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Der kleine Ritter

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15. Kapitel

Der junge Nowowiejski reiste sofort, nachdem sie sich verlobt hatten, nach Raschkow, um ein Quartier für Frau und Fräulein Boska zu finden und herzurichten; zwei Wochen nach seiner Reise zog eine Karawane der Gäste von Chreptiow. Sie wurde gebildet von Nawiragh, den beiden Anardraten, Kieremowitsch, Neresowitsch, Seferowitsch, von Frau und Fräulein Boska, den beiden Herren Piotrowitsch und dem alten Nowowiejski, die Armenier aus Kamieniez nicht mitgerechnet, und die zahlreiche Dienerschaft und bewaffneten Knechte, welche die Wagen, die Zug- und die Saumtiere hüten sollten. Die Piotrowitschs und die geistlichen Delegaten des Patriarchen von Usmiadsin sollten in Raschkow nur Rast halten, dort Erkundigungen über den Weg einziehen und weiterreisen nach der Krim. Der Rest der Gesellschaft beschloß, sich auf eine Zeit in Raschkow niederzulassen, und wenigstens bis zum ersten Tauwetter auf die Rückkehr der Gefangenen zu warten: auf Boski, den jüngeren Seferowitsch und die beiden Kaufleute, die von ihren besorgten Gattinnen schon lange mit Sehnsucht erwartet wurden.

Es war ein mühsamer Weg, denn er führte durch Wüsteneien und Schluchten. Zum Glück hatten die reichlichen und trockenen Schneefälle eine ausgezeichnete Schlittenbahn geschaffen; die Anwesenheit des Heerkommandos in Mohylow, Jampol und Raschkow gaben Sicherheit. Asba-Bey war vernichtet, die Räuber gehenkt oder zerstreut, und die Tataren pflegten zur Winterszeit wegen des Mangels an Gras ihre Streifzüge nicht aufzunehmen.

Schließlich hatte Nowowiejski versprochen, wenn er nur die Erlaubnis von Ruschtschyz erhalte, mit etlichen zehn Pferden der Karawane entgegenzukommen. Und so reiste man denn sorglos und guter Dinge. Sophie wäre mit Herrn Adam bis ans Ende der Welt gegangen. Frau Boska und die beiden armenischen Frauen hofften in kurzer Zeit ihre Männer wiederzugewinnen. Raschkow lag zwar in entsetzlicher Einöde an der äußersten Grenze der christlichen Welt, aber man reiste ja doch nicht fürs ganze Leben hin, nicht einmal zu einem langen Aufenthalt. Zum Frühling sollte es Krieg geben; man sprach an den Grenzen allgemein davon, und darum mußte man, wenn die Geliebten wiedergewonnen, mit dem ersten warmen Winde heimkehren, um das Haupt vor tödlicher Gefahr zu schützen.

Evchen war in Chreptiow geblieben, Frau Barbara hatte sie zurückgehalten. Der Vater drängte auch nicht sehr, sie mit sich zu nehmen, da er sie im Hause so braver Leute wußte.

»Ich werde sie schon sicher hinschicken, oder ich bringe sie gar selbst,« sagte Bärbchen, »ja, eher bringe ich sie selbst, denn einmal im Leben möchte ich diese furchtbare Grenze sehen, von der ich soviel von Kindheit auf gehört habe. Im Frühling, wenn die Wege wieder von den Tatarenscharen wimmeln, wird es mein Mann nicht gestatten, aber jetzt, wenn Evchen hierbleibt, werde ich einen guten Vorwand haben. In etwa zwei Wochen werde ich anfangen, in ihn zu dringen, und in dreien habe ich sicher die Erlaubnis.«

»Euer Gatte, hoffe ich, wird Euch auch im Winter nicht ohne eine tüchtige Eskorte reisen lassen.«

»Wird er es möglich machen, so wird er selbst mit mir reisen, wo nicht, wird uns Asya mit zweihundert Pferden oder mehr begleiten, denn ich habe schon gehört, daß er nach Raschkow abkommandiert sein soll.«

Damit schloß die Unterredung, und Evchen blieb. Bärbchen hatte aber außer den wahren Gründen, die sie Herrn Nowowiejski auseinandersetzte, auch noch eine andere Absicht: sie wollte Asya die Annäherung an Evchen erleichtern, denn der junge Tatar begann sie zu beunruhigen. So oft er mit ihr zusammen war, antwortete er zwar auf ihre Fragen, daß er Evchen liebe, daß die alte Neigung noch nicht erloschen sei; so oft er sich aber mit Evchen allein befand – schwieg er. Inzwischen hatte sich das Mädchen in der Einsamkeit von Chreptiow sinnlos verliebt; seine wilde, aber prächtige Erscheinung, seine Kindheit, die er unter der rauhen Hand Nowowiejskis verbracht, seine fürstliche Abstammung, das lange Geheimnis, das darüber gewaltet hatte, und endlich sein Kriegsruhm hatten sie vollends bezaubert. Sie harrte nur des Augenblicks, um ihm das Herz, das lichterloh brannte, zu öffnen, um ihm zu sagen: »Asya, ich habe dich seit meinen Kindertagen geliebt,« in seine Arme zu fallen, und ihm Liebe zu schwören bis in den Tod. Er aber biß die Zähne zusammen und schwieg.

Evchen glaubte anfangs, die Anwesenheit des Vaters und des Bruders halte Asya vor dem Geständnis zurück; später aber erfaßte sie Unruhe, denn wenn auch der Vater und der Bruder unzweifelhaft Hindernisse bereitet haben würden, solange Asya das Bürgerrecht nicht besaß, so konnte er doch vor ihr sein Herz öffnen, ja mußte er es um so schneller, um so aufrichtiger öffnen, je mehr Hindernisse auf ihrem Wege lagen. Und er schwieg.

Endlich stahlen sich Zweifel in die Seele des Mädchens, und sie klagte Bärbchen ihr Geschick. Diese beruhigte sie aber und sagte:

»Ich leugne nicht, daß er ein seltsamer, furchtbar verschlossener Mensch ist, aber ich bin gewiß, daß er dich liebt, denn erstens hat er es mir oftmals gesagt, und dann sieht er dich mit anderen Blicken an als die anderen.«

Evchen aber schüttelte den Kopf und sagte traurig:

»Anders wohl, aber ich weiß nicht, ob Liebe oder Haß in diesem Blicke ist.«

»Gutes Evchen, sprich doch nicht so! Weshalb sollte er dich hassen?«

»Weshalb mich lieben?«

Bärbchen streichelte ihr mit ihrer kleinen Hand die Wange.

»Und weshalb hat Michael mich geliebt? Und weshalb hat dein Bruder Sophie liebgewonnen, da er sie kaum gesehen hatte?«

»Adam war immer schnell entschlossen.«

»Asya aber ist stolz und fürchtet eine Zurückweisung, besonders von deinem Vater, denn dein Bruder, der selbst liebt, würde eher die Qual der Liebe begreifen. Das ist es; sei nicht töricht, Evchen, fürchte dich nicht, ich will Asya tüchtig ausschelten, und du sollst sehen, er wird entschlossen sein.«

Noch an demselben Tage sprach Bärbchen mit Asya, und gleich nach dieser Unterredung lief sie eiligen Schrittes zu Evchen.

»Schon geschehen!« rief sie an der Schwelle.

»Was?« fragte Evchen, purpurrot.

»Ich habe so zu ihm gesagt: Was denkt Ihr Euch, wollt Ihr undankbar gegen mich sein, wie? Ich habe Evchen absichtlich hier behalten, damit Ihr die Gelegenheit benutzt; wenn Ihr sie aber nicht benutzt, so wißt, daß ich sie in zwei, höchstens drei Wochen nach Raschkow schicke und vielleicht selbst mit ihr reise, und Euch bleibt dann der Korb. – Sein Gesicht veränderte sich, als er von dieser Reise nach Raschkow hörte, und er sank mir zu Füßen. Ich frage ihn also, was er zu tun gedenke. – »Unterwegs,« sagt er, »will ich bekennen, was ich im Busen trage, unterwegs,« sagt er, »wird die beste Gelegenheit sein, unterwegs wird geschehen, was geschehen soll, was Bestimmung ist. Alles,« sagt er, »will ich bekennen, alles aufdecken; ich kann nicht länger leben in dieser Qual.« – Und seine Lippen zitterten förmlich, denn er hatte vorher Kränkung gehabt, er hatte heute früh ungünstige Briefe aus Kamieniez empfangen. Er sagte mir, er müsse ohnehin nach Raschkow, es sei bei meinem Manne schon lange ein Befehl des Hetmans zu dieser Reise, nur sei in dem Befehl die Zeit nicht angegeben, weil diese von den Verhandlungen abhänge, die er dort mit den Hauptleuten der Lipker führe. – »Und jetzt gerade,« sagt er, »kommt die Zeit heran, und ich muß ihnen entgegengehen bis über Raschkow hinaus, und so kann ich gleichzeitig Ew. Liebden und Fräulein Eva begleiten.« – Ich sagte ihm darauf, es sei noch unbestimmt, ob ich auch reise, denn das hänge von Michaels Erlaubnis ab. Bei diesen Worten erschrak er sehr; – ach, bist du töricht, Evchen! Du sagst, er liebe dich nicht, und er ist mir zu Füßen gefallen und hörte nicht auf zu bitten, daß ich mitreisen solle. Ich sage dir, er lallte förmlich, ich hätte aus Mitleid weinen mögen. Und weißt du, weshalb er das tat? Er hat es mir gleich gesagt: »Ich will bekennen,« sagt er, »was ich im Herzen trage, aber ohne Ew. Liebden Eintreten werde ich bei dem Herrn Nowowiejski nichts ausrichten; ich werde nur Zorn und Haß in ihnen und in mir wecken. In Ew. Liebden Händen liegt mein Schicksal, meine Qual, meine Erlösung, denn wenn Ew. Liebden nicht mitreisen, so wollte ich lieber, die Erde verschlänge mich, oder ein Blitz erschlüge mich!« – So liebt er dich, es ist kaum auszudenken! Und wenn du ihn gesehen hättest, wie er da aussah, du wärest erschrocken.«

»Nein, ich fürchte ihn nicht,« antwortete Evchen. Und sie küßte Bärbchens Hände.

»Fahrt mit uns!« wiederholte sie begeistert. »Ihr allein könnt uns retten, Ihr allein werdet Euch nicht fürchten, es dem Vater zu sagen, Ihr allein werdet etwas durchsetzen können. Fahrt mit uns; ich will Herrn Wolodyjowski zu Fußen fallen, damit er Euch die Erlaubnis gebe. Ohne Euch werden der Vater und Asya mit Messern aufeinander losstürzen, – fahrt mit uns, fahrt mit uns!«

Sie sprach's und sank zu Bärbchens Füßen und umfaßte sie schluchzend.

»So Gott will, fahre ich mit,« antwortete Bärbchen; »ich will Michael alles vorstellen, und will nicht aufhören, ihn zu quälen; auch allein kann man jetzt sicher reisen, um wie viel mehr unter so zahlreicher Bewachung. Vielleicht reist auch Herr Michael mit, er hat ein Herz und wird es erlauben. Erst wird er mich anschreien; aber wenn ich traurig sein werde, wird er bald um mich herumscharwenzeln, mir in die Augen sehen und – ja sagen. Ich würde es lieber sehen, daß er selbst mitreiste, denn mir wird furchtbar bange nach ihm sein, – aber was tun? Ich reise auch so, um Euch die Sache zu erleichtern … handelt es sich doch nicht mehr um meinen Wunsch, sondern um euer beider Schicksal. Michael ist dir gut, und ist Asya gut – er wird's erlauben!«

Asya aber war nach jener Unterredung mit Bärbchen voller Freude und Hoffnung auf sein Zimmer gestürzt, als sei er nach langer Krankheit plötzlich genesen und neu belebt. Kurz zuvor hatte wahnsinnige Verzweiflung sein Herz erfaßt. Gerade an diesem Morgen hatte er von Herrn Bogusch einen trockenen, kurzen Brief folgenden Inhalts erhalten:

 

»Mein lieber Asya! Ich habe in Kamieniez Halt gemacht und komme jetzt nicht nach Chreptiow. Erstens, weil Müdigkeit mich ergriffen hat, und zweitens, weil ich dort nichts zu tun habe. In Jaworowo bin ich gewesen. Der Herr Hetman will Dir nicht nur seine schriftliche Erlaubnis nicht geben, und Deine wahnsinnigen Pläne mit seiner Autorität nicht decken, sondern befiehlt Dir streng und bei Verlust seiner Gunst, daß Du sie auf der Stelle aufgebest. Ich habe auch die Überzeugung gewonnen, daß alles das, was Du mir gesagt hast, unnütz ist. Für ein christlich gebildetes Volk ist es sündhaft, sich mit den Heiden in solche Machenschaften einzulassen, und es wäre auch eine Schmach vor der ganzen Welt, Adelsprivilegien an Diebe, Räuber und Mörder, die unschuldiges Blut vergießen, zu verteilen. Erwäge es selbst und denke nicht mehr an die Hetmanswürde, sie ist nicht für Dich, wenn Du auch Tuhaj-Beys Sohn bist. Willst Du aber die Gunst des Hetmans ganz wiedererlangen, so gib Dich zufrieden mit Deinem Range, besonders aber beschleunige Dein Werk mit Krytschynski, Tworkowski, Adurowitsch und den anderen, denn dadurch wirst Du Dir das größte Verdienst erwerben. Eine Weisung des Hetmans über das, was Du tun sollst, sende ich mit diesem Briefe, und an Herrn Michael den Befehl von oben, daß er Dich gehen und kommen lasse mit Deinen Leuten, wann's Dir beliebt. Den Hauptleuten wirst Du sicher entgegeneilen müssen – und beschleunige das – und gib mir nach Kamieniez eilig Nachricht, was man drüben auf der anderen Seite hört. Indem ich Dich der göttlichen Gnade empfehle, bleibe ich mit unveränderlichem Wohlwollen Martin Bogusch aus Siembiz, Untertruchseß von Nowogrod.«

Als der junge Tatar diesen Brief gelesen hatte, verfiel er in eine entsetzliche Wut; erst zerrieb er das Schriftstück zu Staub in der Hand, dann bohrte er sein Dolchmesser ein über das anderemal in den Tisch, endlich ging er auf sein eigenes Leben los und auf den treuen Halim, der ihn auf Knieen flehentlich bat, nichts zu unternehmen, ehe sich seine Wut und seine Verzweiflung gelegt habe. Gewiß war dieser Brief für ihn ein tödlicher Stoß; der Bau, den sein Stolz, sein Ehrgeiz aufgeführt hatte, war wie von Pulver in die Luft gesprengt, alle seine Pläne vernichtet; er konnte der dritte Hetman in der Republik werden und gewissermaßen ihr Schicksal in seinen Händen halten, und nun sah er ein, daß er ein unbekannter Offizier bleiben müsse, für dessen Ehrgeiz das Bürgerrecht das höchste Ziel darstellte. Schon hatte er in seiner glühenden Einbildungskraft täglich die Massen gesehen, die ihm huldigend zu Füßen sanken, und nun würde er ihnen huldigen müssen. Wertlos war es für ihn, daß er Tuhaj-Beys Sohn war, daß das Blut fürstlicher Krieger in seinen Adern rollte, daß er ungeheure Gedanken in seiner Seele geboren hatte, – wertlos, alles wertlos; verkannt würde er nun leben, und vergessen sterben in irgend einem fernen Grenzblockhaus. Ein einziges Wort hatte seine Flügel gelähmt, ein einziges Nein hatte es zu Wege gebracht, daß er von nun an sich nicht mehr frei in die Lüfte erheben durfte, wie der Adler am Himmelszelt, sondern dahinkroch wie der Wurm am Boden.

Aber alles das bedeutete noch nichts im Vergleich zu dem Glück, das er mit den Augen, mit dem Herzen, mit der Seele, mit seinem Leben liebte. Sie wird niemals die Seine werden. Dieser Brief hatte ihm nicht nur den Hetmansstab, sondern auch sie entrissen, denn konnte Chmielnizki die Frau Tschaplinskis entführen, so konnte auch der mächtige Asya, der Hetman, das fremde Weib in seinen Besitz bringen und schützen, wenn nötig gegen die ganze Republik. Wie aber sollte Asya, der lipkische Hauptmann, der unter dem Kommando ihres Gatten diente, wie sollte dieser Asya sie seiner Gewalt entreißen?

Wenn er daran dachte, ward die Welt um ihn her schwarz und wüst, und Tuhaj-Beys Sohn wußte nicht, ob es nicht besser für ihn sei zu sterben, als zu leben ohne ein Recht zum Leben, ohne Glück, ohne Hoffnung, ohne das geliebte Weib. Das drückte ihn um so furchtbarer nieder, als er eine solche Wunde nicht erwartet hatte, vielmehr bei der Betrachtung des Zustandes der Republik mit jedem Tage mehr die Überzeugung in sich befestigte, daß der Hetman auf seine Pläne eingehen müsse. Und nun waren alle seine Hoffnungen auseinandergestoben, wie der Nebel vor dem Sturmwind. Was blieb ihm nun zu tun? – Dem Ruhm, dem Glück, der Größe zu entsagen. Aber daran dachte er nicht; im ersten Augenblick hatte ihn eine Raserei des Zorns und der Verzweiflung erfaßt; ein Feuer ging durch seinen Körper und brannte ihn schmerzhaft, er heulte und knirschte mit den Zähnen, rachsüchtige Gedanken wirbelten durch seinen Kopf. Rache wollte er nehmen an der Republik, an dem Hetman, an Michael, an Bärbchen sogar. Seine Lipker wollte er aufrufen, die ganze Besatzung niedermetzeln, alle Offiziere, ganz Chreptiow, Michael töten, Bärbchen mit Gewalt fortführen, mit ihr an das Moldauische Ufer fliehen und dann weit, weit in die Dobrudscha hinein und noch weiter, sei es auch nach Stambul selber, sei es auch in die asiatischen Wüsten.

Aber der treue Halim wachte über ihn, und er selbst sah, nachdem er sich von der ersten Wut und Verzweiflung erholt hatte, die ganze Unmöglichkeit dieser Pläne ein. Asya war auch hierin Chmielnizki ähnlich, daß in ihm ein Löwe neben der Schlange wohnte. Er würde mit den treuen Lipkern Chreptiow überfallen – und was dann? Würde Michael, der wachsam war wie ein Wächterhund, sich so plötzlich umzingeln lassen, und, wenn das gelänge, würde sich dieser treffliche Krieger besiegen lassen, der überdies noch eine größere Zahl von Soldaten, und von besseren Soldaten unter seiner Führung hatte? Und endlich, wenn Asya ihn auch besiegte, was dann? Wenn er den Fluß entlang ginge nach Jahorlik, so mußte er unterwegs die Kommandos in Mohylow, Jampol und Raschkow aufreiben, und gelangte er an das Moldauische Ufer, so saßen dort die Perkulaben, Michaels Freunde, und Habareskul von Chozim, sein geschworener Feind. Zöge er Dorosch entgegen, so ständen bei Brazlaw die polnischen Kommandos, und die Steppe war auch im Winter voll von Streifzüglern. All dem gegenüber empfand Tuhaj-Beys Sohn seine Machtlosigkeit; seine rachsüchtige Seele, die erst Flammen gespieen hatte, verkroch sich in dumpfer Verzweiflung, wie ein verwundetes Wild sich in die dunkle Höhle verkriecht – und blieb still.

Und wie maßloser Schmerz sich selbst tötet und in Erstarrung vergeht, so erstarrte auch er endlich ganz. Gerade in diesem Augenblick wurde ihm gemeldet, daß die Frau Kommandantin ihn zu sprechen wünsche.

Halim erkannte Asya kaum wieder, als er von dieser Unterredung zurückkehrte. Die Erstarrung war aus dem Gesicht des Tataren gewichen, seine Augen funkelten wie die einer Wildkatze, sein Gesicht glänzte, und die weißen Eckzähne traten unter seinem Schnurrbart hervor, – in seiner wilden Schönheit glich er ganz dem furchtbaren Tuhaj-Bey.

»Herr,« fragte Halim, »womit hat Gott dein Herz erfreut?«

Und Asya antwortete: »Halim, nach dunkler Nacht schafft Gott den Tag und befiehlt der Sonne, aus dem Meer emporzusteigen. Halim,« – hier faßte er den alten Tataren an den Schultern – »in einem Monat wird sie mein sein auf ewig!«

Und sein dunkelbraunes Gesicht strahlte in solchem Glanze, daß er schön erschien, und Halim verbeugte sich viele Male vor ihm.

»Sohn des Tuhaj-Bey, du bist groß und mächtig, und die Schlechtigkeit der Ungläubigen vermag nichts über dich.«

»Höre!« sagte Asya.

»Ich höre, Sohn des Tuhaj-Bey!«

»Wir werden ans blaue Meer ziehen, wo der Schnee nur auf den Bergen liegt, und wenn wir einmal heimkehren in diese Lande, so geschieht es an der Spitze der Scharen, zahlreich wie der Sand am Meere, wie die Blätter in diesen Wüsten – Feuer und Schwert vor uns hertragend. Du, Halim, Sohn des Kurdluk, machst dich noch heute auf den Weg; du gehst zu Krytschynski und sagst ihm, daß er gen Raschkow von jenseits mit seiner Schar kommen soll, und Adurowitsch, Morawski, Alexandrowitsch, Grocholski, Tworkowski und was von Lipkern und Tscheremissen lebt, solle mir auch entgegenziehen, und den Scharen, die mit Dorosch in den Winterlagern sind, sollen sie Meldung machen, damit sie von Human her plötzlich große Unruhen machen, damit die lechischen Kommandos aus Mohylow, Jampol und Raschkow hinausziehen in die weite Steppe. Auf dem Wege, den ich ziehe, soll kein Heer sein, dann wird, wenn ich hinausziehe nach Raschkow, nichts zurückbleiben als Asche und Trümmer.«

»Helfe dir Gott!« antwortete Halim.

Und er verbeugte sich wieder, und Asya neigte sich über ihn und wiederholte noch viele Male: »Sende Boten umher, denn wir haben nur einen Monat Zeit.«

Dann schickte er Halim fort, und als er sich allein befand, begann er zu beten, denn seine Brust war übervoll von Glück und Dankbarkeit gegen Gott.

Während des Gebets blickte er unwillkürlich durch das Fenster hinaus auf seine Lipker, die gerade die Pferde hinausführten, um sie am Brunnen zu tränken. Der Schloßhof wimmelte von ihnen, sie sangen leise ihre eintönigen Lieder, zogen die knarrenden Kräne und schöpften das Wasser in die Tröge. Der Dampf stieg in Doppelsäulen aus den Nüstern der Pferde und hüllte das Bild ein. Plötzlich trat aus dem Hauptgebäude Michael Wolodyjowski, in einen Schafspelz und Kalbstiefel gekleidet. Er ging zu den Lipkern heran und sprach mit ihnen; sie standen kerzengerade vor ihm, nahmen gegen die Sitte des Ostens die Kapuze von ihren Köpfen und horchten seinen Worten. Bei seinem Anblick hörte Asya auf zu beten, und murmelte vor sich hin:

»Ein Falke bist du, aber ich werde auf meinen Flügeln weiter gelangen als du, und du wirst in Chreptiow bleiben in Leid und Harm.«

Michael kehrte in fein Zimmer zurück, und auf dem Schloßhof ertönten wieder die Lieder der Lipker, das Wiehern der Pferde, das klagende, durchdringende Knarren der Brunnenkräne.

Der kleine Ritter schrie anfangs, ganz wie Bärbchen vorhergesehen hatte, auf, als sie von ihren Absichten sprach, er werde es nie dulden, denn er selbst könne nicht reisen, und ohne ihn werde er sie nicht reisen lassen; aber da begannen von allen Seiten Bitten und Zureden, die endlich seinen Entschluß wankend machten.

Bärbchen drängte zwar weniger, als er erwartet hatte, denn sie wollte überaus gern mit ihrem Gatten reisen, und ohne ihn verlor der Zug einen Teil seines Reizes. Evchen aber kniete vor ihm, küßte ihm die Hände und beschwor ihn bei seiner Liebe zu Bärbchen, seine Zustimmung zu geben.

»Niemand sonst wird es wagen, vor meinem Vater zu treten,« sagte sie zu ihm, »und ihm dies mitzuteilen. Weder ich noch Asya, nicht einmal mein Bruder, nur Frau Bärbchen kann das tun, denn ihr wird er nichts versagen.«

Darauf antwortete Wolodyjowski.

»Das Werben ist Bärbchens Sache nicht, und außerdem müßt Ihr doch hier herum zurückkehren, sie kann das also bei der Rückreise tun.«

Evchen antwortete durch Weinen: »Gott wisse, was bis zur Rückreise geschehe, sie sei sogar sicher, daß sie vor Gram sterben werde; aber für eine Waise, mit welcher niemand Mitleid habe, sei das wohl das beste.«

Der kleine Ritter besaß ein überaus weiches Herz; er drehte den Schnurrbart und ging im Zimmer auf und nieder; er konnte sich bei Leibe nicht von seinem Bärbchen trennen, nicht auf einen Tag, geschweige auf einige Wochen.

Und doch hatten ihn diese Bitten sehr gerührt, denn einige Tage nach diesem Ansturm sagte er abends:

»Wenn ich mitreisen könnte, wollte ich nichts sagen, aber es kann nicht sein, mich hält der Dienst hier fest.«

Bärbchen sprang zu ihm hin, legte ihre rosigen Lippen an seine Wange und wiederholte:

»Komm mit, Michael, komm mit, komm mit!«

»Das kann keineswegs sein,« antwortete Herr Michael entschieden.

Und wieder vergingen einige Tage. Während dieser Zeit beriet sich der kleine Ritter mit Sagloba, was er tun solle; dieser aber wollte ihm keinen Rat geben.

»Wenn es keine anderen Hindernisse gibt, als deine Gefühle,« sagte er, »was soll ich da reden? Beschließe selbst. Gewiß wird es hier öde sein, ohne den kleinen Heiducken; wäre ich nicht zu alt, und der Weg zu beschwerlich, so würde auch ich mitreisen, denn ohne sie mag ich nicht bleiben.«

»Nun, seht Ihr, Hindernisse gibt es in Wirklichkeit nicht; das Wetter ist ein wenig kalt, das ist alles, sonst ist es still, die Kommandos überall unterwegs; – aber ohne sie mag auch ich nicht bleiben.«

»Darum sage ich dir auch, beschließe selbst.«

Nach dieser Unterredung zögerte Michael wieder und erwog die Sache nach allen Seiten. Um Evchen tat es ihm leid; er dachte auch darüber nach, ob man das Mädchen mit Asya auf eine so weite Reise allein schicken könne, und darüber noch mehr, ob es nicht geboten sei, guten Menschen zu helfen, wenn sich eine so günstige Gelegenheit dazu biete. Denn worum handelte es sich: um Bärbchens Reise auf zwei bis drei Wochen, und sei es auch nur, um ihr das Vergnügen zu bereiten, Mohylow, Jampol und Raschkow zu sehen. Warum sollte das nicht geschehen? Asya mußte so oder so mit seiner Fahne nach Raschkow gehen, an Schutz mangelte es also nicht, ja er war fast überflüssig, da die Räuber vernichtet waren, und die Horde Frieden hielt.

 

Immer schwankender wurde der kleine Ritter in seinem Entschluß, und da die Frauen das bemerkten, erneuerten sie ihr Drängen, die eine, indem sie die Reise als eine gute Tat und ihre Pflicht darstellte, die andere weinend und klagend. Endlich brachte auch Tuhaj-Beys Sohn dem Kommandanten seine Bitte vor. Er wisse, sagte er, er sei dieser Gunst nicht würdig, aber er habe doch soviel Treue und Anhänglichkeit an die Wolodyjowskis gezeigt, daß er um die Gnade zu bitten wage. Er fühle eine große Schuld der Dankbarkeit gegen sie beide, denn sie haben nicht zugegeben, daß man ihn mißachte zu einer Zeit, wo noch niemand wußte, daß er Tuhaj-Beys Sohn sei. Er werde nicht vergessen, daß die Frau Kommandantin seine Wunden gepflegt, daß sie ihm nicht nur eine gnädige Herrin, sondern gleichsam eine Mutter gewesen sei. Beweise seiner Dankbarkeit habe er schon in der Schlacht mit Asba-Bey abgelegt, und er werde auch in Zukunft, wenn es nötig sein sollte, was Gott verhüte, mit Freuden für seine Herrin sein Haupt hingeben und seinen letzten Tropfen Blutes vergießen.

Dann erzählte er von seiner alten, unglücklichen Liebe zu Evchen. Er könne nicht leben ohne dieses Mädchen, er habe sie geliebt die ganze Zeit der Trennung hindurch, wenn auch ohne jede Hoffnung, und er werde nicht aufhören sie zu lieben. Aber zwischen ihm und dem alten Nowowiejski bestehe eine alte Feindschaft, und das alte Verhältnis des Dieners und des Herrn trenne sie gleichsam wie eine breite Schlucht. Die »Herrin« allein könne etwas erwirken, und wenn sie auch nichts durchsetzen sollte, so werde sie wenigstens das geliebte Mädchen vor der Tyrannei des Vaters, vor Kerker und Kantschu schützen.

Michael hätte vielleicht lieber gesehen, daß Bärbchen sich nicht in diese Angelegenheit mische; aber da er selbst gern wohltat, wunderte er sich auch nicht über das Herz seiner Gattin. Er antwortete zwar Asya noch nicht zustimmend, widerstand sogar Evchens erneuten Tränen, aber er schloß sich in seine Kanzlei ein und überlegte.

Endlich kam er an einem Abend mit heiterem Gesicht heraus und fragte plötzlich nach der Abendmahlzeit Tuhaj-Beys Sohn:

»Asya, wann ist der Zeitpunkt deiner Reise?«

»In einer Woche, gnädiger Herr,« versetzte der Tatar beunruhigt, »Halim muß die Verhandlungen mit Krytschynski dort schon beendet haben.«

»Befiehl auch den großen Schlitten auszupolstern, denn du wirst die beiden Frauen nach Raschkow bringen.«

Als Bärbchen das hörte, klatschte sie in die Hände und stürmte hüpfend zu ihrem Manne. Ihr folgte Evchen, und hinter dieser warf sich auch Asya mit einem wahnsinnigen Ausbruch der Freude zu seinen Füßen, so daß der kleine Ritter sich ihrer kaum erwehren konnte.

»Laßt mich,« sagte er, »was soll das heißen? Wenn man Menschen helfen kann, so fällt es einem schwer, nicht zu helfen, man müßte geradezu ein Herz von Stein haben; ich aber bin kein Tyrann. Du, Bärbchen, komm mir nur schnell wieder zurück, mein Lieb, und du, Asya, sorge mir gut für sie, auf diese Weise dankt Ihr mir am besten. Nun, nun laßt mich!«

Dann fügte er heiterer, um sich Mut zu machen, hinzu:

»Das Schlimmste ist dieses Weibergeheul; wenn ich Tränen sehe, bin ich ein verlorener Mann. Und du, Asya, sollst nicht nur mir und meiner Frau danken, sondern auch dem Fräulein, die wie ein Schatten hinter mir hergegangen ist, und mir ihr Leid beständig vor Augen gehalten hat. Du mußt ihr solche Liebe vergelten!«

»Ich will ihr vergelten, ich will ihr vergelten!« antwortete Asya mit seltsamer Stimme, und er griff dabei Evchens Hände, und küßte sie mit solcher Leidenschaft, daß man meinen konnte, er wolle sie beißen.

»Michael,« rief plötzlich Sagloba, auf Bärbchen zeigend, »was werden wir hier beginnen ohne dies Kätzchen?«

»Nun, es wird schlimm sein,« versetzte der kleine Ritter, »wahrhaftig, sehr schlimm.«

Dann fügte er leiser hinzu:

»Aber vielleicht wird Gott der Herr die gute Tat später segnen … versteht Ihr mich? …«

Indessen hatte das »Kätzchen« das neugierige blonde Köpfchen zwischen sie geschoben.

»Was sagt ihr?«

»Ei nichts,« gab Sagloba zurück, »wir sagen nur, zum Frühling werden gewiß die Störche kommen.«

Bärbchen rieb ihr Gesicht an dem Gesicht ihres Mannes wie eine echte Katze.

»Michael, ich werde dort nicht lange bleiben,« sagte sie.

Nach dieser Unterredung begannen von neuem Beratungen über die Reise, die tagelang währten. Michael sorgte selbst für alles; in seiner Gegenwart wurde der Schlitten hergerichtet und mit Fellen ausgepolstert, die man im Herbst den Füchsen abgenommen hatte; Sagloba brachte seine eigenen Decken zum Wärmen der Füße. Es sollten Wagen mit Betten und Lebensmitteln mitgehen, auch Bärbchens Apfelschimmel sollte mit, damit sie an gefährlichen, schluchtreichen Orten aus dem Schlitten auf das Pferd steigen konnte, denn Michael fürchtete besonders den Abstieg auf Mohylow zu, der wirklich lebensgefährlich war. Obgleich nicht die geringste Wahrscheinlichkeit für einen Überfall vorhanden war, befahl der kleine Ritter Asya, jegliche Vorsicht zu gebrauchen, immer eine Anzahl von Menschen auf eine gewisse Entfernung vorauszuschicken, und Nachtruhe unterwegs nur dort zu halten, wo Kommandos ständen, um die Dämmerung aufzubrechen, vor Nacht Rast zu halten, und unterwegs nicht unnütz zu säumen. Der kleine Ritter ging so weit in seiner persönlichen Sorge um alles, daß er mit eigener Hand die Terzerole lud, die in Bärbchens Satteldecke im Holfter steckten.

Endlich kam der Augenblick der Abreise. Es war noch finster, als zweihundert Pferde der Lipker auf dem Schloßhof in Reisebereitschaft standen. In dem Hauptgemach des Kommandantenhauses herrschte schon Leben, in den Kaminen brannten in hellen Flammen die harzigen Scheite, alle Offiziere, der kleine Ritter, Sagloba, Muschalski, Nienaschyniez, Hromyka und Motowidlo, mit ihnen die Genossen von den oberen Fahnen waren zum Abschied versammelt. Bärbchen und Evchen, noch warm und rosig vom Schlaf, aßen vor der Abreise ihre Weinsuppe; Michael saß neben seiner Gattin und hielt sie umfaßt, Sagloba goß ihnen die Suppe ein und wiederholte jedesmal: »Noch einen Teller, denn es ist kalt!« Beide waren wie Männer gekleidet, denn so pflegten die Frauen in den Grenzländern zu reisen. Bärbchen trug einen kleinen Säbel, ein Pelzchen aus Wildkatzenfell mit Wieselbesatz, einen Hermelinkalpak, sehr breite Höschen, die wie ein Unterrock aussahen, und weiche, gefütterte Kniestiefelchen. Über die Kleidung sollten noch warme Regenmäntel und Pelze mit Kapuzen zum Schutze des Gesichts kommen. Für jetzt aber war es noch unverhüllt, und die Soldaten bewunderten, wie immer, seine Schönheit. Die einen betrachteten begierig Evchen, deren feuchte Lippen sich wie zum Kusse wölbten, andere wiederum wußten nicht, wen sie zuerst ansehen sollten, so reizvoll erschienen ihnen beide, und sie flüsterten einander ins Ohr:

»Ein schweres Leben hier in dieser Einöde … glücklich ist der Kommandant, glücklich Asya … ach!«

Das Feuer in den Kaminen knisterte lustig, und die Hähne begannen zu krähen. Allmählich wurde es Tag, ein ziemlich kalter, heller Tag; die Dächer der Schuppen und der Soldatenquartiere, die mit dichtem Schnee bedeckt waren, erglänzten hellrot. Vom Schloßhof her tönte das Wiehern der Pferde und der Tritt der Soldaten, die von den Schuppen und Schenken herangekommen waren, um von Bärbchen und den Lipkern Abschied zu nehmen.