H. G. Wells – Gesammelte Werke

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Mir schi­en, als hät­te die Gru­be sich er­wei­tert. Und im­mer wie­der fuh­ren Stö­ße leb­haft grü­nen Damp­fes ge­gen den hel­ler wer­den­den Him­mel auf — fuh­ren auf, dreh­ten sich wir­belnd, ver­teil­ten sich und ver­schwan­den.

Jen­seits er­blick­te man die Feu­er­säu­len von Chob­ham. Sie wur­den Säu­len blu­tig ro­ten Rau­ches beim ers­ten Strahl des Ta­ges.

1 Kampf­tak­tik, um den Geg­ner durch an­dau­ern­den, wenn auch in­ef­fek­ti­ven Be­schuss zu bin­den. <<<

2 Das Ma­xim-Ma­schi­nen­ge­wehr (fran­zö­sisch Ma­xim-Mi­trail­leu­se, eng­lisch Ma­xim Gun) war das ers­te selbst­la­den­de Ma­schi­nen­ge­wehr. <<<

XII. Die Zerstörung von Weybridge und Shepperton

Als es hel­ler wur­de, zo­gen wir uns vom Fens­ter, von dem wir die Mars­leu­te be­ob­ach­tet hat­ten, zu­rück und gin­gen lei­se die Stie­ge hin­ab.

Der Ar­til­le­rist stimm­te mit mir über­ein, dass das Haus nicht der Ort sei, um dort zu ver­wei­len. Wie er mir mit­teil­te, hat­te er vor, die Rich­tung nach Lon­don ein­zu­schla­gen, um dort mit sei­ner Bat­te­rie — Nr. 12 von der rei­ten­den Ar­til­le­rie — zu­sam­men­zu­tref­fen. Mei­ne Ab­sicht war es, so­fort nach Lea­ther­head zu­rück­zu­keh­ren; und so mäch­tig war der Ein­druck, den die Kraft der Mars­leu­te auf mich ge­macht hat­te, dass ich fest ent­schlos­sen war, mei­ne Frau nach Ne­wha­ven zu brin­gen, um dort mit ihr, und zwar ohne Ver­zug, das Land zu ver­las­sen. Denn das hat­te ich schon klar be­grif­fen, dass die Ge­gend um Lon­don un­ver­meid­lich der Schau­platz ver­häng­nis­vol­ler Kämp­fe wer­den müs­se, ehe Ge­schöp­fe wie die­se ver­nich­tet wer­den konn­ten.

Aber zwi­schen uns und Lea­ther­head lag der drit­te Zy­lin­der un­ter der Ob­hut der Rie­sen. Wäre ich al­lein ge­we­sen, so hät­te ich, glau­be ich, al­les in die Schan­ze ge­schla­gen, und hät­te quer­feld­ein mei­nen Weg ein­ge­schla­gen. Aber der Ar­til­le­rist riet mir da­von ab: »Ei­ner rech­ten Frau«, sag­te er, »er­weist man kei­nen Ge­fal­len, wenn man sie zur Wit­we macht.« Und schließ­lich ließ ich mich über­re­den, un­ter dem Schutz der Wäl­der mit ihm nörd­lich bis Street Chob­ham zu ge­hen. Dort woll­ten wir uns tren­nen. Dann woll­te ich einen großen Um­weg über Ep­som ma­chen, um Lea­ther­head zu er­rei­chen.

Ich wäre auf der Stel­le auf­ge­bro­chen, aber mein Ge­fähr­te war in ak­ti­vem Dienst ge­stan­den und er ver­stand es bes­ser. Er ver­an­lass­te mich, das gan­ze Haus nach ei­ner Feld­fla­sche zu durch­stö­bern, die er mit Whis­key füll­te; und jede mög­li­che Ta­sche stopf­ten wir mit Päck­chen Zwie­back und Fleisch­schnit­ten an. Dann schli­chen wir uns aus dem Hau­se her­aus und lie­fen, so schnell wir konn­ten, die schlech­te Stra­ße hin­ab, auf der ich die Nacht vor­her ge­kom­men war. Die Häu­ser schie­nen ver­las­sen. Auf der Stra­ße lag eine Grup­pe drei­er vom Hit­ze­strahl ge­trof­fe­ner, dicht ne­ben­ein­an­der­lie­gen­der Lei­chen; und hie und da sah man Ge­gen­stän­de, wel­che die Leu­te auf ih­rer Flucht ver­lo­ren hat­ten —- eine Uhr, einen Pan­tof­fel, einen Sil­ber­löf­fel und ähn­li­che arm­se­li­ge Kost­bar­kei­ten. An der Ecke ge­gen das Post­amt zu stand ein klei­ner Kar­ren, mit Kof­fern und Haus­ge­rät be­packt, ohne Pferd, halb um­ge­stürzt mit ei­nem ge­bro­che­nen Rad. Eine Geld­scha­tul­le war has­tig auf­ge­bro­chen und in den Wirr­warr zu­rück­ge­schleu­dert wor­den.

Au­ßer dem Pfört­ner­häus­chen beim Wai­sen­haus, das noch im­mer brann­te, hat­te kei­nes der Häu­ser hier sehr ge­lit­ten. Der Hit­ze­strahl hat­te die Schorn­stei­ne ab­ge­schla­gen und war wei­ter­ge­fah­ren. Den­noch schi­en es au­ßer uns kei­ne le­ben­de See­le am May­bu­ry-Hü­gel zu ge­ben. Die Mehr­heit der Be­woh­ner hat­te auf der Old Wo­king Road — der­sel­ben, auf der ich nach Lea­ther­head ge­fah­ren war — ihr Heil in der Flucht ge­sucht, oder sie hielt sich ver­bor­gen.

Wir gin­gen den klei­nen Feld­weg hin­ab, an der Lei­che des Man­nes in Schwarz, die jetzt vom nächt­li­chen Ha­gel­schlag ganz durch­nässt war, vor­über, und schlu­gen uns am Fuß des Hü­gels in das Ge­hölz. Wir ar­bei­te­ten uns bis zur Ei­sen­bahn hin­durch, ohne ei­ner le­ben­den See­le zu be­geg­nen. Das Wäld­chen jen­seits des Ei­sen­bahn­dam­mes war nichts als ein Hau­fen zer­schmet­ter­ten und ver­kohl­ten Hol­zes; zum größ­ten Teil wa­ren die Bäu­me um­ge­stürzt, aber eine ge­rin­ge An­zahl stand noch da, trost­lo­se graue Stäm­me mit dun­kel­brau­nen statt grü­nen Na­deln.

Auf un­se­rer Sei­te wa­ren kaum an­de­re Spu­ren des Feu­ers wahr­zu­neh­men, als dass ei­ni­ge nä­her­ste­hen­de Bäu­me ver­sengt wa­ren; doch nicht ge­nü­gend, um einen Brand an­zu­re­gen. An ei­ner Stel­le wa­ren die Forst­leu­te noch am Sams­tag be­schäf­tigt ge­we­sen; ge­fäll­te und frisch­be­schnit­te­ne Baum­stäm­me la­gen mit gan­zen Hü­geln von Sä­ge­spä­nen ne­ben der Sä­ge­ma­schi­ne und ih­rem Mo­tor in ei­ner Lich­tung. Dicht da­ne­ben sah man eine nur für au­gen­blick­li­chen Ge­brauch ge­zim­mer­te Hüt­te, die ver­las­sen dalag. Nicht ein Lüft­chen reg­te sich an die­sem Mor­gen, und al­les war selt­sam still. Selbst die Vö­gel wa­ren ver­stummt, und als wir so ent­lan­geil­ten, spra­chen der Ar­til­le­rist und ich nur im Flüs­ter­ton, und von Zeit zu Zeit blick­ten wir über die Schul­ter zu­rück. Ein- oder zwei­mal hiel­ten wir an, um zu lau­schen.

Nach ei­ni­ger Zeit nä­her­ten wir uns der Stra­ße, und als wir ihr ganz nahe ka­men, hör­ten wir das Klap­pern von Hu­fen und sa­hen durch die Baum­stäm­me drei Ka­val­le­ris­ten, die lang­sam ge­gen Wo­king zu rit­ten. Wir rie­fen sie an, und sie mach­ten Halt, wäh­rend wir auf sie zu­eil­ten. Es war ein Leut­nant und zwei Mann von den 8. Husa­ren. Sie tru­gen ein Ge­stell, das wie ein Theo­do­lit1 aus­sah, das aber der Ar­til­le­rist mir als einen He­lio­gra­fen2 er­klär­te.

»Sie sind die ers­ten Men­schen, die ich auf die­ser Stra­ße heu­te Mor­gen ge­se­hen habe«, sag­te der Leut­nant, »was ist denn ei­gent­lich los?«

Sei­ne Stim­me und sein Ge­sicht wa­ren er­füllt von Wiss­be­gier­de. Auch die Sol­da­ten hin­ter ihm starr­ten uns neu­gie­rig an. Der Ar­til­le­rist sprang über den Gra­ben auf die Stra­ße hin­ab und sa­lu­tier­te.

»Ka­no­nen zer­stört vo­ri­ge Nacht, Herr Leut­nant. Habe mich ver­steckt. Ver­su­che, zur Bat­te­rie zu­rück­zu­kom­men, Herr Leut­nant. Sie wer­den, wenn sie noch eine hal­be Mei­le auf die­ser Stra­ße rei­ten, die Mars­leu­te zu Ge­sicht be­kom­men, glau­be ich.«

»Wie zum Kuckuck se­hen die denn aus?«, frag­te der Leut­nant.

»Rie­sen in Rüs­tung, Herr Leut­nant. Hun­dert Fuß hoch. Drei Bei­ne und ein Rumpf wie Alu­mi­ni­um, mit ei­nem un­ge­heu­ren Kopf in ei­ner Kap­pe, Herr Leut­nant.«

»Hö­ren Sie doch auf!«, rief der Leut­nant. »Was für ein ver­fluch­ter Un­sinn!«

»Sie wer­den schon se­hen, Herr Leut­nant. Sie füh­ren eine Art Kas­ten mit sich, der Feu­er aus­speit und Sie tot­schlägt.«

»Was mei­nen Sie ei­gent­lich — ein Ge­schütz?«

»Nein, Herr Leut­nant«, und der Ar­til­le­rist gab nun eine leb­haf­te Be­schrei­bung des Hit­ze­strahls. Mit­ten in sei­ner Schil­de­rung un­ter­brach ihn der Leut­nant und blick­te nach mir. Ich stand noch im­mer auf dem Damm ne­ben der Stra­ße.

»Ha­ben Sie es ge­se­hen?«, frag­te der Leut­nant.

»Es ist voll­kom­men wahr«, er­wi­der­te ich.

»So«, sag­te der Leut­nant, »dann glau­be ich, ist es wohl auch mei­ne Pf­licht, es an­zu­se­hen. Pas­sen Sie auf« —- er wand­te sich an den Ar­til­le­ris­ten — »wir sind hier ver­teilt, um die Leu­te aus ih­ren Häu­sern zu schaf­fen. Sie tun am bes­ten, wenn Sie sich beim Bri­ga­de-Ge­ne­ral Mar­vin mel­den und ihm al­les be­rich­ten, was Sie wis­sen. Er ist in Wey­bridge. Weg be­kannt?«

»Ich ken­ne ihn«, sag­te ich. Er wen­de­te sein Pferd wie­der süd­wärts.

»Eine hal­be Mei­le, sa­gen Sie?«, frag­te er.

»Höchs­tens«, ent­geg­ne­te ich und wies über die Baum­wip­fel nach Sü­den. Er dank­te mir und ritt wei­ter. Wir ha­ben sie nie wie­der ge­se­hen.

Et­was wei­ter stie­ßen wir auf eine Grup­pe von drei Frau­en und zwei Kin­dern. Sie wa­ren eif­rig da­mit be­schäf­tigt, die Hüt­te ei­nes Taglöh­ners aus­zuräu­men. Sie hat­ten sich einen klei­nen Hand­wa­gen ver­schafft und be­lu­den ihn mit un­sau­ber aus­se­hen­den Bün­deln und schä­bi­gem Haus­ge­rät. Sie wa­ren viel zu eif­rig am Werk, um uns an­zu­spre­chen, als wir vor­über­gin­gen.

Beim Bahn­hof von Byfleet ka­men wir aus den Fich­ten­bäu­men her­aus und fan­den im Licht der Mor­gen­son­ne das Land ru­hig und fried­lich. Wir be­fan­den uns jetzt weit au­ßer­halb des Be­rei­ches des Hit­ze­strahls; wä­ren nicht die große Stil­le und Ver­las­sen­heit in man­chen Häu­sern ge­we­sen, und das ge­schäf­ti­ge Trei­ben und Pa­cken in an­de­ren, hät­ten wir nicht die klei­ne Grup­pe von Sol­da­ten ge­se­hen, die bei der Ei­sen­bahn­brücke stand und fort­wäh­rend nach Wo­king hin­über­starr­te — es wäre ein Tag sehr ähn­lich je­dem an­de­ren Sonn­tag ge­we­sen.

Ei­ni­ge Bau­ern­wa­gen und Kar­ren be­weg­ten sich äch­zend auf der Stra­ße, die nach Add­le­sto­ne führt. Plötz­lich be­merk­ten wir durch die Zaun­tü­re ei­nes Fel­des, jen­seits ei­nes Strei­fens ebe­nen Wie­sen­grun­des sechs Zwölf­pfün­der3 in gleich­mä­ßi­gen Zwi­schen­räu­men auf­ge­stellt und ge­gen Wo­king ge­rich­tet. Die Ka­no­nie­re stan­den bei den Ge­schüt­zen in Be­reit­schaft, und die Mu­ni­ti­ons­wa­gen be­fan­den sich in ge­fechts­mä­ßi­ger Ent­fer­nung. Die Leu­te stan­den da, als war­te­ten sie auf au­gen­blick­li­chen Be­fehl.

 

»Sehr gut!«, sag­te ich. »Ei­nen Schuss wer­den sie auf alle Fäl­le ab­be­kom­men.«

Der Ar­til­le­rist zö­ger­te an der Tür des Zauns.

»Ich gehe wei­ter!«, sag­te er.

Wei­ter­hin ge­gen Wey­bridge zu, ge­ra­de bei der Brücke, stand eine An­zahl Sol­da­ten in wei­ßen Ar­beits­blu­sen und warf eine lan­ge Schan­ze auf. Da­hin­ter wie­der ei­ni­ge Ge­schüt­ze.

»Ei­ner­lei, das nen­ne ich Pfeil und Bo­gen ge­gen Blit­ze«, sag­te der Ar­til­le­rist. »Die ha­ben den Feu­er­strahl noch nicht ge­se­hen.«

Die Of­fi­zie­re, die nicht be­schäf­tigt wa­ren, stan­den da und blick­ten un­ver­wandt über die Baum­wip­fel süd­west­wärts. Und die Mann­schaft hielt alle Au­gen­bli­cke mit dem Gra­ben ein, um nach der­sel­ben Rich­tung zu star­ren.

Byfleet war in wil­der Be­we­gung. Die Leu­te pack­ten ein, und ein Trupp Husa­ren, ei­ni­ge zu Fuß, an­de­re be­rit­ten, jag­te sie durch­ein­an­der. Drei oder vier schwar­ze statt­li­che Wa­gen mit dem Kreuz in weißem Feld, und ein al­ter Stell­wa­gen wur­den nebst an­de­ren Ge­fähr­ten in der Dorf­stra­ße be­la­den. Es wa­ren Scha­ren von Leu­ten in den Stra­ßen, die meis­ten von ih­nen sonn­tä­gig ge­nug ge­stimmt, um mit ih­ren bes­ten Ge­wän­dern be­klei­det zu sein. Die Sol­da­ten hat­ten die größ­te Mühe, ih­nen den Ernst ih­rer Lage be­greif­lich zu ma­chen. Wir sa­hen einen runz­li­gen al­ten Ge­sel­len mit ei­ner rie­si­gen Kis­te und etwa zwan­zig oder mehr Blu­men­töp­fen mit Orchi­de­en, wie er wü­tend einen Kor­po­ral an­fuhr, der die Blu­men zu­rück­las­sen woll­te.

Ich blieb ste­hen und fass­te ihn beim Arm.

»Wis­sen Sie, was dort drü­ben ist?«, frag­te ich ihn und wies auf die Fich­ten­wip­fel, wel­che die Mars­leu­te ver­bar­gen.

»Was?«, sag­te er und wand­te sich um, »Ich habe eben aus­ein­an­der­ge­setzt, wie kost­bar die­se Blu­men sind.«

»Der Tod!«, schrie ich. »Der Tod kommt! Der Tod!«

Und in­dem ich es ihm über­ließ, das hin­un­ter­zu­wür­gen, so gut er konn­te, eil­te ich dem Ar­til­le­ris­ten nach. An der Ecke blick­te ich zu­rück. Der Sol­dat hat­te ihn ste­hen­ge­las­sen; aber er stand noch bei sei­ner Kis­te und den Orchi­de­en­töp­fen und starr­te ver­ständ­nis­los über die Bäu­me hin­weg.

Kein Mensch in Wey­bridge konn­te uns sa­gen, wo das Haupt­quar­tier auf­ge­schla­gen war. Der gan­ze Ort be­fand sich in ei­nem Zu­stand ge­räusch­vol­ler Ver­wir­rung, den ich selbst in Städ­ten nie vor­her ge­se­hen hat­te. Über­all Kar­ren und Wa­gen, die er­staun­lichs­ten Zu­sam­men­set­zun­gen von Fahr­ge­le­gen­hei­ten und Pfer­de­ma­te­ri­al. Die an­ge­se­he­nen Ein­woh­ner des Or­tes, Män­ner in Golf- und Ru­der­ko­stü­men, hübsch ge­klei­de­te Frau­en, alle pack­ten ein, von den Ufer­bumm­lern kräf­tig un­ter­stützt. Die Kin­der auf­ge­regt und zum größ­ten Teil höchst ent­zückt über die­se er­staun­li­che Än­de­rung ih­rer Sonn­tags-Er­fah­run­gen. Und in­mit­ten die­ses Wirr­warrs stand der wür­di­ge Pre­di­ger, der mit an­er­ken­nens­wer­tem Mut einen Früh­got­tes­dienst ab­hielt. Sei­ne Glo­cke klang lus­tig in die Auf­re­gung hin­ein.

Der Ar­til­le­rist und ich, wir sa­ßen auf der So­ckel­stu­fe des Trink­brun­nens und hiel­ten mit den mit­ge­nom­me­nen Ess­vor­rä­ten eine ganz leid­li­che Mahl­zeit. Sol­da­ten-Pa­trouil­len, hier nicht Husa­ren, son­dern wei­ße Gre­na­die­re, er­mahn­ten die Leu­te, nicht län­ger zu zö­gern, son­dern zu flie­hen oder in den Kel­lern ihre Zuf­lucht zu neh­men, so­bald das Schie­ßen be­gin­nen wer­de. Als wir die Ei­sen­bahn­brücke über­schrit­ten, sa­hen wir, dass ein ste­tig an­wach­sen­der Men­schen­hau­fen sich in und vor dem Bahn­hof an­ge­sam­melt hat­te, und dass der von Men­schen wim­meln­de Bahn­steig mit Kof­fern und Pa­ke­ten über­häuft war. Der ge­wöhn­li­che Ver­kehr war un­ter­bro­chen wor­den.

Wir hiel­ten uns ei­ni­ge Zeit in Wey­bridge auf. Um die Mit­tags­stun­de be­fan­den wir uns ne­ben der Schleu­se von Shep­per­ton, wo der Wey und die Them­se sich ver­ei­ni­gen. Bis da­hin hat­ten wir einen Teil un­se­rer Zeit da­mit ver­bracht, zwei al­ten Frau­en beim Be­la­den ih­res klei­nen Kar­rens be­hilf­lich zu sein. Der Wey hat eine drei­tei­li­ge Mün­dung, und an die­ser Stel­le kann man Boo­te mie­ten oder man be­nützt die Fäh­re, die über den Fluss führt. Auf der Sei­te von Shep­per­ton war ein Gast­haus mit ei­nem Ra­sen­platz, und da­hin­ter er­hob sich der Turm der Kir­che von Shep­per­ton über den Bäu­men.

Hier fan­den wir einen er­reg­ten und lär­men­den Hau­fen Flüch­ti­ger ver­sam­melt. Bis­her war die Flucht noch nicht zu ei­ner Pa­nik an­ge­wach­sen; doch wa­ren schon jetzt viel mehr Leu­te da, als die Boo­te, die hin- und her­fuh­ren, auf­neh­men konn­ten. Im­mer mehr Men­schen ka­men, die un­ter ih­ren schwe­ren Las­ten keuch­ten. Ein Ehe­paar schlepp­te so­gar eine klei­ne Haus­tür her­an, auf die es sei­ne Gerät­schaf­ten ge­türmt hat­te. Ein Mann mein­te, er wür­de es ver­su­chen, vom Bahn­hof von Shep­per­ton ab­zu­fah­ren.

Es wur­de viel hin- und her­ge­schri­en, und ein Mann mach­te so­gar Wit­ze. Die Vor­stel­lung der Leu­te schi­en die zu sein, dass die Mars­leu­te ein­fach furcht­ba­re mensch­li­che We­sen sei­en, die wohl eine Stadt an­grei­fen und plün­dern könn­ten, aber die man schließ­lich doch ganz ge­wiss ver­nich­ten wer­de. Je­den Au­gen­blick späh­ten die Leu­te über den Wey hin­weg nach den Wie­sen in der Rich­tung ge­gen Chert­sey. Dort aber war al­les ru­hig.

Jen­seits der Them­se, au­ßer ge­ra­de dort, wo die Boo­te lan­de­ten, war al­les still, in grel­lem Ge­gen­satz zur Sur­rey-Sei­te. Die Leu­te, wel­che dort lan­de­ten, trab­ten alle den Feld­weg hin­ab. Das große Fähr­boot hat­te eben eine Fahrt zu­rück­ge­legt. Drei oder vier Sol­da­ten stan­den auf dem Ra­sen­platz des Gast­hau­ses, gaff­ten und mach­ten sich über die Flücht­lin­ge lus­tig, ohne Mie­ne zu ma­chen, ih­nen zu hel­fen. Das Gast­haus war ge­schlos­sen, eine Fol­ge der Sonn­tags­ru­he.

»Was ist das?«, rief ein Boots­mann, und »Kusch dich, du Narr!«, herrsch­te ein Mann ne­ben mir sei­nen kläf­fen­den Hund an. Da war der Ton wie­der, die­ses Mal aus der Ge­gend von Chert­sey, ein dump­fer Schlag — das Feu­ern ei­nes Ge­schüt­zes.

Die Schlacht be­gann. Fast un­mit­tel­bar fie­len un­sicht­ba­re Bat­te­ri­en — un­sicht­bar we­gen der Bäu­me — jen­seits des Flus­ses zu un­se­rer Rech­ten in den Chor ein, hef­tig feu­ernd — eine nach der an­de­ren. Eine Frau kreisch­te. Je­der­mann stand bei dem plötz­li­chen Be­ginn der Schlacht wie ge­bannt da; sie tob­te ne­ben uns, und uns doch un­sicht­bar. Nichts war zu se­hen, als ebe­ne Wie­sen­grün­de, als meist un­be­küm­mert wei­ter gra­sen­de Kühe, und be­schnit­te­ne Sil­ber­wei­den, die re­gungs­los im war­men Son­nen­licht stan­den.

»Die Sol­da­ten wer­den’s ih­nen schon zei­gen«, mein­te eine Frau ne­ben mir et­was un­si­cher. Ein fei­ner Rauch er­hob sich über den Baum­kro­nen.

Plötz­lich sa­hen wir eine Rauch­wol­ke in wei­ter Fer­ne fluss­auf­wärts auf­fah­ren, ein Rauch­stoß, der in die Luft schoss und dort hän­gen blieb. Im sel­ben Au­gen­blick hob sich der Bo­den un­ter un­se­ren Fü­ßen, und ein hef­ti­ger Zünd­schlag er­schüt­ter­te die Luft; ei­ni­ge Fens­ter in den nä­her ge­le­ge­nen Häu­sern zer­schell­ten. Wir blie­ben be­täubt ste­hen.

»Da sind sie!«, schrie ein Mann in blau­em Jer­sey. »Da drü­ben! Seht ih­r’s nicht? Da drü­ben!«

Blitz­schnell, ei­ner nach dem an­de­ren, tauch­ten ein, zwei, drei, vier ge­pan­zer­te Mars­leu­te in wei­ter Fer­ne bei den klei­nen Bäu­men, jen­seits der ebe­nen Wie­sen auf, die sich nach Chert­sey hin­zie­hen. Sie nä­her­ten sich eilends dem Flus­se. Klei­ne Ge­stal­ten in Ka­pu­zen schie­nen sie zu­erst, die sich rol­lend fort­be­weg­ten, schnell wie flie­gen­de Vö­gel.

Dann, in schie­fer Rich­tung ge­ra­de auf uns zu, kam ein Fünf­ter. Ihre ge­pan­zer­ten Lei­ber glit­zer­ten in der Son­ne, als sie auf die Ge­schüt­ze zu­ras­ten, und im Nä­her­kom­men mit rei­ßen­der Schnel­lig­keit wuch­sen. Ei­ner, der am wei­tes­ten ent­fernt, ganz links fuhr, schwang einen un­ge­heu­ren Be­häl­ter in der Luft, und der geis­ter­haf­te, furcht­ba­re Hit­ze­strahl, den ich schon Frei­tag nachts ge­se­hen hat­te, fuhr ge­gen Chert­sey und traf die Stadt.

Beim An­blick die­ser selt­sa­men, schnel­len, schreck­li­chen Ge­schöp­fe schi­en die Men­ge am Ufer wie von Schre­cken er­starrt zu sein. Man hör­te we­der Schrei­en noch Jam­mern. Al­les blieb still. Dann ein hei­se­res Ge­mur­mel, eine Be­we­gung von Fü­ßen — ein Auf­sprit­zen von Was­ser. Ein Mann, der zu er­schreckt war, um sei­ne Rei­se­ta­sche, die er auf der Schul­ter trug, fal­len zu las­sen, warf sich her­um und stieß mich mit der Kan­te sei­ner Bür­de fast zu Bo­den. Eine Frau stieß mit ih­rer Hand nach mir und stürz­te an mir vor­über. Zu­gleich mit der Men­ge wand­te auch ich mich um; aber mein Ent­set­zen war nicht stark ge­nug, um mich am Den­ken zu hin­dern. Der furcht­ba­re Hit­ze­strahl be­schäf­tig­te mei­ne Ge­dan­ken. Un­ter das Was­ser flüch­ten! Das war das Rich­ti­ge!

»Un­ter’s Was­ser!«, schrie ich, ohne ge­hört zu wer­den.

Ich wand­te mich wie­der um und rann­te dem her­an­kom­men­den Mars­mann ent­ge­gen — rann­te sporn­streichs die kie­si­ge Bö­schung hin­ab und stürz­te mich kopf­über ins Was­ser. An­de­re folg­ten mir. Ein Boot kam zu­rück und die Leu­te spran­gen her­aus, als ich an ih­nen vor­bei­stürm­te. Die Stei­ne un­ter mei­nen Fü­ßen wa­ren leh­mig und schlüpf­rig, und der Fluss war so seicht, dass ich viel­leicht zwan­zig Fuß weit lief und das Was­ser mir nur bis zur Hüf­te reich­te. Dann, als der Mars­mann kaum zwei­hun­dert Yard ent­fernt über mir auf­tauch­te, warf ich mich nie­der und tauch­te un­ter. Das Auf­klat­schen des Was­sers, so oft die Leu­te aus den Boo­ten in den Fluss spran­gen, scholl wie Don­ner­schlä­ge in mei­nen Ohren. Auf bei­den Sei­ten des Flus­ses stie­gen Leu­te ans Land.

Aber die Mars­ma­schi­ne be­ach­te­te die­se hin- und her­lau­fen­de Men­schen­men­ge nicht mehr, als etwa ein Mensch, des­sen Fuß einen Amei­sen­hau­fen zer­stört hat, die Ver­wir­rung be­ach­tet, die er im Amei­sen­volk an­ge­rich­tet hat. Als ich, halb er­stickt, mei­nen Kopf über das Was­ser er­hob, war die Dach­hau­be des Mars­man­nes ge­gen die Bat­te­ri­en ge­rich­tet, die noch im­mer über den Fluss schos­sen; und als er her­an­kam, schwang er frei in der Luft je­nes Ding, das der Er­zeu­ger des Hit­ze­strahls sein muss­te.

Im nächs­ten Au­gen­blick war die Ma­schi­ne am Ufer, und weit aus­schrei­tend wa­te­te sie halb durch. Die Knie der Vor­der­bei­ne wa­ren schon auf dem an­de­ren Ufer, und gleich dar­auf er­hob es sich schon zu sei­ner vol­len Höhe, ganz in der Nähe von Shep­per­ton. So­fort be­gan­nen die sechs Ge­schüt­ze, wel­che je­der­mann un­sicht­bar, am rech­ten Ufer, hin­ter den Aus­läu­fern des Dor­fes ver­bor­gen wa­ren, gleich­zei­tig zu feu­ern. Die un­er­war­te­te Nähe der Er­schüt­te­rung, die Schnel­lig­keit, mit der der letz­te Schuss dem ers­ten folg­te, lie­ßen mei­ne Pul­se flie­gen. Das Un­ge­heu­er er­hob schon den Be­häl­ter, der den Hit­ze­strahl er­zeug­te, als die ers­te Bom­be sechs Yard über der Dach­hau­be platz­te.

Ich stieß einen Schrei des Er­stau­nens aus. Ich sah und hör­te nichts von den vier an­de­ren Mar­sun­ge­tü­men, mei­ne Auf­merk­sam­keit galt ein­zig und al­lein dem na­he­lie­gends­ten Er­eig­nis. Gleich­zei­tig bars­ten zwei wei­te­re Bom­ben in der Luft dicht ne­ben dem Kör­per des Rie­sen; er dreh­te die Dach­hau­be, ge­ra­de zur rech­ten Zeit, um die vier­te Bom­be zu er­hal­ten, aber nicht rasch ge­nug, um ihr aus­zu­wei­chen.

Die Bom­be fuhr mit­ten in das Ge­sicht des Mars­man­nes. Die Hau­be bläh­te sich auf, fun­kel­te und zer­sprang in ein Dut­zend zer­schell­ter Stücke ro­ten Flei­sches und glit­zern­den Me­tal­les.

»Ge­trof­fen!«, schrie ich; mei­ne Stim­me klang halb krei­schend, halb ju­belnd.

Ich hör­te die ant­wor­ten­den Schreie von den Leu­ten, die um mich her­um im Was­ser stan­den. In der au­gen­blick­li­chen freu­di­gen Stim­mung hät­te ich aus dem Was­ser sprin­gen kön­nen.

Der ent­haup­te­te Ko­loss wank­te wie ein be­trun­ke­ner Rie­se. Aber er stürz­te nicht. Wie durch ein Wun­der ge­wann er sein Gleich­ge­wicht wie­der. Nichts war mehr da, das sei­nen Lauf zü­gel­te und der Strah­ler, der den Hit­ze­strahl ab­feu­er­te, stand of­fen da. So ras­te er pol­ternd auf Shep­per­ton los. Die le­ben­de In­tel­li­genz, der Mars­mann in der Dach­hau­be, war er­schla­gen und sei­ne Res­te wa­ren in die vier Win­de zer­sto­ben; das Ding war jetzt nur mehr ein wil­des Ge­wirr von Me­tall, das sei­ner Ver­nich­tung ent­ge­ge­neil­te. Le­dig je­der Lei­tung fuhr es in ge­ra­der Rich­tung wei­ter. Es traf den Turm der Kir­che von Shep­per­ton, zer­schmet­ter­te ihn, so wie ein Kriegs­wid­der4 ihn zer­schmet­tert hät­te, bog seit­wärts ab, pol­ter­te wei­ter, stürz­te end­lich un­ter un­ge­heu­rem Ge­tö­se in den Fluss und ent­schwand mei­nen Bli­cken.

 

Ein hef­ti­ger Zünd­schlag er­schüt­ter­te die Luft. Ein Ge­wirr von Was­ser, Dampf, Schmutz und zer­split­ter­tem Me­tall schoss hoch auf. Als die Ka­me­ra mit dem Hit­ze­strahl das Was­ser be­rühr­te, ver­wan­del­te sich die­ses un­auf­halt­sam in Dampf. Im nächs­ten Au­gen­blick wälz­te sich eine un­ge­heu­re Woge, wie eine schlam­mi­ge Spring­flut­wel­le, aber fast ko­chend heiß, den ge­krümm­ten obe­ren Teil des Flus­ses ent­lang. Ich sah, wie Leu­te dem Ufer zu­streb­ten und hör­te ihre jam­mern­den Schreie nur un­deut­lich ne­ben dem Zi­schen und Brül­len, das den Zu­sam­men­bruch des Mar­sun­ge­heu­ers be­glei­te­te.

Für den Au­gen­blick be­ach­te­te ich die Hit­ze nicht, und ver­gaß die drin­gen­de Not­wen­dig­keit der Selbs­t­er­hal­tung. Ich wa­te­te durch das auf­ge­wühl­te Was­ser, schob einen schwarz ge­klei­de­ten Mann zur Sei­te, um vor­wärts­zu­kom­men, bis ich end­lich um die Bie­gung des Flus­ses se­hen konn­te. Ein hal­b­es Dut­zend ver­las­se­ner Boo­te trieb ziel­los auf dem Wel­len­ge­wirr um­her. Wei­ter un­ten sah ich das ge­stürz­te Mar­sun­ge­tüm quer über dem Flus­se lie­gen; der größ­te Teil war un­ter Was­ser.

Dich­te Wol­ken von Dampf ström­ten aus dem Wrack und durch die wie toll wir­beln­den Wel­len konn­te ich die rie­sen­haf­ten Glie­der se­hen, wie sie das Was­ser be­weg­ten und einen Schau­er von Schlamm und Schaum auf­peitsch­ten. Die Ten­ta­keln grif­fen und schlu­gen um sich, wie le­ben­de Arme, und ab­ge­se­hen von der hilflo­sen Zweck­lo­sig­keit die­ser Be­we­gun­gen, sah das Gan­ze aus, als füh­re ein ver­wun­de­tes Ge­schöpf mit den Wel­len einen ver­zwei­fel­ten Kampf um sein Le­ben. Un­ge­heue­re Men­gen ei­ner röt­lich­brau­nen Flüs­sig­keit spritz­ten in lär­men­den Fun­ken aus der Ma­schi­ne.

Mei­ne Auf­merk­sam­keit wur­de von die­sem An­blick durch einen star­ken quie­ken­den Laut ab­ge­lenkt, wie ihn jene Spiel­zeu­ge von sich ge­ben, die man in un­se­ren Fa­brik­städ­ten Si­re­nen nennt. Ein Mann, der knie­tief ne­ben dem Lein­pfad stand, rief mich laut flüs­ternd an und mach­te mir ein Zei­chen. Zu­rück­bli­ckend sah ich die an­de­ren Mars­leu­te mit Rie­sen­schrit­ten das Flus­sufer aus der Rich­tung von Chert­sey her­a­bei­len. Die­ses Mal spra­chen die Ge­schüt­ze von Shep­per­ton ver­geb­lich.

Ich tauch­te so­fort un­ter, hielt den Atem an, bis jede Be­we­gung in mir er­starr­te und trieb von Schmerz ge­quält mich un­ter dem Was­ser wei­ter, so lan­ge es mir mög­lich war. Das Was­ser um mich war in wil­dem Aufruhr und wur­de mit rei­ßen­der Schnel­lig­keit hei­ßer. Als ich einen Au­gen­blick mei­nen Kopf aus dem Was­ser steck­te, um Atem zu schöp­fen und Haa­re und Was­ser mir aus den Au­gen zu wi­schen, stieg der Dampf wie ein wir­beln­der wei­ßer Ne­bel auf, der die Mars­leu­te zu­erst mei­nen Bli­cken ent­zog.

Der Lärm war be­täu­bend. Dann aber sah ich sie, rie­si­ge graue Ge­stal­ten, durch den Ne­bel noch ver­grö­ßert. Sie wa­ren an mir vor­über­ge­schrit­ten, und zwei von ih­nen beug­ten sich ge­ra­de über die schäu­men­den und to­ben­den Trüm­mer ih­res Ka­me­ra­den.

Der Drit­te und der Vier­te stan­den ne­ben ih­nen im Was­ser, ei­ner viel­leicht 200 Yard von mir ent­fernt, der an­de­re nach La­le­ham5 bli­ckend. Sie hiel­ten die Be­häl­ter, die den Hit­ze­strahl er­zeug­ten, hoch in der Luft, und die zi­schen­den Strah­len fuh­ren nach al­len Rich­tun­gen.

Die Luft war von Lärm er­füllt, von ei­nem be­täu­ben­den und ver­wir­ren­den Zu­sam­men­wir­ken von Geräuschen, von dem klir­ren­den Ge­tö­se der Mars­ma­schi­nen, dem Kra­chen ein­stür­zen­der Häu­ser, dem dump­fen Auf­schla­gen der Bäu­me, Git­ter und flam­me­num­zün­gel­ter Scheu­nen, und dem Knat­tern und Pras­seln des Feu­ers. Dich­ter schwar­zer Rauch fuhr auf, und ver­misch­te sich mit dem Dampf des Flus­ses; und wie der Hit­ze­strahl über Wey­bridge hin­fuhr, wur­de sein Ein­schla­gen durch ein Auf­fah­ren weiß­glü­hen­den Lich­tes kennt­lich, das sich so­fort in einen rau­chi­gen Tanz gelb­li­cher Flam­men ver­wan­del­te. Die nä­her­lie­gen­den Häu­ser wa­ren noch un­ver­sehrt, be­schat­tet, durch den Qualm un­deut­lich und düs­ter, er­war­te­ten sie ihr Schick­sal, wäh­rend das Feu­er hin­ter ih­nen auf- und nie­der­ras­te.

Ei­nen Au­gen­blick lang, nicht län­ger stand ich da, brust­hoch in dem fast ko­chen­den Was­ser, be­täubt von mei­ner Lage, ohne Hoff­nung zu ent­rin­nen. Durch den Qualm hin­durch konn­te ich die Leu­te se­hen, die mit mir im Flus­se ge­we­sen wa­ren; wie klei­ne Frösche, die durchs Gras flie­hen, wenn ein Mensch sie auf­schreckt, ar­bei­te­ten sie sich durch das Schilf aus dem Was­ser oder rann­ten in wil­dem Ent­set­zen am Lein­pfad auf und ab.

Plötz­lich ka­men die wei­ßen Blit­ze des Hit­ze­strahls auf mich zu­ge­schos­sen. Die Häu­ser san­ken bei ih­rer Berüh­rung zu­sam­men und spien Flam­men aus; die Bäu­me ver­wan­del­ten sich mit Ge­tö­se in Feu­er­säu­len. Die Blit­ze fla­cker­ten auf dem Lein­pfad auf und ab und ver­zehr­ten die Leu­te, die dort plan­los auf- und nie­der­lie­fen. Dann nä­her­ten sie sich dem Ran­de des Was­sers, nicht fünf­zig Yard von der Stel­le ent­fernt, auf der ich stand. Nun fuhr der Strahl über den Fluss hin­über nach Shep­per­ton, und wo er das Was­ser be­rühr­te, da schwoll es in ei­ner ko­chen­den, damp­f­er­füll­ten Bla­se auf. Ich wand­te mich dem Ufer zu.

Im nächs­ten Au­gen­blick hat­te sich die rie­si­ge, dem Sie­de­punkt nahe Wel­le über mich ge­stürzt. Ich schrie laut auf, und halb ver­brüht, halb ge­blen­det, tau­mel­te ich, sinn­los vor Schmerz, durch das auf­schie­ßen­de, zi­schen­de Was­ser dem Ufer zu. Wäre mein Fuß aus­ge­glit­ten, es wäre das Ende ge­we­sen. Hilf­los fiel ich, vor den Au­gen der Mars­leu­te, auf die brei­te, nack­te, kie­si­ge Sand­bank, die als Wahr­zei­chen der Ve­rei­ni­gung von Wey und Them­se sich dort hin­zieht. Ich er­war­te­te nichts als den Tod.

Ich er­in­ne­re mich dun­kel, wie ein Mars­mann den Fuß sei­ner Ma­schi­ne etwa zwan­zig Yard von mei­nem Kopf ent­fernt nie­der­stell­te, wie die­ser tief in den lo­cke­ren Kies­sand ein­sank, wie der Kies hier­hin und dort­hin stob, wie je­ner Fuß wie­der er­ho­ben wur­de. Ich er­in­ne­re mich der Au­gen­bli­cke ban­ger Er­war­tung, und dann, wie die vier die Über­bleib­sel ih­res Ka­me­ra­den fort­tru­gen, erst ganz deut­lich sicht­bar, gleich dar­auf ver­schwom­men in ei­nem Rauch­schlei­er, end­lich, wie es mir schi­en, auf ei­ner un­er­mess­li­chen Flä­che von Fluss und Wie­se in un­end­li­cher Ent­fer­nung gänz­lich ver­schwin­dend. Und nun kam es mir, nur all­mäh­lich, zum Be­wusst­sein, dass ich wie durch ein Wun­der ent­kom­men war.

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