H. G. Wells – Gesammelte Werke

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Ei­ner der Män­ner eil­te auf mei­nen Bru­der zu.

»Wo be­kommt man hier et­was Was­ser?«, frag­te er. »Er geht rasch sei­nem Ende ent­ge­gen und lei­det hef­ti­gen Durst. Es ist Lord Gar­rick.«

»Lord Gar­rick!«, rief mein Bru­der, »Der Prä­si­dent des obers­ten Ge­rich­tes?«

»Das Was­ser!«, rief der an­de­re.

»Vi­el­leicht fin­den Sie in ei­nem die­ser Häu­ser eine Was­ser­lei­tung«, sag­te mein Bru­der. »Wir ha­ben kein Was­ser. Und ich darf mei­ne Beglei­te­rin­nen nicht ver­las­sen.«

Der Mann dräng­te sich durch die Men­ge ge­gen das Tor des Eck­hau­ses zu.

»Vor­wärts!«, rie­fen die Leu­te, ihn zur Sei­te schie­bend. »Sie kom­men! Vor­wärts!«

Jetzt wur­de die Auf­merk­sam­keit mei­nes Bru­ders durch einen bär­ti­gen Mann mit ei­nem ad­ler­ar­ti­gen Ge­sicht ab­ge­lenkt, der eine klei­ne Hand­ta­sche trug, die ge­ra­de platz­te, als mei­nes Bru­ders Au­gen auf sie fie­len, und eine Mas­se So­ver­eignstücke2 ent­leer­te, die in ein­zel­ne Mün­zen zu zer­fal­len schi­en, als sie den Bo­den be­rühr­ten. Sie roll­ten hier­hin und dort­hin un­ter die vor­wärts­drän­gen­den Füße von Men­schen und Pfer­den. Der Mann blieb ste­hen und stier­te stumpf­sin­nig auf den Gold­hau­fen; die Deich­sel ei­nes Miet­wa­gens traf sei­ne Schul­ter und warf ihn nie­der. Er stieß einen Schrei aus und kroch zur Sei­te; das Rad ei­nes Kar­rens ging hart an ihm vor­bei!

»Platz da!«, rief die Men­ge um ihm her­um. »Macht Platz!«

So­bald der Miet­wa­gen vor­bei­ge­fah­ren war, stürz­te er sich mit bei­den Hän­den auf die Gold­hau­fen und raff­te eine Hand­voll um die an­de­re in sei­ne Ta­schen. Ein Pferd bäum­te sich dicht über ihm; als er sich im nächs­ten Au­gen­blick halb auf­ge­rich­tet hat­te, war er schon un­ter die Hufe des Pfer­des ge­ra­ten.

»Halt!«, schrie mein Bru­der, und eine Frau zur Sei­te drän­gend, ver­such­te er, den Zaum des Pfer­des zu fas­sen.

Ehe er noch her­an­kom­men konn­te, hör­te er ein Ge­schrei un­ter den Rä­dern und sah durch den Staub hin­durch, wie die Vor­der­rä­der des Kar­rens über den Rücken des ar­men Teu­fels gin­gen. Der Kut­scher des Kar­rens schlug mit der Peit­sche nach mei­nem Bru­der, der her­um hin­ter den Kar­ren eil­te. Das viel­stim­mi­ge Ge­schrei be­täub­te sei­ne Ohren. Der Mann wand sich im Staub mit­ten un­ter sei­nem ver­streu­ten Geld, un­fä­hig sich zu er­he­ben, denn die Rä­der hat­ten ihm den Rücken ge­bro­chen und sei­ne Bei­ne la­gen schlaff und tot da. Mein Bru­der rich­te­te sich auf und stieß ei­ni­ge gel­len­de Rufe ge­gen den nächs­ten Kut­scher aus; ein Mann auf ei­nem Rap­pen kam zu sei­nem Bei­stand her­an.

»Zie­hen Sie ihn doch von der Stra­ße weg«, sag­te er; und mit sei­ner frei­en Hand den Mann am Kra­gen fas­send, schleif­te ihn mein Bru­der zur Sei­te, der Mann aber griff noch im­mer gie­rig nach sei­nem Geld, blick­te mei­nen Bru­der wü­tend an und häm­mer­te mit ei­ner Hand­voll Gold fort­wäh­rend auf den Arm mei­nes Bru­ders. »Vor­wärts! Vor­wärts!«, rie­fen zor­ni­ge Stim­men von rück­wärts. »Platz! Platz!«

Mit hef­ti­gem Kra­chen fuhr die Deich­sel­stan­ge ei­ner Kut­sche in den Kar­ren hin­ein und der Rei­ter hielt an. Mein Bru­der blick­te auf, und der Mann mit dem Gold dreh­te sei­nen Kopf her­um und biss in das Hand­ge­lenk mei­nes Bru­ders, um sei­nen Kra­gen frei­zu­be­kom­men. Nun folg­te ein Zu­sam­men­stoß, der Rap­pe stol­per­te zur Sei­te und das Kar­ren­pferd dräng­te nach. Ein Huf ver­fehl­te den Fuß mei­nes Bru­ders um Haa­res­brei­te. Er ließ den Kra­gen des ge­stürz­ten Man­nes los und sprang zu­rück. Er sah noch, wie der Zorn in dem Ge­sicht des ar­men Teu­fels sich in Ent­set­zen ver­wan­del­te; der nächs­te Au­gen­blick schon ver­barg ihn sei­nen Bli­cken. Mein Bru­der wur­de nach rück­wärts ge­drängt und von der Men­ge an der Mün­dung des Feld­we­ges vor­bei­ge­ris­sen; er hat­te in der wild ein­her­strö­men­den Men­schen­flut hart zu kämp­fen, um die Mün­dung wie­der zu ge­win­nen.

Er sah, wie Fräu­lein El­phin­sto­ne ihre Au­gen be­deck­te, und wie ein klei­nes Kind, mit dem gan­zen Man­gel teil­nahms­vol­ler Vor­stel­lungs­kraft des Kin­des, mit weit­ge­öff­ne­ten Au­gen auf ein staub­be­deck­tes Et­was starr­te, das schwarz und still, zer­malmt und zer­quetscht un­ter den rol­len­den Rä­dern lag. »Wir müs­sen zu­rück!«, schrie er und be­gann das Pony her­um­zu­füh­ren. »Wir kön­nen nicht hin­durch durch die­se — Höl­le«, sag­te er; und sie gin­gen etwa hun­dert Yard den Weg, den sie ge­kom­men wa­ren, zu­rück, bis die kämp­fen­de Men­ge ih­ren Bli­cken ent­schwand. Als sie an die Weg­krüm­mung ka­men, sah mein Bru­der das Ge­sicht des ster­ben­den Man­nes im Gra­ben un­ter der Li­gus­ter­he­cke; es war to­ten­blass und ver­zerrt und glänz­te vor Schweiß. Die bei­den Frau­en sa­ßen schwei­gend da, in ihre Sit­ze ge­presst und be­bend vor Ent­set­zen.

Hin­ter der Weg­bie­gung mach­te mein Bru­der wie­der Halt. Fräu­lein El­phin­sto­ne war to­ten­blass, und ihre Schwä­ge­rin saß still wei­nend da, zu elend so­gar, um nach ih­rem »Ge­or­ge« zu ru­fen. Mein Bru­der war ent­setzt und ver­wirrt. So­bald sie sich zu­rück­ge­zo­gen hat­ten, kam es ihm wie­der zum Be­wusst­sein, wie drin­gend und un­ver­meid­lich es war, den Men­schen­strom zu durch­que­ren. Ohne Ver­zug wand­te er sich ent­schlos­sen an Fräu­lein El­phin­sto­ne.

»Wir müs­sen die­sen Weg ein­schla­gen«, sag­te er und lenk­te das Pony wie­der her­um.

Zum zwei­ten Male an die­sem Tag leg­te das Mäd­chen eine Pro­be sei­ner Uner­schro­cken­heit ab. Um eine Furt durch die­sen Men­schen­strom zu er­zwin­gen, stürz­te sich mein Bru­der in das Ge­trie­be hin­ein und hielt ein Drosch­ken­pferd zu­rück, wäh­rend sie das Pony an des­sen Kopf vor­bei­lenk­te. In die­sem Au­gen­blick brems­te ein Fuhr­wa­gen und riss da­bei einen lan­gen Sp­lit­ter vom Pony­wa­gen ab. Gleich dar­auf wur­den sie vom Strom er­fasst und vor­wärts­ge­trie­ben. Mein Bru­der, des­sen Ant­litz und des­sen Hän­de die ro­ten Spu­ren von des Kut­schers Peit­sche auf­wie­sen, klet­ter­te in den Wa­gen zu­rück und nahm sei­ner Beglei­te­rin die Zü­gel ab.

»Rich­ten Sie den Re­vol­ver auf den Mann hin­ter uns«, sag­te er, ihr die Waf­fe rei­chend, »wenn er zu hef­tig drängt. Nein! — Rich­ten Sie ihn auf sein Pferd.«

Dann be­gann er, nach ei­ner Ge­le­gen­heit aus­zu­spä­hen, über die Stra­ße hin­weg nach rechts seit­wärts zu fah­ren. Aber ein­mal im Strom drin, schi­en er sei­ne Wil­lens­kraft zu ver­lie­ren, ein Glied die­ses staub­be­deck­ten Men­schen­ru­dels zu wer­den. Sie wur­den von dem wil­den Strom durch Chip­ping-Bar­net ge­schwemmt; sie be­fan­den sich schon wie­der eine Mei­le jen­seits des Mit­tel­punk­tes der Stadt, be­vor sie sich auf die ge­gen­über­lie­gen­de Sei­te des We­ges durch­ge­kämpft hat­ten. Der Lärm, die Ver­wir­rung wa­ren un­be­schreib­lich. Aber in der Stadt und hin­ter ihr ver­zweig­te sich die Stra­ße zu wie­der­hol­ten Ma­len und lich­te­te so in ei­nem be­schränk­ten Maße den An­drang der Men­ge.

Sie wand­ten sich nun öst­lich durch Had­ley und dort stie­ßen sie auf bei­den Sei­ten der Stra­ße, und auch spä­ter, auf eine be­trächt­li­che Men­ge von Leu­ten, die aus dem Fluss tran­ken; man­che muss­ten ge­ra­de­zu kämp­fen, um zum Was­ser zu ge­lan­gen. Et­was wei­ter be­merk­ten sie von ei­ner An­hö­he in der Nähe von Ost-Bar­net zwei Ei­sen­bahn­zü­ge, die lang­sam ei­ner hin­ter dem an­de­ren ohne Si­gnal, ohne Auf­sicht da­hin­fuh­ren. Die Züge wim­mel­ten von Leu­ten, selbst zwi­schen den Koh­len hin­ter der Ma­schi­ne kau­er­ten Men­schen, die aus der großen Nord­li­nie zu ent­kom­men trach­te­ten. Mein Bru­der ver­mu­te­te, dass die­se Züge sich erst au­ßer­halb Lon­d­ons mit Flücht­lin­gen ge­füllt ha­ben muss­ten, denn zu je­ner Zeit hat­te der wü­ten­de An­sturm der Leu­te die Benüt­zung der haupt­städ­ti­schen Bahn­hö­fe un­mög­lich ge­macht.

In der Nähe von Had­ley mach­te die Ge­sell­schaft mei­nes Bru­ders für den Nach­mit­tag Halt; denn die Schre­cken des Ta­ges hat­ten alle drei fast völ­lig er­schöpft. Schon reg­ten sich in ih­nen die ers­ten An­zei­chen des Hun­gers, die Nacht war kalt, und kei­ner von ih­nen wag­te, zu schla­fen. Am Abend eil­ten vie­le Leu­te die Stra­ße ent­lang an ih­rem Rast­platz vor­bei, vor un­ge­kann­ten Ge­fah­ren flie­hend, die in Wahr­heit noch vor ih­nen la­gen. Denn sie eil­ten nach der Rich­tung, von der mein Bru­der ge­kom­men war.

1 Zwei­räd­ri­ge, ein­spän­ni­ge Miet­wa­gen, de­ren Kutsch­bock hin­ter dem ei­gent­li­chen Wa­gen an­ge­bracht ist. Die üb­li­che eng­li­sche nach ih­rem Er­fin­der be­nann­te Miet­w­agen­ty­pe. <<<

2 Die ge­wöhn­li­che eng­li­sche Gold­mün­ze im Wer­te von ei­nem Pfund Ster­ling = K 24 <<<

XVII. Der »Thunder-Child«1

Hät­ten die Mars­leu­te es nur auf blin­de Zer­stö­rung ab­ge­se­hen ge­habt, so hät­ten sie am Mon­tag die ge­sam­te Be­völ­ke­rung Lon­d­ons ver­nich­ten kön­nen, wie sie sich lang­sam über die nächs­ten Graf­schaf­ten hin aus­brei­te­te. Nicht nur längs der Stra­ße durch Bar­net, son­dern auch durch Edg­wa­re und Wal­tham Ab­bey, und die ost­wärts lau­fen­den Stra­ßen ent­lang nach Southend und Sho­ebu­ry­ness, und süd­lich von der Them­se nach Deal und Broad­stairs, er­goss sich der­sel­be to­ben­de Hau­fen. Wenn ei­ner an je­nem Ju­ni­mor­gen in ei­nem Bal­lon in dem strah­len­den Blau über Lon­don ge­schwebt wäre, dann hät­te er jede Stra­ße, die aus dem un­end­li­chen Stra­ßen­knäu­el nach Nor­den oder Os­ten führ­te, von den da­hin­strö­men­den Flücht­lin­gen schwarz über­sät er­blickt, je­der Punkt eine mensch­li­che Ago­nie von Schre­cken und kör­per­li­chem Elend. Ich habe im vo­ri­gen Ab­schnitt die Be­schrei­bung, die mein Bru­der von der Stra­ße durch Chip­ping-Bar­net mach­te, aus­führ­lich wie­der­ge­ge­ben, um mei­nen Le­sern eine Vor­stel­lung da­von zu er­mög­li­chen, wie je­nes Ge­wim­mel schwar­zer Punk­te ei­nem un­mit­tel­bar dar­an Be­tei­lig­ten er­schi­en. Nie noch in der Ge­schich­te der Welt hat­te sich eine sol­che Mas­se mensch­li­cher We­sen in Be­we­gung ge­setzt, nie noch so ge­mein­sam die­sel­ben Lei­den er­tra­gen. Die sa­gen­haf­ten Scha­ren von Go­ten und Hun­nen, die rie­sigs­ten Hee­re, die Asi­en je er­blickt hat­te, was wä­ren sie an­de­res ge­we­sen, als Wel­len die­ses Stro­mes. Und das war kein durch Man­nes­zucht ge­lei­te­ter Marsch; es war ein zucht­lo­ses Vor­wärts­drän­gen, rie­sen­haft und schre­ckens­voll, ohne Ord­nung, ohne Ziel, sechs Mil­lio­nen Men­schen, die un­be­waff­net und ohne Le­bens­mit­tel, blind­lings wei­ter­trie­ben. Es war der An­fang ei­ner Aus­rot­tung der Ge­sit­tung, ein Nie­der­met­zeln des Men­schen­ge­schlech­tes.

 

Gera­de un­ter sich hät­te der Luft­schif­fer ein weit­hin ge­spon­ne­nes Netz­werk von Stra­ßen ge­se­hen, von Häu­sern, Kir­chen, Plät­zen, Gas­sen, Gär­ten, die, schon ver­ödet, sich aus­dehn­ten, wie eine un­ge­heu­re Land­kar­te, die im Sü­den ver­wischt und zer­stört war. Es sah aus, als ob eine Rie­sen­fe­der über Ea­ling, Rich­mond und Wim­ble­don Tin­te über die Kar­te ge­spritzt hät­te. Ste­tig und un­auf­halt­sam wuchs je­der die­ser Fle­cken; er brei­te­te sich aus, sand­te Ab­zwei­gun­gen hier­hin und dort­hin, stau­te sich ge­gen Er­he­bun­gen des Bo­dens, er­goss sich dann wie­der über ab­schüs­si­ges Erd­reich in neu­ent­deck­te Tä­ler, ge­nau so, wie ein Strom von Tin­te sich über Lösch­pa­pier ver­teilt.

Und drü­ben, bei den blau­en Hü­geln, die sich üb­lich vom Fluss er­he­ben, eil­ten die glit­zern­den Mars­leu­te hin und her, und ver­sen­de­ten be­däch­tig und glanz­voll ein­mal über die­sen, dann über je­nen Land­strich ihre Gift­wol­ken, die sie, so­bald sie ih­ren Zweck er­füllt hat­ten, wie­der mit ih­ren Dampf­strah­len er­stick­ten. So er­grif­fen sie Be­sitz von dem be­sieg­ten Land. Ihr Vor­ha­ben schi­en nicht so sehr auf Aus­rot­tung ab­zu­zie­len, wie auf völ­li­ge Un­ter­jo­chung und Nie­der­wer­fen je­des Wi­der­stan­des. Sie spreng­ten jede Pul­ver­an­samm­lung, auf die sie stie­ßen, in die Luft, schnit­ten jede Te­le­gra­fen­li­nie ab und zer­stör­ten, wo sie konn­ten, jede Ei­sen­bahn. Sie schnit­ten die Seh­nen der Mensch­heit durch. Sie schie­nen kei­ne be­son­de­re Eile zu ha­ben, ihr Ar­beits­feld aus­zu­deh­nen, und ge­lang­ten an die­sem Tag nicht über den Mit­tel­punkt von Lon­don hin­aus. Es ist sehr mög­lich, dass eine be­trächt­li­che An­zahl Leu­te in Lon­don am Mon­tag­mor­gen in ih­ren Häu­sern blieb. Dass vie­le, vom schwar­zen Rauch er­stickt, zu Hau­se star­ben, ist ge­wiss.

Um die Mit­tags­stun­de stell­te die Werft von Lon­don ein er­staun­li­ches Schau­spiel dar. Dampf­boo­te und Schif­fe al­ler Art, de­ren Ei­gen­tü­mer von den un­ge­heu­ren Geld­sum­men, wel­che die Flücht­lin­ge an­bo­ten, ver­sucht wur­den, la­gen in Be­reit­schaft; vie­le Men­schen, wel­che an die­se Fahr­zeu­ge her­an­schwam­men, sol­len mit Boots­ha­ken zu­rück­ge­sto­ßen und er­tränkt wor­den sein. Um ein Uhr nach­mit­tags etwa wur­de ein dün­nes Über­bleib­sel ei­ner Wol­ke des schwar­zen Qual­mes zwi­schen den Bö­gen der Black­fri­ars Bridge ge­se­hen. Und nun wur­de die Werft der Schau­platz ei­ner wahn­sin­ni­gen Ver­wir­rung, hei­ßer Kämp­fe und Zu­sam­men­stö­ße; eine Zeit lang war eine Men­ge von Boo­ten und Bar­ken im nörd­li­chen Bo­gen der To­wer­brücke ein­ge­klemmt; See­leu­te und Lösch­ar­bei­ter muss­ten wie Wil­de ge­gen die Men­ge an­kämp­fen, die in hel­len Hau­fen vom Ufer her an­dräng­te. Die Leu­te klet­ter­ten tat­säch­lich die Brücken­pfei­ler hin­ab.

Als eine Stun­de spä­ter ein Mars­mann jen­seits des Uhren­turms des Par­la­ments­hau­ses2 auf­tauch­te und den Fluss hin­ab­wa­te­te, trie­ben nur Schiff­strüm­mer am Li­me­hou­se vor­über.

Über den Nie­der­gang des fünf­ten Zy­lin­ders wer­de ich spä­ter be­rich­ten. Der Sechs­te ging bei Wim­ble­don nie­der. Mein Bru­der hielt ne­ben den im Wa­gen schla­fen­den Frau­en auf ei­ner Wie­se Wa­che und sah sei­nen grü­nen Blitz weit drü­ben jen­seits der Hü­gel. Am Diens­tag streb­te die klei­ne Ge­sell­schaft, noch im­mer ent­schlos­sen, über das Meer zu fah­ren, durch das von Men­schen wim­meln­de Land Rich­tung Col­che­s­ter vor­wärts. Die Nach­richt, dass die Mars­leu­te nun im Be­sitz von ganz Lon­don sei­en, wur­de be­stä­tigt. Sie wa­ren in High­ga­te ge­se­hen wor­den, und, wie man er­zähl­te, so­gar schon bei Neas­den. Aber sie ka­men bis zum nächs­ten Mor­gen mei­nem Bru­der nicht zu Ge­sicht.

Am Diens­tag nun be­gan­nen die ver­streu­ten Mas­sen, die zwin­gen­de Not­wen­dig­keit zu emp­fin­den, sich mit Le­bens­mit­teln zu ver­se­hen. Und so­bald sie hung­rig wur­den, hör­ten sie auf, das Recht des Ei­gen­tums zu be­ach­ten. Mit den Waf­fen in der Hand rück­ten die Bau­ern aus, ihre Vieh­stäl­le, ihre Scheu­nen, ihre rei­fen­den Feld­früch­te zu ver­tei­di­gen. Eine An­zahl von Leu­ten hat­ten wie mein Bru­der nun die Ab­sicht, eine öst­li­che Rich­tung ein­zu­schla­gen, und ei­ni­ge ganz Verzwei­fel­te gin­gen so­gar nach Lon­don zu­rück, um sich Nah­rung zu ho­len. Das wa­ren haupt­säch­lich Leu­te aus den nörd­li­chen Vo­r­or­ten, de­ren Kennt­nis­se über den schwar­zen Rauch nur vom Hö­ren­sa­gen stamm­ten. Mein Bru­der er­fuhr, dass etwa die Hälf­te der Mit­glie­der der Re­gie­rung sich in Bir­ming­ham ver­sam­melt hat­te und dass un­ge­heu­re Men­gen star­ker Spreng­stof­fe vor­be­rei­tet wur­den, um für selbst­tä­ti­ge Mi­nen in den Bin­nen­graf­schaf­ten ver­wen­det zu wer­den.

Zur glei­chen Zeit hör­te mein Bru­der, dass die Mid­land Rail­way Com­pa­ny die im ers­ten Schre­cken auf­ge­ge­be­ne Stre­cke wie­der dem Ver­kehr über­ge­ben hat­te und von St. Al­bans nach Nor­den ge­hen­de Züge ab­ge­hen ließ, um in den be­ängs­ti­gend über­füll­ten Nach­bar­graf­schaf­ten Lon­d­ons et­was Luft zu schaf­fen. Fer­ner wur­den in Chip­ping On­gar Be­kannt­ma­chun­gen er­las­sen, da­hin lau­tend, dass in den Nord­städ­ten große Vor­rä­te von Mehl zur Ver­fü­gung stün­den, und dass bin­nen vier­und­zwan­zig Stun­den un­ter die hun­ger­lei­den­de Be­völ­ke­rung der Nach­bar­schaft Brot ver­teilt wer­den wür­de. Die­se Nach­richt aber hielt mei­nen Bru­der nicht von der Aus­füh­rung des Flucht- pla­nes ab, den er er­son­nen hat­te; und die drei Leu­te dräng­ten den gan­zen Tag lang un­auf­halt­sam in öst­li­cher Rich­tung vor­wärts und er­leb­ten von je­ner Brot­ver­tei­lung nicht mehr als eben ihre Ver­hei­ßung. Tat­sa­che ist, dass auch nie­mand an­de­rer mehr da­von er­leb­te. In die­ser Nacht ging der sie­ben­te Stern nie­der und fiel auf den Prim­ro­se-Hü­gel. Er ging nie­der, wäh­rend Fräu­lein El­phin­sto­ne Wa­che hielt, denn sie un­ter­zog sich ab­wech­selnd mit mei­nem Bru­der die­ser Pf­licht. Auch sie sah den Stern.

Am Mitt­woch er­reich­ten die drei Flücht­lin­ge, wel­che die Nacht auf ei­nem Feld un­rei­fen Wei­zens ver­bracht hat­ten, Chelms­ford; hier be­mäch­tig­te sich eine Grup­pe von Be­woh­nern, wel­che sich »Öf­fent­li­cher Un­ter­stüt­zungs­aus­schuss« nann­te, des Po­nys als ei­nes Nah­rungs­mit­tels und woll­te nichts als Ent­gelt da­für ge­ben, als das Ver­spre­chen, die Be­sit­zer am nächs­ten Tage an sei­ner Ver­zeh­rung teil­neh­men zu las­sen. Hier wa­ren Gerüch­te im Um­lauf, dass die Mars­leu­te in Ep­ping sei­en; auch er­fuhr man, dass die Pul­ver­müh­len von Wal­tham-Ab­bey wäh­rend des frucht­lo­sen Ver­su­ches, einen der Ein­dring­lin­ge in die Luft zu spren­gen, zer­stört wor­den sei­en.

Die Leu­te späh­ten hier von den Kirchtür­men nach den Mars­leu­ten aus. Mein Bru­der zog es vor — wie es sich spä­ter her­aus­stell­te zu sei­nem Glück — so­fort nach der Küs­te auf­zu­bre­chen, statt auf Nah­rung zu war­ten, ob­wohl sie alle drei sehr hung­rig wa­ren. Um die Mit­tags­stun­de ka­men sie durch Til­ling­ham, das selt­sam ge­nug ganz still und ver­ödet schi­en, bis auf ei­ni­ge die­bi­sche Plün­de­rer, die nach Nah­rungs­mit­teln such­ten. In der Nähe von Til­ling­ham er­blick­ten sie plötz­lich das Meer und zu­gleich die er­staun­lichs­te An­samm­lung von Fahr­zeu­gen al­ler Art, die man sich nur vor­stel­len konn­te.

Denn nach­dem die Schif­fer nicht mehr die Them­se hin­auf­fah­ren konn­ten, be­ga­ben sie sich an die Küs­te von Es­sex, nach Har­wich, Wal­ton, Clac­ton und spä­ter nach Foul­ness und Sho­ebu­ry, um Leu­te auf­zu­neh­men. Die Schif­fe wa­ren in ei­ner un­ge­heu­ren si­chel­för­mi­gen Li­nie auf­ge­stellt, die sich ge­gen das Vor­ge­bir­ge, die Naze,3 im Ne­bel ver­lor. Dicht am Ufer hat­te eine Un­men­ge Fi­scher­bar­ken An­ker ge­wor­fen, eng­li­sche, schot­ti­sche, fran­zö­si­sche, hol­län­di­sche und schwe­di­sche; dann sah man klei­ne Dampf­boo­te von der Them­se, Yach­ten und elek­tri­sche Boo­te; dar­über hin­aus sah man Schif­fe grö­ße­rer Art, eine große Men­ge schmut­zi­ger Koh­len­schif­fe, schmu­cke Han­dels­schif­fe, Viehtrans­por­ter, Pas­sa­gier­damp­fer, Pe­tro­le­um­tan­ken, Ozean­bumm­ler, selbst einen al­ten, wei­ßen Trans­port­seg­ler, zier­li­che wei­ße und graue Li­ni­en­schif­fe von Southamp­ton und Ham­burg; und die gan­ze blaue Küs­te am Black­wa­ter ent­lang konn­te mein Bru­der dich­te Schwär­me von Boo­ten wahr­neh­men, von de­nen aus mit den Leu­ten auf dem Ufer ge­feilscht wur­de. Die­se Boot­mas­sen er­streck­ten sich auch das Black­wa­ter hin­auf bei­na­he bis Mal­don.

Un­ge­fähr zwei Mei­len drau­ßen lag ein Pan­zer­schiff so tief im Was­ser, dass es den Au­gen mei­nes Bru­ders fast wie ein halb­ver­senk­tes Schiff schi­en. Das war das Ramm­boot »Thun­der Child« Es war das ein­zi­ge Kriegs­schiff in Sicht; aber in wei­ter Fer­ne lag auf dem glat­ten Spie­gel der See — an je­nem Tage herrsch­te To­ten­stil­le — eine Schlan­ge schwar­zen Rau­ches, wel­che die nächs­ten Pan­zer­schif­fe der Kanal­flot­te an­zeig­te, die in ei­ner weit ge­dehn­ten Li­nie auf- und ab­kreuz­ten; sie fuh­ren wäh­rend des Ein­fal­les der Mars­leu­te mit vol­lem Dampf und klar zum Ge­fecht längs der Them­se­mün­dung, kampf­be­reit und doch macht­los ein­zu­grei­fen.

Beim An­blick des Mee­res wur­de Frau El­phin­sto­ne trotz der Zu­re­den ih­rer Schwä­ge­rin von heil­lo­sem Schre­cken über­wäl­tigt. Sie war nie noch aus Eng­land hin­aus­ge­kom­men, und er­klär­te lie­ber ster­ben zu wol­len, als sich ohne Freun­de ei­nem frem­den Land an­zu­ver­trau­en, und so fort. Die Ärms­te schi­en sich vor­zu­stel­len, dass die Fran­zo­sen und die Mars­leu­te sehr ähn­lich sein wür­den. Sie war wäh­rend der zwei Rei­se­ta­ge im­mer hys­te­ri­scher, er­schreck­ter und nie­der­ge­schla­ge­ner ge­wor­den. Ihre fixe Idee war, nach Stan­mo­re zu­rück­zu­keh­ren. In Stan­mo­re sei im­mer al­les gut und si­cher vor sich ge­gan­gen. In Stan­mo­re wür­den sie Ge­or­ge wie­der­fin­den…

Nur mit den größ­ten Schwie­rig­kei­ten ge­lang es ih­nen, sie zum Ufer hin­ab zu brin­gen, wo es mei­nem Bru­der glück­te, die Auf­merk­sam­keit ei­ni­ger Leu­te auf ei­nem Rad­damp­fer, der auf der Them­se fuhr, auf sich zu len­ken. Der Damp­fer schick­te ein Boot und bald wur­de man han­dels­eins: sechs­und­drei­ßig Pfund für alle drei. Das Schiff ging, wie die Leu­te ih­nen mit­teil­ten, nach Os­ten­de.

Es war etwa zwei Uhr ge­wor­den, bis mein Bru­der, der vor dem Be­tre­ten des Schif­fes noch das Fahr­geld be­zahlt hat­te, sich mit sei­nen Schütz­lin­gen si­cher an Bord des Damp­fers be­fand. Im Schiff gab es Ess­wa­ren ge­nug, wenn auch zu ganz aben­teu­er­li­chen Prei­sen. Und so ge­lang es den drei Per­so­nen, auf den Vor­der­sit­zen eine Mahl­zeit ein­zu­neh­men.

Es wa­ren be­reits etwa vier­zig Per­so­nen an Bord, von de­nen ei­ni­ge ih­ren letz­ten Gro­schen weg­ge­ge­ben hat­ten, um sich die Über­fahrt zu si­chern. Aber der Ka­pi­tän blieb beim Black­wa­ter bis fünf Uhr Nach­mit­tag ste­hen und nahm un­aus­ge­setzt Pas­sa­gie­re auf, bis das Ver­deck be­ängs­ti­gend voll war. Er hät­te wohl noch län­ger ge­zö­gert, hät­te man nicht um jene Stun­de vom Sü­den her den Schall von Ge­schütz­feu­er ver­nom­men. Gleich­sam zur Ant­wort feu­er­te das see­wärts lie­gen­de Pan­zer­schiff ein klei­nes Ge­schütz ab und hiss­te sei­ne Flag­ge. Ein Rauch­strahl schoss aus sei­nem Schorn­stein.

Ei­ni­ge Rei­sen­de wa­ren der Mei­nung, dass der Ge­schütz­lärm aus der Ge­gend von Sho­ebu­ry­ness kom­me, bis man be­merk­te, dass er im­mer stär­ker wur­de. Gleich­zei­tig tauch­ten süd­öst­lich in wei­ter Fer­ne die Mas­ten und das Ta­kel­werk drei­er Pan­zer­schif­fe, ei­nes nach dem an­de­ren, aus dem Mee­re auf, un­ter Wol­ken schwar­zen Qual­mes. Aber die Auf­merk­sam­keit mei­nes Bru­ders kehr­te rasch wie­der zu dem fer­nen Ge­schütz­feu­er im Sü­den zu­rück. Er glaub­te, eine Rauch­säu­le aus den fer­nen, grau­en Ne­bel­schlei­ern auf­stei­gen zu se­hen.

 

Der klei­ne Damp­fer nahm, aus der großen Halb­mond­li­nie von Schif­fen her­aus, schon klap­pernd sei­nen Weg ost­wärts. Die fla­che Küs­te von Es­sex schi­en schon blau und neb­lig, als plötz­lich, win­zig und un­deut­lich in der großen Ent­fer­nung, ein Mars­mann auf­tauch­te, der die leh­mi­ge Küs­te ent­lang aus der Rich­tung von Foul­ness her­an­kam. Bei die­sem An­blick fluch­te der Ka­pi­tän auf der Schiffs­brücke mit dem Auf­wand sei­ner gan­zen Stimm­mit­tel in Angst und Zorn über sei­ne ei­ge­ne Saum­se­lig­keit, und die Rä­der schie­nen von sei­nem Schre­cken an­ge­steckt zu sein. Je­der­mann an Bord des Schif­fes stand jetzt am Ge­län­der oder auf den Stüh­len und starr­te nach je­ner fer­nen Er­schei­nung, die, jetzt schon hö­her als die Bäu­me und die Kirchtür­me land­ein­wärts, wie in ei­ner ver­zerr­ten Nach­ah­mung der mensch­li­chen Gan­gart im­mer nä­her kam.

Es war der ers­te Mars­mann, den mein Bru­der ge­se­hen hat­te und so stand er mehr er­staunt als er­schreckt da, und be­ob­ach­te­te den Ti­tan, wie er ent­schlos­sen den Fahr­zeu­gen nä­her rück­te, im­mer wei­ter und wei­ter, wie die Küs­te zu­rück­wich, im Was­ser wa­tend. Jetzt tauch­te jen­seits des Dü­nen­kamms in wei­ter Fer­ne ein zwei­ter Mars­mann auf, der über die ver­küm­mer­ten Bäu­me hin­weg­fuhr; und noch wei­ter zu­rück zeig­te sich ein drit­ter, der tief durch eine glit­zern­de Sumpf­flä­che wa­te­te, die halb zwi­schen Him­mel und Erde zu hän­gen schi­en. Sie alle stapf­ten der See zu, als ob sie die Flucht je­ner Men­ge von Fahr­zeu­gen ver­hin­dern woll­ten, die in dich­ten Hau­fen zwi­schen Foul­ness und dem Vor­ge­bir­ge Naze la­ger­ten. Trotz der keu­chen­den An­stren­gung der Ma­schi­nen des klei­nen Rad­damp­fers, trotz der Strö­me von Schaum, die sei­ne Rä­der zu­rück­lie­ßen, ent­fern­te sich das Schiff nur mit er­schre­cken­der Lang­sam­keit aus dem Be­reich je­ner un­heil­vol­len An­kömm­lin­ge.

Nach Nord­wes­ten bli­ckend sah mein Bru­der, wie der rie­si­ge Halb­kreis von Schif­fen sich schon zu win­den be­gann un­ter dem her­an­na­hen­den Ent­set­zen. Je­des Schiff ver­such­te am an­de­ren vor­bei­zu­kom­men, um sich hin­ter die Breit­sei­te der grö­ße­ren Schif­fe zu ver­ber­gen, die Damp­fer pfif­fen un­auf­hör­lich und stie­ßen un­ge­heu­re Qualm­men­gen aus, Se­gel wur­den ge­hisst und Lan­dungs­boo­te schos­sen hin und her. Mein Bru­der wur­de von die­sem Bild und von der her­an­schlei­chen­den Ge­fahr so in An­spruch ge­nom­men, dass er für al­les, was auf ho­her See vor­ging, kei­ne Au­gen hat­te. So schleu­der­te ihn eine ra­sche Be­we­gung des Damp­fers (er hat­te plötz­lich ge­wen­det, um nicht in den Grund ge­fah­ren zu wer­den) kopf­über von dem Ses­sel, auf dem er stand. Rings um ihn her­um hör­te er Ge­schrei, das Trap­peln von Fü­ßen und freu­di­ge Rufe, die schwach er­wi­dert zu wer­den schie­nen. Der Damp­fer schoss vor­wärts, und mein Bru­der kol­ler­te über den Bo­den.

Er sprang auf sei­ne Füße und sah nach dem Steu­er­bord. Nicht hun­dert Yard von ih­rem sto­ßen­den, schwan­ken­den Boot ent­fernt, sah er eine rie­si­ge, ei­ser­ne Mas­se, die wie eine un­ge­heu­re Pflug­schar das Was­ser teil­te und nach bei­den Sei­ten ge­wal­ti­ge Schaum­wo­gen schleu­der­te, die auf den Damp­fer stürz­ten, bis sei­ne Rä­der hilf­los in der Luft hin­gen, um gleich dar­auf das Ver­deck fast bis auf die Was­ser­flä­che hin­ab­zut­au­chen.

Eine Flut von Gischt blen­de­te einen Au­gen­blick lang mei­nen Bru­der. Als sich sei­ne Au­gen wie­der ge­klärt hat­ten, sah er, dass das Un­ge­tüm schon vor­bei war und dem Lan­de zu­ras­te. Mäch­ti­ge Ei­sen­wer­ke tauch­ten aus dem Rie­sen­kör­per auf; ein Dop­pel­schorn­stein er­hob sich und spie einen zwei­fa­chen Schwall feu­ri­gen Rau­ches in die Luft. Es war das Tor­pe­do-Ramm­schiff »Thun­der Child«, das in ra­sen­der Schnel­lig­keit den be­droh­ten Schif­fen zu Hil­fe kam.

In­dem er sei­nen Fü­ßen auf dem schwan­ken­den Deck da­durch, dass er sie in das Netz­werk des Ge­län­ders ein­hak­te, einen si­che­ren Halt schaff­te, blick­te mein Bru­der über den da­hin­schie­ßen­den Le­via­than4 hin­weg, wie­der nach den Mars­leu­ten. Er sah nun alle drei dicht bei­ein­an­der; sie stan­den so weit drau­ßen im Meer, dass ihre drei­fü­ßi­gen Stüt­zen fast ganz un­ter Was­ser wa­ren. So halb ver­senkt und in so großer Ent­fer­nung, sa­hen sie weit we­ni­ger furcht­bar aus, als die rie­sen­haf­te Ei­sen­mas­se, in de­ren Kiel­was­ser der Damp­fer hilf­los hin- und her­schwank­te. Es schi­en, als be­trach­te­ten die Mars­leu­te die­sen neu­en Geg­ner in hel­lem Stau­nen. Es mag sein, dass nach ih­ren Be­grif­fen die­ser Rie­se ein ähn­li­ches We­sen ih­rer Gat­tung war. Der »Thun­der Child« feu­er­te kei­nen Schuss ab, er rück­te nur in vol­ler Wucht ge­gen sie vor. Ver­mut­lich dank­te er nur dem Um­stand, dass er nicht feu­er­te, die Mög­lich­keit, je­nen so nahe zu kom­men. Sie wuss­ten nicht, was sie aus ihm ma­chen soll­ten. Nur eine Bom­be, und sie hät­ten ihn mit dem Hit­ze­strahl so­fort in den Grund ge­bohrt.

Das Schiff dampf­te mit ei­ner der­ar­ti­gen Schnel­lig­keit vor­wärts, dass es in ei­ner Mi­nu­te den hal­b­en Weg zwi­schen dem Dampf­boot und den Mars­leu­ten zu­rück­zu­le­gen schi­en — eine sich im­mer mehr ver­rin­gern­de Mas­se, die sich schwarz von der zu­rück­tre­ten­den ho­ri­zon­ta­len Li­nie der Küs­te von Es­sex ab­hob.

Plötz­lich senk­te der vor­ders­te Mars­mann sein Rohr und feu­er­te eine Büch­se schwar­zen Ga­ses auf das Pan­zer­schiff ab. Sie traf ihn auf der Back­bord­sei­te und prall­te in ei­nem tin­te­nar­ti­gen Strahl ab, der sich see­wärts wei­ter­wälz­te als ent­fal­te­ter Strom schwar­zen Rau­ches, dem das Pan­zer­schiff glück­lich ent­rann. Den Zuschau­ern auf dem tief im Was­ser fah­ren­den Damp­fer, wel­che über­dies die Son­ne im Ge­sicht hat­ten, schi­en es, als sei das Schiff schon mit­ten un­ter den Mars­leu­ten.

Sie sa­hen, wie die un­ge­schlach­ten Ge­stal­ten sich trenn­ten und sich im­mer hö­her aus dem Was­ser ho­ben, in­dem sie sich ans Ufer zu­rück­zo­gen. Ei­ner von ih­nen er­hob jetzt den ka­me­ra­glei­chen Er­zeu­ger des Hit­ze­strahls. Er hielt ihn schräg nach ab­wärts ge­rich­tet, und so­fort fuhr eine Dampf­wol­ke auf, als der Strahl das Was­ser be­rühr­te. Er muss­te durch das Ei­sen des Schiffs­kör­pers ge­fah­ren sein, ähn­lich, wie weiß­glü­hen­des Ei­sen durch Pa­pier dringt.

Das Zu­cken ei­ner Flam­me wur­de in dem auf­stei­gen­den Dampf sicht­bar, und der Mars­mann wank­te und tau­mel­te nach vorn. Im nächs­ten Au­gen­blick war er nie­der­ge­schla­gen und eine große Men­ge Was­ser und Dampf schoss Hoch in die Luft auf. Die Ge­schüt­ze des »Thun­der Child« don­ner­ten durch den Qualm, ei­nes nach dem an­de­ren; ein Ge­schoss klatsch­te dicht ne­ben dem Damp­fer ins Was­ser, prall­te in Rich­tung der an­de­ren flie­hen­den Schif­fe nord­wärts und zer­split­ter­te eine Fi­scher­bar­ke in Zünd­hölz­chen.

Nie­mand aber schenk­te dem be­son­de­re Be­ach­tung. Beim An­blick des zu­sam­men­bre­chen­den Mars­man­nes stieß der Ka­pi­tän auf der Brücke un­ar­ti­ku­lier­te, gel­len­de Lau­te aus, und die zu ei­nem Hau­fen beim Steu­er­rad zu­sam­men-ge­dräng­ten Rei­sen­den schri­en wild durch­ein­an­der. Und noch ein­mal schri­en sie auf. Denn drü­ben, jen­seits des wei­ßen Tu­mults er­hob sich ein lan­ger, schwar­zer Rumpf und trieb kräf­tig wei­ter; Flam­men ström­ten aus sei­nen Mit­tel­tei­len, und die Ven­ti­la­to­ren und Schorn­stei­ne spien Feu­er.