Za darmo

Der kleine Ritter

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Ketlings Antlitz leuchtete in aufrichtiger, tiefer Freude auf; er umarmte Sagloba, hielt ihn lange an seiner Brust und fragte endlich:

»Ist es gewiß, daß sie sich lieben?«

»Wer würde meinen kleinen Heiducken nicht lieben, wer?« entgegnete Sagloba.

»So ist die Verlobung schon gewesen?«

»Die Verlobung ist noch nicht gewesen, denn Michael hat sich kaum von seiner Trauer freigemacht; aber sie wird sein … überlaß das nur mir. Das Mädchen ist ihm – sie mag sich auch wie ein Wiesel drehen und wenden – höchlich geneigt, denn bei ihr gilt der Säbel.«

»Das habe ich bemerkt, bei Gott!« unterbrach ihn Ketling, vor Freude strahlend.

»Ha, hast du's bemerkt? Michael beweint noch immer die andere, aber wenn's ihm eine antut, so ist es sicher der kleine Heiduck, denn sie ist der anderen mehr ähnlich, nur daß sie weniger mit den Augen wirft, weil sie jünger ist. Das fügt sich alles gut, nicht wahr? Ich bin überzeugt, zur Wahl haben wir zwei Hochzeiten.«

Ketling sprach kein Wort. Er umarmte Sagloba wieder und legte sein schönes Gesicht an dessen rote Wangen, so daß der Alte ihn abschüttelte und fragte:

»So steckt dir Fräulein Drohojowska schon so tief im Herzen?«

»Ich weiß nicht, ich weiß nicht,« antwortete Ketling, »ich weiß nur eins: kaum, daß ihr himmlischer Anblick meine Augen erfreut hatte, sagte ich mir, daß mein gequältes Herz nur sie allein noch lieben könnte, und noch in dieser Nacht habe ich den Schlaf durch meine Seufzer weggescheucht und mich ganz der süßen Sehnsucht hingegeben. Sie hat die Herrschaft über mein ganzes Sein errungen, wie eine Monarchin über das untergebene Land und über ihre Getreuen waltet. Ist das Liebe, ist es etwas anderes – ich weiß es nicht.«

»Aber das weißt du doch, daß das kein Schlapphut und keine drei Ellen Tuch zu Pluderhosen sind, kein Gespann und keine Peitsche, keine Wurst mit Rührei noch ein Maß mit Schnaps. Wenn du dessen ganz gewiß bist, so frage über das andere Christine, und wenn du willst, so frage ich sie selbst.«

»Tut das nicht,« erwiderte Ketling lachend. »Wenn ich ertrinken soll, so laßt mich wenigstens noch ein paar Tage glauben, daß ich schwimme.«

»Ich sehe, in der Schlacht sind die Schotten tüchtig, aber in Liebesdingen taugen sie nichts. Die Frauen muß man wie den Feind tüchtig angreifen: veni, vidi, vici – das war meine Maxime.«

»Mit der Zeit, wenn sich meine heißesten Wünsche erfüllen sollten,« sagte Ketling, »werde ich vielleicht um die Hilfe eines Freundes bitten; obwohl ich das Heimatsrecht erhalten habe, adliges Blut in meinen Adern fließt, so ist doch mein Name hier unbekannt, und ich weiß nicht, ob die Frau Truchseß …«

»Frau Truchseß, Frau Truchseß …«, unterbrach ihn Sagloba, »darum sei unbesorgt; die Frau Truchseß ist eine wahre Spieldose; wie ich sie aufziehe, so spielt sie. Ich will sogleich zu ihr; man muß ihr sofort zuvorkommen, damit sie nicht scheel sehe auf deine Art mit dem Mädchen umzugehen, denn Eure schottische Art ist anders als die unsrige. Gewiß werde ich nicht gleich in deinem Namen die Werbung vorbringen, ich will nur so beiläufig erwähnen, daß dir das Mädchen in die Augen gestochen hat, und daß es gut wäre, dies Mehl zu Brot umzubacken. So wahr Gott lebt, ich gehe sofort, und du, ängstige dich nicht, ich kann ja doch sagen, was mir beliebt.«

Und obgleich Ketling noch immer zurückhielt, erhob sich Sagloba und ging.

Unterwegs begegnete er Bärbchen, die wie gewöhnlich in ausgelassener Fröhlichkeit war.

»Weißt du, Christine hat Ketling ganz und gar erobert.«

»Er ist nicht der erste!« erwiderte Bärbchen.

»Und du bist darüber nicht böse?«

»Ketling ist eine Puppe – ein artiger Kavalier, aber eine Puppe. – Da habe ich mir das Knie an der Deichsel zerschunden, das ist alles!«

Hier beugte Bärbchen sich nieder und begann das Knie zu reiben, indem sie gleichzeitig Sagloba anblickte; er aber sagte:

»Um des Himmels willen, sei vorsichtig! Wo rennst du wieder hin?«

»Zu Christine.«

»Und was macht sie?«

»Sie? Seit einiger Zeit küßt sie mich beständig und reibt sich an mir wie eine Katze.«

»Sage ihr nichts davon, daß sie Ketling erobert hat.«

»E – he, ob ich das aushalte?«

Sagloba wußte ganz gut, daß Bärbchen das nicht aushalten würde, gerade darum verbot er es ihr.

Er ging also weiter, sehr erfreut über seine Schlauheit, und Bärbchen platzte wie eine Bombe in Fräulein Drohojowskas Zimmer.

»Ich habe mir das Knie zerschunden, und Ketling ist sterblich in dich verliebt!« rief sie gleich an der Schwelle. »Ich habe nicht bemerkt, daß aus dem Wagenschuppen eine Deichsel hervorstand – schwapp, hatt' ich's! Es wurde mir ganz finster vor den Augen, aber es tut nichts. Herr Sagloba hat mich gebeten, dir nichts davon zu sagen. Habe ich nicht gleich gewußt, daß es so kommen wird? Ich hab's gleich gewußt, und du hast ihn mir einreden wollen; sei unbesorgt, man kennt dich! – Es tut noch ein wenig weh. Herrn Nowowiejski habe ich dir nicht einreden mögen, aber Ketling, oho! Der geht nun im ganzen Hause umher, hält sich den Kopf und spricht mit sich selber. Hübsch, Christine, sehr hübsch!«

»Wie bin ich unglücklich, o wie unglücklich!« rief plötzlich Christine und löste sich in Tränen auf.

Bärbchen begann sie zu trösten, aber es half nichts, das Mädchen schluchzte und weinte wie nie zuvor in ihrem Leben.

Wußte doch wirklich im ganzen Hause niemand, wie sehr sie unglücklich war. Seit einigen Tagen war sie in Fieberglut, ihr Gesicht war blaß, ihre Augen hohl, ihre Brust hob und senkte sich in kurzen Atemstößen; es war etwas Seltsames mit ihr vorgegangen. Wie eine plötzliche Krankheit war es über sie gekommen, nicht langsam zunehmend, sondern auf einmal, wie ein Sturmwind, wie ein Orkan hatte es sie mit sich gerissen, wie eine Flamme hatte es ihr Blut erhitzt, wie ein Blitz ihre Einbildung grell geblendet. Nicht einen Augenblick hatte sie vermocht, dieser Kraft Widerstand zu leisten, die so unbarmherzig plötzlich über sie hereingebrochen war. Die Ruhe hatte sie verlassen, ihr Wille war wie ein flügellahmer Vogel …

Sie wußte selbst nicht, ob sie Ketling liebe, ob sie ihn hasse, und eine furchtbare Angst vor dieser Frage hatte sie ergriffen; aber sie fühlte, daß ihr Herz nur durch ihn in so schnellen Schlägen pochte, daß ihr Kopf so haltlos nur an ihn denke, daß alles in ihr über ihn, von ihm erfüllt war. Und es gab keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Es wäre ihr leichter gewesen, ihn nicht zu lieben, als an ihn nicht zu denken, denn ihre Augen waren von seinem Anblick trunken, ihre Ohren von seiner Stimme berauscht, ihre ganze Seele voll von ihm … Der Schlaf befreite sie nicht von diesem Aufdringlichen, denn kaum hatte sie die Augen geschlossen, so neigte sich sein Antlitz über sie und flüsterte: Du bist mir teurer als ein Königreich, als ein Szepter, als Ruhm und Reichtümer … und dieses Haupt war so nah, daß selbst in der dunklen Nacht eine blutige Röte die Stirn des Mädchens übergoß. Sie war aus Reußenland, und ihr Blut war heiß, in ihrer Brust tobten unbekannte Gluten – von deren Dasein sie bisher nichts gewußt hatte, und unter deren Feuer sie zugleich Angst und Scham und eine große Zaghaftigkeit und Schwäche ergriff, die schmerzlich und süß war. Auch die Nacht brachte ihr keine Ruhe. Es hatte sie eine immer wachsende Müdigkeit ergriffen, wie nach einer schweren Arbeit.

»Christine, Christine, was ist mit dir geschehen!« rief sie sich selber zu. Aber sie war wie in einer Betäubung und in einer beständigen Sinnlosigkeit.

Noch war nichts geschehen, hatte sich nichts ereignet. Sie hatte mit Ketling allein noch nicht zwei Worte gewechselt, und obgleich der Gedanke an ihn sie ganz und gar erfaßt hatte, so flüsterte ihr doch ein unbestimmter Instinkt beständig zu: Hüte dich, weiche ihm aus … und sie wich ihm aus.

Daß sie mit Wolodyjowski versprochen war, daran hatte sie bis jetzt nicht gedacht, und das war ihr Glück; sie hatte darum nicht daran gedacht, weil bisher nichts geschehen war, und weil sie an niemand dachte, weder an sich noch an andere, sondern nur an Ketling.

Und sie verbarg das in tiefer Seele; nur der Gedanke, daß niemand ahnte, was in ihr vorging, daß niemand sie mit Ketling in Verbindung brachte, war für sie eine große Erleichterung gewesen. Plötzlich überzeugten sie Bärbchens Worte, daß es anders sei, daß die Menschen sie schon beobachteten, daß man sie in Gedanken schon mit ihm in Verbindung bringe, daß man ahne, und so hatten Kummer, Schmach und Schmerz zusammen ihren Willen gebrochen, und sie brach wie ein kleines Kind in Tränen aus.

Bärbchens Worte aber waren nur der Anfang der unzähligen Anspielungen, der bedeutungsvollen Blicke, des Augenzwinkerns und Kopfschüttelns, und endlich all der zweischneidigen Worte, die sie über sich mußte ergehen lassen. Gleich bei Tische begann das.

Die Frau Truchseß ließ ihren Blick von ihr zu Ketling und von Ketling zu ihr hinüberschweifen, was sie vorher nicht getan hatte. Herr Sagloba hüstelte bedeutungsvoll; bisweilen ward das Gespräch unterbrochen, ohne daß man wußte warum, und es trat Schweigen ein; und einmal rief Bärbchen während einer solchen Pause in ihrer Zerstreutheit über den ganzen Tisch:

»Ich weiß etwas, aber ich sage es nicht.«

Über Christinens Gesicht ergoß sich plötzlich glühende Röte: dann wurde sie blaß, als wäre eine drohende Gefahr an ihr vorübergegangen. Auch Ketling neigte den Kopf, beide empfanden sehr wohl, daß von ihnen die Rede war, und obgleich sie jede Unterhaltung miteinander vermieden, obwohl sie sich hütete, ihn anzublicken, war es doch für beide klar, daß zwischen ihnen etwas vorgehe, daß eine unbestimmte, gemeinsame Verlegenheit entstehe, welche sie verbindet, und gleichzeitig voneinander entfernt, weil sie dadurch ihre Freiheit verlieren und einander nicht mehr gewöhnliche Freunde sein können. Zum Glück für sie hatte kein Mensch Aufmerksamkeit für Bärbchens Worte, denn Sagloba rüstete sich zu einem Gange in die Stadt und sollte in zahlreicher adliger Gesellschaft zurückkehren, und das beschäftigte alle.

 

Am Abend erglänzte Ketlings Häuschen in hellem Lichte. Es waren viele Offiziere gekommen und Musik, die der höfliche Wirt zur Unterhaltung der Damen bestellt hatte. Tanz konnte man zwar nicht veranstalten, denn die große Faste und Ketlings Trauer gestatteten es nicht; aber man lauschte der Kapelle und vergnügte sich durch Unterhaltung. Die Damen hatten sich prächtig gekleidet, Frau Truchseß war in orientalischer Seide erschienen, der kleine Heiduck hatte sich buntfarbig geschmückt und stach den Soldaten mit seinem rosigen Mündchen und dem hellen Stirnhaar, das alle Augenblicke über die Wimpern fiel, in die Augen, erregte Lachen durch die Entschiedenheit seiner Rede und setzte sie in Erstaunen durch ein Benehmen, in welchem kosakische Kühnheit sich mit ungezwungener Anmut paarten.

Christine, deren Trauer um den Vater zu Ende ging, trug ein weißes, silberdurchwirktes Kleid. Die Ritter verglichen sie, die einen mit Juno, die anderen mit Diana, aber keiner näherte sich ihr zu sehr, keiner strich den Schnurrbart, keiner machte Kratzfüße, keiner warf die Frackschöße in die Höhe; keiner blickte sie mit blitzenden Augen an, keiner wechselte mit ihr süße Worte. Indessen hatten sie gleich bemerkt, daß diejenigen, welche sie mit Bewunderung und Hochachtung anschauten, dann gleich auf Ketling hinblickten, daß einige an ihn herantraten und ihm die Hände drückten, als wünschten sie ihm Glück, daß er die Arme hochzog und die Hände spreizte, als wiese er etwas von sich. Christine, die von Natur scharfsinnig und wachsam war, hatte die fast sichere Überzeugung, daß sie mit ihm über sie sprächen, daß sie sie beinahe als seine Verlobte betrachteten. Und da sie nicht ahnen konnte, daß Herr Sagloba schon jedem von den Gästen etwas ins Ohr geflüstert hatte, so konnte sie nicht begreifen, woher jene Vermutungen der Leute kämen.

»Steht mir etwas auf der Stirn geschrieben?« dachte sie beunruhigt, beschämt und besorgt.

Da trafen Worte ihr Ohr, die zwar nicht an sie gerichtet waren, aber doch ihr galten: »Glücklicher Ketling! … Ein Sonntagskind … kein Wunder, er ist auch ein schöner Mann …« und so weiter.

Andere höfliche Männer, die sie unterhalten und ihr etwas Angenehmes sagen wollten, sprachen mit ihr über Ketling, lobten ihn über die Maßen, rühmten seinen Mut, seine Gefälligkeit, seine höfischen Sitten und seine hohe Geburt. Und Christine mußte wohl oder übel zuhören, und ihre Augen suchten unwillkürlich den, von dem gesprochen wurde, und begegneten oft auch seinen Augen. Da erfaßte sie der Zauber mit neuer Gewalt, und ohne es selbst zu wissen, berauschte sie sich an seinem Anblick. Denn wie sehr unterschied sich Ketling von all den rauhen soldatischen Gestalten! »Der Prinz unter seinen Hofleuten,« dachte Christine, wenn sie dieses edle, aristokratische Haupt ansah und diese ehrgeizigen, melancholischen Augen und diese Stirn, die das üppige, blonde Haar umspielte. Das Herz im Busen zitterte ihr, als wäre dies für sie das teuerste Haupt auf Erden. Er hatte es gesehen, und da er ihre Verwirrung nicht vergrößern wollte, näherte er sich ihr nur, wenn auch ein anderer neben ihr saß. Wäre sie eine Königin gewesen, er hätte sie nicht mit größerer Zartheit umgeben können, als er es tat. Wenn er zu ihr sprach, neigte er den Kopf und zog einen Fuß zurück, als ob er andeuten wollte, daß er jeden Augenblick niederzuknieen bereit sei, und er sprach mit Würde, nie scherzend, obgleich er mit Bärbchen gern scherzte. In seinem Umgang mit ihr lag bei der größten Verehrung eher ein Schein süßer Traurigkeit. Dank dieser Würde wagte auch kein anderer irgend ein zu deutliches Wort, irgend einen zu kühnen Scherz, als hätte sich allen die Überzeugung mitgeteilt, daß sie ein Mädchen sei, das an Wert und Geburt alle anderen überstrahlte, der man nie artig genug entgegenkommen könne.

Christine war ihm dafür von Herzen dankbar. Im ganzen verfloß dieser Abend für sie angstvoll, aber angenehm. Als die Mitternacht herankam, hörte die Kapelle auf zu spielen, die Damen verließen die Gesellschaft, und unter den Rittern begann der Becher zu kreisen, und die Unterhaltung, in welcher Sagloba die Würde des Hetmans übernommen hatte, lauter zu werden. Bärbchen begab sich auf ihr Zimmer, lustig wie ein Vogel, denn sie hatte sich vortrefflich unterhalten. Ehe sie zum Abendgebet niederkniete, begann sie übermütig die verschiedenen Gäste nachzuahmen, und sagte endlich in die Hände klatschend zu Christine:

»Vortrefflich, daß dein Ketling gekommen ist, nun werden wir wenigstens an Soldaten keinen Mangel haben. O, laß nur erst die Fastenzeit zu Ende gehen, dann tanze ich auf den Tod, dann wollen wir lustig sein, und auf deiner Verlobung mit Ketling und auf deiner Hochzeit – ei, wenn ich das Haus nicht auf den Kopf stelle, so sollen mich die Tataren fortschleppen. Wie wäre es, wenn sie uns so fortschleppten? das wäre lustig, ha! Der liebe Ketling! Für dich hat er die Musikanten kommen lassen, aber ich genieße mit. Er wird für dich immer neue Wunder schaffen, bis er endlich so machen wird! …« Dabei fiel Bärbchen plötzlich vor Christine auf die Kniee, umfaßte ihre Hüften mit ihren Armen, und indem sie Ketlings Stimme nachahmte, begann sie:

»Mein Fräulein! Ich liebe Euch so, daß ich nicht atmen kann … Ich liebe Euch zu Fuß und zu Pferde, nüchtern und nach der Mahlzeit, ich liebe Euch schottisch und auf ewige Zeiten … Wollt Ihr die Meine werden?«

»Bärbchen, ich werde böse!« rief Christine.

Aber anstatt böse zu werden, faßte sie sie in ihre Arme, und während sie tat, als ob sie sie vom Boden aufheben wollte, küßte sie sie auf beide Augen.

7. Kapitel

Sagloba wußte sehr genau, daß der kleine Ritter mehr zu Christine als zu Bärbchen hinneige, aber gerade darum hatte er sich vorgenommen, Christine beiseite zu schieben. Er kannte Wolodyjowski durch und durch und war überzeugt, daß er, wenn ihm keine Wahl bliebe, sich unzweifelhaft Bärbchen zuwenden würde, in die der alte Graukopf selbst so blind vernarrt war, daß in seinem Kopfe der Gedanke gar nicht Raum finden konnte, wie irgend jemand ihr eine andere vorziehen könne. Er redete sich auch ein, er könne Wolodyjowski keinen größeren Dienst erweisen, als wenn er ihn mit dem kleinen Heiducken verlobe, und er schwamm in Wonne bei dem Gedanken an diese Ehe. Wolodyjowski zürnte er, Christinen auch; es war ihm zwar lieber, daß Michael Christine heirate, als daß er ledig blieb, aber er nahm sich selbst vor, alles zu tun, um ihn mit dem kleinen Heiducken zu verheiraten.

Und gerade weil ihm bekannt war, wie der kleine Ritter sich zu Fräulein Drohojowska hingezogen fühlte, wollte er nun so schnell wie möglich eine Frau Ketling aus ihr machen. Aber die Antwort, die er etliche Tage später von Skrzetuski erhielt, machte ihn in seiner Annahme ein wenig schwankend. Skrzetuski riet ihm, seine Hand davon zu lassen, denn er fürchtete, daß im anderen Falle Zwistigkeiten zwischen den Freunden entstehen könnten. Das wünschte auch Sagloba nicht, und so wurden in ihm gewisse Vorwürfe laut, die er etwa so zu beruhigen bemüht war:

»Wenn Michael und Christine sich einander versprochen hätten, und wenn ich dann Ketling wie einen Keil zwischen sie hineintriebe, so würde ich nichts sagen! Der weise Salomo sagt: stecke deine Nase nicht in fremde Dinge – und er hat recht; aber wünschen darf ein jeder. Übrigens, was habe ich eigentlich getan? – das soll mir jemand sagen, was?«

Dabei stemmte Sagloba die Hände in die Seite, schob die Lippe vor, blickte herausfordernd auf die Wände seines Zimmers, als erwarte er von diesen Vorwürfe; da aber die Wände nichts antworteten, sprach er selbst weiter:

»Ich habe Ketling gesagt, daß ich den kleinen Heiducken für Michael bestimme; soll ich dazu kein Recht haben? Ist es etwa nicht wahr? Wenn ich Michael etwas anderes wünsche, so soll mich das Podagra kneipen!«

Die Wände drückten ihm durch vollkommenes Schweigen ihre Zustimmung aus. Er aber fuhr fort:

»Ich habe dem kleinen Heiducken gesagt, Ketling sei von Fräulein Drohojowska verwundet; – ist es etwa nicht wahr? Hat er es nicht zugestanden, hat er nicht geseufzt, als er vor dem Ofen saß, so daß die Asche ins Zimmer flog? Und was ich gesehen habe, habe ich den anderen erzählt. Skrzetuski ist ein Realist, aber auch mein Witz ist nicht für die Katze, ich weiß allein, was man sagen darf, und was man lieber verschweigt … Hm, er schreibt, ich solle die Hände davonlassen! Das kann geschehen, ich will meine Hände davonlassen, aber wenn wir mal zu dreien, Christine, Ketling und ich, im Zimmer bleiben, so will ich hinausgehen und sie allein lassen, mögen sie ohne mich fertig werden – bah, ich denke, sie werden sich zu helfen wissen, sie brauchen gar keine Hilfe, denn ohnehin drängt's einen zum anderen, daß ihnen die Augen flimmern. Und zum Überfluß kommt der Frühling, wo nicht bloß die Sonne, sondern auch die menschlichen Triebe heftiger zu brennen beginnen … Nun gut, ich will es lassen, aber wir wollen sehen, welchen Erfolg es haben wird …«

Der Erfolg sollte sich in kurzem zeigen. In der Karwoche zog die ganze Gesellschaft aus Ketlings Hause nach Warschau und nahm im Gasthaus an der Langen Straße Wohnung, um in der Nähe der Kirchen zu sein und nach Herzenslust an der Andacht teilzunehmen, gleichzeitig aber auch die Augen an dem Festtrubel der Stadt zu weiden.

Ketling spielte auch hier den Wirt, denn obgleich Ausländer von Geburt, kannte er doch die Hauptstadt am besten und hatte überall Bekannte, durch die er alles leichter erreichen konnte. Er übertraf sich in Höflichkeiten und erriet fast die Gedanken der Gefährtinnen, besonders Christinens. Sie gewannen ihn auch alle aufrichtig lieb. Frau Makowiezka, die von Sagloba schon vorbereitet war, blickte auf ihn und auf Christine mit immer freundlicherem Auge, und wenn sie bisher kein Wort mit dem Mädchen gesprochen hatte, so war es nur geschehen, weil auch er immer noch schwieg. Aber es erschien dem braven »Tantchen« als eine so natürliche und geziemende Sache, daß der junge Ritter um das Fräulein werbe, besonders weil es sich um einen wahrhaft glänzenden Kavalier handelte, dem auf Schritt und Tritt Zeichen der Hochachtung und Freundschaft entgegengebracht wurden, nicht bloß von Niederen, sondern auch von Höheren. So verstand er durch seine wahrhaft wunderbare Schönheit und feine Sitte, durch Würde, Freigebigkeit, durch Milde im Frieden, durch Tapferkeit im Kriege alle Herzen zu gewinnen.

»Wie Gott geben und mein Mann beschließen wird, soll es werden,« dachte die Frau Truchseß bei sich, »aber ich will ihnen nicht hinderlich sein.«

Dank dieser Anschauung der Frau Truchseß war Ketling jetzt häufiger und länger mit Christine zusammen als im eigenen Hause.

Sagloba reichte gewöhnlich der Frau Truchseß selber den Arm, Ketling Christinen, und Bärbchen als die jüngste ging allein, bald ein Stück vorauseilend, bald vor den Schaukästen stehen bleibend, um die Waren und mannigfachen ausländischen Wunderdinge anzuschauen, die sie bisher nirgends gesehen hatte. Christine gewöhnte sich allmählich an Ketling, und wenn sie sich jetzt auf seinen Arm stützte, wenn sie seiner Rede zuhörte oder in sein edles Gesicht schaute, klopfte das Herz nicht mehr mit der alten Unruhe in ihrer Brust, verließ sie ihre Klarheit nicht mehr, ergriff sie nicht mehr Verlegenheit, sondern eine ungeheure und berauschende Wonne. Sie waren ununterbrochen beisammen, sie knieten nebeneinander in den Kirchen, und ihre Stimmen vereinigten sich bei der Andacht und den frommen Gesängen.

Ketling war sich über den Zustand seines Herzens vollständig klar. Christine sagte sich, sei es aus Mangel an Mut, sei es, daß sie sich selbst täuschen wollte: ich liebe ihn nicht – und doch liebten sie sich innig. Da zugleich zwischen ihnen eine große Freundschaft bestand, da sie, über die Liebe hinaus, einander noch sehr gern hatten, und über die Liebe bisher nicht ein Wort gesprochen, so ging ihnen die Zeit hin wie ein Traum, und es leuchtete ihnen beständiger Sonnenschein.

Bald sollten ihn für Christine die Schatten der Gewissensbisse verdunkeln, aber jetzt war die Zeit der Ruhe. Gerade durch die Annäherung an Ketling, durch den gewohnten Verkehr mit ihm, durch diese Freundschaft, die zugleich mit der Liebe zwischen ihnen aufgekeimt war, hatte Christinens Unruhe ein Ende, waren die Eindrücke nicht so gewaltsame, war der Zwiespalt ihres Blutes und ihrer Einbildung verstummt. Sie waren einander nahe, sie fühlten sich nebeneinander wohl, und Christine gab sich mit ganzer Seele der freundlichen Gegenwart hin und wollte nicht daran denken, daß sie je enden könne, und daß es zur Zerstreuung der Täuschung nur des einen Wörtchens von Ketling bedürfe: Ich liebe dich.

 

Und dieses Wort wurde bald gesprochen. Einmal, als Frau Truchseß mit Bärbchen bei einer kranken Verwandten waren, beredete Ketling Christine und Herrn Sagloba, das königliche Schloß zu besuchen, welches Christine bisher nicht gesehen hatte, und von dessen Wunderdingen man im ganzen Lande erzählte. Sie gingen also zu dreien hin; Ketlings Freigebigkeit öffnete ihnen alle Türen, und Christine wurde von so tiefen Verbeugungen der Diener begrüßt, als wäre sie eine Königin und betrete ihre eigene Residenz. Ketling, der das Schloß genau kannte, führte sie durch die prächtigen Säle und Zimmer. Sie betrachteten das Theater, die königlichen Bäder, sie blieben vor den Bildern, welche die Schlachten und Siege Siegmunds und Wladislaus' über die Barbaren des Ostens darstellten, sie gingen hinaus auf die Terrassen, von denen der Blick in unermeßliche Fernen schweifte. Christine war außer sich vor Bewunderung; er aber erklärte ihr alles. Von Zeit zu Zeit schwieg er und schaute in ihre dunkelblauen Augen, als wollte er mit dem Blicke sagen: Was bedeuten alle diese Wunder gegen dich, du Wunder, was bedeuten alle diese Schätze gegen dich, du Schatz!

Das Mädchen aber verstand diese stumme Sprache. Ehe er sie in eines der königlichen Zimmer führte, blieb er vor einer in der Wand verborgenen Tür stehen und sagte:

»Hier kann man bis in die Kathedrale gelangen; ein langer Korridor, der in einen schmalen Gang ausläuft und bis zu dem großen Altar hinführt. Hier hören der König und die Königin gewöhnlich die Messe.«

»Ich kenne diesen Weg gut,« antwortete Sagloba, »denn da ich mit Johann Kasimir in vertrauter Freundschaft lebte, und Marie Luise mich außerordentlich gern hatte, haben sie mich beide oft zur Messe eingeladen, um sich an meiner Gesellschaft zu erfreuen und an meiner Frömmigkeit zu erbauen.«

»Wünschet Ihr einzutreten?« fragte Ketling, indem er dem Türhüter ein Zeichen gab zu öffnen.

»Gehen wir hinein!« antwortete Christine.

»Geht allein,« sagte Sagloba, »Ihr seid jung und habt kräftige Beine; ich hab' mich schon müde gelaufen. Geht, geht, ich bleibe hier bei dem Diener. Wenn ihr auch mehrere Paternoster betet – ich will euch nicht zürnen wegen der Verzögerung, denn ich kann während der Zeit ausruhen.«

Sie gingen also hinein. Ketling nahm ihren Arm und führte sie durch den langen Korridor. Er drückte ihre Hand nicht ans Herz; er ging ruhig und in andächtiger Sammlung. Die Seitenfensterchen beleuchteten von Zeit zu Zeit ihre Gestalt, dann wieder tauchte sie im Dunkel unter. Ihr schlug das Herz ein wenig, denn sie waren zum erstenmal allein geblieben, aber seine Ruhe und Milde beruhigten auch sie. Endlich kamen sie in den schmalen Gang zur rechten Seite der Kirche, unmittelbar hinter dem Gitter in der Nähe des Hochaltars.

Zuerst knieten sie nieder und begannen zu beten. Die Kirche war still und leer. Zwei Lichter brannten vor dem Altar, aber der ganze Hintergrund des Kirchenschiffes lag in feurigem Halbdunkel. Nur durch die Regenbogenscheiben fiel farbiger Glanz auf diese beiden wunderbaren Gesichter, die in Andacht versunken waren, und in ihrer Ruhe Ähnlichkeit mit den Gesichtern der Cherubim hatten.

Ketling erhob sich zuerst und begann zu flüstern, denn er wagte nicht, in der Kirche seine Stimme zu erheben.

»Seht Ihr, diese Samtgewänder, hier sind die Spuren, wo die beiden Häupter des königlichen Paares sich gestützt haben. Die Königin saß auf dieser Seite, dem Altar näher. Ruht Ihr auf ihrem Platze …«

»Ist es wahr, daß sie ihr ganzes Leben unglücklich gewesen,« flüsterte Christine, indem sie niedersaß. »Ich habe ihre Geschichte gehört, als ich noch ein Kind war; man erzählte sie in allen Adelsschlössern. Es kann wohl sein, daß sie unglücklich war, denn sie konnte nicht dem die Hand reichen, den ihr Herz liebte.« Christine stützte ihren Kopf auf dieselbe Stelle, an welcher die Vertiefung war, welche der Kopf Marie Luisens gebildet hatte, und schloß die Augen; ein schmerzliches Gefühl bedrückte ihre Brust, ein kalter Zug wehte plötzlich aus dem leeren Kirchenschiff her und machte den Frieden, der noch vor einer Weile ihr ganzes Wesen erfüllt hatte, zu Eis erstarren.

Ketling schaute sie schweigend an, es entstand eine wahrhaft kirchliche Stille. Dann beugte er sich langsam zu Christinens Füßen und begann mit tiefer, bewegter, aber ruhiger Stimme:

»Es ist keine Sünde, wenn ich an heiligem Orte vor dir niederkniee, denn wohin sollte reine Liebe segenheischend flüchten, wenn nicht in die Kirche? Ich liebe dich mehr als mein Leben, ich liebe dich mehr als alles Irdische, mit meiner ganzen Seele, mit meinem ganzen Herzen; nur hier im Angesicht dieses Altars bekenne ich dir meine Liebe!«

Christinens Antlitz wurde bleich wie Linnen; den Kopf auf den Samt der Lehne gestützt, blieb das unglückselige Mädchen unbeweglich. Er aber fuhr fort:

»Ich umfasse deine Kniee und flehe dich an um dein Urteil. Darf ich davongehen voll himmlischer Freude oder mit einem unerträglichen Schmerz, den ich nie und nimmer zu überleben vermöchte?«

Eine Weile harrte er der Antwort, als sie aber nicht kam, neigte er sein Haupt so tief, daß er fast Christinens Füße berührte, und eine sichtlich wachsende Rührung ergriff ihn ganz. Seine Stimme zitterte, als fehlte seiner Brust der Atem.

»In deine Hand empfehle ich mein Glück, mein Leben; deiner Zuneigung harre ich entgegen, denn mir ist furchtbar schwer …«

»Laß uns um Gottes Erbarmen beten!« rief plötzlich Christine, indem sie in die Kniee sank.

Ketling hatte sie nicht begriffen, aber er wagte nicht, Widerstand zu leisten und kniete voll Erwartung und Unruhe neben ihr nieder. Und sie begannen wieder zu beten.

In dem leeren Kirchenraum hörte man manchmal ihre Stimmen sich erheben, und das Echo gab ihnen seltsamen, traurigen Widerhall.

»Gott, sei gnädig!« sagte Christine.

»Gott, sei gnädig!« wiederholte Ketling.

»Erbarme dich unser!« – »Erbarme dich unser!«

Und sie fuhren leise in ihrem Gebete fort; aber Ketling bemerkte, daß ihre ganze Gestalt vom Weinen erschüttert wurde. Sie konnte sich lange Zeit nicht beruhigen, und dann, als sie ruhig geworden, kniete sie noch lange unbeweglich. Endlich erhob sie sich und sagte:

»Gehen wir.«

Und sie traten wieder hinaus auf jenen langen Korridor. Ketling hoffte auf dem Wege eine Antwort zu erhalten und blickte ihr in die Augen, aber vergeblich. Sie ging eilig, als sehnte sie sich danach, so schnell wie möglich in das Zimmer zu gelangen, in welchem Sagloba auf sie wartete. Als sie nicht mehr weit von der Tür entfernt waren, ergriff der Ritter den Zipfel ihres Kleides.

»Fräulein Christine!« sagte er, »bei allem, was heilig ist!«

Da wandte sich Christine um, ergriff so schnell seine Hand, daß er nicht Zeit hatte, ihr Widerstand zu leisten, und drückte sie in einem Augenblick an den Mund.

»Ich liebe dich aus ganzer Seele, aber ich werde nicht die deine werden,« sagte sie.

Und ehe Ketling in seinem Erstaunen ein Wort zu sagen vermochte, fügte sie hinzu:

»Vergiß alles, was geschehen!«

Gleich darauf waren beide im Zimmer. Der Türhüter schlief in einem Stuhl, Sagloba in dem anderen; aber das Eintreten der jungen Leute weckte sie. Sagloba öffnete seine Augen und begann bei halbem Bewußtsein mit ihnen zu zwinkern; allmählich kehrte ihm das Gedächtnis an Zeit und Menschen zurück.

»Ha, ihr seid es!« sagte er und zog seinen Hut zurecht, »mir träumte, es sei ein neuer Kandidat für den Königsstuhl aufgetreten, und das war ein Piast. Waret ihr im Kirchengang?«

»So ist's.«

»Und ist euch die Seele Marie Luisens nicht erschienen?«

»O ja,« antwortete Christine mit dumpfer Stimme.