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Der kleine Ritter

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Aber diese Worte fruchteten nichts. Vergeblich wies der gelehrte Ketling auf die Römer als Muster hin, die als die größten Krieger der Welt die Diktatur ersonnen haben, – der Bischof von Landskron, der Ketling nicht sonderlich leiden mochte, weil er sich, Gott weiß warum, einbildete, er müsse als Schotte im Grunde seiner Seele ein Ketzer sein, erwiderte: »Die Polen brauchen nicht von Fremden Geschichte zu lernen; sie brauchen aber auch nicht, da sie ihren eigenen Verstand haben, den Römern nachzuahmen, denen sie übrigens an Mut und Beredsamkeit in nichts oder doch nur wenig nachstehen.« »Wie ein ganzes Bündel Holz,« sagte er, »eine größere Flamme gibt, als ein Scheit, so sind auch viele Köpfe klüger als einer«, und er lobte die »Bescheidenheit« des Generals von Podolien – zwar meinten andere, es sei dies nur Scheu vor der Verantwortung – und riet seinerseits zu Verhandlungen. Als dies Wort gefallen war, sprangen die Soldaten, wie von der Tarantel gestochen, von ihren Sitzen auf; Wolodyjowski, Ketling, Makowiezki, Kwasibrozki, Humiezki, Rschewuski begannen mit den Zähnen zu knirschen und mit den Schwertern zu rasseln. »Meiner Treu!« ließen sich Stimmen vernehmen, »nicht zum Verhandeln sind wir hergekommen!« – »Den Vermittler schützt sein geistliches Gewand.« Kwasibrozki schrie sogar: »In die Kirche, nicht in den Rat!« und ein ungeheurer Lärm entstand. Da erhob sich der Bischof und sagte mit mächtiger Stimme: »Ich wäre der erste, der bereit ist, sein Leben hinzugeben für die Kirche und für meine Herde, und wenn ich von Verhandlungen spreche und Verzögerung wünsche, so geschieht es, Gott ist mein Zeuge, nicht, um die Festung zu übergeben, sondern um dem Hetman Zeit zur Heranziehung von Hilfstruppen zu gewähren. Sobieskis Name ist den Heiden ein Schrecken, und wenn er auch die nötigen Streitkräfte nicht hätte, wenn nur das Gerücht umläuft, daß er kommt, so werden die Türken Kamieniez meiden.« Als er dies mit mächtiger Stimme gesagt hatte, schwiegen alle, manche freuten sich sogar, da sie hörten, daß der Bischof an Übergabe nicht gedacht hatte.

Da sprach Michael: »Ehe der Feind Kamieniez belagert, muß er erst Swaniez niederwerfen oder in Trümmer legen, denn unmöglich kann er das befestigte Schloß im Rücken liegen lassen. Nun denn, mit Erlaubnis des Herrn Kämmerers von Podolien erkläre ich mich bereit, mich in Swaniez einzuschließen und mich genau so lange Zeit dort zu halten, als der Herr Bischof mit Hilfe von Verhandlungen zu gewinnen denkt. Ich nehme sichere Leute mit, und, solange ich am Leben bin, so lange wird auch Swaniez stehen.«

Da riefen alle: »Das darf nicht sein, du bist hier nötig. Ohne dich läßt der Bürger den Mut sinken, ohne dich werden die Soldaten nicht mit gleicher Lust kämpfen, das darf keineswegs geschehen. Wer hat hier die größte Kriegserfahrung, wer hat Sbarasch mitgemacht? Wer soll die Führerschaft haben, wenn es zu einem Ausfall kommt? Du wirst für Swaniez untergehen, und wir werden ohne dich hier untergehen.«

»Das Kommando hat mir zu gebieten,« antwortete Michael.

»Nach Swaniez könnte man irgend einen jungen, kecken Ritter schicken, der mir zur Seite stände,« versetzte der Kämmerer von Podolien.

»So mag Nowowiejski hingehen,« riefen einige Stimmen.

»Nowowiejski kann nicht fort, sein Kopf brennt,« erwiderte Herr Michael; »er liegt zu Bett und weiß von Gott und der Welt nichts.«

»Indessen laßt uns beraten, an welchen Platz ein jeder stehe, und welches Tor er verteidigen soll,« sagte der Bischof.

Aller Augen wandten sich auf den General von Podolien; der aber sprach: »Ehe ich Befehle erteile, höre ich gern die Ansichten erfahrener Krieger, und da Herr Michael Wolodyjowski an Kriegserfahrung allen hier voransteht, so rufe ich ihn zuerst zum Worte auf.«

Wolodyjowski riet zunächst, die Schlösser, die vor der Stadt lagen, zu besetzen, weil er glaubte, daß gerade gegen diese Schlösser sich der Hauptangriff der Feinde richten werde. Auch andere traten seiner Meinung bei; man verfügte über zehntausend Mann Fußvolk, die man so verteilte, daß Myslischewski die rechte Seite des Schlosses, Humiezki, berühmt durch seine Taten bei Chozim, die linke Seite besetzte; in der Richtung auf Chozim, am gefährlichsten Punkte, sollte Wolodyjowski selbst Stellung nehmen, weiter unten wurde die Abteilung der Serdjuken aufgestellt, die Sinkowiezer Seite schützte Major Kwasibrozki, den Süden Herr Wonsowitsch und die Schloßseite Kapitän Bukar mit den Leuten des Herrn Krasinski. Es waren dies alles nicht etwa Freiwillige, sondern Soldaten von Beruf, treffliche, ausdauernde Krieger, die das Kanonenfeuer leichter ertrugen, als mancher andere den Brand der Sonnenstrahlen. Sie hatten überdies im Dienste der Republik, deren Heere immer gering an Zahl waren, von Jugend auf gelernt, zehnfach überlegenen Feinden Widerstand zu leisten, und hielten dies für etwas Selbstverständliches. Die Oberaufsicht über die Artillerie des Schlosses hatte der schöne Ketling, der in der Kunst, die Kanonen zu richten, alle anderen übertraf. Das Oberkommando im Schlosse sollte in den Händen des kleinen Ritters liegen, dem der General von Podolien sogleich volle Freiheit gab, Ausfälle zu unternehmen, so oft die Notwendigkeit oder Gelegenheit sich darbieten würde. Die anderen freuten sich, da sie erfuhren, wie einem jeden sein Platz angewiesen war; sie erhoben ein lautes Geschrei, schlugen mit Getöse an die Rapiere, um so ihre Zustimmung und Kampfeslust zu bezeigen. Als der General von Podolien das hörte, sagte er zu sich selber:

– Ich habe nicht geglaubt, daß wir imstande sein werden, uns zu verteidigen; ohne Hoffnung kam ich hierher, nur meinem Gewissen folgend, – und doch, wer weiß, ob es uns mit solchen Kriegern nicht gelingen wird, den Feind zurückzuschlagen. Großer Ruhm wird mir werden; als einen zweiten Jeremias wird man mich begrüßen; wer weiß, ob mich nicht ein glücklicher Stern hierher geführt hat. – Und wie er bisher an der Verteidigung gezweifelt, so begann er nun an der Einnahme von Kamieniez zu zweifeln; sein Mut wuchs, und er begann schon eifriger über die Besetzung der Stadt Rat zu pflegen.

Es wurde also beschlossen, daß in der Stadt selbst, am reußischen Tore, Makowiezki stehen sollte, mit einem Häuflein adliger polnischer Bürger, die in der Schlacht standhafter waren als andere, ferner mit einer Anzahl Armenier und Juden. Das Tor von Luzk wurde Herrn Grodezki überwiesen, den Befehl über die Kanonen übernahmen Schuk und Matschynski. Die Platzwache vor dem Rathaus bekam Lukas Dsiewanowski, und Chozimirski übernahm jenseits des reußischen Tores die Führerschaft über das lärmende Volk der Zigeuner. Von der Brücke bis zum Schlosse des Herrn Sinizki führte die Wache Herr Kasimir Humiezki, der Bruder des tapferen Laurentius; weiter hinauf sollten Stanischewski am lechischen Tore, Martin Bogusch an der Bastei von Spisch, Georg Skarschynski und Jazkowski unmittelbar am Bialoblodsker Loch ihre Quartiere einnehmen. Dubrowski und Pietraschewski erhielten die Bastei von Rscheschnik, die große Stadtschanze ward Tomaschewitsch, dem Schulzen polnischer Gerichtsbarkeit, übertragen, die kleinere Jazkowski. Es erging noch der Befehl, eine dritte aufzuschütten, von der aus später ein Jude, ein geübter Bogenschütze, den Türken viel zu schaffen machte.

Nachdem dies festgestellt war, kamen alle freudig zur Abendmahlzeit bei dem Herrn Hetman von Podolien zusammen. Dieser ehrte besonders während der Festlichkeit Herrn Michael sowohl durch den Platz, den er ihm anwies, als durch Wein, Gerichte und durch eine Rede, in der er voraussagte, daß die Nachwelt dem Beinamen des kleinen Ritters nach der Belagerung den Titel eines Hektors von Kamieniez hinzufügen werde. Herr Michael aber erklärte, er hoffe, ehrlichen Ritterdienst zu leisten, und wolle sich zu diesem Zwecke mit einem bestimmten Gelübde im Dome binden; darum bat er den Bischof, es möge ihm gestattet sein, dies morgen zu tun. Der Bischof, welcher einsah, daß dieses Gelübde dem Gemeinwohl Nutzen bringen werde, sagte gern zu.

Am anderen Tage war großer Gottesdienst im Dome. Mit Andacht und Begeisterung lauschten die Ritter, der Adel, die Soldaten und das Volk. Michael und Ketling lagen knieend vor dem Altar, Christine und Bärbchen knieten am Gitter und weinten, denn sie wußten, daß dieses Gelübde das Leben ihres Gatten in Gefahr bringen mußte. Nach Beendigung der Messe wandte sich der Bischof mit der Monstranz zum Volke. Da erhob sich der kleine Ritter, kniete auf den Stufen des Altars nieder und sagte mit gerührter, wenn auch ruhiger Stimme:

»Für die besondere Güte und die ungewöhnliche Huld, die ich von Gott dem Herrn und seinem eingeborenen Sohne empfangen habe, fühle ich mich zu besonderer Dankbarkeit verpflichtet und gelobe und schwöre, daß, wie er und sein Sohn mir beigestanden, auch ich bis zum letzten Atemzuge das heilige Kreuz verteidigen werde und, da mir das Kommando des alten Schlosses übertragen ist, daß ich, solange ich lebe und Hände und Füße rühren kann, keinen heidnischen Feind in das Schloß einlassen werde, daß ich von den Mauern nicht weichen, daß ich die weiße Fahne nicht aufstecken werde, und sollte ich unter den Trümmern des Schlosses begraben werden. So helfe mir Gott und das heilige Kreuz – Amen!«

Eine feierliche Stille herrschte in der Kirche; dann ertönte Ketlings Stimme:

»Für die besondere Güte,« sagte er, »die ich in diesem Vaterland erfahren habe, gelobe ich, bis zum letzten Blutstropfen das Schloß zu verteidigen und mich unter seinen Trümmern begraben zu lassen, ehe der Feind den Fuß über seine Schwelle setzt. Und so wahr, wie ich aus reinem Herzen und aus reiner Dankbarkeit diesen Eid schwöre, so wahr helfe mir Gott und das heilige Kreuz – Amen!«

Hier neigte der Priester die Monstranz und reichte sie erst Michael, dann Ketling zum Kusse dar. Bei diesem Anblick erhoben die anwesenden Ritter Lärm in der Kirche, es ertönten die Rufe: »Wir schwören alle!«, »Wir sterben einer nach dem anderen!«, »Die Feste wird nicht fallen!«, »Wir schwören – wir schwören!« »…Amen, amen, amen!« Die Säbel und Rapiere flogen mit Geklirr aus den Scheiden, und die Kirche erglänzte vom Widerschein der gezückten Schwerter. Der Schimmer fiel auf die drohenden Gesichter, auf die glühenden Augen, und ein gewaltiger, unbeschreiblicher Feuereifer erfaßte den Adel, die Krieger, das Volk. Alle Glocken läuteten, die Töne der Orgel schwollen mächtig, und der Geistliche intonierte: »Sub tuum praesidium.« Hundert Stimmen fielen machtvoll ein, und so betete man für die Feste, welche die Schutzwarte der Christenheit, der Schlüssel der Republik war.

 

Nach Beendigung des Gebets gingen Ketling und Michael Arm in Arm aus der Kirche. Man sandte ihnen Segenswünsche nach, denn niemand zweifelte daran, daß sie eher sterben als das Schloß ausliefern würden. Und doch, nicht der Tod schien über ihnen zu schweben, sondern Sieg und Ruhm, und unter der ganzen großen Menge wußten wohl nur sie allein, mit welchem furchtbaren Eidschwur sie sich gebunden. Vielleicht ahnten auch zwei liebende Herzen die große Gefahr, die über ihren Häuptern schwebte, denn weder Bärbchen noch Christine konnten sich beruhigen, und als Michael sich endlich im Kloster bei seiner Frau einfand, flüchtete sie schluchzend und weinend wie ein kleines Kind an seinen Busen und sagte in abgerissenen Worten:

»Michael … Michael! … wenn … Gott behüte! … ein Unglück dich trifft … so … so … weiß ich nicht … was … mit mir … geschieht!«

Ihr ganzer Körper schüttelte sich vor Schluchzen. Auch der kleine Ritter war tief bewegt; endlich sagte er:

»Bärbchen, … es mußte sein.«

»Ich möchte lieber sterben,« sagte Bärbchen.

»Still, Bärbchen, still!« wiederholte der kleine Ritter immer wieder, um sein über alles geliebtes Weib zu beruhigen.

»Denkst du noch, als dich mir der liebe Gott zurückgegeben hatte, was ich da dachte? Ich sagte: »Was du, Herrgott, auch von mir forderst, ich will es geben. Nach dem Kriege, wenn ich ihn überlebe, will ich eine Kapelle erbauen, aber während des Krieges muß ich etwas Großes tun, um dir nicht mit Undank zu lohnen.« Was bedeutet das Schloß! Wenig genug für so große Wohltaten. Nun ist die Zeit gekommen; ziemt es sich, daß der Erlöser sage: »Versprochen und nicht gehalten?« Eher mögen mich die Mauern des Schlosses begraben, ehe ich das Ehrenwort, das ich Gott gegeben, breche. Es muß sein, Bärbchen; und damit genug. Vertrauen wir auf Gott!«

Noch an demselben Tage machte sich Herr Wolodyjowski mit der Fahne auf, um Herrn Wasilkowski zu Hilfe zu eilen, der gen Hryntschuk geeilt war, weil, einer Nachricht zufolge, die Tataren dort plötzlich hereingebrochen waren, die Einwohner in Fesseln gelegt, das Vieh fortgetrieben und die Dörfer in Brand gesteckt hatten, um alle Spuren ihrer Anwesenheit zu tilgen. Der Herr von Wasilkowski hatte sie sogleich geschlagen, ihnen Beute und Gefangene abgenommen. Letztere brachte Michael nach Swaniez und trug Herrn Makowiezki auf, sie auf die Folter zu spannen und ihre Aussagen sorgfältig niederzuschreiben, damit diese dem Hetman und dem König übersandt werden könnten. Die Tataren sagten aus, daß sie auf Perkulabischen Befehl die Grenzen überschritten und Hilfskräfte unter der Führung des walachischen Hauptmanns Stingan gehabt hätten. Sie vermochten aber trotz aller Qualen nichts darüber auszusagen, in welcher Entfernung sich gegenwärtig der Sultan mit seiner ganzen Macht befinde, da sie, in losen Abteilungen marschierend, keine Verbindung mit dem Hauptlager unterhalten hatten. Alle aber sagten übereinstimmend aus, daß der Sultan mit Macht gegen die Republik heranziehe, und wahrscheinlich in kürzester Zeit bei Chozim Halt machen werde. Es lag in diesen Aussagen nichts Neues für die zukünftigen Verteidiger von Kamieniez; da man aber in Warschau am Hofe des Königs an den Krieg nicht glaubte, beschloß der Kämmerer von Podolien, die Gefangenen samt ihren Neuigkeiten nach Warschau zu senden.

Die vorausgeschickten Streifzügler kehrten befriedigt von ihrer ersten Unternehmung zurück. Inzwischen war am Abend der Sekretär seines Bruderschafters Habareskul, des ältesten Perkulaben von Chozim, zu Herrn Michael gekommen; er brachte keinen Brief, denn der Perkulab fürchtete, etwas Schriftliches von sich zu geben; er hatte aber aufgetragen, seinem Bruderschafter Michael, seinem Augapfel und Herzensbruder, mündlich zu sagen, er möge sich wohl in acht nehmen, und, wenn Kamieniez nicht genügend Soldaten zur Verteidigung habe, unter irgend einem Vorwand die Stadt verlassen, denn der Kaiser werde schon am folgenden Tage in Chozim mit der ganzen Kriegsmacht erwartet.

Herr Michael ließ Perkulab Dank sagen, belohnte den Sekretär und schickte ihn zurück. Er selbst aber setzte sogleich den Kommandanten von der herannahenden Gefahr in Kenntnis.

Die Nachricht machte, obgleich man sie jede Stunde erwartet hatte, einen großen Eindruck. Der Eifer bei den städtischen Arbeiten wurde verdoppelt; Hieronymus von Landskron aber rückte unverzüglich nach seinem Swaniez ab, um dort ein Auge auf Chozim zu haben.

Eine Zeit ging in Erwartung hin; endlich, am frühen Morgen des zweiten August, erschien der Sultan bei Chozim. Die Regimenter breiteten sich aus wie ein uferloses Meer, und bei dem Anblick der letzten Stadt, die in den Grenzen des Herrschaftsgebiets des Padischahs lag, ertönte aus Hunderttausenden von Kehlen der Ruf: Allah, Allah! Jenseits des Dniestr lag die wehrlose Republik, welche die ungezählten Heere wie eine Sintflut überströmen, wie eine Flamme verzehren sollten. Die Kriegerscharen, die in der Stadt nicht Raum finden konnten, lagerten auf den Feldern, auf denselben Feldern, wo vor etlichen Jahren eine gleich große Armee des Propheten von den polnischen Schwertern zerschmettert worden war. Nun schien die Zeit der Rache gekommen, und unter den wilden Heerscharen ahnte niemand, vom Sultan bis hinab zum Lagerknecht, daß diese Felder zweimal unheilbringend für den Halbmond sein sollten. Die Hoffnung, ja die Gewißheit des Sieges belebte aller Herzen, die Janitscharen und die Spahis, die Scharen vom Balkan, von Rodope, von Rumelien, vom Ossa und Pelion, vom Karmel und Libanon, aus den Wüsten Arabiens, von den Ufern des Tigris, aus den Niederungen des Nil und den glühenden Sandmeeren Afrikas – sie alle erhoben ein wildes Geschrei und begehrten, daß man sie sofort nach dem »ungläubigen Ufer« hinüberführe. Da begannen die Mu'ezzins auf den Minaretten von Chozim zum Gebet zu rufen, und still ward es ringsumher. Ein Meer von Köpfen, in Turbanen, Kapuzen, Fez', in Burnussen, Kepis und Stahlhelmen neigte sich zur Erde, und über die Felder ging ein dumpfes Murmeln des Gebets, dem Gesurre eines unermeßlichen Bienenschwarmes vergleichbar – und flog, vom Winde getragen, hinüber über den Dniestr in die Republik hinein.

Dann ertönten die Trommeln, die Krummhörner, die Pfeifen und gaben das Zeichen der Ruhe. Obgleich die Heere langsam und bequem marschiert waren, wollte ihnen der Padischah doch nach dem langen Wege von Adrianopel bis hierher die gewohnte Ruhe geben. Er selbst nahm Waschungen vor in dem hellen Quell, der unweit der Stadt floß, und fuhr in den Konak von Chozim. Auf den Feldern wurden die Zelte der Regimenter aufgeschlagen, die bald wie der Schnee des Winters die unabsehbare Fläche bedeckten.

Der Tag war schön gewesen, und der Abend war heiter. Nach den letzten Abendgebeten begann das Lager zu ruhen; Tausende, Hunderttausende von Feuern erglänzten, und ihr Flackern wurde vom gegenüberliegenden Schlößchen von Swaniez mit Sorge bemerkt, denn sie nahmen einen so ungeheuren Raum ein, daß die Soldaten, die auf Kundschaft ausgegangen waren, sagten, als sie Rechenschaft gaben von dem, was sie gesehen, die ganze Moldau scheine im Feuer zu liegen. Aber je höher der helle Mond an dem gestirnten Himmel emporstieg, desto mehr erbleichten die Lagerfeuer; endlich brannten nur noch die Feuer der Wachen, das Lager wurde still, und durch die Ruhe der Nacht ertönte nur das Wiehern der Pferde und das Brüllen der Büffel, die auf den Fluren von Taraban weideten.

Am anderen Morgen. – es dämmerte kaum – sandte der Sultan Janitscharen, Tataren und Lipker aus; sie sollten den Dniestr überschreiten und Swaniez nehmen, das Städtchen und das Schloß. Der tapfere Hieronymus von Landskron erwartete sie nicht hinter den Mauern, sondern griff mit vierzig von seinen Tataren, achtzig Kijanern und einigen Genossenschaftsfahnen die Janitscharen beim Übergang über den Fluß an und brachte dies treffliche Fußvolk in solche Verwirrung, daß es sich in wilder Unordnung zurückzog. Inzwischen aber war eine Tatarenschar, von Lipkern unterstützt, seitwärts über den Fluß gesetzt und in die Stadt gedrungen. Der aufsteigende Rauch und lärmende Rufe kündigten dem tapferen Kämmerer an, daß die Stadt bereits in den Händen der Feinde war. Er gab also Befehl, sich zurückzuziehen, um den unglücklichen Einwohnern zu Hilfe zu kommen. Die Janitscharen konnten ihn nicht verfolgen, da sie zu Fuß dienten, er aber sprengte in vollem Galopp zu Hilfe. Schon war er angelangt, als plötzlich seine Leibtataren ihre Fahnen hinwarfen und zum Feinde übergingen, ein höchst gefahrdrohender Augenblick. Die Tatarenschar, von den Lipkern unterstützt, fiel, in der Voraussetzung, daß der Verrat Verwirrung erzeugt habe, mit großer Wucht über den Kämmerer her; zum Glück leisteten die Kijaner, durch das Beispiel ihres Führers ermutigt, tüchtigen Widerstand. Die Genossenschaftsfahne brach bald den Angriff des Feindes, der übrigens nicht imstande war, der regulären polnischen Reiterei Widerstand zu leisten. Der Boden vor der Brücke bedeckte sich bald mit Leichen, besonders mit Lipkern, denn diese hielten dauernder stand als die von der Horde. Noch viele von ihnen wurden in den Straßen niedergemetzelt; dann suchte Herr von Landskron, als er sah, daß Janitscharen vom Wasser herkamen, Schutz hinter den Mauern und schickte einen Boten nach Kamieniez um Hilfe aus.

Der Padischah gedachte anfangs an diesem Tage das Schloß von Swaniez nicht einzunehmen, denn er war mit Recht der Ansicht, daß er es bei dem allgemeinen Übergang des Heeres über den Fluß in einem Augenblick niederwerfen werde. Er wollte nur die Stadt einnehmen, und da er voraussetzte, daß die Abteilungen, die er ausgeschickt hatte, vollkommen ausreichend seien, sandte er weder Janitscharen noch Kosaken nach. Die aber, welche schon diesseits des Flusses waren, nahmen, als der Kämmerer sich hinter die Mauer zurückzog, von neuem die Stadt ein. Sie steckten diese nicht in Brand, damit sie ihnen und den anderen Abteilungen in Zukunft als Schutz diene, und begannen darin zu wirtschaften mit Schwert und Dolch. Die Janitscharen ergriffen die jungen Weiber zu soldatischer Wollust, die Männer und die Kinder wurden mit Beilen niedergehauen. Die Tataren waren mit Beutemachen beschäftigt.

Da bemerkte man von der Bastei des Schlößchens, daß von Kamieniez her Reiterei herankomme. Als der Herr von Landskron das hörte, trat er hinaus auf die Bastei mit einigen Genossen, legte das Perspektiv durch die Schießscharte und sah lange und aufmerksam hinaus; endlich sagte er: das ist die leichte Reiterei aus der Besatzung von Chreptiow, dieselbe, an deren Spitze Wasilkowski nach Hryntschuk gegangen ist; sicher hat man ihn nun selbst hergeschickt.

Dann blickte er wieder durch das Perspektiv. »Ich sehe Freiwillige, gewiß Laurentius Humiezki.« Und nach einer Weile: »Gott sei Dank, auch Michael ist dabei; ich sehe Dragoner. Meine Herren, machen wir einen Ausfall aus den Mauern, mit Gottes Hilfe werden wir den Feind nicht nur aus der Stadt, sondern über das Wasser hinauswerfen.«

Mit diesen Worten lief er eiligst hinunter, um seine Kijaner und seine Genossen zu ordnen. Inzwischen waren die heranziehenden Fahnen von Tataren in der Stadt bemerkt worden; sie riefen entsetzt Allah an und begannen sich zu scharen. Durch alle Straßen ertönten die Trommeln und Pfeifen, die Janitscharen standen sofort in bester Ordnung da, mit einer Schnelligkeit, in der keine Infanterie der Welt ihnen gleichkam. Die Schar stürmte wie ein Orkan zur Stadt hinaus und fiel über die leichte Reiterei her. Die Tataren allein, außer den Lipkern, welchen der Herr von Landskron vielen Schaden zugefügt hatte, waren dreifach zahlreicher als die Besatzung von Swaniez und die heranziehenden Hilfsfahnen. Darum zögerten sie auch nicht, Herrn Wasilkowski anzugreifen; aber dieser, ein ungezügelter Jüngling, der ebenso kampfbegierig wie blind, sich jeglicher Gefahr entgegenwarf, befahl den Leuten, sofort mit größter Wut anzugreifen, und flog wie eine Windhose, die Übermacht des Feindes nicht achtend, der Schar entgegen. Diese Kühnheit machte die Tataren, die im allgemeinen ein plötzliches Treffen nicht gern sahen, völlig verdutzt. Sie brachten auch sogleich, trotz des Geschreis der hinter ihnen herreitenden Massen, trotz des entsetzlichen Lärmens der Pfeifen und Trommeln, welche zum »Kensim«, d. h. zum Morden der Ungläubigen anfeuerten, die Pferde zum Stehen; Mut und Kriegslust schien nachzulassen, und endlich stoben sie in der Entfernung eines Bogenschusses von der Fahne nach beiden Seiten auseinander, indem sie den heraneilenden Reitern eine Wolke von Pfeilen entgegensandten.

 

Herr Wasilkowski, der von der Anwesenheit der Janitscharen, die sich jenseits der Häuser in Schlachtordnung aufgestellt hatten, nichts wußte, eilte mit gleicher Wucht hinter den Tataren her, oder richtiger, hinter der Hälfte der Schar; er hatte sie bald eingeholt und metzelte diejenigen nieder, die nicht schnell genug entfliehen konnten, weil sie schlechtere Pferde hatten. Da wandte sich die andere Hälfte der Tatarenschar zurück, um ihn zu umzingeln; aber in diesem Augenblick kamen die Freiwilligen heran, und gleichzeitig machte der Unterkämmerer mit den Kijanern einen Ausfall. Die Tataren, von vielen Seiten gedrängt, stoben in einem Augenblick wie Spreu auseinander, und es begann ein Handgemenge, die Verfolgung eines Häufleins durch das andere, eines Mannes durch den anderen, bei dem die Horde viele Leichen zurückließ, besonders unter dem Schwerte Wasilkowskis, der blindlings auf ganze Scharen niederfuhr wie der Falke auf eine Schar Sperlinge.

Wolodyjowski aber, der vorsichtige, kühle Soldat, ließ die Dragoner nicht aus der Hand. Wie der Jäger, der die Meute an festen Riemen hält, sie nicht auf jedes beliebige Wild hetzt, sondern erst dann von der Koppel befreit, wenn er der glühenden Augen und der weißen Hauer des wilden Ebers ansichtig wird, so schaute auch der kleine Ritter, die flüchtigen Horden verachtend, aus, ob hinter ihnen nicht Spahis, Janitscharen oder ein anderes diszipliniertes Heer anrücke.

Da kam Hieronymus von Landskron mit seinen Kijanern auf ihn zu.

»Freund!« rief er, »die Janitscharen stehen am Flusse, hauen wir sie nieder!«

Herr Michael zog das Rapier aus der Scheide und kommandierte: »Vorwärts!«

Die Dragoner zogen die Zügel an, um die Pferde sicher in der Gewalt zu haben, dann bog die Reihe ein und rückte in solcher Ordnung vorwärts, wie auf dem Übungsplatz. Erst ritten sie im Trab, dann im Galopp, aber sie spornten die Pferde noch nicht zu schnellstem Laufe. Erst als sie an den Wirtschaften vorüber waren, die östlich vom Schlosse am Wasser lagen, sahen sie die weißen Filzmützen der Janitscharen und erkannten, daß sie es nicht mit Dschamaken, sondern mit regulären Truppen zu tun hatten.

»Drauf!« schrie Michael.

Und die Pferde griffen aus; den Leib fast am Boden, warfen sie mit den Hufen die Schollen des harten Erdreichs in die Luft.

Die Janitscharen, welche nicht wußten, wie groß die Streitmacht war, die Swaniez zu Hilfe eilte, wandten sich wirklich dem Flusse zu. Eine Abteilung, die über zweihundert Mann zählte, war schon am Ufer, und ihre ersten Reihen betraten gerade die Prahme; die zweite Abteilung, in gleicher Stärke, kam im schnellsten Lauf, aber in vortrefflicher Ordnung heran; als sie die Reiterei erblickte, machte sie Halt und bot im Augenblick dem Feinde die Stirn. Die Gewehre neigten sich, und eine Salve erdröhnte wie bei der Musterung; ja mehr noch, die wütenden Krieger, welche darauf bauten, daß die Genossen vom Ufer her sie mit Gewehrfeuer unterstützen würden, wichen nicht nur nicht vor dem Kugelregen zurück, sondern stürmten mit lautem Schrei nach der Richtung des Kampfes zu, stürzten mit gewaltigem Anprall, die Säbel schwingend, auf die Reiterei, die beim besten Willen die Pferde nicht zu halten vermochte, und durchbrachen ihre Reihen mit Blitzesschnelle, Schreck und Verderben unter sie tragend.

Unter der Wucht des Reiterangriffes fiel die erste Reihe wie die Ähren unter der Sense des Schnitters. Viele sanken nur durch die Gewalt des Angriffs zu Boden und sprangen wieder auf, um zerstreut an das Ufer des Flusses zu rennen, von wo aus die zweite Abteilung immer wieder Feuer gab, indem sie hoch zielte, um über die Köpfe der Kampfgenossen hinweg die Dragoner zu treffen. Einen Augenblick herrschte unter den Janitscharen, die an den Prahmen standen, sichtlich ein Zögern, eine Unschlüssigkeit darüber, ob die Prahme bestiegen werden sollten oder ob, dem Beispiel der zweiten Abteilung folgend, sofort die Reiterei anzugreifen sei. Von diesem letzten Schritt hielt sie jedoch der Anblick der fliehenden Haufen zurück, welche die Reiterei vorwärts drängte, und so furchtbar niedermetzelte, daß ihre Wut nur mit ihrer Gewandtheit verglichen werden konnte. Bisweilen wandte sich ein solcher Haufe, wenn er zu sehr in die Enge getrieben war, in der Verzweiflung zurück und begann zu beißen, wie ein in die Enge getriebenes Wild, wenn es sieht, daß es kein Entrinnen mehr gibt. Aber gerade in solchen Augenblicken konnten die am Ufer Stehenden deutlich erkennen, daß dieser Reiterei mit blanker Waffe nicht stand zu halten war, so sehr war sie in ihrem Gebrauch überlegen. Die Widerstandleistenden wurden mit solcher Geschicklichkeit und Schnelligkeit niedergehauen, daß das Auge kaum die Bewegung des Säbels wahrnahm. Wie wenn das Gesinde, in einer reichen Wirtschaft das trockene Getreide dreschend, eifrig und schnell den Flegel in Bewegung setzt, so daß die ganze Scheuer vom Echo der Schläge widerhallt, und das befreite Korn nach allen Seiten spritzt – so tönte auch von den Schwertstreichen das ganze Ufer wider, und die Haufen der Janitscharen stoben unter mitleidslosen Hieben nach allen Seiten hin.

Herr Wasilkowski stürmte an der Spitze seiner leichten Reiterei einher, unbekümmert um die eigene Sicherheit. Aber wie der gewandte Schnitter den stärkeren, aber minder geübten Knecht übertrifft, der leicht müde wird und von Schweiß überströmt, während jener langsam schreitend vorwärts geht, gleichmäßig die Ähren vor sich niedermähend, so übertraf Michael den tollkühnen Jüngling. Unmittelbar vor dem Zusammenstoß mit den Janitscharen hatte er die Dragoner vorangeschickt; er selbst blieb ein wenig zurück, um die ganze Schlacht zu beobachten, und so in der Entfernung stehend, schaute er sorgenvoll hin und stürzte sich auch unter die Menge, schlug, richtete, dann blieb er wieder ein wenig zurück, beobachtete und schlug wieder dazwischen. Wie gewöhnlich im Kampfe mit dem Fußvolk, geschah es auch diesmal, daß die Reiterei im Sturmlauf die Fliehenden umging. Viele von ihnen wandten sich, da ihnen der Weg zum Flusse abgeschnitten war, auf der Flucht der Stadt zu, um sich unter den Sonnenblumen zu verbergen, welche vor den Wirtschaften wuchsen. Aber Michael hatte sie bemerkt, die ersten beiden erreicht, durch zwei leichte Streiche stürzten sie zu Boden und hauchten ihren Geist aus. Da dies ein dritter sah, schoß er aus seiner Janitscharenbüchse auf den kleinen Ritter, dieser aber fuhr ihm mit der Schneide zwischen Nase und Mund, und nahm ihm so das liebe Leben. Dann sprengte er unverzüglich den anderen nach. Nicht schneller macht der Dorfjunge die Pilze nieder, die in Haufen wachsen, als er die Feinde, ehe sie die Sonnenblumen erreichten. Nur die beiden letzten ergriffen die Leute von Swaniez, und der kleine Ritter befahl ihnen, sie in sicheren Gewahrsam zu bringen.

Er selbst war warm geworden, und als er bemerkte, daß die Janitscharen kräftig an den Fluß gedrängt wurden, mischte er sich in das Gewirr der Schlacht und begann in gleicher Linie mit den Dragonern zu arbeiten. Bald schlug er vor sich hin, bald wandte er sich nach rechts oder links, gab einen flachen Streich, ohne hinzusehen, wo er traf, und bei jedem Schlage taumelte eine weiße Kapuze zu Boden. Die Janitscharen begannen in ihrer Angst mit lärmendem Geschrei zu drängen; er aber verdoppelte die Schnelligkeit der Hiebe, und obgleich er selbst ruhig blieb, konnte doch kein Auge den Bewegungen seines Rapiers folgen und erkennen, wann er Hieb oder Stich anwandte, denn der Degen schien nur einen leichten Kreis um ihn herum zu beschreiben.