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Der kleine Ritter

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Sagloba und Michael erkannten an jedem Ausdruck den alten Ketling wieder, der sich immer höfisch auszudrücken pflegte, – und wiederholt drückten sie ihn an sich. Als sie ihre alte Freundschaft zur Genüge durch Umarmungen gesättigt hatten, fragte der alte Edelmann:

»Ist diesem himmlischen Wesen nicht ein irdischer Kasus zugestoßen, der mit den Füßen strampelt und mit den Fingerchen im Munde nach Zähnen sucht?«

»Gott hat uns einen Sohn geschenkt,« antwortete Ketling, »und jetzt …«

»Ich hab's bemerkt,« fiel Sagloba ein; »hier bei uns ist alles noch beim alten.«

Bei diesen Worten heftete er sein gesundes Auge auf den kleinen Ritter und verzog verlegen den Mund.

Da trat Christine ein und sagte in der Tür:

»Bärbchen bittet die Herren.«

Nun gingen alle in den Alkoven, und die Begrüßung begann von neuem. Ketling küßte Bärbchens Hände, Michael die Christinens, und sie schauten alle einander neugierig an, wie Leute zu tun pflegen, die sich lange nicht gesehen haben.

Ketling hatte sich fast gar nicht verändert, nur sein Haar war kurz geschoren, und das ließ ihn jünger erscheinen. Christine dagegen war, wenigstens jetzt, sehr verändert. Sie sah nicht so schlank und anmutig aus wie ehedem, und ihr Gesicht war blasser, wodurch der schwache Flaum über der Oberlippe dunkler erschien. Nur die schönen Augen mit den langen Wimpern waren ihr geblieben und die frühere Sanftmut in ihrem Gesichtsausdruck. Aber die einst so wunderbaren Gesichtszüge hatten ihre Feinheit eingebüßt. Das mochte zwar nur vorübergehend sein, aber doch verglich Michael sie mit Bärbchen und sagte unwillkürlich zu sich:

Bei Gott, wie konnte ich diese lieben, damals, da ich beide nebeneinander sah! Wo hatte ich meine Augen?

Dagegen erschien Bärbchen Herrn Ketling wunderhübsch. Sie war es auch mit ihrem hellen, wirren Schopf, der bis über die Brauen fiel, mit ihrer Gesichtsfarbe, die durch ihre Krankheit von ihrer Röte verloren hatte und an die Farbe der weißen Rosen erinnerte. In diesem Augenblick war ihr Gesichtchen vor Freude ein wenig gerötet, und ihre zarten Nasenflügel bewegten sich lebhaft. Sie sah so jung aus, wie ein halb erwachsenes Mädchen, und auf den ersten Blick hätte man glauben können, sie sei um zehn Jahre jünger als Ketlings Gemahlin.

Aber ihre Schönheit wirkte derart auf den tief empfindenden Ketling, daß er nur noch inniger für seine Frau fühlte, weil er sich ihr gegenüber schuldig wußte.

Die beiden Frauen hatten sich schon alles erzählt, was sie sich in so kurzer Zeit erzählen konnten; darum ließ sich die ganze Gesellschaft jetzt an Bärbchens Bette nieder und begann von den alten Zeiten zu plaudern. Aber die Unterhaltung wollte nicht recht vorwärts gehen, denn es hatte in jenen Jahren so manche heikle Dinge gegeben: Michaels Vertraulichkeit mit Christine, seine Gleichgültigkeit gegen das jetzt so geliebte Bärbchen, mancherlei Versprechungen und mancherlei Verzweiflung. Der Aufenthalt in Ketlings Hause hatte für alle seinen Zauber gehabt und dankbare Erinnerungen in aller Herzen zurückgelassen; aber über ihn zu sprechen, ging nicht gut an.

Ketling begann auch gleich andere Saiten aufzuziehen.

»Ich habe noch nicht erzählt, daß wir unterwegs die Skrzetuskis besucht haben, die uns zwei Wochen hielten und uns eine Gastfreundschaft erwiesen, wie sie im Himmel nicht schöner sein kann.«

»Du lieber Gott, wie geht's den Skrzetuskis?« rief Sagloba. »Habt ihr auch ihn zu Hause angetroffen?«

»Ja, er war zu Hause. Er war auf Urlaub vom Hetman gekommen mit seinen drei ältesten Söhnen, die in der Linie dienen.«

»Skrzetuski habe ich seit unserer Hochzeit nicht gesehen,« sagte der kleine Ritter; »er war mit seinen Söhnen hier in den »Wilden Feldern«, aber wir trafen uns nicht.«

»Es ist ihnen allen dort furchtbar bange nach Euch,« sagte Ketling, zu Herrn Sagloba gewendet.

»Ach, und wie bang ist mir nach ihnen!« versetzte der alte Edelmann. »Aber das geht so: sitze ich hier, so ist mir nach ihnen bange, geh' ich dorthin, so wird mir bange sein nach diesem Eichkätzchen … So ist das Leben; saust der Wind nicht um das eine Ohr, so saust er ums andere; und am schlimmsten hat's der Verwaiste, denn hätte ich jemand, der mir angehörte, so brauchte ich nicht Fremde zu lieben.«

»Euch würden auch die leiblichen Kinder nicht mehr lieben als wir,« antwortete Bärbchen.

Als Sagloba das hörte, freute er sich sehr; er ließ die trüben Gedanken fahren und ließ bald seinen jovialen Humor wieder hören.

»Ei, ich war damals bei Ketling recht dumm, daß ich Christine und Bärbchen euch angehängt und an mich gar nicht gedacht habe. Es war noch Zeit …« Hier wandte er sich zu den Frauen. »Gesteht nur ein, ihr würdet mich beide geliebt haben, und daß eine jede von euch mich lieber genommen hätte als Michael oder Ketling.«

»Das versteht sich!« rief Bärbchen.

»Halschka Skrzetuska hätte mich auch lieber genommen; ja, jetzt ist's vorbei. Das nenn' ich ein braves Weib, kein Springinsfeld, der den Tataren die Zähne ausschlägt; ist sie wohlauf?«

»Es geht ihr wohl; sie grämt sich nur, weil ihnen die beiden mittleren Jungen, die in Lukow auf der Schule waren, zu den Soldaten entlaufen sind,« antwortete Ketling. »Er freut sich wenigstens noch, daß in den Burschen solche Lust zum Kriegshandwerk steckt, – aber die Mutter ist eben wie alle Mütter.«

»Haben sie viel Kinder?« fragte Bärbchen mit einem Seufzer.

»Es sind zwölf Knaben dort – und jetzt beginnt das schöne Geschlecht,« antwortete Ketling.

Und Sagloba versetzte: »Ha, auf diesem Hause ruht ein besonderer Segen Gottes. Alles das habe ich an meiner eigenen Brust aufgezogen, wie der Pelikan … Den mittleren Buben dreh' ich den Hals um, denn wenn sie schon davongelaufen sind, hätten sie hierherkommen sollen zu Michael … wartet einmal! … Es müssen Michael und Hans sein, die ausgerissen sind! Es gibt ihrer dort eine solche Menge, daß der Vater selbst ihre Vornamen vergißt. Krähen sieht man dort eine halbe Meile im Umkreis nicht, alles haben die Bengel mit ihren Terzerolen vertilgt; bah', eine solche Frau kann man mit Licht suchen. Wenn ich ihr sagte: Halschka, die Tölpel wachsen heran, nun heißt's neuen Nachwuchs, da schrie sie mich zornig an – aber zur rechten Zeit war er da, wie auf Befehl. Denkt euch, es kam soweit, wenn ein Weibsbild in der Gegend keine Mutterfreuden hatte, so lieh sie sich von Halschka Kleider – und das half, so wahr ich lebe.«

Alle waren so erstaunt darüber, daß für eine Weile Stillschweigen herrschte; plötzlich sagte der kleine Ritter:

»Hörst du, Bärbchen?«

»Willst du wohl stille sein, Michael!« gab Bärbchen zurück.

Aber Michael wollte nicht stille sein, denn es gingen ihm viele gewichtige Gedanken durch den Kopf, und besonders fiel ihm ein, man könnte bei dieser Angelegenheit noch eine andere, nicht minder wichtige, erledigen; darum begann er so von ungefähr, als spräche er von der allergewöhnlichsten Sache in der Welt:

»Bei Gott, wir sollten auch die Skrzetuskis besuchen; er wird zwar nicht zu Hause sein, denn er muß zum Hetman; aber sie ist ja doch vernünftig und pflegt Gott nicht zu versuchen, sie wird also zu Hause geblieben sein …« Hier wandte er sich zu Christine: »Der Frühling kommt, das Wetter wird schön werden; jetzt ist's für Bärbchen noch zu früh, aber etwas später. Ich würde wahrhaftig nichts dagegen haben, denn es ist Freundespflicht; Herr Sagloba könnte euch beide dorthin bringen, und zum Herbst, wenn es wieder ruhiger wird, würde auch ich euch folgen …«

»Das ist ein vortrefflicher Gedanke!« rief Sagloba, »ich muß ohnehin reisen, denn ich war schon recht undankbar gegen sie. Ja, ich habe vergessen, daß sie auch noch auf der Welt sind, ich schäme mich fast.«

»Was sagt Ihr dazu?« fragte Michael, Christine aufmerksam in die Augen sehend.

Sie antwortete ganz unerwartet mit der ihr eigenen Ruhe:

»Ich tät' es gern, aber es kann nicht sein, denn ich bleibe in Kamieniez bei meinem Manne und lasse ihn keineswegs allein.«

»Ums Himmels willen, was höre ich!« rief Herr Michael, »Ihr wollt in der Feste bleiben, die sicherlich belagert werden wird von einem Feinde, der keine Gnade kennt? Ich würde nichts sagen, wenn wir wenigstens mit einem ehrlichen Feinde kämpften, aber hier haben wir es mit Barbaren zu tun. Wißt Ihr auch, was das heißt, eine eroberte Stadt, türkische oder tatarische Gefangenschaft? Ich traue meinen Ohren nicht!«

»Und doch kann es nicht anders sein,« antwortete Christine.

»Ketling,« rief der kleine Ritter in Verzweiflung, »so läßt du dich beherrschen? Mensch, denke doch an Gott!«

»Wir haben lange erwogen,« antwortete Ketling, »und es ist dabei geblieben.«

»Unser Sohn ist schon in Kamieniez unter dem Schutze einer Verwandten. Muß denn Kamieniez durchaus erobert werden?«

Hier hob Christine ihre sanften Augen zum Himmel.

»Gott ist stärker als der Türke und wird unsere Hoffnung nicht zu Schanden werden lassen; da ich meinem Gatten geschworen, ihn bis in den Tod nicht zu verlassen, so ist mein Platz an seiner Seite.«

Der kleine Ritter geriet in arge Verlegenheit, denn er hatte von Christine etwas ganz anderes erwartet. Bärbchen aber, die schon zu Anfang der Unterredung bemerkt hatte, worauf Michael abzielte, lächelte listig, heftete ihre scharfen Augen auf ihn und sagte:

»Michael, hörst du?«

»Bärbchen, wirst du wohl stille sein!« rief der kleine Ritter in höchster Verzweiflung und warf ängstliche Blicke auf Sagloba, als erwarte er von ihm Hilfe. Aber dieser Verräter erhob sich plötzlich und sagte:

»Man muß auch an einen Imbiß denken, denn der Mensch lebt nicht vom Wort allein.«

Er verließ den Alkoven, doch Michael eilte ihm nach und trat ihm in den Weg.

»Nun, was soll jetzt geschehen?« fragte Sagloba.

»Nun, was?«

»Treffe Frau Ketling das Donnerwetter! Bei Gott, wie soll die Republik nicht untergehen, wenn die Weiber in ihr herrschen!«

 

»Wißt Ihr mir gar nichts zu raten?«

»Wenn du deine Frau fürchtest, was soll ich dir raten? Geh' zum Hufschmied und laß dich beschlagen!«

Ketling und seine Gattin blieben etwa drei Wochen. Nach Verlauf dieser Zeit versuchte Bärbchen das Bett zu verlassen, aber sie konnte noch nicht fest auf den Beinen stehen; die Gesundheit war schneller wiedergekehrt, als die Kräfte, und der Arzt befahl ihr liegen zu bleiben, bis sie ihre volle Kraft wiedererlangt habe. Inzwischen war es Frühling geworden; von den »Wilden Feldern«, vom Schwarzen Meer her wehte ein starker, warmer Wind, der den Wolkenschleier zerriß und hin und her schleuderte wie ein abgetragenes Kleid, und der dann die Wölkchen am Himmel zusammen und auseinander trieb, wie ein Schäferhund die Herde. Die Wolken, die vor ihm wichen, ergossen häufig reichlichen Regen über die Erde in dicken, beerengroßen Tropfen; die Überreste des Schnees und Eises tauten auf und bildeten in der ebenen Steppe Seen. Von den Abhängen floß das Wasser herab, auf dem Boden der Schluchten bildeten sich Ströme, die mit Rauschen und Gebrause zum Dniestr strebten, wie die Kinder freudig an den Busen der Mutter eilen. Durch die Wolken hindurch schimmerte immer wieder die Sonne, hell verjüngt in feuchtem Schleier, als habe sie in dieser allgemeinen Flut gebadet.

Da begannen die hellgrünen Grasähren aus dem Boden ihre Köpfchen zu erheben, an den dünnen Zweigen der Bäume schwollen üppige Blüten. Die Sonne wärmte immer stärker, am Himmel zeigten sich Scharen von Vögeln, Züge von Kranichen, wilden Gänsen, Störchen, dichte Wolken von Schwalben; die Frösche quakten in mächtigem Chor in dem erwärmten Gewässer, die kleinen, grauen Vögel hörten nicht auf zu singen, und durch Wald und Feld, durch Steppen und Schluchten tönte ein lautes Jauchzen, als rufe die ganze Natur in Jubel und Begeisterung: Der Frühling! U-ha, der Frühling!

Aber für diese unglückseligen Lande brachte der Frühling Trauer, nicht Freude – Tod, nicht Leben. Wenige Tage nach Ketlings Abreise empfing der kleine Ritter folgende Nachrichten von Herrn Myslischewski:

»Auf der Aue von Kantschukar ist eine beständige Ansammlung der Heere. Der Sultan hat große Summen in die Krim geschickt, der Khan kommt dem Doroschenko mit fünfzigtausend Mann von der Horde zu Hilfe. Die Lawine wird, sobald die Wasser sich verlaufen, die schwarze Heerstraße und die Straße von Kutschmin einherrollen. Gott sei der Republik gnädig!«

Wolodyjowski schickte sofort seinen Burschen Pientka mit dieser Nachricht zum Hetman; er selbst aber beeilte sich nicht, Chreptiow zu verlassen. Erstens konnte er als Soldat die Grenzwacht ohne Befehl des Hetmans nicht zurücklassen, und dann hatte er auch zu viele Jahre im Kampfe mit den Tataren gelebt, um nicht zu wissen, daß ihre Schar so rasch nicht vorwärts rückte. Noch hatte das Wasser sich nicht verlaufen, noch war das Gras nicht hoch genug gewachsen, noch standen die Kosaken in ihrem Winterlager. Die Türken erwartete der kleine Ritter nicht vor dem Sommer, wenngleich sie sich jetzt bei Adrianopel sammelten; eine so riesige Wagenburg, so zahlreiche Scharen von Soldaten, Lagerknechten, Lastpferden, Kamelen und Büffeln konnte sich nur langsam fortbewegen. Die tatarische Reiterei durfte er früher erwarten, gegen Ende des April oder Anfang Mai. Zwar pflegten von dem Gros der Armee, das viele zehntausend Krieger zählte, das Land kleinere, lockere Scharen und mehr oder minder zahlreiche Banden zu überziehen, wie einzelne Regentropfen dem großen Regenschauer vorausgehen, aber diese fürchtete der kleine Ritter nicht. Selbst die trefflichste tatarische Reiterei konnte auf offenem Felde den Berittenen der Republik nicht die Spitze bieten, um wie viel weniger diese Haufen, die bei dem bloßen Gerücht von dem Herannahen der Heere auseinanderstoben, wie der Staub vor dem Sturmwind.

In jedem Falle war noch Zeit genug. Selbst wenn es daran gemangelt hätte, wäre Herr Michael nicht abgereist, ohne sich ein wenig mit den Tatarenscharen zu reiben, so daß sie es fühlten und daran denken sollten. Er war Soldat vom Wirbel bis zur Zehe, Soldat von Beruf, darum erweckte die Nähe des Heeres in ihm nur den Durst nach Feindesblut und gab ihm zugleich die Ruhe wieder.

Sagloba war, obwohl er sein langes Leben hindurch vielen Gefahren ausgesetzt gewesen, doch viel weniger ruhig. In unvorhergesehenen Fällen fand er Mut; er hatte ihn schließlich durch lange, wenn auch ungewollte Praxis entwickelt, und manchen Sieg im Leben erfochten. Aber immer machte die erste Nachricht von Kriegsgefahr einen großen Eindruck auf ihn. Als der kleine Ritter ihm seine Ansicht darlegte, faßte er Mut, ja er forderte den ganzen Osten heraus, und erhob drohend seine Hände gegen ihn.

»Wenn die christlichen Nationen untereinander Krieg führen,« sagte er, »dann ist auch Christus im Himmel traurig, und alle Heiligen kratzen sich den Kopf; denn so pflegt es immer zu sein: wenn der Herr betrübt ist, ist auch das Gesinde betrübt. Aber wer den Türken schlägt, der tut dem Himmel einen Wohlgefallen. Ich habe es von einer geistlichen Persönlichkeit gehört, daß die Heiligen im Himmel gerade Übelheiten bekommen, wenn sie jene Hundeseelen sehen, so daß ihnen das himmlische Manna nicht bekommt, und ihre ewige Glückseligkeit einen Stoß erhält.«

»Gewiß ist es so,« versetzte der kleine Ritter, »aber die Macht der Türken ist unermeßlich, und unser Heer könnte man auf einer flachen Hand halten.«

»Die ganze Republik werden sie doch nicht erobern. Hatte Karolus Gustavus etwa eine kleine Macht? Damals hatten wir Krieg mit den Septentrionären, und mit den Kosaken, mit Rakoczy, und mit dem Kurfürsten – und wo sind sie heute? Haben wir nicht bis in ihre Schlupfwinkel Feuer und Schwert getragen?«

»Wohl wahr! Persönlich würde ich den Krieg nicht fürchten, um so weniger, als ich etwas tun muß, um Christus und der heiligen Jungfrau ihr Erbarmen mit Bärbchen zu vergelten. Gebe Gott nur die Gelegenheit! Aber um diese Lande ist es mir leid, die mit Kamieniez leicht in die Hände der Heiden fallen können, wenn auch nur auf kurze Zeit. Malt es Euch nur aus, welche Schändung der Kirche, welche Bedrückung des christlichen Volkes das zur Folge haben würde.«

»Sprich nur nicht von dem Kosakenpöbel, diesen Schurken! Gegen die eigene Mutter haben sie ihre Hände erhoben. Mag sie das treffen, was sie gewollt haben. Das wichtigste ist, daß Kamieniez sich hält. Wie denkst du, Michael, wird es sich halten?«

»Ich denke, der General von Podolien hat es nicht genügend gerüstet, und die Bürger, die sich durch ihre Lage sicher fühlen, haben auch ihre Pflicht nicht getan. Ketling hat mir erzählt, daß dort gut ausgerüstete Regimenter des Bischofs Trebizki hingekommen seien. Beim Himmel! Haben wir uns doch bei Sbarasch hinter einem elenden Wall gegen eine gleiche Übermacht gehalten, warum sollten wir uns jetzt nicht halten in diesem Adlerhorst?«

»Ja, ein Adlerhorst. Aber wer weiß, ob sich in ihm ein Adler finden wird, wie Wischniowiezki war, oder aber eine Krähe. Kennst du den General von Podolien?«

»Ein mächtiger Mann und ein trefflicher Soldat, aber ein wenig nachlässig.«

»Ich weiß, ich kenne ihn; ich habe es ihm manchmal vorgeworfen. Herr Potozki wünschte vorzeiten, ich sollte mit ihm zu seiner Erziehung ins Ausland reisen, damit er unter meiner Leitung gute Sitten lerne; aber ich antwortete: »Ich reise nicht mit ihm, er ist zu nachlässig; er hat an keinem Stiefel zwei Ösen und würde an den Höfen in den meinigen erscheinen müssen – und Saffian ist teuer.« Dann, zurzeit Maria Ludwika, trug er sich französisch. Aber die Strümpfe fielen ihm immer herunter und ließen die nackten Knöchel sehen. – Er reichte dem Wischniowiezki nicht bis an die Hüfte.«

»Die Kaufleute in Kamieniez fürchten auch die Belagerung. Sie würden es gern mit den Türken halten, wenn sie nur ihren Kram nicht zu schließen brauchen.«

»Die Schufte!« sagte Sagloba.

Bekümmernis erfaßte beide um das künftige Geschick von Kamieniez. Persönlich waren sie in schwerer Sorge um Bärbchen, die für den Fall der Übergabe der Festung das Los aller Einwohner teilen mußte.

Plötzlich schlug sich Sagloba an die Stirn.

»Ums Himmels willen,« sagte er, »was grämen wir uns, wozu nach dem lausigen Kamieniez gehen und uns dort einschließen? Ist es nicht besser, bei dem Hetman zu bleiben und auf freiem Felde den Feind zu bekämpfen? Und dann kann doch Bärbchen nicht mit zur Fahne; sie muß fort und zwar nicht nach Kamieniez, sondern weit von hier, sei es auch zu den Skrzetuskis. Michael, Gott schaut in mein Herz und sieht, wie es von Begierde gegen die Heiden glüht – aber für dich und für Bärbchen tue ich es, ich geleite sie fort von hier.«

»Ich danke Euch,« antwortete der kleine Ritter, »gewiß, wenn ich nicht in Kamieniez sein soll, wird auch Bärbchen nicht drängen. Aber was tun, wenn der Befehl vom Hetman kommt?«

»Was tun, wenn der Befehl kommt? Ei, so hole der Henker alle Befehle! Was tun? … Warte, ich will einmal scharf nachdenken. – Weißt du, man muß dem Befehl zuvorkommen.«

»Und wie das?«

»Schreibe sofort an Herrn Sobieski, tue, als ob du ihm neues mitzuteilen habest, und zum Schluß sage, daß du angesichts des herannahenden Krieges aus Liebe zu ihm in seiner Nähe bleiben und im offenen Felde kämpfen wollest. Bei Gott, ein trefflicher Gedanke! Denn erstens ist es ja unmöglich, daß er einen solchen Streifzügler, wie du bist, hinter Mauern halte, anstatt ihn im Felde zu gebrauchen, und zweitens wird dich der Hetman für einen solchen Brief noch mehr lieb gewinnen und an seiner Seite haben wollen. Er wird auch ergebene Soldaten nötig haben … Höre, wenn Kamieniez nicht standhält, so fällt der Ruhm dem General von Podolien zu, und was du im Felde tust, das geschieht zum Ruhme des Hetmans. Fürchte dich nicht, der Hetman wird dich nicht an den General abtreten, eher tritt er ihm einen anderen ab, aber dich und mich nicht … Schreibe den Brief, bringe dich ihm in Erinnerung; – ha, mein Witz ist doch etwas mehr wert, als daß ihn die Hühner auf dem Kehrichthaufen aufpicken. Michael, laß uns bei der Gelegenheit eins trinken, nicht? Schreibe den Brief!«

Michael war in der Tat sehr erfreut; er umarmte Sagloba, dachte eine Weile nach und sagte:

»Und dabei hintergehe ich weder Gott noch das Vaterland, noch den Hetman, denn gewiß, im offenen Felde werde ich viel leisten können. Ich danke Euch von ganzem Herzen; auch ich glaube, der Hetman wird mich zur Seite haben wollen, besonders nach diesem Brief. Aber wißt Ihr, was ich tun will, um auch Kamieniez nicht im Stich zu lassen? Ich statte auf meine Kosten ein Häuflein Fußvolk aus und schicke es hin; auch das will ich dem Hetman gleich schreiben.«

»Noch besser. Aber Michael, wo willst du die Leute hernehmen?«

»Ich habe in dem Keller an vierzig Räuber, die will ich nehmen. Stets wenn ich einen hängen lassen wollte, hat mich Bärbchen gequält, ihm das Leben zu schenken. Bärbchen hat mir manchmal geraten, aus den Banditen Soldaten zu machen; ich aber wollte es nicht, denn man mußte ein Exempel geben, aber nun sitzt uns der Krieg im Nacken, nun ist alles erlaubt. Es sind tüchtige Kerle, die schon Pulver gerochen haben. Ich will auch verkünden lassen, daß allen, die sich freiwillig aus den Schluchten und Klüften zum Regiment stellen, ihre Räubereien geschenkt sein sollen. Es werden sich wohl an die hundert Mann finden, und Bärbchen wird auch zufrieden sein. Ihr habt mir eine schwere Last vom Herzen genommen.«

Noch an diesem Tage schickte der kleine Ritter einen neuen Boten zum Hetman und verkündete den Banditen Gnade, wenn sie sich zum Fußvolk stellten. Sie gingen freudig darauf ein und versprachen, noch andere heranzuziehen. Bärbchen war über die Maßen erfreut. Es kamen Schneider aus Uschyz heran, aus Kamieniez und anderen Orten, um die Mannschaft einzukleiden. Die früheren Räuber wurden auf dem Maidan von Chreptiow in Reih und Glied gestellt. Michael lachte das Herz im Leibe bei dem Gedanken, daß er im offenen Felde kämpfen, daß er die Gattin nicht den Gefahren der Belagerung aussetzen und doch Kamieniez und dem Vaterland einen großen Dienst erweisen werde.

Die Arbeiten hatten schon einige Wochen gedauert, als eines Abends der Bote mit einem Brief vom Hetman Sobieski zurückkam. Er schrieb wie folgt:

»Mein geliebter und sehr werter Wolodyjowski!

Daß Du mir so fleißig alles Neue mitteilst, dafür danke ich Dir, dafür muß Dir das Vaterland dankbar sein. Der Krieg ist gewiß. Ich habe auch von anderen die Nachricht, daß auf den Feldern von Kantschukar eine große Macht steht, mit der Horde etwa dreimalhunderttausend Mann. Die Horden können jeden Augenblick losrücken. Auf nichts hat es der Sultan so abgesehen wie auf Kamieniez. Die Verräter, die Lipker, werden den Türken alle Wege zeigen und sie über Kamieniez unterrichten. Ich habe die Hoffnung, daß Gott die Natter, den Tuhaj-Bey-Sohn, in Deine oder in Nowowiejskis Hände liefern wird, dessen Schmerz ich tief empfinde. Quod attinet Deinen Wunsch, an meiner Seite zu sein, so weiß Gott, wie lieb es mir sein würde; aber es kann nicht sein. Der Herr General von Podolien hat mir zwar nach der Wahl zwiespältige Freundlichkeit erwiesen, aber ich will ihm den besten Soldaten schicken. Denn mir ist der Fels von Kamieniez teuer wie mein Augapfel. Es wird dort viele geben, die ein- oder zweimal im Leben den Krieg erfahren haben, aber nur so wie jemand, der einmal ein treffliches Gericht genossen hat, das er dann sein Leben lang in Erinnerung behält; aber ein Mann, der es genossen hat wie sein täglich Brot, und der mit erfahrenem Rate dienen könnte, fehlt dort; und wenn welche dort sind, so mangelt ihnen die nötige Würde. Darum schicke ich Dich dorthin, denn Ketling ist ein guter Soldat, aber weniger gekannt. Auf Dich aber wird die Bürgerschaft der Stadt ihr Auge gerichtet halten, und ich denke, wenn auch das Kommando in eines anderen Händen ist, so werden sie doch, was Du sagst, gern befolgen. Gefährlich ist dieser Dienst in Kamieniez, aber wir sind es gewohnt, im Regen naß zu werden, vor dem andere Schutz suchen. Uns ist genügender Lohn der Ruhm und die dankbare Erinnerung. Die Hauptsache ist das Vaterland, zu dessen Rettung ich Dich nicht anzuregen brauche.«

 

Dieser Brief, der vor den versammelten Offizieren verlesen wurde, machte einen tiefen Eindruck, denn sie alle hätten lieber im Felde gedient als in der Festung. Michael ließ den Kopf sinken.

»Was denkst du, Michael?« fragte Sagloba.

Wolodyjowski erhob sein Antlitz, das wieder völlig den alten Ausdruck gewonnen hatte, und sagte mit so ruhiger Stimme, als ob er keinerlei Enttäuschung erfahren habe: »Wir werden nach Kamieniez gehen … was soll ich denken?«

Und man konnte glauben, es sei nie ein anderer Gedanke in seinem Kopfe entstanden. Nach einer Weile warf er den Kopf zurück und sagte:

»He, Genossen, wir ziehen nach Kamieniez und wollen es halten, bis wir selbst fallen.«

»Bis wir fallen,« wiederholten die Offiziere; »einmal muß der Mensch sterben.«

Sagloba schwieg eine Weile; er ließ seine Blicke über die Anwesenden schweifen, und da er sah, daß alle auf das warteten, was er wohl sagen werde, sprach er:

»Ich gehe mit euch, hol' mich der Teufel!«