Die Riesen kommen

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Die Experimentalfarm
I

Mr. Bensington wollte diesen Stoff ursprünglich, sobald er nur einmal wirklich imstande war, ihn zu präparieren, an Kaulquappen versuchen. Man stellt solche Versuche zunächst immer an Kaulquappen an; dazu sind Kaulquappen da. Und sie kamen überein, daß er die Experimente leiten sollte, und nicht Redwood, denn Redwoods Laboratorium war voll von dem ballistischen Apparat und von Tieren, die zu einer Untersuchung über die »Tägliche Variation in der Stoßlust des jungen Bullenkalbs« nötig waren, einer Untersuchung, die Kurven von abnormer und ganz verblüffender Art ergab – und die Anwesenheit von Glashäfen mit Kaulquappen war durchaus nicht erwünscht, so lange diese Untersuchung fortging.

Als aber Mr. Bensington seiner Cousine Jane einen Teil dessen mitteilte, was ihm auf der Seele lag, legte sie ein promptes Veto gegen die Einführung irgendwelcher beträchtlichen Anzahl von Kaulquappen oder ähnlichen experimentalen Geschöpfen in ihre Wohnung ein. Sie hatte nichts dagegen, wenn er eins der Zimmer in der Wohnung für die Zwecke einer nichtexplosiven Chemie benutzte, bei der, soweit sie in Frage stand, nichts herauskam; sie duldete, daß er einen Gasofen und einen Ausguß hatte, und auch einen staubdichten Schrank der Zuflucht vor dem wöchentlichen Gewitter der Reinigung, dessen sie sich nicht begeben wollte. Und da sie Leute gekannt hatte, die dem Trunk ergeben waren, so sah sie seine Begier nach Auszeichnung in gelehrten Gesellschaften als einen ausgezeichneten Ersatz für die gröbere Form der Verderbtheit an. Aber irgendwelche Art von Lebewesen – »krabbelig«, wie sie sein mußten, wenn sie am Leben waren, und »stinkig«, wenn tot – die konnte und wollte sie nicht dulden. Sie sagte, so etwas sei sicherlich ungesund, und Bensington sei ein notorisch schwächlicher Mann – es sei Unsinn, wenn er das leugne. Und als Bensington versuchte, die ungeheure Bedeutung dieser möglichen Entdeckung klarzumachen, sagte sie, das sei alles recht schön, aber wenn sie zugäbe, daß er alles im Hause scheußlich und ungesund machte (und darauf liefe alles hinaus), dann sei sie überzeugt, werde er sich zu allererst beklagen.

Und Mr. Bensington ging ohne Rücksicht auf seine Hühneraugen im Zimmer auf und ab und redete ohne den geringsten Erfolg fest und zornig auf sie ein. Er sagte, nichts sollte dem Fortschritt der Wissenschaft im Wege stehen, und sie sagte, der Fortschritt der Wissenschaft sei eins, aber in einer Etagenwohnung einen Haufen Kaulquappen haben, sei ein anderes; er sagte, in Deutschland sei es feststehende Tatsache, daß einem Manne mit einer solchen Idee sofort ein gehörig eingerichtetes Laboratorium von zwanzigtausend Kubikfuß zur Verfügung gestellt würde, und sie sagte, sie sei froh und sei immer froh gewesen, daß sie keine Deutsche sei; er sagte, es würde ihn unsterblich machen, und sie sagte, es sei viel wahrscheinlicher, daß es ihn krank machen würde, wenn er in einer Wohnung wie ihrer, einen Haufen Kaulquappen hielt; er sagte, er sei Herr in seinem Hause, und sie sagte, lieber als einen Haufen Kaulquappen besorgen, wolle sie als Anstandsdame in eine Schule gehen; und dann bat er, sie solle vernünftig sein, und dann bat sie, er solle vernünftig sein und all das mit den Kaulquappen aufgeben; und er sagte, sie könnte seine Ideen respektieren, und sie sagte, wenn sie stinkig wären, wollte sie nicht, und dann ließ er sich hinreißen und sagte – Huxleys klassischen Bemerkungen über den Gegenstand zum Trotz – ein schlimmes Wort. Das Wort war gar nicht sehr schlimm, aber schlimm genug war es schon.

Und darauf war sie schwer beleidigt, und er mußte um Verzeihung bitten, und die Aussicht, daß er die Nahrung der Götter je in ihrer Wohnung an Kaulquappen würde versuchen können, schwand in dieser Bitte um Verzeihung völlig dahin.

Also mußte Bensington einen anderen Weg in Erwägung ziehen, wie er diese Experimente mit der Ernährung ins Werk setzen konnte, wie sie nötig waren, um seine Entdeckung zu demonstrieren, sobald er seine Substanz isoliert und präpariert hatte. Ein paar Tage lang grübelte er über die Möglichkeit, seine Kaulquappen bei einer vertrauenswürdigen Person in Pension zu geben, und dann brachte der zufällige Anblick der Phrase in einer Zeitung seine Gedanken auf eine Experimentalfarm.

Und Kücken! Sowie ihm der Gedanke kam, war es der Gedanke an eine Geflügelfarm. Plötzlich befiel ihn eine Vision von wild wachsenden Kücken. Er sah ein Bild von Hühnerkäfigen und Gehegen, äußeren und noch äußeren Gehegen, und fortschreitend größer werdenden Hühnerkäfigen. Kücken sind so zugänglich, so leicht zu füttern und zu beobachten, so viel trockener zu handhaben und zu messen, daß ihm Kaulquappen jetzt im Vergleich mit ihnen zu seinem Zweck als ganz wilde und unzähmbare Bestien erschienen. Er konnte gar nicht begreifen, warum er nicht von Anfang an statt an Kaulquappen an Kücken gedacht hatte. Unter anderem hätte ihm das all den Ärger mit seiner Cousine Jane erspart. Und als er Redwood das vorschlug, war Redwood ganz seiner Meinung.

Redwood sagte, er sei überzeugt, damit, daß die experimentierenden Physiologen soviel an unnötig kleinen Tieren arbeiteten, begingen sie einen großen Fehler. Es sei genau, wie wenn man in der Chemie mit ungenügenden Materialmengen arbeitete; Irrtümer in der Beobachtung und Handhabung würden unverhältnismäßig groß. Es sei gerade jetzt von elementarer Wichtigkeit, daß die Wissenschafter ihr Recht auf großes Material verträten. Deshalb nehme er seine gegenwärtige Reihe von Experimenten im Bond Street College an Bullenkälbern vor, obgleich ihr gelegentlicher Übermut in den Gängen den Studenten und Professoren anderer Gegenstände bis zu einem gewissen Grade unbequem werde. Aber die Kurven, die er erhielt, seien ganz ausnahmsweise interessant und würden seine Wahl bei der Veröffentlichung vollauf rechtfertigen. Er für sein Teil würde, wenn es nicht um die unangemessene Dotierung der Wissenschaft in England wäre, nie an kleineren Tieren als Walfischen arbeiten. Aber ein öffentliches Vivarium auf genügend großem Fuße, um dies möglich zu machen, sei, fürchte er, vorläufig, wenigstens in England, ein utopistisches Verlangen. In Deutschland – usw.

Da Redwoods Bullenkälber seine tägliche Aufmerksamkeit verlangten, so fiel die Auswahl und Ausrüstung der Experimentalfarm zum großen Teil Bensington zu. Auch die ganzen Kosten, so war es ausgemacht, sollte Bensington bestreiten, wenigstens bis man durchsetzen konnte, daß eine Summe dafür bewilligt wurde. Also wechselte er seine Arbeit im Laboratorium seiner Wohnung damit ab, daß er die Straßen, die südlich aus London herausführten, nach Farmen auf und ab jagte, und seine spähende Brille, seine einfältige Kahlheit und seine zerfetzten Zeugschuhe erfüllten die Besitzer zahlreicher unerwünschter Anwesen mit eitlen Hoffnungen. Und er annoncierte in mehreren Tageszeitungen und der » Natur« um ein verantwortliches (verheiratetes) Paar zu finden, pünktlich, fleißig und an Geflügel gewöhnt, das eine Experimentalfarm von drei Äckern ganz in seine Obhut nehmen sollte.

Er fand das Anwesen, das er nötig zu haben meinte, in Hickleybrow bei Urshot in Kent. Es war ein wunderlicher, kleiner, isolierter Hof in einem Tal, umgeben von alten Fichtenwäldern, die nachts schwarz und unheimlich waren. Eine bucklige Dünenschulter schnitt sie vom Sonnenuntergang ab, und ein hagerer Brunnen mit einem baufälligen Wetterdach engte den Wohnsitz ein. Das kleine Haus war unbewachsen, mehrere Fenster waren zerbrochen und der Wagenschuppen zeigte um Mittag einen schwarzen Schatten. Es lag anderthalb Meilen vom letzten Hause des Dorfes entfernt, und seine Einsamkeit wurde zweifelhaft von einer zweideutigen Familie von Echos unterbrochen.

Das Anwesen machte Bensington den Eindruck, als passe es hervorragend gut für die Erfordernisse wissenschaftlicher Untersuchung. Er ging über das Grundstück und entwarf mit geschwungenem Arm Gehege und Käfige, und er fand, daß die Küche eine Reihe von Brutapparaten und Pflegemüttern beherbergen konnte, wenn man sie nur ein ganz klein wenig veränderte. Er nahm das Anwesen sofort; auf dem Rückweg nach London machte er in Dunton Green Halt und schloß mit einem passenden Paar ab, das auf seine Annoncen geantwortet hatte, und noch am selben Abend gelang es ihm, eine Menge von Herakleophorbia I zu isolieren, die genügte, um diese Abschlüsse mehr als zu rechtfertigen.

Das passende Paar, das bestimmt war, unter Mr. Bensington die ersten Verwalter der Nahrung der Götter auf Erden abzugeben, war nicht nur sehr merklich bejahrt, sondern auch außerordentlich schmutzig. Diesen letzteren Punkt sah Mr. Bensington nicht, weil nichts die Kräfte allgemeiner Beobachtung so sehr vernichtet wie ein Leben experimentierender Wissenschaft. Sie hießen Skinner, Mr. und Mrs. Skinner, und Mr. Bensington sprach sie in einem kleinen Zimmer mit hermetisch versiegelten Fenstern, einem fleckigen Kaminspiegel und ein paar verkümmerten Calceolarien.

Mrs. Skinner war eine sehr kleine alte Frau, ohne Haube, mit schmutzig weißem Haar, das vom Gesicht straff zurückgestrichen war. Das Gesicht bestand anfangs hauptsächlich und jetzt, nach dem Verlust von Zähnen und Kinn, fast ausschließlich nur noch aus – Nase. Sie war in Schieferfarbe gekleidet (soweit ihr Kleid überhaupt eine Farbe hatte), die an einer Stelle von rotem Flanell durchbrochen war. Sie öffnete ihm und sprach behutsam mit ihm und spähte ihn um und über ihre Nase her an, während sie behauptete, Mr. Skinner nehme eine Änderung an seiner Toilette vor. Sie hatte einen Zahn, der ihre Aussprache behinderte, und sie hielt ihre beiden langen, verschrumpften Hände nervös gegeneinander. Sie sagte Mr. Bensington, sie habe Jahre lang Geflügel besorgt und wisse mit Brutapparaten genau Bescheid; ja, sie selber hätten einmal eine Geflügelfarm aufgetan, und sie seien schließlich nur am Mangel von Lehrlingen gescheitert. »Die Lehrlinge, die zahlen's«, sagte Mrs. Skinner.

 

Mr. Skinner, der schließlich erschien, war ein breitgesichtiger Mann, der lispelte und schielte, daß er einem über den Kopf wegsah. Er trug aufgeschlitzte Pantoffeln, die an Mr. Bensingtons Sympathien appellierten, und litt offenbar an Knopfmangel. Er hielt Rock und Hemd mit einer Hand zusammen und zeichnete mit dem Zeigefinger der anderen Muster auf das schwarzgoldene Tischtuch, während sein freies Auge Mr. Bensingtons Damoklesschwert, wenn ich so sagen darf, mit einem Ausdruck trauriger Losgelöstheit beobachtete. »Se wollen die Farm nich ums Geschäff auftun. Nei, Härr. Ganz egal, Herr. Eggsperimente! Ganß rech.«

Er sagte, sie könnten sofort auf die Farm gehn. Abgesehn von ein bißchen Schneiderei tue er nichts in Dunton Green. »Es is hier nich so elengant, wie ich mir gedach hab, und was ich krieg, is kaum der Mühe wert,« sagte er, »un wenn es Ihnen also paß, daß wir kommen tun ...«

Und eine Woche darauf waren Mr. und Mrs. Skinner auf der Farm installiert, und der Akkordzimmermann aus Hickleybrow variierte die Aufgabe, Gehege und Hühnerhäuser zu errichten durch eine systematische Erörterung über Mr. Bensington.

»Ich hab noch nich viel von 'm gesehn,« sagte Mr. Skinner. »Aberst soweit ich aus 'm kluch wer', scheint er 'n Schafskopp zu sein.«

»Ich meint, er schien 'n bißchen dösig,« sagte der Zimmermann aus Hickleybrow.

»Er verbeiß sich aufs Geflügel,« sagte Mr. Skinner. »O du meine Güte! Man könnt meinen, nieman' versteht was vons Geflügel als er.«

» Aussehn tut er wie ne Henne,« sagte der Zimmermann aus Hickleybrow; »mit seine Brille!«

Mr. Skinner trat näher an den Zimmermann aus Hickleybrow heran und sprach vertraulich, und das eine traurige Auge betrachtete das ferne Dorf, und das andere glänzte hell und boshaft. »Soll jeden Tag gemessen wer'n – jede Henne, sag er. Daß er auch sieht, daß se orrentlich wachsen. Was, o ... eh? Jede Henne – jeden Tag.«

Und Mr. Skinner hob die Hand, um hinter ihr auf kultivierte und ansteckende Art zu lachen, und er buckelte die Schultern stark – und nur seinem einen Auge gelang es nicht, mitzulachen. Dann kam ihm ein Zweifel, ob der Zimmermann die Pointe auch ganz erfaßt habe, und er wiederholte mit durchdringendem Flüstern: » Gemessen

»Er 's schlimmer als unser alter Pächter; laß mich hängen, wenn's nich wahr is,« sagte der Zimmermann aus Hickleybrow.

II

Experimentierende Arbeit ist das Langweiligste von der Welt (es seien denn die Berichte darüber in denPhilosophischen Abhandlungen), und es schien Mr. Bensington endlos lange zu dauern, ehe sein erster Traum von ungeheuren Möglichkeiten durch einen Brocken der Verwirklichung ersetzt wurde. Er hatte die Farm im Oktober genommen, und es wurde Mai, ehe die ersten Spuren des Erfolgs begannen. Herakleophorbia I und II und III mußten versucht werden und blieben erfolglos; es gab Ärger über die Ratten der Experimentalfarm, und es gab Ärger mit den Skinners. Die einzige Art, wie man Skinner dazu bringen konnte, daß er etwas tat, was man ihm sagte, war, daß man ihn entließ. Dann rieb er sein unrasiertes Kinn – er war immer ganz wunderbar unrasiert und trug doch niemals einen Bart – mit flacher Hand und sah Mr. Bensington mit einem Auge an und mit dem andern über ihn weg und sagte: »Ooh, natürlich, Härr – wenn's Ihn'n Ernß is ...!«

Aber zuletzt dämmerte der Erfolg auf. Und sein Herold war ein Brief in der langen, schlanken Handschrift Mr. Skinners.

»Die neue Brut is raus,« schrieb Mr. Skinner, »und gefällt mich nich ganz, wie se aussieht. Wächs sehr üppig – ganz anners als das gleiche Volk, eh Ihre letzen Anweisungen kamen. Das letze war, eh die Katz se holte, n' hübsches fesses Kücken, aber diese wachsen wie die Disseln. Hab ich noch nie gesehn. Se picken so feste, immer übern Stiebel, daß ich de genauen Maße, wie befohlen, nich geben kann. Es sin richtige Riesen und fressen auch so. Wir brauchen bald neu Futter, denn so'n Fressen hat man bei Kücken noch nich erlebt. Größer als Bantams. Wenn's so weiter geht, müßten sie was für'n Jahrmarkt wer'n, so üppig sin se. Kriegt'n Schreck letze Nacht, dacht, die Katz wär dran, un als ich aus'n Fenster kuck, hätt ich schwör'n können, ich seh se unterm Draht reinkriechen. Die Kücken war'n wach und pickten hungrig herum, als ich rauskam, aber konnte nichs von die Katz sehn. Da gab ich ihn'n ne Handvoll Korn und machte feß zu. Möchte gern wissen, ob ich so weiter füttern soll wie befohlen. Das Futter, das Sie gemischt haben, is fast alle, un ich misch nich gern selber neues, von wegen den Mallhör mit den Pudding. Mit den besten Wünschen von uns beiden und der Bitte, die geehrte Gunst weiter zu bewahren

ganz ergebens Ihr Alfred Newton Skinner.«

Die Andeutung gegen Schluß bezog sich auf einen Milchpudding, in den ein wenig Herakleophorbia II hineingeraten war, was für die Skinners schmerzliche und fast verhängnisvolle Folgen hatte.

Aber Mr. Bensington, der zwischen den Zeilen las, sah in diesem wuchernden Wachstum sein lange gesuchtes Ziel erreicht. Am Morgen darauf stieg er auf dem Bahnhof Urshot aus, und in der Reisetasche in seiner Hand trug er, versiegelt in drei Zinndosen, einen Vorrat von der Nahrung der Götter, der für alle Kücken in Kent genügt hätte.

Es war ein heller und schöner Morgen spät im Mai, und seine Hühneraugen waren soviel besser, daß er beschloß, zu Fuß durch Hickleybrow auf seine Farm zu gehen. Es waren zusammen drei und eine halbe Meile durch Park und Dorf und dann an den grünen Lichtungen der Gehege von Hickleybrow hin. Die Bäume waren ganz übersät mit den grünen Flecken des Spätfrühlings, die Hecken standen voller Kamillen und Himmelsröschen und das Holz voll blauer Hyazinthen und purpurner Orchideen. Und überall herrschte großer Vogellärm, Gezwitscher von Drosseln, Amseln, Rotkehlchen, Finken und vielen anderen, und in einem warmen Winkel des Parks entrollte sich ein Farrenstrich, und dort huschte und sprang falbes Rotwild.

Diese Dinge brachten Mr. Bensington seine frühe und vergessene Lust am Leben zurück; die Aussichten seiner Entdeckung wurden vor seinem Auge leuchtend und freudig, und ihm war, er müsse wirklich zum glücklichsten Tage in seinem Leben gekommen sein. Und als er in dem sonnenhellen Gehege an der Sandbank unterm Schatten der Fichten die Kücken sah, die das Futter gefressen hatten, das er für sie gemischt hatte, riesenhaft und tölpisch, größer schon als manche Henne, die verheiratet und eingerichtet ist, und immer noch wachsend, immer noch in ihren ersten, weichen, gelben Federn (am Rücken hin ganz schwach mit Braun durchzogen), da wußte er wirklich, daß sein glücklichster Tag gekommen war.

Auf Mr. Skinners Drängen ging er in das Gehege hinein, als er aber ein- oder zweimal durch die Risse in seinen Schuhen gepickt war, lief er wieder hinaus und sah sich die Ungeheuer durch die Drahtnetze an. Er legte die Augen eng ans Netz und folgte ihren Bewegungen, als habe er noch nie im Leben ein Kücken gesehen.

»Wie se sein wer'n, wenn se ausgewachsen sin, kann man sich nich vorstell'n,« sagte Mr. Skinner.

»So groß wie ein Pferd,« sagte Mr. Bensington.

»Beinah,« sagte Mr. Skinner.

»An einem Flügel könnten sich mehrere satt essen!« sagte Mr. Bensington. »Dann kann man sie wie Ochsen in Braten schneiden.«

»Aberst se werd'n nich so weiter wachsen,« sagte Mr. Skinner.

»Nicht?« sagte Mr. Bensington.

»Nein,« sagte Mr. Skinner. »Ich kenn' das. Sie fangen üppig an, aberst das hört mal auf, verlassen Sie sich dadrauf! Ja.«

Es entstand eine Pause.

»Das is de Behannlung,« sagte Mr. Skinner bescheiden.

Mr. Bensington richtete plötzlich die Brille auf ihn.

»Auf den annern Hof haben wir se faß ebensogroß gekrieg,« sagte Mr. Skinner, und er hob das bessere Auge fromm empor und ließ sich ein wenig fortreißen; »ich un meine Frau.«

Mr. Bensington nahm seine gewohnte allgemeine Inspektion der Grundstücke vor, aber er kehrte bald zu dem neuen Gehege zurück. Es war auch, muß man wissen, so viel mehr als er je zu erwarten gewagt hatte. Der Gang der Wissenschaft ist so gewunden und langsam; nach den klaren Versprechungen und ehe die praktische Verwirklichung eintritt, kommen fast immer Jahre und Jahre komplizierter Arbeit, und hier – hier war die Nahrung der Götter nach weniger als einem Jahr des Probierens! Es schien zu viel – zu viel. Jene aufgeschobene Hoffnung, die die tägliche Nahrung der wissenschaftlichen Phantasie ist, sollte nicht mehr sein Teil sein! So schien es ihm wenigstens damals. Er kehrte ein übers andere Mal um und starrte diese seine verblüffenden Kücken an.

»Lassen Sie sehen,« sagte er. »Sie sind zehn Tage alt. Und neben einem gewöhnlichen Kücken sollt ich denken – etwa sechs bis siebenmal so groß ...«

»'s wir' Sseit sein, daß wir mehr verlangen,« sagte Mr. Skinner zu seiner Frau. »Er 's so ßufrieden damit, wie wir die Kücken ins hintere Gehege zu Gange gebracht haben – so ßufrieden is er.«

Er neigte sich vertraulich zu ihr. »Meint, es is das alte Futter,« sagte er hinter seiner Hand und ließ ein Geräusch unterdrückten Lachens in seinem Kehlkopf hören ...

Mr. Bensington war an diesem Tage wirklich ein glücklicher Mann. Er war nicht in der Stimmung, Einzelheiten im Betrieb zu tadeln. Der strahlende Tag hob die immer wachsende Nachlässigkeit des Skinnerpaares lebhafter hervor, als er sie je gesehen hatte. Aber seine Bemerkungen waren allermildester Art. Die Zäunung vieler Gehege war in Unordnung, aber er schien es für ganz befriedigend zu halten, als Mr. Skinner auseinandersetzte, das täte »ein Fuchß oder 'n Hund oder so was«. Er machte darauf aufmerksam, daß der Inkubator nicht gereinigt war.

»Das is er nich, Herr,« sagte Mrs. Skinner mit gekreuzten Armen, indem sie blöde hinter ihrer Nase lachte. »Scheint, wir haben noch keine Zeit gehabt, ihn zu reinigen, noch nich, so lange wir hier sind ...«

Er ging nach oben, um sich ein paar Rattenlöcher anzusehen, die, wie Skinner behauptete, eine Falle rechtfertigen würden – sie waren freilich enorm – und er entdeckte, daß das Zimmer, in welchem die Nahrung der Götter mit Mehl und Kleie gemischt wurde, in ganz schmählicher Unordnung war. Die Skinners gehörten zu den Leuten, die für gerissene Schüsseln und alte Kannen und Einmachbüchsen und Mostertdosen Verwendung haben, und damit war der Raum besät. In einem Winkel faulte ein großer Haufen Äpfel, die Skinner erübrigt hatte, und an einem Nagel im schrägen Teil der Decke hingen mehrere Kaninchenfelle, an denen er seine Begabung als Kürschner zu probieren beabsichtigte: (»Bei die Fellen und Dinger weiß ich so ziemlich mit allens Bescheid,« sagte Skinner.)

Mr. Bensington rümpfte über diese Unordnung freilich kritisch die Nase, aber er machte keinen unnötigen Lärm, und sogar, als er fand, wie sich eine Wespe in einem Topf halb voll Herakleophorbia IV gütlich tat, bemerkte er nur milde, diesen Stoff verschließe man besser gegen die Feuchtigkeit, als daß man ihn so der Luft aussetze.

Und er wandte sich von diesen Dingen sofort wieder ab, um zu bemerken – was ihm seit einiger Zeit im Kopf gelegen hatte: – »Ich glaube, Skinner – wissen Sie, ich werde eins von diesen Kücken töten – als Probe. Ich glaube, wir werden es heute nachmittag töten, und ich werde es mit nach London nehmen.«

Er tat, als blicke er in noch einen Hafen, und nahm dann die Brille ab, um sie zu putzen.

»Ich hätte gern,« sagte er, »ich hätte sehr gern eine Reliquie – ein Memento – von dieser besonderen Brut an diesem besonderen Tage.«

»Nebenbei,« sagte er, »Sie geben diesen kleinen Kücken doch kein Fleisch?«

»O! nein, Härr,« sagte Skinner, »ich kann Sie versichern, Härr, wir verstehn viel zu viel von die Behandlung vons Vogelvieh jeder Art, um sowas zu tun.«

»Ganz sicher, daß Sie nicht Ihren Mittagsabfall – – mir war, ich hätte die Knochen eines Kaninchens in der hinteren Ecke des Geleges herumliegen sehen – –«

Aber als sie hingingen und sie sich ansahen, fanden sie, daß es die größeren Knochen einer Katze waren; sie waren sehr sauber und trocken abgepickt.