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Der kleine Ritter

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»Im Schießen aus dem Terzerol würde auch ich mich versuchen,« sagte Frau Makowiezka lächelnd.

»Bei Gott, es wohnen wohl lauter Amazonen in Euren Gegenden?« sagte Sagloba. Und er wandte sich an Fräulein Drohojowska: »Und welche Waffe führt Ihr am besten, mein Fräulein?«

»Gar keine,« antwortete Fräulein Christine.

»Aha, gar keine!« rief Bärbchen und begann zu singen, indem sie Christinen spöttelnd nachahmte:

 
»O glaubet, Ihr Ritter,
es geht in Splitter
Wohl Panzer und Stahl,
Durch Eisen und Schilde
Trifft Amor der Wilde
Ins Herz – ohne Wahl.«
 

»Das ist die Waffe, die Ihr führt. Fürchtet euch nicht,« fügte sie hinzu, zu Wolodyjowski und Sagloba gewendet, »sie ist auch kein übler Kämpfer.«

»Legt aus, Fräulein,« sagte Michael, um eine kleine Verwirrung zu verbergen.

»Bei Gott, wenn sich jetzt zeigte, was ich denke,« rief Bärbchen und wurde rot vor Freude.

Und sie nahm sofort ihre Stellung ein, einen leichten polnischen Säbel in der Rechten, die linke Hand auf den Rücken gelegt, die Brust heraus, den Kopf hoch, die Nasenflügel lebhaft bewegend und war so hübsch und rosig, daß Sagloba der Frau Truchseß zuflüsterte:

»Keine Flasche, und sei sie mit hundertjährigem Ungar gefüllt, würde mich so mit ihrem Anblick entzücken.«

»Gebt acht, Fräulein,« sagte Wolodyjowski, »ich werde mich nur verteidigen, nicht schlagen. Ihr, Fräulein, greift an, wie es Euch gefällt.«

»Gut, wenn Ihr wollt, daß ich aufhöre, so sagt nur ein Wörtchen.«

»Es könnte auch so aufhören, wenn ich nur wollte.«

»Wieso, was?«

»Einem solchen Kämpfer würde ich leicht das Säbelchen aus der Hand schlagen.«

»Wir werden sehen.«

»Wir werden es nicht sehen, denn ich werde es aus Höflichkeit nicht tun.«

»Es bedarf keiner Höflichkeit, tut es nur, wenn Ihr es könnt. Ich weiß, daß ich weniger kann als Ihr, aber das laß ich doch nicht geschehen.«

»Ihr gestattet also?«

»Ich gestatte.«

»Laßt das doch, geliebter kleiner Heiduck,« sagte Sagloba, »er hat es mit dem größten Meister aufgenommen.«

»Wir werden sehen,« wiederholte Bärbchen.

»Fangen wir an,« sagte Wolodyjowski, ein wenig unwillig über das Selbstlob des Mädchens.

Sie fingen an.

Bärbchen schlug mächtig zu und hüpfte dabei wie ein Heupferdchen. Wolodyjowski stand fest auf seinem Platze und machte nach seiner Gewohnheit kleine, kurze Bewegungen mit dem Degen, nicht besonders auf den Angriff achtend.

»Ihr wehrt Euch gegen mich wie gegen eine lästige Fliege!« rief Bärbchen gereizt.

»Ich nehme es nicht mit Euch auf, ich unterrichte Euch nur,« erwiderte der kleine Ritter. »Sehr gut so, für ein weibliches Wesen gar nicht übel; ruhiger mit der Hand!«

»Für ein weibliches Wesen? Dies, mein Herr, für das weibliche Wesen! So! Und so!«

Aber Michael blieb, obwohl Bärbchen ihre vorzüglichsten Streiche geführt hatte, ruhig und unbewegt, er fing sogar absichtlich mit Sagloba zu plaudern an, um zu zeigen, wie wenig er sich um ihre Hiebe kümmere.

»Geht doch vom Fenster fort, denn dem Fräulein ist's zu finster, und wenn auch der Säbel größer ist als eine Nadel, so hat das Fräulein doch weniger Erfahrung mit dem Säbel als mit der Nadel.«

Bärbchens Nasenflügel bewegten sich noch aufgeregter hin und her, und ihr Stirnhaar fiel ganz über die blitzenden Äuglein.

»Ihr spottet meiner?« fragte sie schwer atmend.

»Nicht über Eure Person, Gott bewahre!«

»Ich kann Herrn Michael nicht leiden!«

»Da hast du deinen Lohn, Schulmeister,« antwortete der kleine Ritter.

Dann wandte er sich wieder zu Sagloba.

»Wahrhaftig, es beginnt zu schneien!«

»Schnee – Schnee – Schnee!« wiederholte Bärbchen höhnisch.

»Genug, Bärbchen, du kannst kaum noch atmen!« warf Frau Truchseß ein.

»Nun, Fräulein, haltet den Degen fest, sonst schlage ich ihn aus der Hand.«

»Das werden wir sehen!«

»Jetzt!«

Und der kleine Säbel entflog wie ein Vogel Bärbchens Händen und fiel klirrend in der Entfernung am Ofen nieder.

»Das habe ich von selbst getan, unwillkürlich, das ist nicht Euer Werk!« rief das Mädchen unter Tränen, ergriff im Augenblick den Degen und begann von neuem:

»Versucht es jetzt!«

»Nun wohl,« sagte Michael.

Und wieder lag der kleine Säbel am Ofen.

Michael aber sagte: »Genug für heute!«

Die Frau Truchseß begann zu zittern und zu kreischen, lauter noch als gewöhnlich; Bärbchen aber stand in der Mitte des Zimmers, verwirrt, verblüfft, schwer atmend und biß sich in die Lippen, um die Tränen zu unterdrücken, die sich mit Macht in ihre Augen drängten; sie wußte, daß man noch mehr lachen würde, wenn sie in Weinen ausbrechen würde, und wollte es durchaus unterdrücken; da sie aber sah, daß sie es nicht vermochte, stürzte sie plötzlich aus dem Zimmer.

»Bei Gott,« rief die Frau Truchseß, »sie ist gewiß in den Stall entflohen, und sie ist so erhitzt; sie wird sich noch eine Erkältung zuziehen. Man muß ihr nach; Christinchen, bleibe hier!«

Mit diesen Worten ging sie hinaus, ergriff ein warmes Jäckchen im Flur und lief damit in den Stall. Sagloba folgte ihr, besorgt um seinen kleinen Heiducken. Auch Fräulein Drohojowska wollte hinauslaufen, aber der kleine Ritter ergriff sie bei der Hand.

»Ihr habt doch den Befehl gehört, Fräulein? Ich lasse diese Hand nicht los, ehe sie wiederkommen.«

Und in der Tat ließ er sie nicht los. Die Hand war wie Atlas weich; Herr Michael fühlte einen warmen Strom aus diesen warmen Fingern in seinen Körper hinüberfließen und empfand ein ungewöhnliches Wohlbehagen. Darum hielt er sie nur noch fester.

Ein leichtes Rot huschte über Christinens dunkles Gesicht.

»Ihr haltet mich wie eine Gefangene, die man den Ungläubigen abgejagt hat,« sagte sie.

»Wer eine solche Gefangene gemacht hätte, brauchte auch den Sultan nicht zu beneiden, und der Sultan gäbe gern sein halbes Reich für sie.«

»Aber Ihr würdet mich den Ungläubigen nicht verkaufen?«

»So wenig, wie ich meine Seele dem Teufel verkaufen würde.«

Hier bemerkte Michael, daß der Eifer des Augenblicks ihn zu weit führe, und verbesserte sich:

»So wenig, wie ich meine Schwester verkaufen würde.«

Und Fräulein Drohojowska sagte ernst:

»Das habt Ihr getroffen, Herr! Eine Schwester bin ich der Frau Truchseß in der Liebe, ich will auch die Eure sein.«

»Ich danke Euch von Herzen,« sagte Michael und küßte ihre Hand, »denn ich bedarf des Trostes gar sehr.«

»Ich weiß, ich weiß,« wiederholte das Mädchen, »auch ich bin eine Waise.«

Hier fiel eine Träne von ihrer Wange und setzte sich auf den kleinen Flaum über ihrem Munde.

Und Wolodyjowski sah das Tränlein, den leicht beschatteten Mund und sagte:

»Sie sind so gut, gerade wie ein Engel! Mir ist schon leichter.«

Christine lächelte süß.

»Gebe Gott!«

»Wahrhaftig!«

Dabei empfand der kleine Ritter, daß, wenn er ihre Hand noch einmal küssen würde, ihm desto leichter wäre, aber in diesem Augenblick trat Frau Makowiezka ins Zimmer. »Bärbchen hat die Jacke genommen,« sagte sie, »aber sie ist in solcher Verwirrung, daß sie um nichts in der Welt hereinkommen will; Sagloba jagt sie im ganzen Stall herum.«

Sagloba hatte nicht bloß unter beständigem Trösten und Zureden Bärbchen im ganzen Stall herumgejagt, sondern sie endlich auch in den Hof hinausgedrängt, in der Hoffnung, sie desto schneller zur Rückkehr ins warme Zimmer zu überreden. Sie entwand sich ihm aber und wiederholte:

»Ich gehe gerade nicht, wenn ich mich auch erkälten soll, ich gehe nicht, ich gehe gerade nicht!«

Endlich, da sie am Hause eine Leiter erblickte, sprang sie hinauf wie ein Eichkätzchen und machte erst am Rande des Daches Halt. Dort ließ sie sich nieder und rief zu Herrn Sagloba gewandt halb lachend: »Gut, ich will hineingehen, wenn Ihr mir nachklettern wollt.«

»Aber bin ich denn ein Kater, kleiner Heiduck, daß ich mit dir auf den Dächern herumklettern soll? So vergiltst du mir, daß ich dich liebe?«

»Ich liebe Euch auch, aber nur vom Dache.«

»Totreden kann man sich mit dem Mädchen! So klettere doch gleich herunter!«

»Ich klettere nicht herunter!«

»Lächerlich, bei Gott! Etwas sich so zu Herzen zu nehmen! Nicht dir, Wieselchen, allein, sondern dem Kmiziz, der als ein Meister unter den Meistern gilt, hat Wolodyjowski dasselbe getan, und nicht zum Scherz, sondern im Zweikampf. Ihm haben die berühmtesten Kämpfer in Italien, Deutschland und Schweden nicht länger als wenige Minuten standhalten können, und nun will sich so ein Kiekindiewelt die Besiegung so zu Herzen nehmen. Pfui, schäme dich, komm' herunter, komm' herunter, du lernst doch erst.«

»Aber Herrn Michael kann ich nicht leiden.«

»Ach, rede nicht; weil er der Exquisitissimus ist in dem, was du selbst lernen möchtest, müßte er dir desto teurer sein.«

Sagloba hatte sich nicht geirrt. Bärbchens Begeisterung für den kleinen Ritter war trotz ihrer Beschämung im Wachsen; aber sie antwortete:

»Mag ihn Christel gern haben!«

»Komm' herunter, komm' herunter!«

»Ich komme nicht herunter!«

»Gut, so bleib' sitzen; ich will dir nur sagen, daß es gar nicht hübsch ist für ein junges Mädchen, auf der Leiter zu sitzen, denn das kann der Welt einen lustigen Anblick geben!«

»Das ist nicht wahr!« sagte Bärbchen und ordnete den Überwurf mit den Händen.

»Ich Alter werde mir die Augen nicht aussehen, aber ich will bald die anderen alle herrufen, die werden sich schön wundern.«

»Ich komme schon herunter!« rief Bärbchen.

In diesem Augenblick wandte sich Sagloba seitwärts in das Haus.

»Bei Gott, es kommt jemand!« sagte er.

In der Tat kam um die Ecke herum der junge Herr Nowowiejski, der eben zu Pferde angekommen war. Er hatte das Pferd an die Seitenpforte gebunden, ging um das Haus herum, in der Absicht, durch die Haupttür einzutreten.

 

Als Bärbchen ihn erblickte, war sie mit zwei Sätzen unten, aber es war schon zu spät gewesen. Herr Nowowiejski hatte sie von der Leiter springen sehen, er blieb verwirrt, erstaunt stehen und wurde rot wie ein junges Mädchen. Bärbchen stand ebenso vor ihm. Plötzlich rief sie: »Ein zweiter Reinfall.«

Sagloba, höchlichst erheitert, blinzelte eine Weile mit seinem gesunden Auge; endlich sagte er:

»Herr Nowowiejski, unseres Michael Freund und Unterkommandant, und dies ist Fräulein Kletterowska … ei … ich wollte sagen Jesiorkowska!«

Nowowiejski war schnell zu sich gekommen, und da er trotz seiner Jugend ein Soldat von scharfem Verstande war, neigte er sich, richtete seine Augen auf die wundervolle Erscheinung und sagte:

»Bei Gott, in Ketlings Garten blühen Rosen im Schnee.«

Bärbchen knickste und murmelte für sich hin: »Für eine andere Nase als für die deine.« Dann sagte sie mit Anmut: »Ich bitte näherzutreten!«

Sie selbst eilte voraus, stürzte schnell ins Zimmer, in welchem Michael und die ganze andere Gesellschaft saß, und rief, mit einer Anspielung auf den roten Oberrock Nowowiejskis:

»Ein Gimpel ist ins Haus geflogen!«

Dann setzte sie sich auf ein Bänkchen, legte die Hände in den Schoß und schloß das Mündchen, wie es einem bescheidenen, wohlerzogenen Mädchen ziemt.

Herr Michael stellte seinen jungen Freund seiner Schwester und Fräulein Drohojowska vor; dieser aber wurde, da er das zweite Fräulein bemerkte, das zwar ganz anders geartet, aber ebenfalls sehr schön war, zum zweiten Male verwirrt; er verbarg das aber mit einer Verbeugung und griff, um sich Mut zu machen, mit der Hand nach dem Schnurrbart, der ihm noch nicht recht wachsen wollte. Er drehte mit den Fingern über der Lippe, wandte sich an Wolodyjowski, Herr Hetman begehre sehr, den kleinen Ritter zu sehen. Soviel Herr Nowowiejski erraten könne, handle es sich um eine militärische Funktion; der Hetman habe nämlich soeben einige Briefe empfangen, und zwar von Herrn Wiltschkowski, von Herrn Silnizki, von dem Hauptmann Piwo und von anderen Kommandanten, die in der Ukraine und in Podolien standen, mit Nachrichten über Ereignisse in der Krim, die nichts Gutes verkündeten.

»Der Khan selbst und der Sultan Galga, die mit uns bei Podhaize Verträge geschlossen,« fuhr Nowowiejski fort, »wollen die Verträge halten; aber der Budschiak regt sich wie ein Bienenstock; die Horde von Bialogrod wogt hin und her, sie wollen weder dem Khan noch dem Galga gehorsamen…«

»Das hat mir schon Herr Sobieski anvertraut und mich um Rat gefragt,« sagte Sagloba. »Was sagt man jetzt dort vom Frühling?«

»Man sagt, daß mit dem ersten Grase dieses Gezücht sich sicherlich regen wird, das man wieder wird zertreten müssen,« antwortete Nowowiejski.

Bei diesen Worten machte er ein furchtbar martialisches Gesicht und begann sein Schnauzbärtchen zu drehen, so daß ihm die Oberlippe ganz rot wurde.

Bärbchen, die sehr scharf beobachtete, hatte das gleich bemerkt; sie zog sich also ein wenig zurück, damit sie Herr Nowowiejski nicht sehe, und begann ebenfalls den Bart zu drehen, indem sie dem jugendlichen Ritter nachahmte.

Die Frau Truchseß rief sie sofort mit den Augen zur Ordnung. Aber gleichzeitig begann sie auch sich hin und her zu schütteln und unterdrückte mühsam ein Lachen; auch Herr Michael biß sich in die Lippen, und Fräulein Drohojowska senkte die Augen, so daß ihre langen Wimpern einen förmlichen Schatten auf ihre Wangen warfen.

»Ihr seid ein junger Mann,« sagte Sagloba, »aber ein erfahrener Soldat.«

»Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt und diene ohne Ruhmredigkeit sieben Jahre dem Vaterlande, denn ich bin in meinem fünfzehnten der Schulbank entlaufen aufs Schlachtfeld,« antwortete der Jüngling.

»Die Steppe kennt er, und durch das hohe Gras versteht er zu schleichen, und auf die Feinde stürzt er wie der Falke auf das Schneehuhn,« fügte Wolodyjowski hinzu – »ein Scharmützler ersten Ranges! Ihm entgeht der Tatar in der Steppe nicht.«

Herr Nowowiejski erglühte vor Freude, daß ihm Lob aus so berühmtem Munde in Gegenwart der Damen gezollt wurde.

Er war überdies nicht bloß ein Steppenhabicht, sondern auch ein schöner Bursche, dunkelwangig, sturmgebräunt. Im Gesicht hatte er eine Narbe vom Ohr bis zur Nase, die von dem Hiebe von der einen Seite dünner war als von der anderen. Sein Blick war scharf, gewohnt, in die Ferne zu sehen, über den Augen hatte er tiefschwarze Brauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren und wie der Bogen eines Tataren aussahen. Auf dem glattrasierten Vorderkopf starrte ein schwarzer, unförmlicher Schopf. Bärbchen gefiel er in Rede und Gestalt, trotzdem hörte sie nicht auf, ihm nachzuahmen.

»Ich bitte,« sagte Sagloba, »wenn man alt ist wie ich, sieht man gern, daß ein junges Geschlecht aufwächst, das unser würdig ist.«

»Noch ist es nicht würdig,« versetzte Nowowiejski.

»Ich lobe auch die Bescheidenheit; es wird nicht lange dauern, so wird man Euch kleinere Kommandos anvertrauen.«

»Wie,« rief Michael, »er war schon oft Kommandant und hat auf eigene Faust gesiegt.«

Herr Nowowiejski begann seinen Bart zu drehen, daß er sich fast die Lippe abriß.

Bärbchen aber, die kein Auge von ihm ließ, erhob ebenfalls beide Hände zum Gesicht und ahmte ihm in allem nach.

Aber der kluge Soldat hatte bald bemerkt, daß die Blicke der ganzen Gesellschaft sich nach der Seite wandten, dorthin, wo ein wenig hinter ihm das Mädchen saß, das er auf der Leiter gesehen hatte, und er erriet unschwer, daß es dort irgend etwas gegen ihn im Schilde führen müsse.

Scheinbar ganz achtlos plauderte er also weiter und suchte wie bisher nach seinem Barte; endlich aber, nachdem er den richtigen Augenblick gefunden, wandte er sich schnell um, so daß Bärbchen nicht Zeit fand, die Augen zu senken, noch die Hände vom Gesicht zu nehmen.

Sie errötete über und über, und ohne zu wissen, was sie tun sollte, erhob sie sich von ihrem Platze. Alle Anwesenden waren ein wenig verwirrt, und es trat eine Pause ein.

Plötzlich schlug Bärbchen mit den Händen auf das Kleid. Das war der dritte Reinfall!? »Zum drittenmal hineingefallen!« rief sie mit ihrer silbernen Stimme.

»Mein verehrtes Fräulein,« sagte lebhaft Nowowiejski, »ich habe längst bemerkt, daß hinter meinem Rücken etwas vorgeht. Ich gestehe gern, daß ich mich nach einem Bärtchen sehne, aber wenn ich es nicht erleben sollte, so würde es darum geschehen, weil ich vorher den Tod fürs Vaterland finde, und in diesem Falle hoffe ich, werde ich eher Tränen als Lachen bei Euch verdient haben.«

Bärbchen stand, die Augen zu Boden gerichtet, da, durch die aufrichtigen Worte des Jünglings tief beschämt.

»Ihr müßt ihr verzeihen,« sagte Sagloba, »sie ist ausgelassen, weil sie jung ist – aber ein goldenes Herz!«

Und, wie um Saglobas Worte zu bestätigen, sagte sie gleich leise:

»Ich bitte um Verzeihung … sehr …«

Herr Nowowiejski aber ergriff in diesem Augenblicke ihre Hand und begann sie zu küssen.

»Du lieber Gott, nehmt es Euch doch nicht zu Herzen, ich bin ja kein Barbarus. Mir ziemt es, Euch abzubitten, weil ich gewagt habe, Euch Euer Vergnügen zu stören. Wir Soldaten haben ja selbst die Ausgelassenheit gern! Mea culpa! Ich küsse noch einmal diese Händchen, und wenn ich sie so lange küssen darf, bis Ihr mir verziehen habt, so verzeiht mir – bei den Wundern Gottes – nicht vor dem Abend.«

»Welch ein höflicher junger Mann; siehst du, Bärbchen?« sagte Frau Makowiezka.

»Ich sehe,« antwortete Bärbchen.

»Nun ist's jedenfalls gut!« rief Herr Nowowiejski. Er richtete sich auf und griff aus Gewohnheit kühn an seinen Bart, aber bald überlegte er sich's und brach in lautes Lachen aus; Bärbchen folgte ihm, und die anderen folgten Bärbchen. Alle ergriff die Heiterkeit. Sagloba ließ gleich eine Flasche nach der anderen aus Ketlings Keller bringen, und sie taten sich gütlich. Herr Nowowiejski schlug mit den Sporen aneinander, richtete seinen Schopf mit den Fingern in die Höhe, immer feurigere Blicke auf Bärbchen werfend. Sie gefiel ihm ausnehmend. Er wurde auch ungewöhnlich beredt, und da er in der Nähe des Hetman lebte und die große Welt kannte, wußte er auch etwas zu erzählen.

Er erzählte auch von dem Wahlreichstag, von seinem Ende, auch davon, wie der Ofen mitten unter den neugierigen Arbeitern im Senatorenzimmer zum größten Gaudium aller eingestürzt sei. Nach dem Mittag endlich reiste er ab, die Augen und das Herz erfüllt von Bärbchen.

4. Kapitel

Noch an demselben Tage meldete sich der kleine Ritter bei dem Hetman; dieser ließ ihn sogleich vor und sagte zu ihm:

»Ich muß Ruschtschyz in die Krim schicken, damit er sich umsieht, was dort bevorsteht, und damit er bei dem Khan wegen der Einhaltung der Verträge anklopft. Willst du wieder in den Dienst treten und sein Kommando übernehmen? Du, Wiltschkowsky, Silnizki und Piwo, ihr werdet ein Auge haben auf Dorosch und auf die Tataren, denen man niemals ganz trauen kann …«

Wolodyjowski wurde traurig. Hatte er doch die Blüte seines Lebens dem Dienste geopfert. Ganze Jahrzehnte hatte er den Frieden nicht gekannt, lebte er im Feuer, im Pulverdampf, in Mühsal, Schlaflosigkeit und Hunger, kein schützendes Dach über dem Haupte, keine Handvoll Stroh zum Niederlegen. Gott weiß, was für Blut durch seinen Degen nicht geflossen. Weder hatte er sich irgendwo fest niederlassen noch verheiraten können. Tausendfach weniger Verdiente genossen schon panem bene merentium (ihr gutes Gnadenbrot), hatten Ehrenstellen, Ämter, Starosteien erreicht – er hatte reicher den Dienst begonnen, als er jetzt war, und doch wollte man ihn, den alten Haudegen, von neuem erproben. Und seine Seele war zerrissen; ehe sich die lieben, freundlichen Hände gefunden hatten, welche seine Wunden zu verbinden begannen, hieß man ihn wieder kampfbereit sein und an die wüsten fernen Grenzen der Republik eilen, ohne Rücksicht auf sein müdes, gequältes Herz. So hätte er sich wenigstens ein paar Jahre mit seinem Ännchen freuen können.

Als er über all dies jetzt nachsann, wuchs in ihm eine unermeßliche Bitterkeit; da es ihm aber eines Ritters unwürdig erschien, seine Verdienste in Erinnerung zu bringen, antwortete er kurz:

»Ich werde reisen.«

Aber der Hetman selbst sagte:

»Du bist nicht im Dienst, du kannst Nein sagen. Du mußt selbst am besten wissen, ob es für dich nicht zu früh ist.«

Wolodyjowski erwiderte:

»Mir ist's auch zum Sterben nicht zu früh.«

Sobieski ging einige Male im Zimmer auf und nieder, dann blieb er bei dem kleinen Ritter stehen und legte ihm vertraulich die Hand auf die Schulter.

»Wenn dir die Tränen bis heute nicht getrocknet sind, so wird sie dir der Wind in der Steppe trocknen. Du hast dein ganzes Leben lang gearbeitet, wackerer Kämpe – arbeite weiter. Und wenn es dir mal in den Sinn kommen sollte, daß man deiner vergessen, daß man dich nicht belohnt, daß man dir die Ruhe nicht gegönnt hat, daß du keine Leckerbissen, sondern nur trockenes Brot erworben, keine Starosteien, sondern Wunden, keine Ruhe, sondern Qual – so beiße die Zähne zusammen und sage: Für dich, Vaterland! Einen anderen Trost kann ich dir nicht geben, denn ich habe keinen; aber obgleich ich kein Priester bin, so kann ich dir doch die Versicherung geben, daß du bei solchem Dienste weiter kommst auf der schäbigen Satteldecke, als andere im sechsspännigen Wagen, und daß es Tore geben wird, die sich dir weit öffnen und ihnen verschließen.«

»Für dich, Vaterland!« sagte Wolodyjowski zu sich, verwundert gleichzeitig darüber, daß der Hetman so scharfsinnig seine geheimsten Gedanken zu durchdringen vermochte.

Und Sobieski setzte sich ihm gegenüber und sprach weiter:

»Ich will mit dir nicht sprechen wie mit einem Untergebenen, sondern wie mit einem Freunde, ja, wie ein Vater mit seinem Sohne. Noch in jenen Zeiten, als wir im Feuer standen bei Podhaize, und noch früher in der Ukraine, wenn wir kaum der Übermacht des Feindes standhalten konnten, und hier im Herzen des Vaterlandes, von unserem Rücken gedeckt, schlechte Menschen sich tummelten, um ihre eigenen Angelegenheiten streitend – da fuhr es mir manchmal durch den Sinn, daß diese Republik untergehen müsse. Allzusehr herrscht hier die Willkür über die Ordnung, allzusehr muß das öffentliche Wohl persönlichen Angelegenheiten nachstehen … nirgends in der Welt ist dies in solchem Maße … Sieh, solche Betrachtungen nagen an meinem Herzen. Am Tag auf dem Schlachtfeld, in der Nacht im Zelt, denn ich dachte bei mir: Wir Kriegsleute, nun wir mögen untergehen … gut!.. das ist unsere Pflicht, unser Schicksal. Aber wenn wir wenigstens wüßten, daß mit dem Blute, welches aus unseren Wunden dahinströmt, auch die Erlösung hervorströmte! Nein, auch diesen Trost hatten wir nicht. O, schwere Tage habe ich bei Podhaize erlebt, obgleich ich auch ein heiteres Gesicht zeigte, damit Ihr nicht dächtet, daß ich am Sieg verzweifelte. An Menschen fehlt es, dachte ich bei mir, an Menschen, die dies Vaterland aufrichtig lieben! Und mir war, als stieße mir jemand ein Messer in die Brust. Bis eines Tags … es war der letzte im Lager bei Podhaize, als ich euch zweitausend Mann stark zur Attacke aussandte auf sechsundzwanzigtausend der Horde, und ihr in den offenbaren Tod, in den sicheren Untergang mit einem solchen Eifer und solchem Kampfesmut stürztet wie zur Hochzeit – da kam's mir plötzlich in den Sinn: und diese meine Krieger? Und Gott hat in diesem einen Augenblick mir einen Stein vom Herzen genommen, und vor den Augen stand es mir klar: Diese, sagte ich, sterben dort aus reiner Liebe für die Mutter, diese werden nicht zu Verschwörungen, nicht zu den Verrätern gehen; aus diesen will ich eine heilige Bruderschaft bilden, aus ihnen eine Schule bilden, in welcher junge Geschlechter lernen sollen. Ihr Beispiel, ihre Nähe wird wirken; durch sie wird dieses unglückselige Volk sich verjüngen, wird die Sonderinteressen vergessen, die Willkür verlernen, wie ein Löwe aufstehen, der die ungeheure Macht seiner Glieder fühlt, und die Welt in Erstaunen setzen! Eine solche Bruderschaft will ich aus meinen Kriegern machen!«

 

Hier erglühte Sobieski selbst, hob den Kopf empor, der dem Haupte eines römischen Cäsaren glich, breitete die Hände aus und rief:

»Herr, schreibe nicht an unsere Mauern: Mene tekel upharsin und gib mir, mein Vaterland zu verjüngen!«

Dann trat eine Pause ein.

Der kleine Ritter saß mit gesenktem Haupte da und empfand, daß ein Zittern seinen ganzen Körper ergreife.

Der Hetman ging eine Zeitlang mit schnellen Schritten im Zimmer auf und nieder, und dann blieb er vor dem kleinen Ritter stehen:

»Der Beispiele bedarf es,« sagte er, »der täglichen Beispiele, die in die Augen springen. Wolodyjowski, dich habe ich in erster Reihe zur Bruderschaft gezählt – willst du zu ihr gehören?«

Der kleine Ritter erhob sich und umfaßte die Knie des Hetmans.

»Seht,« sagte er mit zitternder Stimme, »seht, da ich hörte, daß ich wieder hinausziehen soll, dachte ich, daß mir ein Unrecht geschieht, und daß mir Muße gezieme für meinen Schmerz; aber jetzt sehe ich, daß ich gesündigt habe … und … ich demütige mich bei dem Gedanken und kann nicht sprechen, denn ich schäme mich …«

Der Hetman drückte ihn schweigend an sein Herz.

»Wir sind nur ein kleines Häuflein,« sagte er, »aber die anderen werden unserem Beispiele folgen.«

»Wann soll ich aufbrechen?« sagte der kleine Ritter. »Ich könnte selbst in die Krim, denn ich bin schon dort gewesen.«

»Nein,« sagte der Hetman, »in die Krim schicke ich den Ruschtschyz; er hat dort Anverwandte, sogar gleichen Namens, ich glaube, Vettern, die als Kinder von der Horde gefangen wurden, zu ihnen übertraten und Würden unter den Heiden erlangt haben. Diese werden ihm hilfreich in allem zur Seite sein; dich aber brauche ich im Felde um so mehr, als es keinen zweiten gibt wie dich im Kampfe gegen die Tataren.«

»Wann soll ich aufbrechen?« wiederholte der kleine Ritter.

»Spätestens in zwei Wochen. Ich muß noch mit dem Herrn Unterkanzler sprechen und mit dem Herrn Schatzmeister, die Briefe für Ruschtschyz fertigstellen und ihm Instruktionen geben; indessen sei bereit, denn ich werde schnell handeln.«

»Von morgen ab werde ich bereit sein.«

»Gott lohne dir deinen guten Willen! Aber solcher Eile bedarf es nicht. Du sollst auch nicht auf lange Zeit fort, denn während der Wahl, wenn es nur Frieden gibt, wirst du hier in Warschau nötig sein. Hast du etwas über die Kandidaten gehört? Was sagt man von dem Adel?«

»Ich bin erst vor kurzem aus dem Kloster in die Welt gekommen, und dort denkt man nicht an weltliche Dinge. Ich weiß nur, was mir Sagloba gesagt hat.«

»Richtig, von ihm kann ich Informationen erhalten; er ist sehr bekannt unter dem Adel. Und für wen denkst du deine Stimme zu geben?«

»Ich weiß es noch nicht, aber ich denke, wir müssen einen kriegsgeübten Herrn haben.«

»So ist es, ja, so ist es! Auch ich habe einen solchen im Sinn, der durch den bloßen Namen die Nachbarn in Schrecken setzt. Einen kriegstüchtigen Herrn brauchen wir, wie Stephan Bathory. Nun lebe wohl, wackerer Krieger!.. Einen Kriegstüchtigen brauchen wir! – wiederhole das allen. Lebe wohl, Gott lohne deine Bereitschaft!«

Michael verabschiedete sich und ging. Auf dem Wege sann er nach. Er war froh, daß er noch ein oder zwei Wochen vor sich hatte, denn die Freundschaft und der Trost, den ihm Christine Drohojowska brachte, war ihm lieb; er freute sich auch über den Gedanken, daß er zur Wahl wieder heim sein würde, und kehrte überhaupt schon ohne Kränkung nach Hause zurück. Auch die Steppe, nach der er sich unbewußt sehnte, hatte für ihn einen Reiz. Er war so an diese endlose Fläche gewöhnt, in welcher der Reiter sich mehr Vogel als Mensch fühlt.

»Nun denn,« sagte er zu sich, »ich will hinaus in die endlosen Felder, in das Land der Grenzwachten und Hügel, will das alte Leben wieder aufnehmen, mit den Soldaten Streifzüge machen, die Grenze verteidigen, im Steppengrase lagern, wenn der Frühling kommt; – nun denn, ich will hinaus, ich will hinaus!«

Er hatte dem Pferde die Sporen gegeben und ritt eilends dahin, denn er sehnte sich schon danach, daß ihm der Wind um die Ohren sause und pfeife. Es war ein schöner, trockener, frostiger Tag; der gefrorene Schnee bedeckte schon die Erde und knirschte unter den Füßen des Renners. Die kleinen Schneeschollen flogen unter seinem Hufschlag. Wolodyjowski ritt so schnell dahin, daß der Knappe, der auf einem schlechteren Pferde saß, weit hinter ihm zurückblieb.

Es war gegen Sonnenuntergang; das Abendrot leuchtete am Himmel und warf auf die schneeige Fläche seinen rosigen Abglanz. An dem glühenden Himmel stiegen die ersten Sterne schimmernd auf, und der Mond erhob sich in der Gestalt einer silbernen Sichel. Der Weg war leer. Hie und da wich der Ritter einem Lastwagen aus, ununterbrochen dahinjagend; erst als er in der Ferne Ketlings Haus sah, hielt er das Pferd zurück und ließ sich von dem Knappen einholen.

Plötzlich bemerkte er, vor sich hinblickend, daß eine schlanke Gestalt ihm entgegenkomme; es war Christine Drohojowska.

Michael erkannte sie, sprang sogleich vom Pferde und gab es dem Knappen; er selbst eilte zu ihr, ein wenig verwundert, mehr aber noch erfreut über ihren Anblick.

»Die Soldaten sagen, daß man gegen Abend verschiedene übernatürliche Gestalten treffen kann, die bald eine schlechte, bald eine gute Prophezeiung künden; aber für mich kann es wohl kaum eine bessere geben, als Euch zu begegnen.«

»Herr Nowowiejski ist angekommen,« antwortete Christine, »er unterhält sich mit Bärbchen und der Frau Truchseß; ich aber bin absichtlich Euch entgegengekommen, denn ich war beunruhigt wegen dessen, was der Hetman Euch zu sagen hatte.«

Die Offenheit in diesen Worten ergriff den kleinen Ritter außerordentlich.

»Seid Ihr wirklich so um mich besorgt?« fragte er und erhob seine Augen zu ihr.

»Ja,« erwiderte Christine mit tiefer Stimme.

Wolodyjowski ließ seine Augen nicht von ihr, denn noch nie war sie ihm so schön erschienen. Auf dem Kopfe trug sie ein Atlaskäppchen, und weißer Schwanenflaum umgab ihr kleines, blasses Gesicht, auf welches der Widerschein des Mondes fiel und die edlen Brauen, die gesenkten Augen, die langen Wimpern und jenes dunkle, kaum sichtbare Fläumchen über den Lippen mild erleuchtete. Es lag in ihrem Gesicht eine gewisse Ruhe und eine große Güte.

Michael empfand in diesem Augenblick, daß dies ein freundliches, liebes Gesicht war. Er sagte also:

»Ritte nicht der Knappe hinter uns, so würde ich Euch, Fräulein, hier im Schnee aus Dankbarkeit zu Füßen fallen!«

»Sprecht solche Dinge nicht, ich bin ihrer nicht würdig; aber zum Lohne sagt mir, daß Ihr bei uns bleiben wollt, und daß ich Euch länger werde trösten dürfen.«

»Ich werde nicht hierbleiben,« antwortete Wolodyjowski.

»Das kann nicht sein!« sagte Christine.

»So will's der Dienst! Nach Reußen gehe ich … in die wilden Felder.«