H. G. Wells – Gesammelte Werke

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18 – Im Sonnenschein

Bald sa­hen wir, dass die Höh­le sich auf eine neb­li­ge Lee­re öff­ne­te. Im nächs­ten Mo­ment wa­ren wir auf eine Art schie­fer Ga­le­rie hin­aus­ge­taucht, die in einen rie­si­gen kreis­run­den Raum vor­sprang, einen un­ge­heu­ren zy­lin­dri­schen Schacht, der senk­recht auf und ab lief. Um die­sen Schacht lief die schie­fe Ga­le­rie ohne jede Brust­wehr und ohne Schutz an­dert­halb Win­dun­gen her­um und tauch­te dann hoch oben wie­der in den Fel­sen hin­ein. Ir­gend­wie er­in­ner­te sie mich da­mals an einen je­ner großen Spi­ral­tun­nels der Ei­sen­bahn durch den St. Gott­hard. Es war al­les un­ge­heu­er rie­sen­haft. Ich kann kaum hof­fen, die ti­ta­ni­schen Ver­hält­nis­se die­ses gan­zen Rau­mes klarzu­ma­chen, sei­ne ti­ta­ni­sche Wir­kung. Un­se­re Au­gen folg­ten dem un­ge­heu­ren Ab­sturz der Schacht­mau­er, und zu Häup­ten weit oben er­blick­ten wir eine run­de Öff­nung, die mit blas­sen Ster­nen be­setzt war, und ihre hal­be Lip­pe na­he­zu blen­dend durch das wei­ße Licht der Son­ne. Da schri­en wir gleich­zei­tig auf.

»Kom­men Sie!«, sag­te ich und führ­te.

»Aber da?«, sag­te Ca­vor und trat dem Ran­de der Ga­le­rie sehr vor­sich­tig nä­her. Ich folg­te sei­nem Bei­spiel und reck­te mich vor und blick­te hin­ab, aber ich war von dem Licht­glanz oben ge­blen­det und konn­te nur eine bo­den­lo­se Dun­kel­heit mit dar­in schwim­men­den ro­ten und pur­pur­nen Spek­tral­fle­cken se­hen. Aber wenn ich nicht se­hen konn­te, so konn­te ich hö­ren. Aus die­ser Dun­kel­heit drang ein Schall her­aus, ein Schall wie das zor­ni­ge Sum­men, das man hö­ren kann, wenn man das Ohr an einen Bie­nen­korb legt, ein Schall aus je­ner un­ge­heu­ren Höh­le, viel­leicht vier Mei­len un­ter un­se­ren Fü­ßen …

Ei­nen Mo­ment lausch­te ich, dann fass­te ich mei­ne Stan­ge fes­ter und führ­te die Ga­le­rie hin­auf.

»Dies muss der Schacht sein, in den wir hin­un­ter­geblickt ha­ben«, sag­te Ca­vor. »Un­ter dem De­ckel.«

»Und da un­ten, da ha­ben wir die Lich­ter ge­se­hen.«

»Die Lich­ter!«, sag­te er. »Ja – die Lich­ter der Welt, die wir nun nie se­hen wer­den.«

»Wir kom­men wie­der«, sag­te ich, denn jetzt, da wir so weit ent­kom­men wa­ren, war ich über­eilt san­gui­nisch in dem Glau­ben, dass wir die Sphä­re wie­der­fin­den wür­den.

Sei­ne Ant­wort hör­te ich nicht.

»Eh?«, frag­te ich.

»Es kommt nicht drauf an;« sag­te er und wir eil­ten schwei­gend wei­ter.

Ich glau­be, die­ser schrä­ge Weg war, sei­ne Kur­ve be­rück­sich­tigt, vier oder fünf Mei­len lang, und er stieg mit ei­nem Ge­fäl­le, das ihn auf der Erde bei­na­he un­mög­lich steil ge­macht hät­te, das man aber un­ter den Ver­hält­nis­sen des Mon­des leicht hin­auf schritt. Wäh­rend die­ses gan­zen Teils un­se­rer Flucht sa­hen wir nur zwei Se­le­ni­ten, und so wie sie uns be­merk­ten, lie­fen sie jäh da­von. Es war klar, dass die Nach­richt von un­se­rer Kraft und Ge­walt­tä­tig­keit sie er­reicht hat­te. Un­ser Weg nach au­ßen war un­er­war­tet ein­fach. Die Spiral­ga­le­rie streck­te sich in einen steil an­stei­gen­den Tun­nel, des­sen Bo­den reich­lich Spu­ren der Mond­käl­ber zeig­te, und er war im Ver­hält­nis zu sei­nem wei­ten Bo­gen so ge­ra­de und kurz, dass er nir­gends ab­so­lut dun­kel war. Fast so­fort be­gann er hel­ler zu wer­den, und dann er­schi­en weit vor­aus und hoch oben und ganz blen­dend hell die Öff­nung nach au­ßen, ein Hang von al­pi­ner Steil­heit, der von ei­nem Kamm von Ba­jo­nett­ge­strüpp über­ragt wur­de, das hoch und nie­der­ge­bro­chen, und tro­cken und tot in stach­li­ger Sil­hou­et­te ge­gen die Son­ne stand.

Und es ist selt­sam, dass wir Men­schen eben die­se Ve­ge­ta­ti­on, die uns noch vor ei­ner klei­nen Wei­le so un­heim­lich und furcht­bar er­schie­nen war, jetzt mit der Be­we­gung an­blick­ten, die ein heim­keh­ren­der Ver­bann­ter beim An­blick sei­nes Hei­mat­lan­des füh­len mag. Wir be­will­komm­ne­ten selbst die Dün­ne der Luft, un­ter der wir im Lau­fen zu keu­chen hat­ten, und bei der das Spre­chen nicht mehr so leicht war, wie es ge­we­sen war, son­dern zu ei­ner An­stren­gung wur­de, um sich ver­nehm­bar zu ma­chen. Grö­ßer wur­de der son­ne­ner­leuch­te­te Kreis über uns und grö­ßer, und der gan­ze nä­he­re Teil des Tun­nels ver­sank in einen Rand von un­un­ter­scheid­ba­rem Schwarz. Wir sa­hen den Ba­jo­nett­strauch nicht mehr mit dem ge­rings­ten An­flug von Grün dar­in, son­dern braun und tro­cken und dick, und der Schat­ten sei­ner obe­ren Zwei­ge, die hoch au­ßer Sicht wa­ren, warf ein dicht ver­schlun­ge­nes Mus­ter auf die krau­sen Fel­sen. Und un­mit­tel­bar an der Mün­dung des Tun­nels lag ein wei­ter nie­der­ge­tre­te­ner Raum, wo die Mond­käl­ber ge­kom­men und ge­gan­gen wa­ren.

Wir ka­men schließ­lich in ein Licht und in eine Hit­ze auf die­sen Raum hin­aus, die uns be­drück­ten und quäl­ten. Wir gin­gen müh­sam über die kah­le Flä­che und klet­ter­ten zwi­schen den Strauch­stäm­men einen Hang hin­auf, und setz­ten uns schließ­lich atem­los an ei­ner ho­hen Stel­le un­ter dem Schat­ten ei­ner wir­ren La­va­mas­se nie­der. Selbst im Schat­ten fühl­te der Fels sich heiß an.

Die Luft war in­ten­siv heiß, und wir spür­ten großes phy­si­sches Un­be­ha­gen, aber trotz al­le­dem wa­ren wir nicht mehr in ei­nem Alb. Wir schie­nen wie­der in un­se­re Pro­vinz ge­kom­men zu sein, un­ter die Ster­ne. All die Angst und die An­stren­gung un­se­rer Flucht durch die dunklen Gän­ge und Spal­ten war von uns ge­fal­len. Je­ner letz­te Kampf hat­te uns, so­weit die Se­le­ni­ten in Fra­ge ka­men, mit un­ge­heu­rem Selbst­ver­trau­en er­füllt. Wir blick­ten fast un­gläu­big auf die schwar­ze Öff­nung zu­rück, aus der wir eben auf­ge­taucht wa­ren. Da un­ten war es, in ei­nem blau­en Schein, der uns jetzt in der Erin­ne­rung gleich nach dem ab­so­lu­ten Dun­kel zu kom­men schi­en, dort wa­ren wir We­sen be­geg­net, die wie tol­le Hohn­bil­der auf Men­schen wa­ren, helm­be­häup­te­ten Ge­schöp­fen, und dort wa­ren wir in Angst vor ih­nen ein­her­ge­gan­gen und hat­ten uns ih­nen un­ter­wor­fen, bis wir uns nicht mehr un­ter­wer­fen konn­ten. Und sie­he, sie wa­ren wie Wachs zer­spritzt, wie Spreu ver­weht, wa­ren wie die Ge­schöp­fe ei­nes Trau­mes ge­flo­hen und ge­schwun­den!

Ich rieb mir die Au­gen und zwei­fel­te, ob wir nicht ge­schla­fen hät­ten und die­se Din­ge in­fol­ge der Pil­ze, die wir ge­ges­sen hat­ten, ge­träumt, und plötz­lich ent­deck­te ich das Blut auf mei­nem Ge­sicht, und dann, dass mir das Hemd schmerz­haft an Arm und Schul­ter kleb­te.

»Zum Hen­ker!«, sag­te ich und be­maß mei­ne Schä­den mit ei­ner un­ter­su­chen­den Hand; und plötz­lich wur­de die fer­ne Tun­nel­mün­dung gleich­sam ein be­ob­ach­ten­des Auge.

»Ca­vor!«, sag­te ich, »was wer­den Sie jetzt tun? Und was wol­len wir tun?«

Er schüt­tel­te den Kopf, die Au­gen auf den Tun­nel ge­hef­tet. »Wie kann man wis­sen, was sie tun wer­den?«

»Es kommt dar­auf an, was sie von uns den­ken, und ich sehe nicht, wie wir es an­fan­gen kön­nen, das zu er­ra­ten. Und es hängt da­von ab, was sie in Re­ser­ve ha­ben. Es ist, wie Sie sag­ten, Ca­vor, wir ha­ben bloß erst die Au­ßen­sei­te die­ser Welt be­rührt. Selbst schon mit die­sen Schieß­ap­pa­ra­ten könn­ten sie uns die Höl­le heiß ma­chen …«

»Aber schließ­lich«, sag­te ich, »selbst wenn wir die Sphä­re nicht fin­den, bleibt eine Mög­lich­keit für uns. Wir könn­ten durch­hal­ten, selbst bei Nacht. Wir könn­ten wie­der hin­un­ter­gehn und die Sa­che durch­kämp­fen.«

Ich blick­te mit spe­ku­la­ti­ven Au­gen um mich. Der Cha­rak­ter der Sze­ne­rie war in­fol­ge des un­ge­heu­ren Wachs­tums und nach­he­ri­gen Ver­trock­nens der Bü­sche völ­lig ver­än­dert. Der Kamm, auf dem wir sa­ßen, war hoch und be­herrsch­te eine wei­te Aus­sicht auf die Kra­ter­land­schaft, und wir sa­hen sie jetzt ganz dürr und tro­cken im spä­ten Herbst des Mond­nach­mit­tags. Hin­ter­ein­an­der er­ho­ben sich lan­ge Fel­der nie­der­ge­stampf­ten Brauns, wo die Mond­käl­ber ge­wei­det hat­ten, und weit­hin sonn­te sich schläf­rig eine Her­de von ih­nen, zer­streu­te Ge­stal­ten, jede mit ei­nem Schat­ten­fleck ne­ben sich, Scha­fen gleich auf ei­nem Dü­nen­hang. Aber kein ein­zi­ges Zei­chen von ei­nem Se­le­ni­ten war zu se­hen. Ob sie bei un­se­rem Auftau­chen aus den in­ne­ren Gän­gen ge­flo­hen wa­ren, oder ob sie ge­wohnt wa­ren, sich zu­rück­zu­zie­hen, wenn sie die Mond­käl­ber hin­aus­ge­trie­ben hat­ten, das kann ich nicht sa­gen. Da­mals glaub­te ich das ers­te­re.

»Wenn wir all dies Zeug an­zün­de­ten«, sag­te ich, »könn­ten wir die Sphä­re un­ter der Asche fin­den.«

Ca­vor schi­en mich nicht zu hö­ren. Er blick­te un­ter sei­ner Hand her nach den Ster­nen, die im­mer noch, trotz des in­ten­si­ven Son­nen­scheins, am Him­mel sicht­bar wa­ren. »Wie lan­ge, mei­nen Sie, sind wir hier?«, frag­te er schließ­lich.

»Wo?«

»Auf dem Mon­de.«

»Vi­el­leicht zwei ir­di­sche Tage.«

»Nä­her an zehn. Wis­sen Sie, die Son­ne ist über den Ze­nith hin­aus und sinkt im Wes­ten. In vier Ta­gen oder noch we­ni­ger wird es Nacht sein.«

»Aber – wir ha­ben nur ein­mal ge­ges­sen.«

»Das weiß ich. Und – – Aber da sind die Ster­ne!«

»Und warum soll­te die Zeit an­ders er­schei­nen, wenn wir auf ei­nem klei­ne­ren Pla­ne­ten sind?«

»Ich weiß nicht. Es ist so!«

»Wie zählt man die Zeit?«

»Hun­ger – Er­mü­dung all das ist an­ders. Al­les ist an­ders – al­les. Mir scheint, seit wir die Sphä­re ver­las­sen ha­ben, das ist nur eine Fra­ge von Stun­den – lan­gen Stun­den – höchs­tens!«

»Zehn Tage«, sag­te ich, »da blei­ben – –« Ich blick­te einen Mo­ment zur Son­ne auf und sah dann, dass sie vom Ze­nith halb­wegs bis an den west­li­chen Rand der Din­ge ge­sun­ken war. »Vier Tage! … Ca­vor, wir dür­fen nicht hier sit­zen und träu­men! Wie mei­nen Sie, kön­nen wir an­fan­gen?«

 

Ich stand auf. »Wir müs­sen einen fes­ten Punkt neh­men, den wir wie­der­er­ken­nen könn­ten – wir könn­ten eine Flag­ge his­sen oder ein Ta­schen­tuch oder ir­gend et­was – den Bo­den vier­tei­len und da­her­um ar­bei­ten.«

Er stand ne­ben mir auf.

»Ja«, sag­te er, »es bleibt nichts, als die Sphä­re zu su­chen. Nichts. Wir kön­nen sie fin­den – ge­wiss, wir kön­nen sie fin­den. Und wenn nicht – –«

»Wir müs­sen fort­wäh­rend aus­schau­en.«

Er blick­te hier­hin und dort­hin, späh­te zum Him­mel em­por und zum Tun­nel hin­ab und er­staun­te mich durch eine plötz­li­che Ges­te der Un­ge­duld. »O! aber wir ha­ben es tö­richt an­ge­fan­gen! Dass wir in die­se Lage kom­men konn­ten! Den­ken Sie nur, wie es hät­te sein kön­nen und was wir al­les hät­ten tun kön­nen!«

»Wir kön­nen noch im­mer ei­ni­ges tun.«

»Nie, was wir hät­ten tun kön­nen. Hier un­ter un­se­ren Fü­ßen liegt eine Welt. Den­ken Sie, was für eine Welt das sein muss! Den­ken Sie an die Ma­schi­ne, die wir sa­hen, und an den De­ckel und an den Schacht! Das wa­ren nur erst fer­ne, vor­ge­scho­be­ne Din­ge, und die­se Ge­schöp­fe, die wir ge­se­hen und mit de­nen wir ge­kämpft ha­ben, wa­ren nichts als un­wis­sen­de Bau­ern, Töl­pel und Ar­bei­ter, die halb mit Tie­ren ver­wandt sind. Tief un­ten! Höh­len un­ter Höh­len, Tun­nels, Bau­ten, Wege … Da muss es sich aus­wei­ten, grö­ßer und wei­ter und volk­rei­cher wer­den, je mehr man hin­ab­steigt. Si­cher­lich. Ganz hin­un­ter schließ­lich bis zum Zen­tral­meer, das das Herz des Mon­des um­spült. Den­ken Sie an die tin­ti­gen Was­ser un­ter den spär­li­chen Lich­tern – wenn ihre Au­gen über­haupt Lich­ter nö­tig ha­ben! Den­ken Sie an die stür­zen­den Zuf­lüs­se, die ihre Kanä­le nie­der­rin­nen, um sie zu spei­sen! Den­ken Sie an die Ge­zei­ten auf ih­rer Ober­flä­che und an den Sturm und Wir­bel ih­rer Ebbe und Flut! Vi­el­leicht ha­ben sie Schif­fe, die auf dem Mee­re fah­ren, viel­leicht lie­gen da un­ten mäch­ti­ge Städ­te und wim­meln­de Stra­ßen, und es gibt dort Weis­heit und Ord­nung, wie sie Men­schen­witz über­stei­gen. Und wir kön­nen hier oben ster­ben, ohne je die Her­ren zu se­hen, die es ge­ben muss – die über die­se Din­ge herr­schen! Wir kön­nen hier er­frie­ren und ster­ben, und die Luft wird über uns ge­frie­ren und tau­en, und dann –! Dann wer­den sie auf uns sto­ßen, auf un­se­re stei­fen und stil­len Lei­chen sto­ßen, und sie wer­den die Sphä­re fin­den, die wir nicht fin­den kön­nen, und sie wer­den schließ­lich zu spät all das Den­ken und Mü­hen be­grei­fen, das hier ver­geb­lich en­de­te!«

Sei­ne Stim­me klang wäh­rend die­ser gan­zen Rede wie die Stim­me ei­nes, den man durch ein Te­le­fon hört, schwach und fern.

»Aber die Dun­kel­heit«, sag­te ich.

»Dar­über könn­te man weg­kom­men.«

»Wie?«

»Das weiß ich nicht. Wie soll ich das wis­sen? Man könn­te eine Fa­ckel tra­gen, man könn­te eine Lam­pe ha­ben. – Die an­de­ren – sie be­grif­fen viel­leicht.«

Er stand einen Mo­ment mit ge­senk­ten Hän­den und kläg­li­chem Ge­sicht da und blick­te über die Wüs­te hin, die ihm trotz­te. Dann wand­te er sich mit ei­ner Ges­te des Ver­zichts und mit Vor­schlä­gen zu ei­ner sys­te­ma­ti­schen Su­che der Sphä­re zu mir.

»Wir kön­nen wie­der­kom­men«, sag­te ich.

Er blick­te um sich. »Zu al­ler­erst wer­den wir auf die Erde kom­men müs­sen.«

»Wir könn­ten Tra­glam­pen und Klet­te­rei­sen und hun­dert not­wen­di­ge Din­ge mit zu­rück­brin­gen.«

»Ja«, sag­te er.

»Wir könn­ten ein Zeug­nis des Er­folgs in die­sem Gold mit­neh­men.«

Er blick­te mei­ne gol­de­nen He­be­stan­gen an und sag­te eine Zeit lang nichts. Er stand mit hin­ter dem Rücken ge­ball­ten Hän­den da und starr­te über den Kra­ter. Schließ­lich seufz­te und sprach er! »Ich habe den Weg hier­her ge­fun­den, aber einen Weg fin­den, heißt nicht im­mer, Herr ei­nes We­ges sein. Wenn ich mein Ge­heim­nis auf die Erde zu­rück­brin­ge, was wird ge­sche­hen? Ich sehe nicht, wie ich mein Ge­heim­nis auch nur ein Jahr be­wah­ren kann, auch nur einen Teil ei­nes Jah­res. Frü­her oder spä­ter muss es her­aus­kom­men, selbst wenn an­de­re Men­schen es von neu­em ent­de­cken. Und dann … Die Re­gie­run­gen und Mäch­te wer­den hier­her­zu­kom­men rin­gen, sie wer­den ge­gen­ein­an­der kämp­fen und ge­gen dies Mond­volk; das wird nur Krieg ver­brei­ten und die An­läs­se des Krie­ges ver­meh­ren. In kur­z­er Zeit, in sehr kur­z­er Zeit wird die­ser Pla­net, wenn ich mein Ge­heim­nis sage, bis in sei­ne tiefs­ten Ga­le­ri­en hin­ein mit mensch­li­chen Lei­chen be­sät sein. An­de­re Din­ge sind zwei­fel­haft, aber das ist si­cher … Es ist nicht, als ob der Mensch ir­gend et­was mit dem Mond an­fan­gen könn­te. Was könn­te der Mond den Men­schen nüt­zen? Selbst aus ih­rem ei­ge­nen Pla­ne­ten ha­ben sie nichts ge­macht als ein Schlacht­feld und einen Schau­platz un­end­li­cher Narr­heit. So klein sei­ne Welt ist, und so kurz sei­ne Zeit, trotz­dem hat er noch in sei­nem klei­nen Le­ben da un­ten weit mehr, als er tun kann. Nein! Die Wis­sen­schaft hat sich zu lan­ge ab­ge­plagt, Waf­fen zum Ge­brauch für Nar­ren zu schmie­den. Es ist Zeit, dass sie in­ne­hält. Mag er es sel­ber wie­der­fin­den – nach ein paar tau­send Jah­ren!«

»Es gibt Metho­den des Ge­heim­nis­ses«, sag­te ich.

Er blick­te zu mir auf und lä­chel­te. »Im Grun­de –«, sag­te er, »warum soll­te man sich pla­gen? Dass wir die Sphä­re fin­den, dazu ist we­nig Aus­sicht vor­han­den, und da un­ten brau­en die Din­ge. Es ist eben nur die mensch­li­che An­ge­wöh­nung zu hof­fen, bis man stirbt, wenn wir an Rück­kehr den­ken. Un­se­re Mü­hen be­gin­nen erst ge­ra­de. Wir ha­ben die­sem Mond­volk Ge­walt ge­zeigt, wir ha­ben ihm un­se­re Art zu kos­ten ge­ge­ben, und un­se­re Aus­sich­ten ste­hen etwa so gut wie die ei­nes Ti­gers, der los­ge­kom­men ist und im Hy­de­park einen Men­schen ge­tö­tet hat. Die Nach­richt von uns muss von Ga­le­rie zu Ga­le­rie hin­un­ter­lau­fen, hin­un­ter zu den zen­tra­len Tei­len … Kei­ne ver­nünf­ti­gen We­sen wer­den uns je die Sphä­re auf die Erde zu­rück­neh­men las­sen, nach­dem sie so viel von uns ge­se­hen ha­ben.«

»Wir ver­bes­sern un­se­re Aus­sich­ten nicht«, sag­te ich, »wenn wir hier sit­zen blei­ben.« Er stand ne­ben mir auf.

»Schließ­lich«, sag­te er, »müs­sen wir uns tren­nen. Wir müs­sen auf die­sen ho­hen Dor­nen hier ein Ta­schen­tuch be­fes­ti­gen und das zum Zen­trum neh­men und den Kra­ter durch­su­chen. Sie müs­sen nach Wes­ten ge­hen und nach der un­ter­ge­hen­den Son­ne hin Halb­krei­se hin und her schla­gen. Sie müs­sen erst mit dem Schat­ten rechts ge­hen, bis er mit der Rich­tung Ihres Ta­schen­tuchs einen rech­ten Win­kel bil­det, und dann mit Ihrem Schat­ten auf der lin­ken Sei­te. Und ich wer­de das glei­che nach Os­ten tun. Wir wol­len in jede Spal­te bli­cken, jede Fel­sen­klip­pe un­ter­su­chen; wir wol­len tun, was wir kön­nen, um mei­ne Sphä­re zu fin­den. Wenn wir Se­le­ni­ten se­hen, wol­len wir uns, so gut wir kön­nen, vor ih­nen ver­ber­gen. Zum Trin­ken müs­sen wir Schnee neh­men, und wenn wir das Be­dürf­nis füh­len zu es­sen, so müs­sen wir, wenn wir kön­nen, ein Mond­kalb tö­ten und es­sen, was es an Fleisch hat – roh – und so wird je­der sei­nen ei­ge­nen Weg gehn.«

»Und wenn ei­ner auf die Sphä­re stößt?«

»So muss er zu dem wei­ßen Tuch zu­rück­keh­ren und sich da­ne­ben auf­stel­len und dem an­de­ren si­gna­li­sie­ren.«

»Und wenn kei­ner von bei­den – –«

Ca­vor blick­te zur Son­ne auf. »Wir su­chen wei­ter, bis uns die Nacht und die Käl­te über­fal­len.«

»Wenn aber die Se­le­ni­ten die Sphä­re ge­fun­den und ver­steckt ha­ben?«

Er zuck­te die Schul­tern.

»Oder wenn sie nun kom­men, um uns zu ja­gen?«

Er gab kei­ne Ant­wort.

»Sie soll­ten lie­ber eine Keu­le mit­neh­men«, sag­te ich.

Er schüt­tel­te den Kopf und starr­te über die Wild­nis von mir fort.

Aber einen Mo­ment lang ging er noch nicht da­von. Er blick­te sich heim­lich nach mir um. »Au re­voir«, sag­te er.

Ich fühl­te einen un­ge­heu­ren Stich der Rüh­rung. Ein Ge­fühl da­von, wie wir ein­an­der ge­är­gert hat­ten, über­kam mich. »Zum Hen­ker!«, dach­te ich, »wir hät­ten Bes­se­res tun kön­nen!« Ich stand im Be­griff, ihn zu bit­ten, mir die Hand zu schüt­teln – denn das war ge­ra­de mei­ne Stim­mung – als er die Füße zu­sam­men­tat und nach Nor­den von mir fort­sprang. Er schi­en wie ein to­tes Blatt durch die Luft zu schwe­ben, fiel leicht auf und sprang wei­ter. Ei­nen Mo­ment blieb ich ste­hen und sah ihm nach, dann wand­te ich mich wi­der­stre­bend nach Wes­ten, nahm mich zu­sam­men, wähl­te, etwa mit dem Ge­fühl ei­nes Man­nes, der in ei­si­ges Was­ser springt, einen Spring­punkt aus und tauch­te nach vorn, um mei­ne ein­sa­me Hälf­te der Mond­welt zu durch­for­schen. Ich sank ziem­lich plump mit­ten zwi­schen Fel­sen nie­der, rich­te­te mich auf und blick­te um mich, klet­ter­te auf eine Fel­sen­spal­te und sprang wei­ter …

Als ich mich bald dar­auf nach Ca­vor um­sah, war er mei­nen Au­gen ver­bor­gen, aber das Ta­schen­tuch hing wa­cker auf sei­ner Höhe, weiß im Son­nenglanz.

Ich be­schloss, was auch ge­sche­hen moch­te, das Ta­schen­tuch nicht aus den Au­gen zu las­sen.

19 – Mr. Bedford allein

Nach ei­ner klei­nen Wei­le war es mir, als sei ich im­mer al­lein auf dem Mond ge­we­sen. Ich such­te eine Zeit lang mit ei­ner ge­wis­sen Span­nung, aber die Hit­ze war noch sehr groß, und die Dün­ne der Luft lag ei­nem wie ein Rei­fen um die Brust. Dann kam ich in ein hoh­les Be­cken, das um sei­nen Rand her­um von großem, brau­nem, tro­ckenem Lau­be starr­te, und un­ter ihm setz­te ich mich hin, um aus­zu­ru­hen und ab­zu­küh­len. Ich leg­te mei­ne Keu­len ne­ben mir nie­der und setz­te mich, in­dem ich das Kinn in die Hän­de stütz­te. Ich sah mit ei­ner Art farb­lo­sem In­ter­es­se, dass die Fel­sen des Bass­ins, wo hier und dort die knis­tern­den, tro­ckenen Flech­ten zu­sam­men­ge­schrumpft wa­ren und den Stein se­hen lie­ßen, ganz mit Gold durch­ä­dert und ge­spren­kelt wa­ren, und dass hier und dort Bu­ckel run­den und runz­li­gen Gol­des aus der Spreu her­vor­rag­ten. Was kam noch dar­auf an? Eine Art Mat­tig­keit hielt Glie­der und Geist ge­fan­gen, ich glaub­te einen Mo­ment lang nicht dar­an, dass wir die Sphä­re in die­ser un­ge­heu­ren ver­trock­ne­ten Wild­nis je­mals fin­den wür­den. Es war, als feh­le mir das Mo­tiv zur An­stren­gung, bis die Se­le­ni­ten kämen. Dann, glaub­te ich, wür­de ich mich an­stren­gen und je­nem un­ver­nünf­ti­gen Im­pe­ra­tiv ge­hor­chen, der den Men­schen vor al­len an­de­ren Din­gen drängt, sein Le­ben zu er­hal­ten und zu ver­tei­di­gen, wenn er es auch nur er­hält, um nach ei­ner klei­nen Wei­le umso schmerz­haf­ter zu ster­ben.

Wa­rum wa­ren wir auf den Mond ge­kom­men?

Die Sa­che stell­te sich mir als ein ver­blüf­fen­des Pro­blem dar. Was ist die­ser Geist im Men­schen, der ihn ewig drängt, sich von Glück und Si­cher­heit zu tren­nen, sich zu pla­gen, sich in Ge­fahr zu be­ge­ben, selbst eine ziem­li­che Ge­wiss­heit des To­des zu ris­kie­ren? Dort auf dem Mon­de däm­mer­te es mir als et­was auf, was ich im­mer hät­te wis­sen müs­sen, dass der Mensch nicht ein­fach ge­schaf­fen ist, si­cher und be­hag­lich und wohl­ge­nährt und amü­siert um­her­zu­lau­fen. Fast je­der Mensch wird, wenn man ihm die Fra­ge vor­legt, nicht mit Wor­ten, son­dern un­ter der Form von Ge­le­gen­hei­ten, zei­gen, dass er das weiß. Ge­gen sein In­ter­es­se, ge­gen sein Glück wird er be­stän­dig ge­trie­ben, un­ver­nünf­ti­ge Din­ge zu tun. Eine Kraft, die nicht er ist, treibt ihn, und er muss ge­hen. Aber warum? Wa­rum? Als ich dort mit­ten un­ter je­nem nutz­lo­sen Mond­gol­de saß, mit­ten un­ter den Din­gen ei­ner an­de­ren Welt, da habe ich über mein gan­zes Le­ben ab­ge­rech­net. Ich nahm an, ich wer­de als Schiff­brü­chi­ger auf dem Mon­de ster­ben, und da konn­te ich durch­aus nicht ein­se­hen, wel­chem Zweck ich ge­dient hat­te. Ich er­hielt kein Licht über die­sen Punkt, aber auf je­den Fall war es mir kla­rer, als es mir je zu­vor in mei­nem Le­ben ge­we­sen war, dass ich nicht mei­nem ei­ge­nen Zwe­cke diente, dass ich in Wahr­heit mein gan­zes Le­ben lang nie den Zwe­cken mei­nes ei­gens­ten Le­bens ge­dient hat­te. Wes­sen Zwe­cken, was für Zwe­cken diente ich? … Ich spe­ku­lier­te nicht mehr dar­über, warum wir auf den Mond ge­kom­men wa­ren, son­dern ich griff wei­ter aus. Wa­rum war ich auf die Erde ge­kom­men? Wa­rum hat­te ich über­haupt ein ei­ge­nes Le­ben? … Ich ver­lor mich schließ­lich in bo­den­lo­sen Spe­ku­la­tio­nen.

 

Mei­ne Ge­dan­ken wur­den un­be­stimmt und wol­kig und führ­ten nicht län­ger in be­stimm­te Rich­tun­gen. Ich hat­te mich nicht schwer oder müde ge­fühlt – ich kann mir nicht vor­stel­len, dass je­mand das auf dem Mon­de tat – aber ich den­ke mir, ich war sehr an­ge­strengt. Auf je­den Fall schlief ich ein.

Der Schlum­mer dort, glau­be ich, ruh­te mich sehr aus, und all die Zeit, wäh­rend ich schlief, sank die Son­ne, und die Ge­walt der Hit­ze ließ nach. Als ich schließ­lich durch ein fer­nes Ge­schrei aus dem Schla­fe er­wach­te, fühl­te ich mich wie­der kräf­tig und fä­hig. Ich rieb mir die Au­gen und reck­te die Arme. Ich er­hob mich auf die Füße – ich war ein we­nig steif – und mach­te so­fort An­stalt, mei­ne Su­che wie­der auf­zu­neh­men. Ich schul­ter­te mei­ne gol­de­nen Keu­len, auf je­der Schul­ter eine, und ver­ließ die Schlucht aus dem golda­d­ri­gen Fels.

Die Son­ne stand si­cher­lich nied­ri­ger, viel nied­ri­ger, als sie ge­stan­den hat­te; die Luft war sehr viel küh­ler. Ich merk­te, dass ich ei­ni­ge Zeit ge­schla­fen ha­ben muss­te. Mir schi­en, um die west­li­chen Klip­pen hin­ge ein leich­ter Hauch neb­li­ger Bläue. Ich sprang auf einen klei­nen Fels­bu­ckel und über­blick­te den Kra­ter. Ich konn­te kein An­zei­chen von Mond­käl­bern oder Se­le­ni­ten se­hen; auch Ca­vor konn­te ich nicht se­hen, aber ich sah weit weg mein Ta­schen­tuch auf ei­nem Dor­nen­dickicht aus­ge­brei­tet. Ich blick­te um mich und sprang dann zum nächs­ten pas­sen­den Aus­sichts­punkt wei­ter.

Ich schlug mei­nen Halb­kreis um den Aus­gangs­punkt, und dann zu­rück in ei­nem noch wei­te­ren Bo­gen. Es war sehr an­stren­gend und hoff­nungs­los. Die Luft war wirk­lich sehr viel küh­ler, und mir schi­en, der Schat­ten un­ter der west­li­chen Klip­pe wur­de breit. Hin und wie­der stand ich still und re­ko­gnos­zier­te; aber ich sah kein Zei­chen von Ca­vor, kein Zei­chen von den Se­le­ni­ten; und mir schi­en, die Mond­käl­ber muss­ten wie­der ins In­ne­re ge­trie­ben sein – ich konn­te kei­ne von ih­nen se­hen. Mein Ver­lan­gen, Ca­vor zu se­hen, wur­de im­mer grö­ßer. Der ge­flü­gel­te Um­riss der Son­ne war jetzt so weit ge­sun­ken, dass sie kaum noch um ih­ren Durch­mes­ser vom Him­mels­rand ent­fernt war. Mich be­drück­te der Ge­dan­ke, die Se­le­ni­ten wür­den als­bald ihre De­ckel und Tore schlie­ßen und uns in dem un­er­bitt­li­chen An­sturm der Mond­nacht aus­schlie­ßen. Es schi­en mir hohe Zeit zu sein, dass er sein Su­chen auf­gab, und dass wir uns mit­ein­an­der be­rie­ten. Ich fühl­te, wie dring­lich es war, dass wir uns bald über un­se­ren Weg ent­schie­den. Die Sphä­re zu fin­den, war uns nicht ge­lun­gen, wir hat­ten kei­ne Zeit mehr, sie zu su­chen, und wa­ren die­se Tore ein­mal ge­schlos­sen und wir noch drau­ßen, so wa­ren wir ver­lo­re­ne Men­schen. Die große Nacht des Raums muss­te sich auf uns sen­ken – jene Schwär­ze der Lee­re, die der ein­zi­ge ab­so­lu­te Tod ist. Mein gan­zes We­sen schrak vor ih­rem Na­hen zu­rück. Wir muss­ten wie­der in den Mond zu­rück, und wenn wir da­bei auch er­schla­gen wur­den. Mich ver­folg­te die Vi­si­on, wie wir zu Tode er­fro­ren, wie wir mit un­se­rer letz­ten Kraft ge­gen die Tore des großen Schach­tes häm­mer­ten.

Ich dach­te mit kei­nem Ge­dan­ken mehr an die Sphä­re. Ich dach­te nur noch dar­an, Ca­vor wie­der­zu­fin­den. Ich war halb ge­neigt, lie­ber ohne ihn in den Mond zu­rück­zu­keh­ren, als ihn zu su­chen, bis es zu spät wäre. Ich war schon halb­wegs bis zu un­serm Ta­schen­tuch zu­rück, als ich plötz­lich – –

Die Sphä­re sah!

Ich fand sie nicht so sehr, wie sie mich fand. Sie lag viel wei­ter nach Wes­ten als ich ge­gan­gen war, und die schrä­gen Strah­len der sin­ken­den Son­ne, die von ih­rem Gla­se wi­der­strahl­ten, hat­ten mir ihre Ge­gen­wart plötz­lich durch einen blen­den­den Strahl of­fen­bart. Ei­nen Mo­ment dach­te ich, dies sei ein neu­er An­schlag der Se­le­ni­ten ge­gen uns, und dann be­griff ich.

Ich warf die Arme in die Höhe, stieß einen ge­spens­ti­schen Schrei aus und flog in wei­ten Sät­zen auf sie zu. Ich fehl­te bei ei­nem der Sprün­ge, stürz­te in eine tie­fe Schlucht und ver­renk­te mir den Fuß­knö­chel, und von da an stol­per­te ich fast bei je­dem Satz. Ich war in ei­nem Zu­stan­de hys­te­ri­scher Er­re­gung, zit­ter­te hef­tig und war längst, ehe ich hin­kam, völ­lig au­ßer Atem. We­nigs­tens drei­mal muss­te ich, mit den Hän­den an den Sei­ten, ste­hen blei­ben, und trotz der Dün­ne der Luft stand mir der Schweiß nass auf dem Ge­sicht.

Ich dach­te an nichts als an die Sphä­re, bis ich sie er­reicht hat­te, ich ver­gaß so­gar mei­ne Un­ru­he über Ca­vors Ver­bleib. Mein letz­ter Sprung warf mich mit den Hän­den hart ge­gen ihr Glas; dann lag ich keu­chend an ihr und ver­such­te ver­ge­bens zu ru­fen: »Ca­vor! hier ist die Sphä­re!« Als ich mich ein we­nig er­holt hat­te, späh­te ich durch das di­cke Glas, und die Din­ge drin­nen schie­nen durch­ein­an­der­ge­wor­fen. Ich bück­te mich, um aus grö­ße­rer Nähe zu bli­cken. Dann ver­such­te ich, hin­ein­zu­kom­men. Ich muss­te sie ein we­nig kip­pen, um den Kopf durch das Ein­stei­ge­loch zu brin­gen. Der Schraub­de­ckel lag drin­nen, und ich konn­te se­hen, dass nichts an­ge­rührt war, nichts ge­lit­ten hat­te. Sie lag da, wie wir sie ver­las­sen hat­ten, als wir mit­ten im Schnee hin­aus­ge­stie­gen wa­ren. Eine Zeit lang war ich ganz da­mit be­schäf­tigt, dies In­ven­tar wie­der und wie­der auf­zu­neh­men. Ich merk­te, dass ich hef­tig zit­ter­te. Es tat gut, wie­der dies ver­trau­te dunkle In­ne­re zu se­hen! Ich kann nicht sa­gen wie gut. Als­bald kroch ich hin­ein und setz­te mich un­ter die Din­ge. Ich blick­te durch das Glas auf die Mond­welt hin­aus und schau­er­te. Ich leg­te mei­ne gol­de­nen Keu­len auf den Bal­len und such­te und nahm ein we­nig Nah­rung zu mir; nicht so sehr, weil ich das Be­dürf­nis fühl­te, als weil sie da war. Dann fiel mir ein, dass es Zeit sei, hin­zu­ge­hen und Ca­vor Si­gna­le zu ge­ben. Ir­gend et­was hielt mich an der Sphä­re fest.

Nun kam doch noch al­les zu­recht. Noch wür­de Zeit ge­nug sein, mehr von dem ma­gi­schen Stein zu ho­len, der ei­nem Ge­walt über die Men­schen gibt. Da hin­ten, nah zur Hand, lag Gold zum Auf­neh­men um­her; und die Sphä­re mach­te ihre Rei­se, wenn sie halb voll Gold war, so gut, wie wenn sie leer war. Jetzt konn­ten wir zu­rück­ge­hen, Her­ren über uns und un­se­re Welt, und dann –

Schließ­lich raff­te ich mich auf und stieg mit ei­ner An­stren­gung aus der Sphä­re her­aus. Ich schau­er­te, als ich auf­tauch­te, denn die Abend­luft wur­de sehr kalt. Ich stand in der Höh­lung still und starr­te um mich. Ich sah mir die Bü­sche rings sehr sorg­fäl­tig an, ehe ich zu dem Fel­sen­ran­de na­he­bei da­v­on­sprang und den Sprung noch ein­mal mach­te, der mein ers­ter auf dem Mond ge­we­sen war. Aber jetzt mach­te ich ihn ohne jede An­stren­gung.

Das Wachs­tum und der Ver­fall der Ve­ge­ta­ti­on war rasch vor­ge­schrit­ten, und der gan­ze An­blick der Fel­sen war ver­än­dert, aber noch war es mög­lich, den Hang her­aus­zu­fin­den, auf dem die Sa­men ge­keimt hat­ten, und die Fel­sen­mas­se, von der aus wir un­sern ers­ten Um­blick im Kra­ter ge­hal­ten hat­ten. Aber das Dorn­ge­sträuch auf dem Han­ge stand jetzt braun und dürr da und drei­ßig Fuß hoch, und es warf lan­ge Schat­ten, die sich bis über das Ge­sichts­feld hin­aus er­streck­ten, und die klei­nen Sa­men, die wie Trau­ben an sei­nen obe­ren Zwei­gen hin­gen, wa­ren braun und reif. Sei­ne Ar­beit war ge­tan, und es war zer­brech­lich und be­reit, un­ter der ge­frie­ren­den Luft ab­zu­fal­len und zu zer­brö­ckeln, so­wie die Nacht her­ab­sank. Und die rie­si­gen Kak­teen, die un­ter un­sern Au­gen auf­ge­schwol­len wa­ren, wa­ren längst ge­bors­ten und hat­ten ihre Spo­ren längst in die vier Rich­tun­gen des Mon­des zer­streut. Ein er­staun­li­cher klei­ner Win­kel im Wel­tall – der Lan­dungs­platz von Men­schen!