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Der kleine Ritter

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Da wurden schwere Schritte vernehmbar, und Nowowiejski stand neben ihm. Bei diesem Anblick pochten dem Tataren alle Adern. Luschnia fürchtete er nicht, er verachtete ihn zu sehr; aber Nowowiejski konnte er nicht verachten, vielmehr erfüllte jeder Blick in sein Gesicht Asyas Seele mit abergläubischer Angst, mit Widerwillen und Entsetzen. Der Gedanke: »Ich bin in seiner Gewalt«, bemächtigte sich seiner ganz, er fürchtete ihn, und das war ein so schreckliches Gefühl, daß Asyas Haare sich sträubten.

Nowowiejski sagte: »Für das, was du getan hast, sollst du in Qualen enden.«

Der Lipker antwortete nichts, er keuchte nur laut.

Nowowiejski trat zurück, es wurde still rings umher, nur Luschnia brach das Schweigen.

»Gegen die Herrin hast du deine Hand erhoben,« sagte er mit ruhiger Stimme, »aber die Herrin ist jetzt schon bei dem Herrn in der Kammer; du aber bist in unserer Hand, deine Zeit ist gekommen.«

Bei diesen Worten begann für Asya die Pein. Dieser entsetzliche Mensch erfuhr in der Stunde des Todes, daß sein Verrat und alle seine Verbrechen fruchtlos gewesen waren; wenn wenigstens Bärbchen auf dem Wege gestorben wäre, so hätte er den Trost gehabt, daß sie, wenn nicht sein, so doch keines anderen war. Nein, auch diesen Trost hatte man ihm jetzt genommen, da der Pfahl eine Elle von ihm entfernt war; alles war vergeblich gewesen, soviel Blutvergießen, Rachehoffnungen – um nichts, um gar nichts … Hätte Luschnia geahnt, um wieviel schwerer diese Worte den Tod für Asya machten, er hätte sie während des ganzen Weges wiederholt. Aber jetzt war keine Zeit mehr zu Seelenqualen, denn alles mußte weichen angesichts der Exekution. Luschnia neigte sich herab, erfaßte mit beiden Händen Asyas Hüften und rief den Leuten zu, welche die Pferde hielten:

»Vorwärts, langsam, beide zugleich!«

Die Pferde zogen an; die gespannten Stricke zerrten an Asyas Füßen, sein Körper ward einen Augenblick gehoben und traf auf den spitzigen Holzpfahl; die Spitze drang in den Leib, und nun geschah etwas Entsetzliches, der Natur und allen menschlichen Empfindungen Zuwiderlaufendes. Die Knochen des Unglückseligen dehnten sich auseinander, sein Körper wurde nach zwei Seiten gezerrt, und ein unsäglicher Schmerz, so entsetzlich, daß er an ungeheuerliche Wollust grenzte, durchschauerte seinen Körper. Der Pfahl drang tiefer und tiefer. Asya biß die Kinnbacken zusammen, aber endlich verließ ihn seine Kraft; die Zähne traten hervor, und röchelnd schrie er »Ah … ah … ah!« dem Krächzen eines Raben ähnlich.

»Langsam!« kommandierte der Wachtmeister.

Asya wiederholte seinen entsetzlichen Schrei immer schneller.

»Krächzest du?« fragte der Wachtmeister, dann rief er den Leuten zu:

»Halt! – da hast du's,« fügte er, zu Asya gewandt, hinzu; aber dieser war plötzlich verstummt, und atmete nur noch röchelnd.

Schnell spannte man die Pferde aus; dann richtete man den Pfahl auf, ließ sein dickes Ende in eine Grube hinab und begann sie mit Erde zu füllen. Asya sah von der Höhe herab dieser Tätigkeit zu, er war bei Bewußtsein. Diese entsetzliche Art der Strafe war um so grauenhafter, weil die Opfer, die auf dem Pfahle steckten, bisweilen noch drei Tage hindurch lebten. Asyas Kopf hing auf die Brust herab, seine Kiefer bewegten sich lallend, als kaue er etwas. Er fühlte eine namenlose Schwäche, und sah einen endlosen, weißlichen Nebel vor sich, der ihm entsetzlich schien, ohne daß ihm klar war weshalb. Aber durch den Nebel unterschied er die Gesichter des Wachtmeisters und der Dragoner, wußte er, daß er auf dem Pfahle stecke, fühlte er, wie er durch die Last des Körpers immer tiefer in den Pfahl sank. Endlich begannen seine Füße zu erstarren, und er wurde wieder unempfindlich gegen den Schmerz.

Auf Augenblicke hüllte Dunkelheit den entsetzlichen weißen Nebel ein; dann blinzelte Asya mit seinem einen Auge, um alles zu beobachten und zu sehen bis zum Moment des Todes. Sein Blick schweifte mit sonderbarer Hartnäckigkeit von Fackel zu Fackel, es war ihm, als bilde sich um diese Flammen ein siebenfarbiger Lichtkreis.

Aber noch waren die Qualen für ihn nicht erschöpft. Bald trat der Wachtmeister an den Pfahl heran mit einem Bohrer in der Hand und rief den Umstehenden zu:

»Hebt mich in die Höhe!«

Zwei stämmige Burschen hoben ihn auf; Asya sah ihn ganz nahe, blinzelte beständig mit dem Auge, als wollte er erkennen, wer der Mensch sei, der zu seiner Höhe hinaufklettere. Der Wachtmeister aber sagte:

»Unsere Herrin hat dir ein Auge ausgeschlagen, ich habe gelobt, dir das andere auszubohren.«

Bei diesen Worten senkte er die Spitze des Bohrers in den Augapfel, drehte ihn ein und das andere Mal, und als das Lid und die zarte Bindehaut sich um die Windungen des Bohrers legten, riß er ihn zurück.

Da drangen aus beiden Augenhöhlen Asyas zwei Quellen Blutes hervor und flossen über seine Wangen herab.

Sein Gesicht wurde bleich und immer bleicher. Die Dragoner löschten schweigend die Fackeln, als erfasse sie Scham, daß das Licht so entsetzliche Taten beleuchte, und nur von der Mondsichel fielen silberne, nicht allzu helle Strahlen auf Asyas Leib. Sein Kopf war ganz über die Brust herabgesunken; nur die Hände, die an das Holz gebunden und mit beteertem Stroh umwunden waren, starrten in die Höhe, als rufe dieser Sohn des Ostens die Rache des türkischen Halbmondes auf seine Häscher herab.

»Aufs Pferd!« ertönte Nowowiejskis Stimme.

In dem Augenblick, da sie aufsaßen, zündete der Wachtmeister als letzte Fackel die erhobenen Hände des Tataren an; dann ritt die Abteilung auf Jampol zu, und mitten unter den Schutthaufen Raschkows, in Nacht und Wüste, blieb allein auf hohem Pfahle Asya, der Sohn des Tuhaj-Bey, – und leuchtete, leuchtete…

21. Kapitel

Drei Wochen später, um die Mittagsstunde, hatte Nowowiejski Chreptiow erreicht. Der Weg von Raschkow hatte darum so lange gedauert, weil er noch häufig auf die andere Seite des Dniestr hinübersetzte, um die Tataren und Perkulaben, die den Fluß entlang in den verschiedenen Grenzwarten standen, zu überraschen. Diese erzählten dann den heranrückenden Heeren des Sultans, daß sie überall polnische Trupps gesehen, und daß sie von großen Heeren gehört, die sicherlich, ohne den Anmarsch der Türken gegen Kamieniez abzuwarten, ihnen in den Weg treten und sich in einer Hauptschlacht mit ihnen messen würden. Der Sultan, dem man immer wieder die Ohnmacht der Republik geschildert hatte, war sehr erstaunt und rückte, die Lipker, die Walachen und die Donauhorden vor sich hersendend, langsam vorwärts, denn trotz seiner ungeheuren Macht scheute er doch eine Schlacht mit den regulären Heeren der Republik sehr.

In Chreptiow traf Nowowiejski Herrn Wolodyjowski nicht an, denn der kleine Ritter war Motowidlo gefolgt und mit dem Heere von Podlachien gegen die krimschen Horden und gegen Doroschenko ausgezogen. Dort fügte er immer neuen Ruhm zu dem alten und vollbrachte große Taten. Den grausamen Korpan demütigte er und ließ seinen Leichnam dem wilden Getier zum Fraße auf dem Felde, ebenso den drohenden Drost, den tapferen Malyschka, die beiden Brüder Siny, berühmte kosakische Streifzügler, und viele kleinere Banden und Scharen.

Frau Wolodyjowska machte sich gerade in dem Augenblicke, als Nowowiejski eintraf, mit dem Rest der Leute und der Wagenburg auf den Weg nach Kamieniez, denn Chreptiow mußte aufgegeben werden. Nur ungern verließ sie das Blockhaus, in dem sie zwar manches Schwere durchgemacht, in dem sie aber auch die glücklichsten Tage ihres Lebens verbracht hatte, – an der Seite ihres Mannes mitten unter berühmten Kriegern, die ihr herzlich ergeben waren. Nun sollte sie auf ihre eigene Bitte nach Kamieniez reisen, einem unbekannten Schicksal und Gefahren entgegen, wie sie die Belagerung mit sich brachte. Ihr mutiges Herz ergab sich der Wehmut nicht; sie wachte über allen Vorbereitungen, über den Soldaten und dem Gesinde. Sagloba, der in jeder Fährlichkeit alle anderen an Verstand übertraf, war ihr bei alledem behilflich, auch Muschalski, der unvergleichliche Bogenschütze, der tapfere und erfahrene Krieger.

Sie alle waren hocherfreut über Nowowiejskis Ankunft, obwohl sie gleich aus dem Gesichte lasen, daß er weder Evchen noch die anmutige Sophie aus der Gefangenschaft befreit habe. Bärbchen vergoß bittere Tränen über das Schicksal der beiden Mädchen, denn nun mußte sie diese schon für verloren halten; verkauft an einen Unbekannten, mochten sie schon vom Markte in Stambul nach Kleinasien fortgeschleppt sein, nach den Inseln, die unter türkischer Herrschaft standen, oder nach Ägypten, und dort im verschlossenen Harem leben. In diesem Falle aber konnte man sie nicht auslösen, ja, es war unmöglich, überhaupt etwas über sie zu erfahren, und Bärbchen weinte, es weinte der besonnene Sagloba, es weinte Muschalski, der unvergleichliche Schütze, – nur Nowowiejski hatte trockene Augen, denn er hatte keine Tränen mehr.

Als er zu erzählen begann, wie er hinausgezogen sei, zur Donau hin bis nach Tykitsch, wie er dort die Lipker in unmittelbarer Nähe der Horde und des Sultans auseinandergesprengt, wie er den furchtbaren Asya gefangen, da schlugen die alten Ritter an die Säbel und riefen:

»Bring' ihn her, hier in Chreptiow soll er sein Ende finden!«

Nowowiejski erwiderte: »Nicht in Chreptiow, in Raschkow hat er den Tod gefunden, denn dort kam es ihm zu; und Qualen hat ihm der Wachtmeister ersonnen, die wahrlich nicht leicht waren.«

Nun erzählte er, welchen Todes Asya, Tuhaj-Beys Sohn, gestorben war, und sie hörten voll Entsetzen, aber ohne Mitleid zu.

»Daß Gott die Verbrechen verfolgt, weiß jeder,« sagte Sagloba, »aber wunderbar ist es, daß der Teufel seine Diener so schlecht behütet.«

Bärbchen seufzte fromm auf, hob die Augen gen Himmel und sagte nach kurzer Überlegung:

»Weil ihm die Macht fehlt, der Kraft Gottes standzuhalten.«

»O, Ihr habt das Richtige getroffen, Herrin!« rief Muschalski, »denn wenn der Teufel, was Gott verhüte, stärker wäre als der liebe Herrgott, so würde alle Justiz, und mit ihr die Republik, in ein Nichts versinken.«

 

»Darum fürchte ich auch die Türken nicht; erstens sind sie Teufelskinder, und zweitens Kinder Belials,« versetzte Sagloba.

Alle schwiegen. Nowowiejski saß auf einer Bank mit gefalteten Händen und sah gläsernen Auges auf den Boden. Da wandte sich Muschalski zu ihm:

»Es hat doch wohl Erleichterung gebracht,« sagte er, »denn es gewährt unendlichen Trost, eine derartige Rache zu vollführen.«

»Sagt, hat es Euch wirklich Trost gebracht, ist Euch jetzt besser?« fragte Bärbchen in mitleidigem Tone.

Der Riese schwieg noch eine Weile, als ränge er mit seinen eigenen Gedanken; endlich sagte er, gleichsam mit großer Verwunderung und so leise, daß man ihn kaum hörte:

»Denkt Euch, bei Gott, ich habe selbst geglaubt, es werde mir besser sein, wenn ich ihn erst vernichtet habe, und ich habe ihn selbst am Pfahl stecken sehen, ich habe es mit angesehen, wie ihm das Auge ausgebohrt wurde, ich habe mir selbst eingeredet, daß mir besser sei, – aber es ist nicht wahr, es ist nicht wahr …«

Hier faßte Nowowiejski seinen Kopf mit beiden Händen und sprach durch die zusammengebissenen Zähne:

»Leichter war ihm auf dem Pfahle, leichter mit dem Bohrer im Auge, leichter mit dem Feuer an den Händen, als mir mit dem, was in mir ist, was in mir sinnt und grübelt. Nur der Tod bringt mir Trost, nur der Tod, der Tod!«

Als Bärbchen das hörte, erhob sie sich plötzlich, legte dem Unglückseligen ihre Hand aufs Haupt und sagte:

»O, gäbe Gott dir doch den Tod – bei Kamieniez, denn du hast recht, er ist der einzige Trost.«

Und er schloß die Augen und sagte: »So ist's. Gott vergelt's Euch!«

Noch am selben Abend rückten sie alle nach Kamieniez aus.

Bärbchen sah lange, nachdem sie über die Wassermühle hinausgelangt waren, nach dem Blockhaus zurück, das im Lichte des Abendrots strahlte, und sagte endlich, indem sie ein Kreuz über der Brust schlug: »O, kehrten wir noch einmal mit Michael zu dir zurück, liebes Chreptiow! Gebe Gott, daß unser nichts Schlimmeres harre!«

Und zwei Tränen fielen über ihre rosigen Wangen. Eine seltsame Betrübnis bedrückte aller Herzen – und sie ritten schweigend weiter. Inzwischen war es dunkel geworden.

Langsam rückten sie vorwärts, denn die Wagenburg bewegte sich schwerfällig; die Wagen, die Herden der Pferde, Rinder, Büffel, Kamele und das Gesinde, das die Herden bewachte, folgten nach. Viele aus dem Gesinde und von den Soldaten hatten sich in Chreptiow beweibt, und so fehlte es auch an Frauen nicht in der Wagenburg. Die Zahl der Soldaten war so groß wie die Nowowiejskis, außer zweihundert ungarischen Fußsoldaten, die Abteilung, die der kleine Ritter auf eigene Kosten ausgerüstet und kriegstüchtig gemacht hatte. Ihre Protektorin war Bärbchen, ihr Führer ein tüchtiger Offizier, Kaluschewski. Echte Ungarn waren in dieser Abteilung gar nicht; sie hieß nur deshalb die ungarische, weil sie magyarische Uniform führte. Unteroffiziere waren »gediente« Dragoner; die Gemeinen rekrutierten sich aus den früheren »Räubern« und Fahrenden, die von den beutemachenden Banden eingefangen und zum Strange verurteilt waren. Man hatte ihnen das Leben geschenkt unter der Bedingung, daß sie zu Fuß dienten und durch Treue und Tapferkeit ihre alten Verbrechen vergessen machten. Auch an Freiwilligen fehlte es unter ihnen nicht, die die Schluchten und Felsen und ähnliche Räuberunterschlupfe aufgegeben hatten und vorzogen, in den Dienst des »kleinen Falken von Chreptiow« zu treten, statt sein Schwert über ihrem Haupte zu wissen. Es war ein Völkchen mit geringer Zucht und geringer Kriegstüchtigkeit, aber tapfer, an Mühsale, Gefahren und Blutvergießen gewöhnt. Bärbchen liebte diese Abteilung sehr, weil sie ein Werk Michaels war, und in den wilden Herzen dieser Männer war schnell die Anhänglichkeit an die wunderschöne, gute »Herrin« erwachsen. Jetzt gingen sie rings um ihren Wagen, die Gewehre auf der Schulter, die Säbel an der Seite, stolz darauf, die Herrin zu bewachen, bereit, sie wütend zu verteidigen, wenn eine Tatarenschar ihnen den Weg verlegen sollte.

Aber der Weg war noch frei, denn Wolodyjowski war vorsichtiger als alle anderen, und er liebte überdies seine Frau zu sehr, als daß er sie durch Verzögerung unnütz einer Gefahr hätte aussetzen sollen. Die Reise ging also ruhig von statten. Sie waren um Mittag aus Chreptiow abgereist, waren bis zum Abend unterwegs, dann die ganze Nacht, und am Nachmittag des folgenden Tages erblickten sie schon die ragenden Felsen von Kamieniez.

Bei ihrem Anblick und angesichts der Bollwerke und Türme der Festung, welche die Spitzen der Felsen krönten, erfüllte Mut die Herzen; es schien unmöglich, daß eine andere Hand als die Gottes diesen Adlerhorst zerstören könne, der hier auf der Felsspitze, rings umgeben von den Abhängen des Flusses, eingenistet war. Es war ein wunderbarer Sommertag; die Spitzen der Kirchen leuchteten wie Riesenlichter, Friede, Ruhe und Heiterkeit lagerte über den hellen Fluren.

»Bärbchen,« sagte Sagloba, »schon oft haben die Horden sich an diesen Mauern die Schädel eingerannt, – ha, wieviel Male habe ich selbst gesehen, wie sie sich davonmachten und sich die Köpfe hielten, weil sie ihnen weh taten; gäbe Gott, daß auch diesmal also geschehe!«

»Ja gewiß!« antwortete Bärbchen strahlend.

»Ist doch schon einer von ihren Sultanen hier gewesen: Osman. Ich erinnere mich, als ob es heute wäre. Es war im Jahre 1621, da kommt er, der Bube, von Chozim her, jenseits Smotrytsch; er sperrt die Glotzaugen auf, reißt das Maul auf und glotzt, und glotzt. Endlich sagt er: »Wer hat die Festung so aufgebaut?« – »Gott!« antwortet ihm der Vezier. – »So mag sie Gott erobern, ich bin kein Narr,« sprach's und wandte sein Pferd.«

»Ja, sie hatten's sogar eilig, ihre Pferde umzudrehen,« warf Muschalski ein.

»Weil wir sie mit unseren Lanzen in den Weichen kitzelten,« fügte Sagloba hinzu, »und mich trug die Ritterschaft damals auf ihren Händen zu Lubomirski.«

»So, wart Ihr bei Chozim?« fragte der unvergleichliche Bogenschütze; »man sollte gar nicht glauben, wo Ihr überall dabei gewesen seid, und was Ihr nicht alles getan habt!«

Sagloba war ein wenig gekränkt und antwortete:

»Nicht bloß dort gewesen bin ich, ich habe auch eine Wunde empfangen, die ich Euch ad oculos vorführen kann, wenn Ihr neugierig seid, aber ein wenig abseits, denn in Gegenwart der Frau Hauptmann ziemt es mir nicht, mich damit hervorzutun.«

Der berühmte Bogenschütze sah bald ein, daß er gefoppt wurde. Da er sich aber nicht kräftig genug fühlte, mit Saglobas Witz zu wetteifern, hörte er auf zu fragen und wandte das Gespräch anderen Dingen zu.

»Es ist wahr, was Ihr sagt. Wenn man so in der Ferne hört, wie die Leute schwatzen, Kamieniez sei nicht gerüstet, Kamieniez müsse fallen, so erfaßt einen ein Schrecken. Wenn man aber Kamieniez sieht, so ist man gleich mit Mut erfüllt.«

»Und wenn erst Michael in Kamieniez sein wird!« rief Bärbchen.

»Herr Sobieski muß Hilfe schicken.«

»Gott sei Dank, es steht nicht so schlimm! Ja, es stand schon schlimmer, und wir gaben nicht nach.«

»Und wäre es noch so schlimm, die Hauptsache ist, nicht den Mut verlieren! Sie haben uns nicht gefressen und werden uns nicht fressen, solange der Geist der Tapferkeit in uns ist,« schloß Sagloba.

Unter dem Eindruck dieser ermutigenden Gedanken verstummten sie. Aber das Schweigen wurde auf schmerzliche Weise unterbrochen. Plötzlich war Nowowiejski mit seinem Pferde dicht an Bärbchens Wagen herangekommen; sein Gesicht, das sonst furchtbar und düster war, lächelte und blickte heiter. Er richtete die Augen unverwandt auf das im Sonnenglanz gebadete Kamieniez und lachte unaufhörlich. Die beiden Ritter und Bärbchen sahen ihn erstaunt an, denn sie konnten nicht begreifen, wie der Anblick der Festung so plötzlich alle Last von seiner Seele genommen habe; er aber sagte:

»Gelobt sei der Herr! Groß war das Leid, aber auch die Freude ist uns bereitet.« Hier wandte er sich zu Bärbchen: »Sie sind beide bei dem polnischen Dorfschulzen Tomaschewitsch; es ist gut, daß sie sich dorthin geflüchtet haben, denn in einer solchen Festung wird ihnen der Mörder nichts tun können.«

»Von wem sprecht Ihr?« fragte Bärbchen beklommen.

»Von Sophie und Evchen.«

»Gott steh' dir bei!« rief Sagloba, »laß dich nicht vom Bösen umgarnen!«

Nowowiejski aber sprach weiter: »Was sie von meinem Vater sagen, daß ihn Asya abgeschlachtet, ist auch nicht wahr.«

»Er hat den Verstand verloren,« flüsterte Muschalski.

»Gestattet Ihr mir, Herrin,« sagte Nowowiejski, »vorauszureiten? Ich habe sie so lange nicht gesehen, und mir ist so bange. O, man sehnt sich, wenn man liebt!« Er nickte mit seinem riesigen Kopfe nach beiden Seiten, gab dem Pferde die Sporen und sprengte voraus.

Muschalski winkte einigen Dragonern und folgte ihm, um den Wahnsinnigen im Auge zu behalten. Bärbchen aber verbarg ihr rosiges Gesicht in den Händen, und heiße Tränen flossen durch ihre Finger. Da sagte Sagloba:

»Ein Bursch', so lauter wie Gold! Aber dies Unglück geht über menschliche Kraft … und die Rache wird sein Herz nicht zur Ruhe bringen …«

In Kamieniez rüstete man sich eifrig zur Verteidigung. An den Mauern des alten Schlosses und an den Toren, besonders am reußischen, arbeiteten die »Nationen«, welche die Stadt bewohnten, unter ihren Schulzen; unter diesen nahm der polnische Schulze Tomaschewitsch den ersten Platz ein, wegen seines unerschütterlichen Mutes und seiner Tüchtigkeit im Kanonenschießen. Man arbeitete mit Schaufel und Karre; Lechen, Reußen, Armenier, Juden und Zigeuner wetteiferten miteinander. Die Offiziere der verschiedenen Regimenter hatten die Aufsicht über die Arbeiten; die Wachtmeister und die Soldaten halfen den Einwohnern, selbst der Adel arbeitete mit und vergaß, daß Gott seine Hände nur für das Schwert geschaffen und jegliche andere Arbeit den Leuten »gemeinen« Standes überlassen habe. Herr Laurentius Humiezki, der Fahnenträger von Podolien, gab selbst das Beispiel und entlockte so den anderen Tränen, wenn er mit eigenen Händen den Karren mit Steinen schob. In der Stadt und im Schloß wogten die Arbeitenden. Zwischen den Gruppen gingen Dominikaner, Jesuiten, Franziskaner und Karmeliter umher und segneten das menschliche Bemühen. Frauen trugen den Arbeitern Speise und Trank zu, die schönen Armenierinnen, die Frauen und Töchter der reichen Kaufleute, und die noch schöneren Jüdinnen aus Karwasseri, Swanek, Sinkowiez und Dünaburg zogen die Augen der Soldaten auf sich.

Am lebhaftesten aber wandte sich die Aufmerksamkeit der Menge dem Einzuge Bärbchens zu. Es gab gewiß viele höher gestellte Frauen in Kamieniez, aber es gab keine, deren Gatten ein größerer Kriegsruhm umstrahlte. Man hatte in Kamieniez von der Gattin Wolodyjowskis als von einer tapferen Frau gehört, die sich nicht gescheut hatte, in der Würstenwarte inmitten einer verwilderten Bevölkerung zu wohnen, die mit ihrem Gatten Kriegszüge unternahm, die von dem Tataren entführt, ihn zu Boden geschlagen und heil aus seinen räuberischen Händen entkommen war. Auch ihr Ruhm war groß; aber diejenigen, die sie bisher nicht gekannt und gesehen hatten, stellten sich vor, sie müsse eine Riesin sein, die Hufe zerbrechen und Panzer zerreißen könne. Wie groß war daher ihr Erstaunen, als sie ihr vorgeneigtes, zierliches, halb kindliches Gesichtchen erblickten. »Ist das die Frau Oberst selber oder nur ihre Tochter?« ging es von Mund zu Mund fragend durch die Menge. »Sie ist es selbst!« antworteten diejenigen, die sie kannten, und verwundert blickten die Bürger, die Frauen, die Geistlichen, die Soldaten. Mit nicht geringerer Verwunderung betrachtete man das unüberwindliche Kommando von Chreptiow, die Dragoner, an deren Spitze ruhig lächelnd, mit abwesendem Blick, Nowowiejski ritt, und die furchtbaren Gesichter der Banditen, die in die ungarische Infanterie umgewandelt waren. Es geleiteten Bärbchen aber auch etliche hundert vortreffliche Krieger von Beruf, so daß bei ihrem Anblick der Mut wuchs. »Das ist eine ungewöhnliche Macht, die können den Türken dreist in die Augen sehen!« rief man in der Menge. Einige von den Bürgern, ja auch von den Soldaten, besonders vom Regiment des Bischofs Trebizki, das soeben nach Kamieniez gekommen war, dachten, Herr Michael selbst befinde sich im Zuge, und sogleich erhoben sich Rufe:

»Es lebe Herr Michael Wolodyjowski!« »Es lebe unser Verteidiger, der Ruhm der Ritterschaft!« »Vivat Wolodyjowski, vivat!«

Bärbchen hörte es, und ihr Herz schwoll, denn nichts schmeichelt einer Frau mehr, als der Ruhm ihres Mannes, besonders wenn der Mund des Volkes in einer großen Stadt von ihm widerklingt. »So viele Ritter sind hier, – dachte Bärbchen – und keinem gelten die Rufe als meinem Michael!« Am liebsten hätte sie selbst mit im Chor geschrieen: Vivat Michael Wolodyjowski! – aber Sagloba hielt sie zurück; sie müsse sich würdevoll benehmen, wie es einer Person ihrer Bedeutung zieme, und nach beiden Seiten grüßen, wie die Königinnen tun, wenn sie in die Residenz einziehen. Er selbst grüßte auch, bald mit der Mütze, bald mit der Hand, und wenn die guten Bekannten auch in einen Vivatruf zu seiner Ehre ausbrachen, wandte er sich sprechend zur Menge.

 

»Meine Herren, wer Sbarasch überstanden hat, wird auch Kamieniez überstehen!«

Nach Herrn Michaels Instruktion hielt der Zug vor dem neuerbauten Kloster der Dominikanerinnen. Der kleine Ritter hatte ein eigenes Häuschen in Kamieniez; weil aber das Kloster an einem steilen Orte lag, wo die Kanonenkugeln nicht leicht hinschlagen konnten, zog er es vor, hier sein liebes Bärbchen unterzubringen, um so mehr, als er, ein Wohltäter des Klosters, gute Aufnahme erwarten durfte. Die Oberin, Mutter Viktoria, die Tochter Stephan Potozkis, des Wojewoden von Brazlaw, empfing denn auch Bärbchen mit offenen Armen; ebenso Tantchen Makowiezka, die sie schon seit vielen Jahren nicht gesehen hatte. Beide weinten, auch der Truchseß von Latytschow, dessen Liebling Bärbchen immer gewesen war, weinte. Kaum hatten sie die Tränen der Rührung getrocknet, da eilte Christine Ketling herbei, und es begannen neue Begrüßungen; dann umringten Bärbchen die Schwestern und die Adelsfräuleins, Bekannte wie Unbekannte. Die einen, wie Frau Bogusch, fragten nach den Männern, andere, was Bärbchen von dem türkischen Riesenheer denke, und ob Kamieniez nach ihrer Meinung sich werde halten können. Bärbchen nahm mit großer Freude wahr, daß man sie für eine Art Autorität in Kriegssachen hielt und aus ihrem Munde Trost erwarte. Darum war sie auch nicht karg damit: »Es ist gar nicht daran zu denken,« sagte sie – »daß wir den Türken nicht standhalten sollten; Michael kommt ja her, heute, morgen, spätestens in einigen Tagen; wenn er die Verteidigung übernimmt, dann könnt ihr ruhig schlafen, denn auch die Festung ist tüchtig, ich versteh' mich darauf, Gott sei Dank.«

Bärbchens Zuversicht erfüllte die Herzen der Frauen mit Trost, besonders beruhigte sie die Zusage von Michaels Ankunft. Sein Name war so hochgeehrt, daß sogleich, obwohl es Abend war, die Offiziere des Ortes mit dem üblichen Ehrengruß zu Bärbchen kamen; und alle fragten gleich nach der ersten Begrüßung, wann der kleine Ritter zurückkehre, und ob er sich wirklich in Kamieniez einzuschließen denke. Bärbchen empfing nur den Major Kwasibrozki, der das Fußvolk des Bischofs von Krakau führte, den Herrn Schreiber Rschewuski, der jetzt an Stelle des Herrn Lontschynski an der Spitze des Regiments stand, und Ketling. Vor den anderen öffnete sich an diesem Tage die Tür nicht mehr, denn die Herrin war müde vom Wege und mußte sich überdies Herrn Nowowiejski widmen. Dieser unglückselige Jüngling war unmittelbar vor dem Kloster vom Pferde gestürzt und bewußtlos in eine Zelle gebracht worden. Man holte sofort den Medikus herbei, denselben, der Bärbchen in Chreptiow behandelt hatte; er sagte eine schwere Krankheit des Gehirns voraus und gab wenig Hoffnung auf Leben. Bis zum späten Abend sprachen Bärbchen, Muschalski und Sagloba über dieses Ereignis und erwogen das Schicksal des unglücklichen Ritters.

»Der Medikus hat mir gesagt,« sprach Sagloba, »wenn er es überlebt, so werde nach wirksamen Aderlässen sein Verstand klar sein, und er werde dann mit leichterem Herzen das Unglück tragen.«

»Für ihn gibt es keinen Trost mehr,« antwortete Bärbchen.

»Oft würde es für den Menschen besser sein, er besäße kein Bewußtsein,« bemerkte Muschalski, »aber die Tiere sind auch davon nicht frei.«

Der Alte aber schalt den berühmten Bogenschützen ob dieser Bemerkung:

»Wenn Ihr kein Bewußtsein hättet, dann könntet Ihr nicht zur Beichte gehen, dann wäret Ihr den Lutherischen gleich und des höllischen Feuers wert. Euch hat auch schon Priester Kaminski ob Eurer Lästerung gerügt, – aber lehr' den Wolf das pater, er will doch lieber die mater, besonders wenn es eine Ziegenmutter ist.«

»Ich – ein Wolf?« entgegnete der treffliche Bogenschütze, »Asya, das war der Wolf.«

»Habe ich das nicht gleich gesagt?« fragte Sagloba. »Wer hat zuerst gesagt, er ist ein Wolf? Nowowiejski hat mir erzählt,« sagte Bärbchen, »er höre Tag und Nacht, wie Evchen und Sophie ihm zurufen: »Rettung!« Ja, wo gibt es hier Rettung! Es hat so enden müssen, denn solchen Schmerz hätte niemand ertragen. Ihren Tod hätte er überlebt, ihre Schmach wird er nicht überleben.«

»Nun liegt er da, wie ein Stück Holz, und weiß von Gottes Welt nichts,« sagte Muschalski, »und das ist schade, denn er ist ein so vortrefflicher Krieger.«

Das Gespräch wurde durch einen Burschen unterbrochen, der mit der Nachricht kam, daß in der Stadt ein ungeheurer Lärm herrsche; die Menschen laufen zusammen, um den General von Podolien zu sehen, der soeben mit einem bedeutenden Gefolge und mit dem Fußvolk eingezogen ist.

»Das Kommando ist sein,« sagte Sagloba. »Es ist recht von Herrn Nikolaus Potozki, daß er es vorzieht, hier zu sein, als wo anders, aber ich sähe lieber, er wäre nicht hier. Ha, er war ein Gegner des Hetmans und glaubte nicht an den Krieg, und nun, weiß Gott, ob es ihm nicht den Kopf kosten wird.«

»Vielleicht kommen auch die anderen Herren Potozki ihm nach,« sagte Muschalski.

»Dann sind auch die Türken nicht mehr weit,« antwortete Sagloba, – »im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes! O, wäre der General ein zweiter Jeremias, und Kamieniez ein zweites Sbarasch!«

»So muß es sein, sonst sterben wir,« sagte eine Stimme an der Schwelle.

Bärbchen sprang bei dem Klang dieser Stimme auf, rief: »Michael!« und stürzte dem kleinen Ritter in die Arme.

Michael brachte viele wichtige Nachrichten mit, die er erst, ehe er sie im Kriegsrat kundgab, seiner Gattin in der stillen Zelle mitteilte. Er selbst hatte einige kleinere Tatarenscharen bis auf den letzten Mann aufgerieben und war mit großem Ruhm bis ganz in die Nähe des Krimschen und Doroschenkos Lager herangeschlichen. Er hatte auch eine Anzahl Gefangener mitgebracht, von welchen man Nachricht über die Streitkräfte des Khans und Doroschs erlangen konnte.

Die anderen Streifzügler hatten weniger Glück gehabt; der Herr von Podlachien, der an der Spitze bedeutender Streitkräfte stand, war in einer mörderischen Schlacht aufgerieben worden; Herrn Motowidlo, der die Walachische Heerstraße gezogen war, hatte Krytschynski mit Hilfe der Horde von Bialogrod und des Restes der Lipker, die sich nach der Niederlage bei Tykitsch geflüchtet hatten, geschlagen. Michael hatte, ehe er nach Kamieniez gekommen war, einen Umweg über Chreptiow gemacht; noch einmal wollte er, wie er sagte, diesen Ort seiner Glückseligkeit schauen.

»Ich war dort,« sagte er, »unmittelbar nach Eurer Abreise. Noch war Euer Platz warm, und ich hätte Euch leicht erreichen können, aber ich setzte in Uschyz ans Moldauische Ufer hinüber, um dort in der Steppe Kundschaft einzuziehen. Einige Scharen waren bereits vorüber, und sie fürchteten bei Pokuta auf »Unerwartete« zu stoßen; andere gehen in der Vorhut des türkischen Heeres und werden bald hier sein. Es wird eine Belagerung geben, mein süßes Täubchen, da hilft nichts, aber wir werden standhalten, denn hier verteidigt man nicht nur sein Vaterland, sondern auch sein eigenes Gut.« Dabei schloß er sein Weib in die Arme und küßte sie auf die Wangen.

An diesem Tage sprachen sie nicht mehr. Am anderen Morgen wiederholte Michael seine Neuigkeiten bei dem Bischof von Landskron vor dem Kriegsrat, zu welchem außer dem Bischof noch der General von Podolien, der Kämmerer von Podolien, der podolische Schreiber Rschewuski, der Fahnenträger Humiezki, Ketling, Makowiezki, der Major Kwasibrozki und einige Militärs gehörten. Zunächst mißfiel Herrn Michael, daß der General von Podolien erklärte, er wolle das Kommando nicht übernehmen, sondern vertraue es dem Rate an. »In unvorhergesehenen Fällen muß ein Kopf und ein Wille sein,« hielt ihm der kleine Ritter entgegen; »bei Sbarasch waren drei Regimentarier, welchen von Amts wegen die Macht zustand; und doch legten sie dieselbe in die Hände des Fürsten Jeremias, weil sie mit Recht sagten, in der Gefahr sei es besser, einem zu gehorchen.«