Za darmo

Der kleine Ritter

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

»Nur sei nicht zu vertraulich mit ihm.«

»Und warum nicht? Ist er etwa mein oder unser Diener? Ich bin Soldat, so er, ich bin Offizier, er auch, bah, wäre er so ein Lump vom Fußvolk, der das Regiment mit dem Rohrstock führt, so wollte ich nichts sagen; aber wenn er Tuhaj-Beys Sohn ist, so stammt er von nicht geringem Blute, er ist ein Fürst, das genügt, und den Adel wird der Hetman selbst ihm verschaffen. Wie sollte ich stolz über ihn hinwegsehen, da ich mit Kulak-Mirza Bruderschaft geschlossen, mit Bakschi-Aga, und alle diese würden sich nicht scheuen, bei Tuhaj-Beys Sohn die Schafe zu hüten.«

Evchen wandelte plötzlich die Lust an, den Bruder von neuem zu küssen. Sie setzte sich nahe an ihn heran und streichelte mit ihrer schönen, weißen Hand sein wirres Haupthaar, aber Herrn Michaels Eintritt unterbrach diese Liebkosungen.

Der junge Nowowiejski sprang auf, begrüßte den älteren Offizier und entschuldigte sich sogleich, daß er nicht zuerst dem Kommandanten die geziemende Ehre erwiesen; er käme nicht im Dienst, sondern als Privatmann. Wolodyjowski aber umarmte ihn freundlich und antwortete:

»Wer wollte es dir verübeln, teurer Genosse, daß du nach so vielen Jahren der Trennung erst deinem Vater zu Füßen gefallen? Etwas anderes wäre es, wenn du im Dienst kamst, aber du hast gewiß keinen Auftrag von Ruschtschyz?«

»Nur Grüße; Ruschtschyz ist ausgerückt, nach Jahorlik zu, denn er erhielt Nachricht, daß im Schnee Pferdespuren gefunden seien. Euren Brief hat mein Kommandant erhalten und sofort an die Horde geschickt, an seine Verwandten und Bruderschafter, damit sie dort forschen und Nachfrage halten. Er selbst antwortet nicht, denn er sagt, er habe eine zu schwere Hand und wenig Erfahrung in der Kunst des Schreibens.«

»Er tut das nicht gern, ich weiß,« sagte Herr Michael, »der Säbel ist sein Instrument.« Er drehte seinen Schnauzbart und fügte nicht ohne Stolz hinzu:

»Und dem Asba-Bey habt Ihr zwei Monate vergeblich aufgelauert?«

»Und Ihr habt ihn verschluckt, wie der Hecht den Weißfisch,« rief Nowowiejski im Eifer. »Je nun, Gott muß ihm wohl den Verstand verwirrt haben, daß er dem Ruschtschyz entwischte und Euch in die Hände lief; da hat er das Richtige getroffen, ha!«

»Mir hat Gott noch keinen Sohn geschenkt, aber wenn er mich dereinst beglücken wollte, so wünschte ich, er möchte diesem Jüngling ähnlich sein.«

»Nichts davon, nichts davon!« versetzte der junge Edelmann, »nequam – und genug.«

Trotz dieses Einwandes keuchte er förmlich vor Vergnügen: »Das wäre auch 'was Besonderes!..«

Der kleine Ritter streichelte währenddessen Evchens Wange und sagte zu ihr:

»Seht, Fräulein, ich bin kein Jüngling, aber mein Bärbchen ist nahezu in Eurem Alter, darum mach' ich ihr auch gern eine Freude, wie sie ihrem jugendlichen Alter ansteht. – Zwar lieben hier alle sie über die Maßen, aber ich hoffe, daß auch Ihr anerkennt, sie verdient's.«

»Du lieber Gott,« rief Evchen, »es gibt keine zweite in der Welt! Ich habe es eben erst gesagt.«

Der kleine Ritter war außerordentlich erfreut, sein Gesicht strahlte, und er entgegnete:

»Habt Ihr das wirklich gesagt, Fräulein, wie?«

»Wahrhaftig, sie hat's gesagt!« riefen Vater und Sohn zugleich.

»Nun, so legt nur Eure schmucksten Kleider an, denn ich habe ganz im geheimen eine Musikkapelle aus Kamieniez kommen lassen. Die Instrumente sind im Stroh verborgen, und ich habe ihr gesagt, die Zigeuner seien gekommen, um die Pferde zu beschlagen. Heute abend gibt es lustigen Tanz, sie hat das gern, obwohl sie tut wie eine gesetzte Matrone.«

Bei diesen Worten rieb sich Michael vor Freude die Hände und lächelte selbstzufrieden.

Der Schnee fiel so dicht, daß er den Graben der Grenzwacht füllte und sich auf dem Pfahlwerk wie ein Wall ansetzte. Draußen herrschte dunkle Nacht und Sturm, und drinnen im Hauptzimmer des Blockhauses von Chreptiow war heller Lichtschein. Zwei Geiger, der dritte war ein Baßgeiger, zwei Pfeifer und ein Waldhornbläser spielten auf. Die Geiger fuchtelten wie wahnsinnig mit dem Bogen, die Pfeifer und Waldhornbläser bliesen ihre Backen auf, daß ihnen die Augen übergingen. Die ältesten Offiziere und Genossen saßen auf den Bänken an den Wänden herum, einer neben dem anderen, wie weiße Tauben, die auf den Firsten der Dächer hocken, und sahen bei Met und Wein den Tanzenden zu. Das erste Paar bildete Muschalski, der trotz seiner vorgerückten Jahre ein ebenso ausgezeichneter Tänzer wie Bogenschütze war, und Bärbchen. Sie trug ein Kleid aus Silberlahn mit Hermelinbesatz und sah aus wie eine frische Rose in frischem Schnee. Jung und alt bewunderte ihre Schönheit, und unwillkürlich kamen Rufe des Erstaunens aus vieler Munde, denn obgleich Evchen und Sophie Boska ein wenig jünger waren als sie, und deren Schönheit über das gewöhnliche Maß hinausging, war sie doch unter ihnen die schönste. In ihren Augen leuchtete Freude und Lust; wenn sie an dem kleinen Ritter vorüberwirbelte, dankte sie ihm mit einem Lächeln für die bereitete Festlichkeit, und durch die geöffneten Lippen glitzerten die weißen Zähnchen; wenn sie, von Kopf bis Fuß in Silberglanz gehüllt, vorüberhuschte wie eine Flamme oder ein Sternchen, blendete sie Augen und Herz mit dem Zauber eines Kindes, eines Weibes, einer Blume.

Die offenen Ärmel, den Flügeln eines großen Schmetterlinges ähnlich, flatterten ihr nach, und wenn sie die Schöße ihres Jäckchens mit den Händen hob, um vor ihrem Tänzer einen Knix zu machen, schien sie mit dem Boden zusammenzufließen wie eine überirdische Erscheinung, oder wie eine Gebirgsquelle, die in Sommernächten über die Felsen dahinhüpft.

Draußen standen die Leute und drückten ihre wilden, bärtigen Gesichter an die erleuchteten Scheiben, um in das Gemach hineinzublicken. Es schmeichelte ihnen sehr, daß die vergötterte Herrin alle übrigen an Schönheit überstrahlte, denn alle nahmen Bärbchens Partei, und sie begrüßten sie, nicht ohne kleine Anspielungen auf Eva und Sophie, mit lauten Rufen, so oft sie sich dem Fenster näherte.

Herr Michael wuchs förmlich vor Freude und nickte mit seinem Kopf den Takt zu Bärbchens Bewegungen. Sagloba stand mit der Kanne neben ihm, schlug mit den Füßen auf, goß den Inhalt auf den Boden, dann wandten sich die beiden Männer einander zu und sahen sich mit schweigendem Entzücken an.

Und Bärbchen flog im Gemache umher, immer heiterer, immer anmutiger. Das hieß eine Wüste, – bald Schlacht, bald Jagd, bald Festlichkeit und Tanz, Musik, Soldatenlärm – und ihr Gatte der erste unter all diesen Soldaten, der Gatte, der sie liebte, und den sie wieder liebte! Bärbchen fühlte, daß ihr alle gut waren, daß man sie bewunderte, verehrte, daß der kleine Ritter dadurch immer glücklicher ward, darum fühlte sie sich selbst so glücklich wie die Vögel, wenn sie beim Eintritt des Frühlings in der Mailuft sich wiegen und laut und freudig Zwiegespräche halten.

Das zweite Paar bildete Asya und Eva, in ein karmesinrotes Jäckchen gekleidet. Der junge Tatar sprach kein Wort mit ihr, so berauscht war er von der weißen Erscheinung, die in dem ersten Paare glänzte. Sie aber glaubte, daß ihn die Rührung so stumm mache, und bemühte sich erst durch leichteres, dann durch kräftigeres Drücken seiner Hand, ihm Mut einzuflößen. Asya beantwortete auch ihren Händedruck bisweilen so kräftig, daß sie nur mit Mühe einen Aufschrei des Schmerzes unterdrückte, aber er tat das unwillkürlich, denn er dachte an nichts als an Bärbchen, sah niemand außer Bärbchen, und wiederholte in seiner Seele den furchtbaren Schwur, daß sie die Seine werden müsse, und sollte ganz Reußenland darüber in Flammen aufgehen. Dann wieder, wenn ihm auf Augenblicke die Besinnung wiederkehrte, überkam ihn die Lust, Evchen an der Kehle zu fassen, sie zu würgen und sich an ihr zu rächen für den Händedruck und dafür, daß sie zwischen seiner Liebe und Bärbchen stand. Wenn er dann das ahnungslose Mädchen mit seinen Falkenblicken durchbohrte, schlug ihr das Herz mächtiger, denn sie wähnte, daß er sie aus Liebe so mit den Augen verschlinge.

In dritten Paare tanzte der junge Nowowiejski mit Sophie Boska. Sie sah einem Vergißmeinnicht ähnlich und schritt mit gesenktem Blick neben ihm her. Er aber sprang und sah aus wie ein ausgelassenes Füllen. Seine eisenbeschlagenen Hacken sprühten Funken, sein Schopf flog hin und her, sein Gesicht überzog es glühend, seine Nasenflügel bebten, und er warf Sophiechen herum, wie ein Sturmwind das Blatt, und flog mit ihr durch den Raum. In seinem Innern jubelte es maßlos auf, und da er an den äußersten Grenzen der wilden Felder monatelang keine Frau gesehen hatte, gewann Sophiechen im Handumdrehen sein Herz. Immer wieder schaute er auf ihre gesenkten Wimpern, auf ihre rosigen Wangen und wieherte förmlich auf bei dem süßen Anblick; seine Hacken warfen immer neue Funken, immer feuriger zog er sie an seine breite Brust; in überschäumender Lust brach er in ein mächtiges Lachen aus und entbrannte immer heftiger in Liebe.

Sophie fühlte Furcht im Herzen; aber es war keine bedrückende Angst, denn sie fand Gefallen an dem Strom, der sie mit sich fortriß und davontrug. Ein wahrer Drache! Sie hatte verschiedene Ritter in Jaworowo gesehen, aber einen so feurigen hatte sie bisher nicht kennen gelernt, und keiner tanzte wie er, keiner hatte sie so an sich gezogen. Was sollte sie mit ihm beginnen, da sie ihm nicht widerstehen konnte?

Im folgenden Paare tanzte mit einem artigen Genossen Fräulein Kaminska. Dann kam Frau Kieremowitsch und Neresowitsch, die man auch eingeladen hatte, obwohl sie Bürgersfrauen waren, denn beide Frauen hatten höfische Manieren und waren sehr wohlhabend. Der ernste Nawiragy und die beiden Anardraten schauten mit wachsendem Erstaunen den polnischen Tänzen zu. Die Alten machten beim Met ein lautes Gesumme und Gesurre, wie es die Heupferdchen auf dem Stoppelfeld zu machen pflegen; die Kapelle aber übertönte allen Lärm, und die Lust in den Herzen wuchs immer mehr.

 

Bärbchen verließ ihren Tänzer, lief tiefatmend zu ihrem Gatten und faltete vor ihm die Hände.

»Michael,« sagte sie, »den Soldaten ist draußen so kalt, laß ihnen doch ein Tönnchen geben!«

Er war über die Maßen heiter, küßte ihre Fäustchen und rief:

»Mein Blut wollte ich hingeben, um dir eine Freude zu machen!«

Er eilte selbst hinaus, um den Leuten zu sagen, auf wessen Fürbitte sie ein Tönnchen haben sollten, denn er wünschte, daß sie Bärbchen dankbar seien und sie um so mehr liebten.

Und als sie zur Antwort schrieen, daß der Schnee vom Dache fiel, rief der kleine Ritter noch:

»Und Feuer geben aus den Musketen, vivat die Herrin!«

Bei seiner Rückkehr ins Gemach tanzte Bärbchen mit Asya. Als der Lipker ihre holde Gestalt mit seinem Arm umfaßt hielt, als er ihren Atem warm um sein Gesicht spürte, gingen ihm die Augen über, und die ganze Welt drehte sich im Kreise um ihn her. Er verzichtete in seinem Innern auf die Freuden des Paradieses, auf alle Wonnen, – nur diese eine begehrte er.

Da erblickte Bärbchen im Vorbeifliegen das Karmesinröckchen Evas, und begierig zu wissen, ob Asya dem Mädchen seine Liebe schon bekannt habe, fragte sie:

»Habt Ihr Euch erklärt?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Noch ist's zu früh,« sagte er mit seltsamem Gesichtsausdruck.

»Und Ihr seid sehr verliebt?«

»Wahnsinnig!« rief Tuhaj-Beys Sohn mit leiser, aber heiserer, dem Krächzen des Raben ähnlicher Stimme.

Und sie tanzte weiter, unmittelbar hinter Nowowiejski, der jetzt als erstes Paar tanzte. Die anderen hatten ihre Tänzerinnen schon gewechselt, dieser aber tanzte noch immer mit Sophie. Von Zeit zu Zeit nur ließ er sie auf die Bank nieder, damit sie Atem schöpfe, dann stürzte er sich von neuem in den Wirbel.

Endlich machte er vor der Musikkapelle Halt, umfaßte Sophie mit der einen Hand, die andere stemmte er in die Seite und rief den Musikanten zu:

»Einen Krakowiak! Spielt auf, Musikanten!«

Sie gehorchten dem Befehl und fiedelten drauf los. Nowowiejski schlug mit den Füßen auf und sang mit machtvoller Stimme:

 
Tausend helle Bächlein
Hin zum Dniestr streben,
Wie zu dir mein Herze strebt,
Mein geliebtes Leben!
U-ha!
 

und dieses Uha schrie er so kosakenmäßig, daß Sophiechen erschreckt zusammenfuhr. Auch der ernste Nawiragh, der in der Nähe stand, erschrak, die beiden gelehrten Anardraten erschraken, Nowowiejski aber führte den Tanz weiter, flog zweimal im Gemache herum, stellte sich dann vor die Musik hin und sang so weiter:

 
Und in Dniestrs Fluten
Taucht das arme Dinglein,
Bis es aus der Tiefe
Fischt das goldne Ringlein!
U-ha!
 

»Recht artige Verse!« rief Sagloba, »ich verstehe mich darauf, ich habe auch so manche gemacht; angle nur, angle, junger Ritter, und wenn du den Ring erwischt, so will ich dir meinen Vers singen:

 
Jeder Bursch ist Kiesel
Zunder jedes Mädchen,
Schlag nur an den Funken,
Flackert hell das Fädchen!
U-ha!«
 

»Vivat, vivat, Herr Sagloba!« schrieen die Offiziere und Genossen mit so lauter Stimme, daß der ernste Nawiragh erschrak, und die beiden gelehrten Anardraten erstaunt einander ansahen. Und Nowowiejski flog noch zweimal im Zimmer herum. Endlich setzte er das müde und durch die Kühnheit ihres Kavaliers eingeschüchterte Mädchen auf die Bank. Sie hatte ihn lieb, den tüchtigen, redlichen, feurigen Burschen, aber gerade weil sie solchem noch nicht begegnet war, hatte sie eine große Verwirrung erfaßt, daß sie die Augen noch tiefer senkte und still und ruhig im Winkel saß.

»Warum schweigt Ihr, warum seid Ihr so traurig?« fragte Nowowiejski.

»Weil Väterchen in Gefangenschaft ist,« antwortete Sophie mit ihrem zarten Stimmchen.

»Nicht doch,« sagte der Heldenjüngling, »jetzt ziemt es zu tanzen! Seht Euch nur im Raume um: so viele unserer hier sind, keiner stirbt eines ruhigen Todes; von heidnischen Pfeilen oder gar in der Gefangenschaft enden wir alle, der eine heut, der andere morgen. Jeder von uns hier in diesen Grenzländern hat einen der Seinigen verloren, und doch sind wir lustig und guter Dinge, damit der liebe Herrgott nicht glaube, wir murren gegen den Dienst. Nicht wahr, hier heißt es tanzen? Lächelt doch, Fräulein, laßt mich Eure Äuglein sehen, sonst denke ich, daß Ihr mir böse seid.«

Sophie erhob zwar ihre Augen nicht, aber ihre Mundwinkel verzogen sich, und in ihren rosigen Wangen zeigten sich zwei Grübchen.

»Habt Ihr mich wenigstens ein bißchen gern?« fragte der Jüngling wieder.

Und Sophie antwortete darauf mit noch leiserer Stimme:

»Ja, gewiß.«

Hier sprang Nowowiejski in die Höhe, ergriff Sophiens Hände und bedeckte sie mit Küssen.

»Es ist aus,« rief er, »ich habe mich sterblich in Euch verliebt! Keine andere will ich als Euch, mein herziges Mädchen; Gott, wie ich Euch liebe! Morgen will ich Eurer Mutter zu Füßen fallen … was, morgen? – heute noch, denn ich muß Gewißheit haben, daß Ihr mir wohlwollt!«

Der mächtige Donner der Schüsse draußen übertönte Sophiens Antwort. Die erfreuten Soldaten gaben Salven ab zu Bärbchens Ehren, die Scheiben zitterten, die Mauer bebte bei ihren Vivatrufen; zum drittenmal erschrak der ernste Nawiragh, erschraken die beiden gelehrten Anardraten; aber Sagloba, der neben ihnen stand, beruhigte sie in lateinischer Rede:

»Apud Polonos,« sagte er zu ihnen, »nunquam sine clamore et strepitu gaudia fiunt.«

Es schien, als hätten alle nur auf dieses Musketenfeuer gewartet, damit die Heiterkeit den höchsten Grad erreiche. Die übliche Sitte der Edelleute wich jetzt der Steppenwildheit. Die Kapelle schmetterte, der Tanz ward wilder, die Augen glühten, selbst die ältesten stürzten sich in den Tanz. Laute Rufe erfüllten das Zimmer, man trank und war ausgelassen; aus Bärbchens Schuh ward ein Vivat getrunken, man schoß auf Evchens Hacken, und Chreptiow hallte wider vom Spiel und Gesang und Tanz bis zum frühen Morgen, daß das Wild in der nahen Wüste sich in das tiefste Dickicht zurückzog.

Und da alles dies nahezu am Vorabend des entsetzlichen Krieges mit der türkischen Macht geschah, da über all' diesen Menschen der Schrecken und die Vernichtung hing, staunte der ernste Nawiragh über diese polnischen Soldaten gar sehr, und nicht minder staunten die beiden gelehrten Anardraten.

Am anderen Morgen in später Stunde schlief alles noch. Nur die Soldaten der Wacht und der kleine Ritter, der nie wegen eines Vergnügens den Dienst versäumte, waren auf ihrem Platze. Auch der junge Nowowiejski hatte sich frühzeitig erhoben, denn Sophie Boska war ihm lieber als die Ruhe. Er kleidete sich am frühen Morgen schön an und begab sich in das Gemach, in dem man gestern getanzt hatte, um zu hören, ob in den anstoßenden Kammern der Frauen nicht schon Bewegung zu vernehmen sei. In dem Zimmer, das Frau Boska innehatte, hörte man schon Leben, aber der ungeduldige Jüngling mochte nicht warten, er ergriff das Messer, um das Moos und den Lehm zwischen den Balken loszulösen, und so wenigstens durch einen kleinen Spalt mit einem Auge Sophie erspähen zu können.

Bei dieser Beschäftigung traf ihn Sagloba, der gerade mit dem Rosenkranz eintrat, und da er bald merkte, um was es sich handelte, kam er auf den Fußspitzen heran und bearbeitete den Rücken des Ritters mit den Perlen aus Sandelholz. Dieser lief davon und wandte sich lachend um, aber er war sehr verwirrt; der Alte folgte ihm, schlug ihn immer von neuem und rief ein über das anderemal:

»Ei seht doch, bist du ein Türke oder ein Tatar? Exerciso te! Sind das mores? Die Weiber willst du ansehen? Ei, daß dich!«

»Freund,« rief Nowowiejski, »es ziemt sich nicht, den heiligen Rosenkranz zum Kantschu zu machen; laßt mich, ich hatte keine sündigen Absichten …«

»Es ziemt sich nicht, sagst du, mit dem heiligen Rosenkranz zu schlagen? Das ist nicht wahr; die Palme ist am Ostersonntag auch heilig, und doch schlägt man damit. Ha, das war einst ein heidnischer Rosenkranz und gehörte dem Subhagasi; bei Sbarasch habe ich ihm diesen abgenommen, und dann hat ihn der apostolische Nuntius geweiht. Sieh her, echtes Sandelholz.«

»Ich hatte keine sündige Absicht,« wiederholte der Jüngling, »so wahr ich lebe!«

»Nur aus Frömmigkeit hast du das Loch gebohrt, wie?«

»Nicht aus Frömmigkeit, sondern aus Liebe, aus so außerordentlicher Liebe, daß ich glaube, ich müßte auseinandergehen. Warum soll ich Umschweife machen, wenn es so ist? Die Bremsen quälen im Sommer die Pferde nicht so, wie mich die Liebe quält!«

»Ei, schau', daß das nur keine sündige Begehrlichkeit sei, denn als ich hier eintrat, konntest du dich kaum auf den Füßen halten und schlugst mit den Fersen aneinander, als ob du auf Kohlen ständest.«

»Ich habe nichts gesehen, so wahr ich lebe, denn ich hatte erst einen kleinen Spalt gebohrt.«

»Ha, die Jugend, das junge Blut! Ja, ich muß mich auch bisweilen im Zaume halten, denn noch wohnt in mir ein leo qui querit, quem devoret. Wenn du reine Absichten hast, so denkst du ans Heiraten?«

»Ob ich ans Heiraten denke! Großer Gott, woran sollte ich denn denken? So wisset Ihr nicht, daß ich mich schon gestern der Frau Boska erklärt habe, und daß mir mein Vater seine Zustimmung gegeben hat?«

»Ein feuriger Bursche, hol' dich der Henker, das ist etwas anderes! Aber erzähle, wie war das?«

»Frau Boska ging gestern in ihre Kammer, um für Sophie ein Tuch zu holen. Ich folgte ihr. Sie drehte sich um – Wer da? – Plauz, liege ich ihr zu Füßen! – Schlagt mich, Mutter, aber gebt mir Sophiechen, meine Glückseligkeit, meine einzige Liebe! – Frau Boska erholt sich von ihrer Überraschung und sagt so: Es loben Euch alle und halten Euch für einen würdigen Jüngling. Mein Mann ist in Gefangenschaft, und Sophie ist ohne Schutz auf dieser Welt. Indessen kann ich Euch heute noch keine Antwort geben, auch morgen nicht, – später einmal, und Ihr braucht ja auch die Einwilligung Eures Vaters. – Mit diesen Worten ging sie, weil sie glaubte, daß ich das im Rausch getan habe. Ich war ja auch ein wenig …«

»I nicht doch, es waren alle ein wenig angeheitert, – hast du nicht bemerkt, wie dem Nawiragh und den Anardraten die spitzen Mützen schief auf dem Kopfe saßen?«

»Ich habe es nicht bemerkt, denn ich machte im Innern schon Pläne, wie ich am leichtesten die Zustimmung vom Vater erlange.«

»Und wurde es dir schwer?«

»Gegen Morgen ging ich mit ihm ins Quartier, und da man das Eisen schmieden muß, solange es heiß ist, sagte ich mir, du mußt gleich mal die Fühlhörner ausstrecken, wie der Vater es aufnehmen wird. Ich sage also: Hör', Vater, ich muß die Sophie haben, und ich brauche deine Zustimmung, und wenn du sie mir nicht gibst, so gehe ich zu den Venetianern und lasse mich dort anwerben, und dann werdet Ihr mich so viel sehen – Wie der nicht über mich herfällt in blinder Wut: Solch' ein Sohn! sagt er; du kannst ohne Erlaubnis fertig werden, geh' zu den Venetianern oder nimm dir das Mädchen, wie du willst, aber das eine sag' ich dir: keinen Heller bekommst du, weder von meinem noch von der Mutter Teil, denn alles ist mein eigen.«

Sagloba schob die Unterlippe vor: »Ei, schlimm!«

»Hört nur weiter: Wie er so spricht, sage ich gleich: Hab' ich denn darum gebeten, oder brauch ich es denn? Deinen Segen brauche ich, nichts weiter. Denn die heidnische Beute, die meinem Schwerte zufiel, reichte zu einer guten Pacht, ja zu einem mäßigen Gütchen. Was an Mutterteil da ist, mag für Evchen zur Mitgift bleiben, ich lege auch noch eine und die andere Handvoll Türkisen hinzu und Atlas und Gold- und Silbergeweb', und wenn ein schlimmes Jahr kommt, so helfe ich auch noch dem Vater mit barem aus. Da ward der Vater furchtbar neugierig.«

»So reich bist du?« fragte er, »ums Himmels willen, woher? Von der Beute? Denn fortgegangen bist du arm wie eine Kirchenmaus.«

»Ich bitte Euch, Vater,« antwortete ich ihm, »ich bin doch elf Jahre draußen und arbeite mit diesen Fäusten, und wie die Leute sagen, nicht übel, und sollte gar nichts gesammelt haben? Ich war beim Sturm der rebellischen Burgen, in denen das Gesindel und die Tataren Beute von beträchtlichem Werte aufgehäuft hatten, ich habe die Mirzen und die Räuberscharen geschlagen, und die Beute wuchs und wuchs. Ich nahm nur das, was mir zuerkannt wurde – und schädigte keinen; so wuchs es an, und wenn der Mensch nicht liederlich wäre, so besäße er zweimal soviel, wie Ihr in Eurer Hauswirtschaft braucht.«

»Und was sagte der Alte da?« fragte Sagloba belustigt.

»Der Vater war erstaunt, denn er hatte das nicht erwartet, und begann bald über meine Verschwendung zu klagen: Es sei, sagt er, vorhanden, aber solch ein Windbeutel, solch ein Tagedieb, der sich nur gern aufbläht und den Magnaten spielt, der bringe alles durch und halte nichts fest; dann übermannte ihn die Neugier, und er fragte mich eingehend aus, was ich habe; und da ich sah, daß ich nur gut zu schmieren brauchte, um gut zu fahren, so verbarg ich ihm nicht nur nichts, sondern ich log noch ein bißchen hinzu, obwohl ich nicht gern schönfärbe, denn ich meine, die Wahrheit ist Hafer, und die Lüge ist Häcksel. Der Vater griff sich mit beiden Händen an den Kopf und dachte nach: Dies und das könnte man zukaufen, sagte er, diesen und jenen Prozeß fördern; wir würden Rain an Rain wohnen, und in deiner Abwesenheit würde ich alles beaufsichtigen. Und da brach das weiche Vaterherz in Tränen aus. – Adam, sagte er, das Mädchen hat mir für dich sehr gefallen, besonders, da sie unter dem Schutze des Hetmans steht, und daraus könnte dir auch ein Nutzen erwachsen. Adam, sagt er, daß du mir aber auch meine zweite Tochter behütest und sie mir nicht zugrunde richtest, sonst würde ich es dir in meiner Todesstunde nicht verzeihen. – Und ich, wie ich nur das Wort höre von Sophiechens Kränkung, brülle los, wir fallen uns einander in die Arme und weinten akkurat, bis die Hähne krähten.«

 

»Alter Schelm!« brummte Sagloba. Dann fügte er laut hinzu:

»Ha, da können wir bald in Chreptiow eine Hochzeit und neue Festlichkeiten haben, besonders da der Karneval kommt.«

»Wenn es von mir abhinge, könnte es schon morgen sein!« rief Nowowiejski feurig. »Aber das geht nicht so; mein Urlaub ist in kurzem beendet, und Dienst ist Dienst, ich muß nach Raschkow zurück. Je nun, Herr Ruschtschyz gibt mir auch einen zweiten Urlaub, das weiß ich, aber ich bin nicht sicher, ob es nicht von seiten der Frauen eine Verzögerung gibt. Mache ich mich an die Mutter, so sagt sie: Mein Mann ist in der Gefangenschaft – , mache ich mich an die Tochter, was sagt sie? – Väterchen ist in der Gefangenschaft! Was soll das heißen? Halte ich diesen Vater in Ketten, oder was? Ich fürchte, es gibt Hindernisse. Wenn das nicht wäre, faßte ich den Priester Kaminski am Gewand und ließ ihn nicht los, ehe er mich mit Sophiechen verbunden hat. Aber wenn sich die Weiber was in den Kopf setzen, so kriegt man es auch mit Zangen nicht heraus. Meinen letzten Groschen gäbe ich hin und ginge selbst hin, den Vater holen, – aber wie soll ich's anfangen? Weiß doch niemand, wo er ist; vielleicht ist er gar gestorben … da kann man lange suchen! Wenn sie mich warten lassen wollen auf diesen Vater, so kann ich bis zum jüngsten Gericht warten.«

»Die Piotrowitschs machen sich morgen mit Nawiragh und den Anardraten auf den Weg, wir werden bald Nachricht haben.«

»Himmel, hilf, ich soll erst auf diese Nachrichten warten? Vor dem Frühling könnte nichts kommen, und inzwischen gehe ich ein, so wahr ich Gott liebe! Verehrter Freund, alle Welt glaubt an Euren Verstand und Eure Erfahrung, schlagt Ihr doch den Weibern dieses Zaudern aus dem Kopf! Freund, im Frühling gibt es Krieg, Gott weiß, was geschieht. Ich will ja Sophiechen heiraten, nicht den Vater; wie sollte ich dem Liebeserklärungen machen?«

»Rede den Weibern zu, nach Raschkow mitzufahren und sich dort niederzulassen. Dort bekommen sie leichter eine Nachricht, und wenn Piotrowitsch Boski findet, wird er es nahe zu euch haben, und dann: ich will tun, was ich vermag, du aber bitte Frau Bärbchen, daß sie für Euch eintrete.«

»O das will ich, das will ich, denn mich holt der Teu…«

Da knarrte die Tür, und Frau Boska trat ein. Ehe Sagloba sich noch umsehen konnte, war der junge Nowowiejski seiner ganzen Länge nach zu ihren Füßen hingestürzt, er bedeckte mit seinem Riesenkörper einen ungeheuren Raum der Diele und rief:

»Ich habe die Einwilligung des Vaters, gebt mir Sophiechen, Mutter, gebt mir Sophiechen!«

»Gebt ihm Sophiechen, Mutter,« wiederholte Sagloba im tiefen Baß.

Der Lärm lockte die Leute aus den Nachbarkammern herein, Bärbchen kam, Michael trat aus seiner Kanzlei, und gleich hinter ihnen erschien Sophie. Das Mädchen durfte doch nicht erraten, um was es sich handle, aber ihr Gesicht übergoß ein dunkles Rot, sie drückte die Hände zusammen, machte ein Mäulchen und stand mit gesenkten Augen im Winkel. Herr Michael lief, um den alten Herrn Nowowiejski herauszuholen. Er kam und wütete, daß sein Sohn nicht ihm das Amt übertragen, daß er nicht seiner Beredsamkeit die ganze Sache überlassen habe, stimmte aber doch seiner Bitte bei.

Frau Boska, welcher wirklich jeder nähere Schutz in der Welt fehlte, brach endlich in Tränen aus und gab ihre Zustimmung sowohl zu der Bitte Adams wie zu dem Rate, mit den Piotrowitsch nach Raschkow zu reisen und dort auf ihren Mann zu warten. Unter Tränenströmen wandte sie sich an ihre Tochter:

»Sophiechen,« sagte sie, »wie denkst du über die Absichten des Herrn Nowowiejski?«

Aller Augen richteten sich auf Sophie; sie stand im Winkel, hielt die Augen nach der Sitte auf den Fußboden geheftet und sprach nach einer Weile des Schweigens, ganz von Rot übergossen, mit kaum hörbarem Stimmchen:

»Ich will mit nach Raschkow.«

»Mein süßes …« platzte Adam heraus, sprang zu ihr und nahm das Mädchen in seine Arme. Dann schrie er, daß die Mauer bebte:

»Mein ist Sophie, mein – mein!«