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Der kleine Ritter

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19. Kapitel

Als der Boden trocken war, und die Gräser emporschossen, rückte der Khan in eigener Person mit fünfzigtausend Mann von der krimschen und der astrachanischen Horde dem Dorosch und den aufständischen Kosaken zu Hilfe. Der Khan selbst, die ihm verwandten Sultane und alle hervorragenden Mirzen und Beys trugen Kaftane, die ihnen der Padischah zum Geschenk gemacht hatte. Sie zogen nicht wie vorzeiten um Beute und Gefangene gegen die Republik aus, sondern in einen heiligen Krieg zur »Vernichtung«, zur Ausrottung des ganzen Lechistan14, der ganzen Christenheit.

Ein zweites, größeres Gewitter zog sich bei Adrianopel zusammen, und gegen die ganze Flut bot nur der eine Fels von Kamieniez Schutz; sonst lag die Republik wie eine offene Steppe da, ja wie ein kranker Mann, unfähig, nicht nur sich zu verteidigen, sondern auch fest auf den Füßen zu stehen. Sie war erschöpft durch die vorhergegangenen, wenn auch am Ende siegreichen Kriege mit Schweden, Preußen, den Moskowitern, den Kosaken und Ungarn, durch die Konföderationen und die Empörung Lubomirskis, und jetzt hatten sie zum Überfluß die inneren Zwistigkeiten entkräftet, die Unfähigheit des Königs, die Zwietracht der Mächtigen, die Verblendung des unvernünftigen Adels und der Schrecken des Bürgerkrieges. Vergeblich warnte der große Sobieski vor der drohenden Gefahr. Niemand wollte ernstlich an die Möglichkeit des Krieges glauben. Man vernachlässigte die Mittel zur Verteidigung, und so hatte der Schatz kein Geld, der Hetman kein Heer. Der Heeresmacht, welcher die Verbündung aller christlichen Nationen kaum hätte Trotz bieten können, vermochte der Hetman nur einige tausend Mann entgegenzustellen.

Im Osten dagegen, wo alles dem Willen des Padischahs untertan war, und die Völker wie ein Mann mit dem Schwert in der Faust bereit standen, geschah gerade das Gegenteil. In dem Augenblicke, da man das Banner des Propheten entfaltete, die Roßschweife an dem Tore des Serails und auf dem Turme des Seraskierats aufpflanzte, da die Ulemas anfingen, den heiligen Krieg zu predigen, erhob sich halb Asien und der ganze Norden Afrikas. Der Padischah selbst war zu Beginn des Frühlings auf den Ebenen von Kantschukar zur Stelle und musterte eine Macht, wie sie seit Jahrhunderten die Welt nicht gesehen hatte. Zehntausend Spahis und Janitscharen, die Blüte des türkischen Heeres, umgaben zunächst seine geheiligte Person; dann zog man Heere aus den entferntesten Ländern und Besitzungen herbei. Die europäischen waren zuerst erschienen, dann kamen die berittenen Heeresmassen der bosnischen Beys; ihre Farbe glich dem Morgenrot, ihre Kriegslust dem Blitz. Dann zogen die wilden albanesischen Krieger heran, die zu Fuß mit den Handscharen kämpften, ein Volk, das an den Ufern der Donau und hinter ihr, von jenseits des Balkan bis hinunter zu den griechischen Bergen, wohnte. Jeder Pascha führte ein ganzes Heer, das allein imstande war, die wehrlose Republik zu überfluten. Walachen und Moldauer, die Tataren der Dobrudscha und Bialogrods in mächtiger Zahl, etliche tausend Lipker und Tscheremissen waren zur Stelle, letztere geführt von dem furchtbaren Asya, dem Sohn des Tuhaj-Bey, dem besten Führer in den unglückseligen Landstrichen, die sie so gut kannten.

Dann kam das ganze Aufgebot aus Asien herbeigeströmt; die Paschas von Siwas, Brussa, Aleppo, Damaskus, Bagdad brachten außer dem regelmäßigen Heere bewaffnete Massen der wilden Bevölkerung mit, welche die zederbewachsenen Berge Kleinasiens bewohnte, mit Einschluß der dunkelfarbigen Völker der Euphrat- und Tigrisländer. Auf den Ruf des Kalifen waren auch die Araber herbeigeeilt, deren Burnusse die kantschukarischen Gefilde wie mit Schnee bedeckt erscheinen ließen. Unter ihnen befanden sich Nomaden der sandigen Wüste und Städtebewohner von Medina bis Mekka. Auch die Lehnsmacht Ägyptens war nicht daheim geblieben; die in dem volkreichen Kairo wohnten, die allabendlich die rot übergossenen Pyramiden anschauten und in den Ruinen von Theben umherirrten, die in den nebeligen Ländern hausten, wo der heilige Nil seine Quellen hat, und denen die Sonne das Antlitz schwarz wie Ruß gebrannt – sie alle pflügten jetzt mit der Waffe die Scholle von Adrianopel und beteten allabendlich um den Sieg des Islam, um die Vernichtung des Landes, das seit Jahrhunderten allein den Rest der Welt vor den Bekennern des Propheten schützte.

Tausende Bewaffneter folgten, Hunderttausende von Pferden wieherten auf der Flur; Hunderttausende von Büffeln, Schafen, Kamelen weideten neben den Herden der Rosse. Man hätte glauben können, ein Engel habe auf Befehl des Herrn die Völker aus Asien vertrieben, wie einst Adam aus dem Paradiese, und habe sie veranlaßt, dorthin zu ziehen, wo die Sonne blasser herniederscheint, und die Steppe sich im Winter mit Schnee bedeckt. So zogen sie dahin mit ihren Herden, eine unabsehbare Schar weißer, brauner, schwarzer Krieger. Wieviel Zungen schwirrten da durcheinander, wieviel Trachten erglänzten in der Frühlingssonne! Die Völker staunten sich gegenseitig an; fremd waren sie untereinander an Sitten, verschieden ihre Waffen, ihre Kriegsführung, nur der Glaube verband diese wandernden Geschlechter. Wenn die Mu'ezzins sie zum Gebet aufriefen, wandten sich diese hundertzüngigen Heerscharen mit dem Antlitz gen Osten und riefen wie aus einem Munde Allah an.

Die Dienerschaft am Hofe des Sultans allein war zahlreicher als die bewaffnete Macht der Republik. Dem Heere der ausgerüsteten Freiwilligen folgten Scharen von Krämern, die jegliche Ware feilboten; ihre Wagen nahmen mit denen des Heeres den Weg zu Wasser.

Zwei Paschas an der Spitze hatten nichts anderes zu tun, als die Heeresmasse mit Speise zu versorgen, und es war an allem Überfluß. Der Sandschak von Sangritanien führte die Aufsicht über die Pulvervorräte; zweihundert Kanonen geleiteten das Heer, zehn davon waren Sturmgeschosse, so groß, wie sie kein König in der Christenheit besaß. Die Begler-Beys von Asien standen am rechten, die von Europa am linken Flügel. Die Zelte nahmen einen so großen Raum ein, daß Adrianopel dagegen als eine kleine Stadt erschien; die des Sultans, die von Purpur und Seidenschnüren, von Atlas und Goldstickereien glänzten, bildeten gleichsam eine besondere Stadt. Zwischen ihnen wogten die bewaffneten Wachen, die schwarzen Eunuchen aus Abessinien in ihren gelben und blauen Kaftanen, die riesengroßen Hamals vom Kurdischen Stamme, die als Lastträger mitgingen, die jungen Burschen aus dem Geschlecht der Usbeks mit ihren über die Maßen schönen Gesichtern, die sie mit Seidenfransen schützten, und eine Menge anderer Dienerschaft, in bunte Farben gekleidet, wie die Blumen der Steppe, für den Marstall, für den Dienst der Tafel, zum Tragen der Lampen und zu wichtigeren Dienstleistungen für die Umgebung des Sultans.

Auf dem geräumigen Maidan rings um den Hof des Sultans, der in seinem Prunk und Glanz die Gläubigen an das Paradies erinnerte, lagen, nicht gleich prachtstrotzend, aber doch königlichen gleichend, die Höfe des Veziers, der Ulemas und des Paschas von Anatolien, des jungen Kaimakams Kara-Mustapha, auf welchen die Augen des Sultans und aller im ganzen Lager schauten, wie auf die zukünftige »Sonne des Krieges«. Vor den Zelten des Padischah sah man die glänzenden Wachen des »polachischen« Fußvolks in so hohe Turbane gekleidet, daß ihre Träger wie Riesen erschienen. Sie waren mit Wurfspießen bewaffnet, die auf langen Kolben saßen, und mit kurzen, krummen Schwertern; ihre linnenen Schutzzelte stießen an die Zelte des Sultans. Dann kam das Lager der furchtbaren Janitscharen, die, mit Musketen und Speeren bewaffnet, der Kern der türkischen Macht waren. Weder der Kaiser von Deutschland noch der König von Frankreich konnte sich eines Fußvolkes rühmen, das an Zahl und Kriegstüchtigkeit diesem glich. Im Kriege konnte das im allgemeinen weichere Volk des Sultans sich nicht mit dem regulären Heere der Republik messen, oft erdrückte es nur durch seine ungeheure Übermacht, und gewann so den Sieg. Aber die Janitscharen wagten auch der geschulten Fahne der Reiterei die Stirn zu bieten. Sie erweckten Furcht in der ganzen christlichen Welt, ja in Stambul selber; oft zitterte selbst der Sultan vor diesen Prätorianern, und der oberste Aga dieser »Widder« war einer der einflußreichsten Würdenträger im Divan.

Den Janitscharen folgten die Spahis, die regulären Truppen der Paschas; dann kam die große Masse des Pöbels. Dieses ganze Lager stand schon seit Monden bei Konstantinopel und harrte nur, bis sich ihre Macht aus den fernsten Ländern der türkischen Herrschaft ergänzte, bis die Frühlingssonne die Feuchtigkeit aus dem Boden gesogen und den Weg nach Lechistan öffnete.

Und die Sonne, als ob auch sie dem Willen des Sultans untergeben sei, leuchtete in hellen Farben. Vom Beginn des April bis zum Mai feuchteten nur wenige Male warme Regen die Auen von Kantschukar, sonst spannte sich das blaue Himmelsgewölbe wolkenlos über dem Zelte des Sultans; der Glanz des Tagesgestirns spielte auf dem weißen Linnen, auf den hochgetürmten Kopfbunden, den vielfarbigen Kepi's, den glänzenden Helmen, den Fahnen und Speeren und übergoß alles – das Lager, die Zelte, die Menschen und die Herden – mit einem Meer von leuchtendem Glanz. Abends schimmerte am wolkenlosen Himmel die Sichel des Mondes und nahm die Tausende, die unter seinem Zeichen auszogen, immer neue Lande zu erobern, in ihren stillen Schutz; dann stieg er immer höher und erblaßte bei dem Widerschein der Lagerfeuer. Wenn diese über die ganze unermeßliche Fläche hin erglänzten, wenn die Araber aus Damaskus und Aleppo, die man gewöhnlich die Massala-Dschilaren nannte, die grünen, roten, gelben, blauen Lampen an den Zelten des Sultans und der Veziere anzündeten, dann war's, als sei ein Stück des Himmels auf die Erde herabgefallen, und als glänzten und schimmerten Sterne auf den Auen. Musterhafte Ordnung und Manneszucht herrschte unter diesen Scharen. Die Paschas beugten sich wie das Rohr vor dem Willen des Sultans, und vor ihnen beugte sich das Heer. Es fehlte nicht an Speise und Trank für Menschen und Vieh, alles war in reichstem Maße vorhanden, alles zur rechten Zeit. In musterhafter Ordnung kamen und gingen die Stunden der Kriegsübungen, die Stunden der Stärkung und des Gebets. In dem Augenblick, da die Mu'ezzins auf den in Eile erbauten hölzernen Türmchen zum Gebet aufriefen, wandte sich das ganze Heer mit dem Antlitz gen Osten; jeder breitete vor sich ein Fell oder einen Fußteppich aus, und das ganze Heer sank wie ein Mann in die Kniee. Bei dem Anblick solcher Ordnung und Zucht wuchs der Menge der Mut, die Herzen erfüllte Siegeszuversicht. Der Sultan kam gegen das Ende des April ins Lager, brach aber nicht sogleich auf; er wartete über einen Monat, bis die Wasser getrocknet waren. Indessen übte er das Heer, gewöhnte es an das Lagerleben, führte seine Regierungsgeschäfte, empfing Abgesandte und hielt Gericht unter dem purpurnen Baldachin. Kasseka, seine erste Gemahlin, schön wie ein Traum, begleitete ihn, und mit ihr zog ein Hof, der dem Paradies anzugehören schien.

 

Ein goldener Wagen trug die Herrin unter einem purpurnen Zelt; diesem folgten andere Wagen, weiße syrische Kamele, die auf Purpurdecken kostbare Schreine trugen. Huris und Bajaderen sangen ihre Lieder, wenn sie fuhr. Die süßen Töne leiser Instrumente erklangen, sobald sie, müde vom Wege, ihre seidenen Wimpern schloß, und wiegten sie in Schlaf. Während der Hitze des Tages wehten Fächer aus Straußen- und Pfauenfedern vor ihrem Antlitz, die kostbarsten Düfte des Orients dampften in indischen Schalen vor ihren Zelten. Alle Schätze, Wunder und Reichtümer waren in ihrem Geleit, die der Osten hervorbringen und die Macht des Sultans herbeischaffen konnte. Die Huris, die Bajaderen, die schwarzen Eunuchen, die bediensteten engelgleichen Knaben, die syrischen Kamele, die Pferde aus den arabischen Wüsten, kurz, die ganze Umgebung glänzte; kostbare Linnen, Gold und Silber funkelten in allen Regenbogenfarben von Diamanten, Rubinen, Smaragden und Saphiren. Die Völker sanken in die Kniee vor ihr und wagten nicht, ihr ins Gesicht zu schauen, wozu nur der Pascha das Recht hatte – und ihre ganze Umgebung erschien wie ein überirdisches Gesicht oder wie eine Wirklichkeit, die Allah selbst aus der Welt der Träume auf die Erde gezaubert hatte.

Die Sonne schien immer heißer, und endlich kamen die schwülen Tage. Da, eines Abends, wurde die Fahne auf den hohen Mast vor dem Zelte des Sultans aufgezogen, und ein Kanonenschuß verkündete den Heeren und Völkern, daß der Aufbruch nach Lechistan beginne. Die große, heilige Trommel erklang, alle anderen wiederholten ihre Zeichen, die Pfeifen ließen ihre gellenden Töne erschallen. Die frommen, halbnackten Derwische brüllten, und der Zug setzte sich in Bewegung. Es war Nacht, man mußte die Hitze des Tages vermeiden. Das Heer selbst brach einige Stunden nach der ersten Verkündigung auf; erst kamen die Wagenburg, die beiden Paschas, welche die Ernährung des Heeres beaufsichtigten, ganze Legionen von Handwerkern, welche die Zelte aufzustellen und abzubrechen hatten, die Lasttiere und das zum Schlachten bestimmte Vieh. Der Zug sollte in dieser und in der folgenden Nacht sechs Stunden dauern und in der Weise vor sich gehen, daß das Heer, sobald es Halt machte, immer Stärkungsmittel und gesicherte Ruhe vorfand.

Als endlich die Zeit des Aufbruchs für das Heer gekommen war, ritt der Sultan eine Anhöhe hinan, um seine ganze Macht zu überschauen und sich an ihrem Anblick zu erfreuen. Mit ihm war der Vezier, die Ulemas und der junge Kaimakam Kara-Mustapha, »die aufgehende Sonne des Krieges« und die Leibwache vom polachischen Fußvolk. Die Nacht war schön und hell, der Mond schien glänzend – und der Sultan hätte mit einem Blicke seine Heerscharen überschauen können, wenn überhaupt ein menschliches Auge vermocht hätte, sie alle auf einmal zu erfassen, die in einem langen Zuge, wenn auch dicht aufeinander folgend, einige Meilen einnahmen.

Sein Herz schwoll vor Freude, er schob die duftenden Sandelholzperlen der Gebetschnur und erhob die Augen dankbar zu Allah, der ihn zum Herrn so vieler Heere, so vieler Völker gemacht hatte. Plötzlich, als die Wagenburg schon ganz in der Ferne entschwunden war, unterbrach er sein Gebet und wandte sich an den jungen Kaimakam, den schwarzen Mustapha, und fragte:

»Wer ist es doch, der an der Spitze der Vorhut geht?«

»Glanz des Paradieses,« antwortete Kara-Mustapha, »in der Vorhut gehen Lipker und Tscheremissen, und der sie führt, ist dein Liebling Asya, der Sohn des Tuhaj-Bey.«

Asya, Tuhaj-Beys Sohn, war nach langem Stillstand auf dem Felde von Kantschukar wirklich mit den Lipkern, an der Spitze des Zuges aller türkischen Heere, gegen die Grenzen der Republik ausgerückt.

Nach dem schweren Schlag, den er und seine Pläne von Bärbchens kühner Hand erhalten hatten, schien ihm wieder ein günstiger Stern zu leuchten. Zunächst genas er. Seine Schönheit war zwar für immer vernichtet: das eine Auge war ihm gänzlich ausgeflossen, die Nase zerschlagen, und sein Haupt, einst dem Kopfe eines Falken ähnlich, war widerwärtig und entsetzlich geworden; aber gerade der Schrecken, den es den Menschen einflößte, verschaffte ihm noch größere Achtung unter den wilden Tataren der Dobrudscha. Seine Ankunft ward bald im ganzen Lager bekannt, und seine Taten wuchsen in dem Munde der Krieger riesenhaft an. Es hieß, er habe alle Lipker und Tscheremissen in den Dienst des Sultans gebracht, er habe die Lechen hintergangen, wie sie noch nie jemand hinterging, er habe alle Städte an der Dniestr-Heerstraße in Brand gesteckt, ihre Besatzungen niedergehauen und unerhörte Beute fortgeschleppt.

Diejenigen, die erst nach Lechistan gehen sollten, diejenigen, die aus dem fernsten Winkel des Orients gekommen und nie lechische Waffen erprobt hatten, die, deren Herzen unruhig pochten bei dem Gedanken, daß sie bald Aug' in Auge der furchtbaren Reiterei der Ungläubigen gegenüberstehen würden, sahen in dem jungen Asya einen Krieger, der den Lechen schon die Stirn geboten hatte, der sie nicht fürchtete, ja, der sie besiegt und so den glücklichen Beginn des Krieges bezeichnet hatte. Der Anblick des »Recken« erfüllte aller Herzen mit Mut, da aber Asya der Sohn des furchtbaren Tuhaj-Bey war, dessen Name im ganzen Osten bekannt, so richteten sich aller Augen um so mehr auf ihn.

Lechen haben ihn erzogen, hieß es, aber er ist der Sohn eines Löwen, er hat sie gebissen und ist in den Dienst des Padischahs zurückgekehrt.

Der Vezier selbst war begierig, ihn zu sehen, »und die aufgehende Sonne des Krieges«, der junge Kaimakam Kara-Mustapha, der für Kriegsruhm und wilde Krieger schwärmte, gewann ihn lieb. Beide fragten ihn lebhaft aus über die Republik, über den Hetman, über die Heere, über Kamieniez und freuten sich über seine Antwort, aus der sie sahen, daß der Krieg leicht sein werde, daß dem Sultan der Sieg, den Lechen die Niederlage zufallen müsse, und daß er ihnen beiden den Zunamen Ghazi, d. h. Eroberer, eintragen werde. So hatte Asya denn späterhin oft Gelegenheit, vor dem Vezier sein Knie zu beugen, an der Schwelle des Zelts des Kaimakam zu sitzen und von beiden reichliche Geschenke an Kamelen, Pferden und Waffen zu empfangen.

Der Großvezier schenkte ihm einen Kaftan aus silberfarbigen Lamafellen, dessen Besitz ihn in den Augen aller Lipker und Tscheremissen hoch erhob. Krytschynski, Adurowitsch, Morawski, Grocholski, Tworkowski, Alexandrowitsch, kurz, alle Hauptleute, die einst in der Republik gelebt und ihr gedient hatten und jetzt zum Sultan zurückgekehrt waren, stellten sich ohne Widerspruch unter Tuhaj-Beys Kommando, indem sie gleichzeitig in ihm die fürstliche Abstammung und den Krieger ehrten, der den Kaftan empfangen hatte. Er ward also ein bedeutender Mirza, und über zweitausend Krieger, weitaus tüchtiger als die Tataren sonst, gehorchten seinem Winke. Der herannahende Krieg, in dem es dem jungen Mirza leichter als irgend einem anderen war, sich auszuzeichnen, konnte ihn hoch emporbringen, er konnte Würde, Ruhm und Macht erwerben.

Und doch trug Asya Gift im Busen. Zunächst kränkte seinen Stolz, daß die Tataren den Türken, besonders den Janitscharen und Spahis gegenüber, nicht viel mehr bedeuteten, als die Jagdhunde neben den Jägern. Er selbst hatte große Bedeutung, aber die Tataren im allgemeinen betrachtete man als niedrigen Troß. Der Türke brauchte sie, fürchtete sie bisweilen, aber im Lager verachtete er sie. Als Asya das bemerkte, schloß er seine Lipker von der großen Masse der Tataren aus wie einen besonderen, besseren Teil des Heeres; doch dadurch erzürnte er die anderen Massen der Dobrudscha und Bialogrods und vermochte doch nicht den verschiedenen türkischen Offizieren die Überzeugung einzuflößen, daß die Lipker wirklich etwas Besseres seien als die Männer der Horde. Andererseits konnte er, der in christlichen Landen erzogen war, unter Adel und Rittertum, sich an die Sitten des Orients nicht gewöhnen. In der Republik war er nur ein gewöhnlicher Offizier und nicht gerade vornehmen Ranges gewesen, und doch brauchte er, wenn er mit den Vorgesetzten, mit dem Hetman selbst zusammentraf, sich nicht so zu erniedrigen wie hier, wo er ein Mirza und der Führer aller Lipker war. Hier vor dem Vezier mußte man auf das Gesicht fallen, in dem befreundeten Zelte des Kaimakam das Knie beugen, vor den Paschas, den Ulemas und dem obersten Aga der Janitscharen zur Erde sinken. Asya war dessen ungewohnt, er konnte nicht vergessen, daß er der Sohn eines Kriegshelden war, sein Busen war voll wilden Stolzes, der so hoch strebte, wie der Flug des Adlers, und das verursachte ihm tiefen Schmerz.

Am meisten aber wütete in seinem Busen die Erinnerung an Bärbchen. Nicht, daß eine schwache Hand ihn vom Pferde geworfen, ihn, der bei Brazlaw, bei Kalnik und in hundert anderen Schlachten die gefürchtetsten saporogischen Kämpfer herausgefordert und zu Leichen gemacht hatte, nicht die Schande war es, die an ihm nagte – was kümmerte ihn Schande! Aber er liebte dieses Weib grenzenlos, wahnsinnig. Er wollte sie in seinem Zelte haben, sie anschauen, schlagen, küssen dürfen. Hätte man ihm die Wahl gestellt, Padischah zu werden und die halbe Welt zu regieren, oder sie in seine Arme zu schließen, ihr warmes Blut an seinem Herzen zu fühlen, ihren Atem einzusaugen, seine Lippen auf die ihren zu drücken – er hätte sie Stambul, dem Bosporus und dem Titel des Kalifen vorgezogen. Sie begehrte er, weil er sie liebte, sie begehrte er, weil er sie haßte, je ferner sie ihm war, je reiner, treuer, unantastbarer sie sich erwies, desto heftiger begehrte er sie. Manchmal, wenn er im Zelte saß und sich zurückerinnerte, daß er einmal im Leben nach der Schlacht gegen Asba-Bey ihre Augen geküßt, daß er bei Raschkow ihre Brust an die seine gedrückt hatte, da erfaßte ihn eine wahnsinnige Begier. Er wußte nicht, was mit ihr geschehen war, und ob sie unterwegs umgekommen sei; manchmal empfand er es wie eine Linderung seiner Schmerzen, daß sie gestorben sein könne, dann wieder erfaßte ihn ein unermeßliches Leid. Es gab Augenblicke, wo er dachte, es wäre besser gewesen, sie nicht zu rauben, Raschkow nicht in Flammen zu setzen, nicht hierherzukommen, sondern als Lipker in Chreptiow zu bleiben – nur um sie anschauen zu dürfen.

Dafür war aber die unglückliche Sophie Boska bei ihm im Zelte. Ihr Leben ging in Sklavendiensten dahin, in Schmach, in beständiger Angst, denn in Asyas Herzen war auch nicht ein Fünkchen Mitleid mit ihr. Er peinigte sie, bloß weil sie nicht Bärbchen war. Ihr war die Süßigkeit und der Zauber einer Feldblume eigen, sie besaß Jugend und Schönheit, und darum sättigte er sich an ihrer Schönheit; aber oft stieß er sie ohne Grund mit den Füßen oder geißelte mit dem Ziemer ihren weißen Körper. In einer ärgeren Hölle hätte sie nicht leben können, denn sie lebte ohne Hoffnung. Ihr Leben war in Raschkow wie der Frühling erblüht, in der Liebe zu dem jungen Nowowiejski. Sie liebte ihn mit ganzer Seele, sie liebte die edle, ritterliche und zugleich biedere Natur, und hier war sie das Gespött und die Sklavin dieses blinden Ungeheuers. Zitternd wie ein geschlagener Hund mußte sie sich zu seinen Füßen krümmen, seine Blicke verfolgen, seine Hände beobachten, ob sie nicht nach der Geißel faßten, und ihren Atem, ihre Tränen zurückhalten.

Sie wußte wohl, daß es für sie kein Mitleid gebe und geben werde. Denn wenn sie auch ein Wunder diesen entsetzlichen Händen entrissen hätte, so war sie nicht mehr die frühere Sophie, weiß wie der erste Schnee und fähig, durch ihre Reinheit und Unberührtheit für Liebe zu entgelten. All das war unwiederbringlich verloren, und weil sie an dieser entsetzlichen Schmach, in der sie jetzt lebte, nicht die geringste Schuld trug, weil sie im Gegenteil bis dahin immer ein Mädchen, makellos wie ein Lämmchen, sanft wie eine Taube, vertrauensvoll wie ein Kind, schlicht und liebevoll gewesen war, begriff sie nicht, warum ihr dieses entsetzliche Unrecht geschehen, das nie wieder gut gemacht werden konnte, warum über ihr so unerbittlich der Zorn Gottes walte; dieser Seelenkampf vergrößerte ihren Schmerz, ihre Verzweiflung. So flossen ihr die Tage, die Wochen, die Monate dahin. Asya war im Winter auf das Feld von Kantschukar gekommen, und der Ausmarsch gegen die Republik begann erst im Juni; all' die Zeit war Sophie in Schmach, in Qual und Arbeit hingegangen, da Asya sie trotz ihrer Schönheit und Liebenswürdigkeit, trotzdem er sie in seinem Zelte hielt, nicht liebte; ja, da er sie haßte, lediglich darum, weil sie nicht Bärbchen war, und sie wie eine gewöhnliche Sklavin betrachtete, mußte sie auch arbeiten wie eine Sklavin. Sie tränkte seine Pferde und Kamele am Flusse, sie brachte das Wasser herbei zu den Waschungen, sie holte Holz zur Feuerung, sie breitete die Felle für die Nacht aus, sie kochte das Essen. In anderen Abteilungen des türkischen Heeres traten die Frauen nicht aus den Zelten heraus aus Angst vor den Janitscharen oder aus Gewohnheit, aber das Lager der Lipker lag abseits, und die Sitte, die Frauen zu verbergen war unter ihnen nicht verbreitet; sie hatten, da sie einst in der Republik gewohnt, andere Sitten, und die Sklavinnen der gemeinen Soldaten, soweit diese Gefangene besaßen, bedeckten nicht einmal ihr Gesicht mit Jaschmaks.15 Den Frauen war es zwar nicht erlaubt, sich aus den Grenzen des Lipkischen Maidans zu entfernen, denn jenseit dieser Grenzen hätte man sie sicherlich geraubt; aber im Maidan selbst konnten sie überallhin gefahrlos gehen und den wirtschaftlichen Arbeiten des Lagers obliegen.

 

Trotz der schweren Arbeit war es Sophie sogar ein gewisser Trost, Holz zu holen oder an den Fluß zu gehen, um die Pferde und Kamele zu tränken, denn im Zelt fürchtete sie sich zuweilen, und auf dem Wege konnte sie ihren Tränen ungestraft freien Lauf lassen. Einst, da sie mit der Holztrage hinausging, begegnete sie der Mutter, die Asya dem Halim geschenkt hatte. Sie fielen sich in die Arme, und man mußte sie mit Gewalt auseinanderreißen. Obgleich Asya Sophie nachher geißelte, obgleich er sich nicht scheute, mit dem Ziemer ihren Kopf zu schlagen, war ihr diese Begegnung doch ein Labsal. Ein andermal, da sie Asyas Tücher und Fußlappen an der Furt wusch, bemerkte Sophie in der Ferne Evchen, die mit Wassereimern herkam. Evchen stöhnte unter der Last der Eimer. Ihre Gestalt war schon sehr verändert, schwerfällig geworden, aber ihre Züge erinnerten Sophie, obwohl sie mit dem Jaschmak verhüllt waren, an Adam – und ihr Herz erfaßte ein solcher Schmerz, daß sie auf einen Augenblick die Besinnung verlor. Sie sprachen vor Angst kein Wort miteinander.

Diese Angst ertötete allmählich alle Empfindungen Sophiens, bis sie endlich als die einzige zurückblieb an Stelle der früheren Wünsche, Hoffnungen und Erinnerungen. Nicht geschlagen zu werden – das war's allein, wonach sie strebte. Bärbchen hätte an ihrer Stelle Asya mit seinem eigenen Dolche am ersten besten Tage getötet, ohne Rücksicht auf das, was nachher hätte geschehen können. Aber die furchtsame Sophie, die noch ein halbes Kind war, hatte nicht Bärbchens Blut, und so kam es endlich dahin, daß sie es für eine Gnade ansah, wenn der entsetzliche Asya, von augenblicklicher Begierde hingerissen, sein häßliches Gesicht an ihre Lippen legte. Wenn sie im Zelte saß, wandte sie kein Auge von ihrem Herrn und suchte zu erkennen, ob er zornig oder nicht zornig war, folgte jeder seiner Bewegungen, um seine Wünsche zu erraten.

Wenn sie dieselben falsch erriet, wenn, wie dereinst dem alten Tuhaj-Bey, die Hauer unter seinem Schnurrbart aufblitzten, dann krümmte sie sich fast bewußtlos vor Schrecken zu seinen Füßen, drückte ihre blassen Lippen an seine Stiefel, umfaßte krampfhaft seine Knie und schrie wie ein gemartertes Kind: Schlage mich nicht, Asya, vergib, schlage mich nicht! – Er vergab ihr fast nie; er peinigte sie nicht bloß, weil sie nicht Bärbchen war, – war sie doch einst die Verlobte Nowowiejskis gewesen! Asya hatte ein unerschrockenes Herz; aber so furchtbar war die Abrechnung zwischen ihm und Nowowiejski, daß den jungen Lipker bei dem Gedanken an diesen Riesen mit der Rache im Herzen eine gewisse Unruhe erfaßte. Der Krieg stand bevor, sie konnten sich begegnen, ja, es war wahrscheinlich, daß sie aufeinanderstießen. Asya vermochte nicht, sich von diesen Gedanken zu befreien, und da dieselben ihm sehr oft kamen, wenn er Sophie sah, so nahm er an ihr Rache dafür, als wollte er die eigene Unruhe durch die Streiche vertreiben, mit welchen er sie peinigte.

Endlich war der Augenblick gekommen, da der Sultan den Befehl zum Aufbruch gab. Die Lipker und mit ihnen der ganze Troß der Tataren der Dobrudscha und Nowogrods sollten den Vortrab bilden; so war es zwischen dem Sultan, dem Vezier und dem Kaimakam abgemacht. Aber zu Anfang, besonders bis zum Balkan, gingen sie alle zusammen. Der Marsch war nicht lästig, denn wegen der beginnenden Hitze marschierten sie nur in der Nacht sechs Stunden lang und machten dann Halt. Pechtonnen erhellten ihren Weg, und die Massaldschiralen leuchteten dem Sultan mit ihren bunten Fackeln. Das Menschenmeer ergoß sich über die endlosen Ebenen, füllte, den Heuschrecken gleich, die tiefen Täler und bedeckte die Höhen der Berge. Dem bewaffneten Volk zogen die Wagenburgen mit dem Harem nach; ihnen folgten zahllose Herden. Aber in den Brüchen vor dem Balkan war der goldige und purpurne Wagen Kassekas so tief eingesunken, daß zwanzig Büffel ihn nicht aus dem Sumpfe ziehen konnten. »Ein böses Vorzeichen, Herr, für dich und dein ganzes Heer,« sagte der höchste Mufti zum Sultan. – Ein böses Vorzeichen! wiederholten im Lager die halb wahnsinnigen Derwische. Und der Sultan erschrak und beschloß, alle Frauen, auch die wunderschöne Kasseka, aus dem Lager zu entfernen.

Der Befehl wurde dem Heere verkündet. Diejenigen der Soldaten, die nicht wußten, wo sie ihre Sklavinnen hinschicken sollten, und die aus Liebe sie nicht der Wollust preisgeben mochten, zogen es vor, sie zu töten; andere wurden zu Tausenden von den Bazaren der Karawanserai aufgekauft und später auf den Märkten Stambuls und in den Städten des nahen Asiens verhandelt. Drei Tage dauerte der große Jahrmarkt. Asya stellte ohne Zögern Sophie zum Verkauf. Sofort erstand sie für gutes Geld ein reicher, alter Südfruchthändler aus Stambul für seinen Sohn. Es war ein guter Mensch, denn als Sophie weinte und ihn darum beschwor, kaufte er auch von Halim, freilich für einen sehr geringen Preis, ihre Mutter. Am folgenden Tage wanderten sie beide den Weg nach Stambul mit einer großen Zahl anderer Frauen. In Stambul ward Sophies Los, ohne weniger schmachvoll zu sein, doch ein besseres. Der neue Besitzer hatte sie gern und erhob sie nach Verlauf einiger Monate zur Würde seiner Gemahlin. Ihre Mutter verließ sie nicht mehr.

Viele Menschen, unter ihnen auch viele Frauen, pflegten, oft sogar nach langer Sklaverei, in die Heimat zurückzukehren. Es soll auch jemand mit allen Mitteln, mit Hilfe von Armeniern, von griechischen Kaufleuten, von Boten der Republik, Sophie gesucht haben, aber ohne Erfolg. Später brachen die Nachforschungen nach ihr plötzlich ab, und Sophie sah ihre Heimat und ihre Angehörigen nie wieder.

14Lechistan = Polen.
15Jaschmak = türkisches Schleiertuch.