber wäre nichts mehr ge­kom­men. Mein Bru­der konn­te kei­ne ge­naue­ren Ein­zel­hei­ten aus den Män­nern her­aus­be­kom­men. »Dort um Wey­bridge her­um scheint tüch­tig ge­kämpft zu wer­den«, dar­auf lie­fen alle ihre Mit­tei­lun­gen hin­aus.

Der Bahn­dienst schi­en in große Un­ord­nung ge­ra­ten zu sein. Eine er­heb­li­che Men­ge von Men­schen, die aus den Ort­schaf­ten des süd­west­li­chen Bahn­net­zes Freun­de er­war­tet hat­ten, stand un­schlüs­sig her­um. Ein grau­köp­fi­ger al­ter Herr kam an mei­nen Bru­der her­an, und ließ sich in hef­ti­gen Wor­ten über die Süd-West­bahn-Ge­sell­schaft ans. »Die soll­te wohl tüch­tig her­ge­nom­men wer­den«, sag­te er.

Ein paar Züge ka­men an, aus Rich­mond, Put­ney und King­ston. Sie brach­ten Leu­te, die aus­ge­zo­gen wa­ren, um einen Ta­ges­aus­flug zu Was­ser zu ma­chen, aber sie hat­ten die Schleu­sen ge­schlos­sen ge­fun­den und glaub­ten et­was wie ein Ge­fühl von Angst, das in der Luft lag, zu mer­ken. Ein Mann in blau und weiß ge­streif­tem Fla­nell, wen­de­te sich an mei­nen Bru­der, sei­ne selt­sa­men Neu­ig­kei­ten an den Mann zu brin­gen:

 

»Scha­ren von Leu­ten fah­ren auf Kar­ren und Wa­gen und al­len er­denk­li­chen Fuhr­wer­ken nach King­ston und schlep­pen da­bei Kof­fer mit ih­ren Hab­se­lig­kei­ten mit«, sag­te er, »sie kom­men aus Mo­le­sey und Wey­bridge und Wal­ton und be­haup­ten, in Chert­sey ein hef­ti­ges Ge­schütz­feu­er ge­hört zu ha­ben; be­rit­te­ne Sol­da­ten sol­len ih­nen ge­ra­ten ha­ben, schleu­nigst die Flucht zu er­grei­fen, da die Mars­leu­te kämen. Auch wir hör­ten Ge­schütz­feu­er am Bahn­hof von Hamp­ton Court, aber wir hiel­ten es für Don­ner. Was zum Kuckuck soll denn das al­les be­deu­ten? Die Mars­leu­te kön­nen doch nicht aus ih­rer Gru­be her­aus? Oder doch?«

Mein Bru­der konn­te ihm kei­ne Aus­kunft ge­ben.

Spä­ter be­merk­te er, dass ein un­be­stimm­tes Ge­fühl der Furcht sich auch der Be­nut­zer der Un­ter­grund­bahn be­mäch­tigt hat­te, und dass die Sonn­tags-Aus­flüg­ler aus den süd­west­li­chen Som­mer­fri­schen — Bar­nes, Wim­ble­don, Rich­mond Park, Kew und so wei­ter — zu un­ge­wöhn­lich frü­her Zeit zu­rück­zu­keh­ren be­gan­nen. Aber nicht ei­ner von ih­nen wuss­te au­ßer lee­ren Gerüch­ten et­was Nen­nens­wer­tes zu er­zäh­len. Je­der­mann, der mit der Bahn zu­sam­men­hing, schi­en schlech­ter Lau­ne zu sein.

Um fünf Uhr etwa ge­riet der an­schwel­len­de Men­schen­hau­fen am Bahn­hof in un­ge­heu­re Auf­re­gung, weil die fast be­stän­dig ge­schlos­se­ne Ver­bin­dungs­li­nie zwi­schen den süd­öst­li­chen und süd­west­li­chen Hal­te­stel­len ge­öff­net wur­de. Die Auf­re­gung wuchs beim An­blick ein­fah­ren­der Gü­ter­wa­gen, die mit rie­si­gen Ge­schüt­zen be­la­den, und Wa­gen­ab­tei­lun­gen, die von Sol­da­ten dicht be­setzt wa­ren. Es wa­ren die Ge­schüt­ze, die von Wool­wich und Chat­ham her­auf­ge­bracht wor­den wa­ren, um King­ston zu de­cken. So­fort be­gann ein Aus­tausch von Scherz­wor­ten: »Ihr wer­det ge­fres­sen wer­den!« »Wir sind die Tier­bän­di­ger!«, und der­glei­chen. Kurz dar­auf kam ein Zug Wach­leu­te, wel­che die Bahn­stei­ge säu­ber­ten. Auch mein Bru­der be­gab sich wie­der auf die Stra­ße.

Die Kir­chen­glo­cken läu­te­ten zum Abend­se­gen, und eine Ab­tei­lung von Mäd­chen der Heils-Ar­mee kam sin­gend die Wa­ter­loo­stra­ße her­ab. Bei der Brücke be­ob­ach­te­te eure An­zahl Mü­ßig­gän­ger einen son­der­ba­ren brau­nen Schaum, der stel­len­wei­se sicht­bar den Strom hin­ab­trieb. Die Son­ne ver­sank eben, und der Uhr­turm und die Häu­ser des Par­la­ments er­ho­ben sich ge­gen einen Abend­him­mel, den man sich kaum fried­li­cher vor­stel­len konn­te, einen gol­de­nen Him­mel, un­ter­bro­chen von lan­gen Qu­er­strei­fen röt­lich­brau­ner Wol­ken. Es ging die Rede von ei­nem schwim­men­den Leich­nam. Ei­ner der Män­ner, ein Re­ser­vist, wie er sag­te, er­zähl­te mei­nem Bru­der, er habe im Wes­ten den He­lio­gra­fen auf­blit­zen ge­se­hen.

In der Wel­ling­ton­stra­ße be­geg­ne­te mein Bru­der ei­nem Paar stäm­mi­ger Ben­gel, die eben mit noch feuch­ten Zei­tungs­blät­tern und auf­fal­len­den Pla­ka­ten aus der Fleet­street stürm­ten. »Furcht­ba­re Ka­ta­stro­phe!«, brüll­ten sie, ei­ner den an­de­ren über­schrei­end. »Kämp­fe in Wey­bridge! Aus­führ­li­che Be­schrei­bung! Flucht der Mars­leu­te! Lon­don in Ge­fahr!« Mein Bru­der muss­te ih­nen drei Pence für eine Num­mer des Blat­tes ge­ben.

Da­mals ge­sch­ah es, da­mals erst, dass er sich einen Be­griff von der vol­len Ge­walt und der Furcht­bar­keit je­ner Un­ge­heu­er mach­te. Er er­fuhr, dass sie nicht bloß eine Hand­voll klei­ner plum­per Ge­schöp­fe wa­ren, son­dern geis­tig hoch­ste­hen­de We­sen, die rie­si­ge me­cha­ni­sche Kör­per lenk­ten, die sich blitz­schnell be­we­gen und mit sol­cher Kraft ihre Op­fer tref­fen konn­ten, dass selbst die mäch­tigs­ten Ge­schüt­ze ih­nen nicht stand­zu­hal­ten ver­moch­ten.

Sie wur­den ge­schil­dert als »un­ge­heu­re spin­nen­ar­ti­ge Ma­schi­nen, fast hun­dert Fuß hoch, fä­hig, sich mit der Schnel­lig­keit von Eil­zü­gen vor­wärts­zu­be­we­gen, und im­stan­de, Strah­len von un­er­mess­li­cher Hit­ze ab­zu­feu­ern.« Ver­bor­ge­ne Bat­te­ri­en, haupt­säch­lich aus Feld­ge­schüt­zen be­ste­hend, wä­ren in der Um­ge­bung der Hor­sell-Wei­de auf­ge­pflanzt wor­den, be­son­ders zwi­schen dem Be­zirk Wo­king und Lon­don. Man hät­te fünf Ma­schi­nen ge­se­hen, wie sie sich der Them­se nä­her­ten, und eine wäre durch eine Lau­ne des Zu­falls zer­stört wor­den. In al­len an­de­ren Fäl­len wä­ren die Ge­schos­se fehl­ge­gan­gen, und die Bat­te­ri­en von den Hit­ze­strah­len so­fort ver­nich­tet wor­den. Schwe­re Ver­lus­te von Sol­da­ten wur­den ge­mel­det, aber der Ton des Be­rich­tes war hoff­nungs­voll.

Die Mars­leu­te wä­ren zu­rück­ge­schla­gen wor­den; sie wä­ren nicht un­ver­wund­bar. Sie hät­ten sich wie­der in ihr Zy­lin­der­drei­eck im Krei­se von Wo­king zu­rück­ge­zo­gen. Bra­ve Leu­te, die he­lio­gra­fi­sche Zei­chen ga­ben, nä­her­ten sich ih­nen un­aus­ge­setzt von al­len Sei­ten. Mit rei­ßen­der Schnel­lig­keit wür­den von Wind­sor, Ports­mouth, Al­ders­hot, Wool­wich, selbst aus dem Nor­den Ge­schüt­ze an Ort und Stel­le ge­schafft; un­ter an­de­rem lan­ge ge­zo­ge­ne Ge­schüt­ze von fünf­und­neun­zig Ton­nen ans Wool­wich. Al­les in al­lem wür­den hun­dert­und­sech­zehn auf­ge­stellt oder has­tig vor­be­rei­tet wer­den, haupt­säch­lich zum Schutz Lon­d­ons. Nie­mals vor­her hät­te in Eng­land ein so un­ge­heu­res oder schleu­ni­ges Auf­ge­bot von krie­ge­ri­scher Macht statt­ge­fun­den.

Je­der in Zu­kunft nie­der­fal­len­de Zy­lin­der wür­de, so hoff­te mein, durch star­ke Spreng­ge­schos­se so­fort zer­stört wer­den, die schleu­nigst her­ge­stellt und ver­teilt wer­den soll­ten. Ohne Zwei­fel, fuhr der Be­richt fort, kön­ne die Lage nicht son­der­ba­rer und erns­ter sein, aber die Öf­fent­lich­keit sei hier­mit er­mahnt, Pa­ni­ken zu mei­den und zu ver­hin­dern. Ohne Zwei­fel sei­en die Mars­leu­te äu­ßerst selt­sa­me und er­schre­cken­de Ge­schöp­fe, aber im schlimms­ten Fall gäbe es nicht mehr als zwan­zig ge­gen un­se­re Mil­lio­nen.

Die Be­hör­den hät­ten gu­ten Grund aus dem Um­fang der Zy­lin­der zu schlie­ßen, dass im äu­ßers­ten Fall nicht mehr als fünf in je­dem Zy­lin­der ste­cken könn­ten — zu­sam­men also fünf­zehn. Und ei­ner we­nigs­tens sei schon ab­ge­tan — viel­leicht schon mehr. Die Öf­fent­lich­keit sei schon ge­nü­gend vor der dro­hen­den Ge­fahr ge­warnt wor­den; und die um­fang­reichs­ten Vor­sichts­maß­re­geln sei­en ge­trof­fen wor­den, um die Be­völ­ke­rung der be­droh­ten süd­west­li­chen Vo­r­or­te zu schüt­zen. Und mit wie­der­hol­ten Be­teue­run­gen in Be­zug auf die Si­cher­heit Lon­d­ons und in fes­tem Ver­trau­en dar­auf, dass die Be­hör­den ih­rer schwe­ren Auf­ga­be ge­wach­sen sei­en, schloss die­se Qua­si-Pro­kla­ma­ti­on.

Das al­les war in rie­si­gen Buch­sta­ben ge­druckt, so frisch, dass das Pa­pier noch feucht war, und es war nicht Zeit ge­we­sen, ein Wort der Er­klä­rung hin­zu­zu­fü­gen. Es war merk­wür­dig, er­zähl­te mein Bru­der, zu se­hen, wie rück­sichts­los der üb­ri­ge In­halt des Blat­tes ver­stüm­melt und be­sei­tigt wur­de, um für die­se Mit­tei­lun­gen Raum zu schaf­fen.

Die gan­ze Wel­ling­ton­stra­ße ent­lang konn­te man die Leu­te se­hen, wie sie die­se blass­ro­ten Blät­ter aus­ein­an­der­fal­te­ten und la­sen; und der Strand1 war plötz­lich er­füllt von den lär­men­den Stim­men ei­nes Hee­res von Zei­tung­ver­käu­fern, die je­nen Pio­nie­ren auf dem Fuße folg­ten. Die Leu­te klet­ter­ten von den Stell­wa­gen her­ab, um sich Blät­ter zu si­chern. Die­se Nach­rich­ten er­reg­ten die Men­ge na­tür­lich aufs Äu­ßers­te, so groß ihr frü­he­rer Gleich­mut auch war. Die Tür ei­nes Land­kar­ten­la­dens am Strand wur­de auf­ge­schlos­sen, er­zähl­te mein Bru­der, und hin­ter dem Fens­ter wur­de ein Mann in sei­nem Sonn­tags­staat mit zi­tro­nen­gel­ben Hand­schu­hen sicht­bar, wie er Kar­ten von Sur­rey has­tig an das Glas be­fes­tig­te.