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Der kleine Ritter

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14. Kapitel

Ein grausamer Winter hatte die Wälder in eine dicke Eiskruste gehüllt, und die felsigen Schluchten bis an den Rand mit Schnee gefüllt. Das ganze Land schien eine weiße Ebene zu sein. Plötzlich kamen scharfe Winde, wie sie Menschen und Herden mit ihrem eisigen Hauche erstarren machen, die Pfade wurden ungangbar und gefährlich, und doch erreichte Bogusch mit Anstrengung aller Kräfte Jaworowo, um so schnell wie möglich dem Hetman die großen Pläne Asyas zu überbringen. Als Edelmann von der Grenze in der beständigen Kosaken- und Tatarenfurcht aufgewachsen, in dem Gedanken an die Gefahr, die dem Vaterland von der Rebellion, von den Streifzügen, und von der gesamten türkischen Macht drohte, sah er in diesen Plänen nichts weniger als die Erlösung des Vaterlandes, und war des festen Glaubens, daß der von ihm und von allen Grenzbewohnern vergötterte Hetman nicht einen Augenblick zögern werde, wenn es sich um die Vermehrung der Macht der Republik handele. Und so reiste er mit Freude im Herzen trotz der Schneeverwehungen, der unwegsamen Stege und der Winterstürme.

Endlich kam er an einem Sonntag unter dichtem Schneegestöber in Jaworowo an, und da er glücklicherweise den Hetman angetroffen hatte, ließ er sich sofort anmelden, obwohl man ihm sagte, der Hetman sei Tag und Nacht mit Expeditionen und Briefen beschäftigt, er habe kaum Zeit, seine spärlichen Mahlzeiten zu halten. Aber der Hetman ließ ihn unerwartet schnell vor sich rufen. Nach einer kurzen Wartezeit unter den Hofleuten beugte der alte Krieger sein Knie vor dem Führer.

Er fand Herrn Sobieski sehr verändert, mit einem Antlitz voll Sorgen; es waren die schwersten Jahre seines Lebens gewesen. Sein Name war noch nicht bis an das Ende der christlichen Welt gedrungen, aber in der Republik umgab ihn schon der Ruf eines großen Führers und eines furchtbaren Türkenbezwingers. Dieser Ruhm war die Ursache, daß man ihm seinerseits den großen Feldherrnstab und die Verteidigung der Ostgrenze anvertraut hatte, aber zu der Würde des Hetmans hatte man weder Heere noch Geldmittel hinzugefügt; dennoch war ihm der Sieg bis zum heutigen Tage treu geblieben, er folgte ihm wie der Schatten dem Menschen. Mit einem Häuflein Soldaten hatte er bei Podhaize gesiegt, mit einem Häuflein Soldaten war er wie ein Feuer kreuz und quer durch die Ukraine gezogen und hatte tausendköpfige Tatarenscharen aufgerieben, die Burgen der Rebellen erstürmt und Zittern und Schrecken vor dem polnischen Namen verbreitet. Aber jetzt drohte der unglückseligen Republik ein Krieg mit der entsetzlichsten der Großmächte jener Zeit, ein Krieg mit der ganzen muhammedanischen Welt. Es war für Sobieski kein Geheimnis mehr, daß der Sultan, als Doroschenko die Ukraine und die Kosaken unter seine Botmäßigkeit stellte, gedroht hatte, die Türkei, Kleinasien, Arabien und Ägypten bis ins Innerste von Afrika aufzurufen, den heiligen Krieg zu predigen und in eigener Person auszuziehen, um von der Republik ein neues Paschalik8 zu fordern. Die tödliche Gefahr schwebte wie ein Raubvogel über ganz Reußenland. In der Republik herrschte indessen Unordnung, der Adel tobte, um seinen unfähigen Wahlkandidaten zu halten, und seine bewaffneten Lager waren, wenn überhaupt, um so eher zu einem Bürgerkrieg bereit. Das Land, durch die letzten Kriege und Konföderationen erschöpft, war verarmt, der Haß zerfraß es, gegenseitiges Mißtrauen wühlte in seinem Innern; an einen Krieg mit der Macht des Sultans mochte niemand ernstlich glauben, und man verdächtigte den großen Feldherrn, daß er absichtlich solche Gerüchte aussprenge, um die Geister von den inneren Angelegenheiten abzulenken. Man traute ihm sogar zu, daß er selbst die Türken heranzurufen bereit sei, nur um seiner Partei den Sieg zu sichern. Kurz, man machte ihn zum Verräter, und wären nicht seine kriegerischen Getreuen gewesen, man hätte sich nicht gescheut, ihn vor Gericht zu stellen.

Er aber stand vor dem Kriege der Zukunft, zu dem von Osten Hunderttausende wilder Völker heranziehen sollten, ohne namhafte Heeresmacht, mit einem Häuflein, welches so klein war, daß der Hof des Sultans mehr an Dienern zählte, ohne Geld, ohne die Mittel, die niedergerissenen Festungen aufzurichten, ohne Hoffnung auf Sieg, ohne die Möglichkeit einer Verteidigung, ja ohne die Überzeugung, daß sein Tod wie voreinst den Tod Solkiewskis das erstarrte Land auferwecken und den Rächer gebären werde. Darum saß die Sorge auf seiner Stirn, und das prächtige Antlitz, das dem eines römischen Triumphators glich, mit dem Lorbeer auf der Stirn, trug Spuren eines geheimen Schmerzes und schlafloser Nächte.

Bei dem Anblick Boguschs aber erhellte ein gutmütiges Lächeln das Gesicht des Hetmans. Er legte dem Knieenden die Hände auf die Schultern und sagte:

»Sei mir gegrüßt, Krieger, sei gegrüßt! Ich habe nicht gehofft, dich sobald zu sehen, desto lieber bist du mir in Jaworowo! Woher kommst du? Aus Kamieniez?«

»Nein, gnädiger Herr Hetman, ich habe nicht einmal im Vorübergehen hineingeblickt, ich komme schnurstracks aus Chreptiow.«

»Was macht dort mein kleiner Krieger, ist er gesund? Und hat er die Wüsteneien von Uschyz ein wenig gesäubert?«

»Die Wüsten sind schon so ruhig, daß ein Kind sie gefahrlos durchstreifen kann. Die Räuber sind gehängt, und in den letzten Tagen ist Asba-Bey mit seiner ganzen Bande derart aufs Haupt geschlagen, daß kein Zeuge der Niederlage übrig geblieben ist. Ich kam gerade an dem Tage an, als er vernichtet ward.«

»Daran erkenne ich Wolodyjowski! Nur Ruschtschyz in Raschkow kann sich ihm vergleichen. Und was sagen dort die Steppen, gibt es neue Nachrichten von der Donau?«

»Wohl, aber schlechte; in Adrianopel soll in den letzten Tagen des Winters eine große Heeresversammlung stattfinden.«

»Das weiß ich schon, es gibt jetzt keine anderen als schlechte Nachrichten. Schlechte aus dem Lande, schlechte aus der Krim und aus Stambul.«

»Und doch nicht so ganz, gnädiger Herr Hetman. Denn ich selbst bringe eine so freudige, wäre ich ein Türke oder Tatar, ich würde dafür eine Belohnung fordern.«

»Dann bist du für mich ein Himmelsbote. Nun denn, sprich schnell, vertreibe die Sorgen!«

»Ich bin so erfroren, gnädiger Herr, daß mir der Verstand im Kopfe erstarrt ist.«

Der Hetman klatschte in die Hände und befahl dem Knecht, Met zu bringen. Bald waren eine verstaubte Kanne und brennende Leuchter zur Stelle, denn obwohl es noch früh am Tage war, hatten die Schneewolken den Himmel so verdüstert, daß draußen und in den Zimmern Dämmerlicht herrschte.

Der Hetman schenkte ein und trank dem Gaste zu. Dieser verneigte sich tief, leerte sein Glas und sprach:

»Die erste Neuigkeit ist die, daß Asya, derselbe, der die Hauptleute der Lipker und Tscheremissen hierher zurückführen sollte in den Dienst der Republik, nicht Mellechowitsch heißt, sondern ein Sohn des Tuhaj-Bey ist.«

»Des Tuhaj-Bey?« fragte Sobieski mit Erstaunen.

»So ist es, gnädiger Herr. Es ist ans Licht gekommen, daß ihn Herr Nienaschyniez als Kind noch aus der Krim entführt hat; aber er hat ihn auf dem Rückweg verloren, und Asya kam zu den Nowowiejskis und ist dort großgezogen worden, ohne zu wissen, daß er von einem solchen Vater stamme.«

»Es war mir immer verwunderlich, daß er bei seinen jungen Jahren unter den Tataren solche Achtung genießt; jetzt aber begreife ich es. Verehren doch die Kosaken, sogar die, die unserem Lande treu geblieben sind, in Chmielnizki etwas Heiliges, und rühmen sich seiner.«

»Ja, das ist es, das ist es, dasselbe habe ich Asya gesagt,« versetzte Bogusch.

»Seltsam sind die Wege des Herrn,« antwortete der Hetman. »Der alte Tuhaj hat Ströme Blutes in unserem Vaterland vergossen, und der junge dient ihm oder hat ihm wenigstens bis heute treu gedient, denn ich weiß nicht, ob es ihn jetzt nicht gelüsten wird, die Krimsche Größe zu genießen. Jetzt, jetzt ist er noch treu.«

»Und hier beginnt eine zweite Neuigkeit, in der vielleicht die Kraft und die Rettung für die unglückselige Republik liegt. So helfe mir Gott, wie ich um dieser Nachricht willen der Mühen und Gefahren nicht achtete, um sie so schnell als möglich über meine Lippen zu bringen, und das abgehärmte Herz des gnädigen Herrn zu erfreuen.«

»Ich höre aufmerksam,« sagte Sobieski. Bogusch begann nun die Pläne des jungen Tuhaj-Bey zu entwickeln, und das mit solchem Eifer, daß er geradezu beredt wurde. Von Zeit zu Zeit goß er mit erregt zitternder Hand Met in sein Glas, es bis an den Rand mit dem edlen Getränk füllend, und hörte nicht auf zu sprechen … Vor den erstaunten Augen des großen Hetmans erstanden gleichsam lichte Bilder der Zukunft; Tausende und Myriaden von Tataren ziehen mit Weibern, Kindern und Herden in das Land und in die Freiheit ein; die erschreckten Kosaken, welche diese verjüngte Kraft der Republik sehen, beugen demütig vor ihr, vor dem König und dem Hetman das Knie, es gibt keine Rebellion mehr in der Ukraine, und auf den alten Heidenwegen fluten nicht mehr Scharen, die wie Feuer und Wasser das Land vernichten, nach Reußen; an ihrer Stelle ziehen neben den polnischen und kosakischen Heeren die Scharen des ukrainischen Tatarenadels über die endlose Steppe mit Fanfarengeschmetter und Paukenschall.

»Jahre hindurch ziehen Scharen herein, den Befehlen des Khans und des Sultans trotzend, zahlreiches Fußvolk, das Freiheit und Recht der Bedrückung und den fruchtbaren Boden und das Brot der Ukraine den kargen bisherigen Wohnsitzen vorzieht, und die Macht, die dereinst feindlich gewesen war, steht im Dienste der Republik, – die Krim wird entvölkert, den Händen des Khans und des Sultans entwindet sich die alte Macht, und ein Schrecken erfaßt sie, denn von der Steppe, von der Ukraine her schaut ihnen der neue Hetman des neuen Tatarenadels drohend ins Auge, ein Wächter der Republik und ihr treuer Verteidiger, des furchtbaren Vaters berühmter Sohn – der junge Tuhaj-Bey!«

 

Boguschs Gesicht glühte; die eigenen Worte schienen ihn zu berauschen, und so hob er am Ende seiner Rede beide Hände empor und rief aus:

»Das ist es, was ich bringe, das ist's, was der junge Drache in den Wüsten von Chreptiow ausgebrütet. Und nun bedarf es nur Eurer Schrift und Eurer Vollmacht, damit er nach der Krim und an die Donau den Ruf ergehen lasse. Gnädiger Herr, wenn Tuhaj-Beys Sohn nichts weiter tun sollte, als daß er in der Krim und an der Donau die Fackel der Zwietracht entzündet, daß er die Hydra des Bürgerkrieges aus dem Schlummer weckt, die einen Stamm gegen die anderen aufreizt, wahrlich, so wird er auch damit am Vorabend des Bürgerkrieges, wiederhol' ich, der Republik einen großen unsterblichen Dienst erweisen!«

Sobieski ging mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder und schwieg; sein prächtiges Antlitz war düster, fast drohend, er schien mit sich selbst oder mit Gott zu sprechen.

Endlich schien es klar zu werden in seinem Innern, denn er wandte sich zu dem Harrenden mit den Worten:

»Bogusch, eine solche Schrift und eine solche Vollmacht, hätte ich auch das Recht, sie zu geben, ich gebe sie nie, solange ich lebe.«

Die Worte kamen so gewichtig aus seinem Munde, als seien sie aus geschmolzenem Blei oder Eisen gegossen, und drückten Bogusch so nieder, daß er einen Augenblick verstummte, den Kopf sinken ließ und erst nach langer Pause gepreßt hervorstammelte:

»Warum das, gnädiger Herr, warum?«

»Erst will ich dir antworten als Staatsmann. Der Name des jungen Tuhaj-Bey könnte zwar eine gewisse Anzahl von Tataren heranziehen, wenn man ihnen überdies Land, Freiheit und Adelsprivilegien verspräche; aber es kämen nicht so viele, wie Ihr meint, und dann wäre es eine Tat des Wahnsinns, die Tataren in die Ukraine zu rufen, ein neues Volk dort ansässig zu machen, da wir uns mit den Kosaken schon nicht zu helfen wissen. Du sagst, es werde zwischen ihnen bald Streit und Krieg entbrennen, und wir haben ein Schwert über dem Nacken der Kosaken; – wer aber bürgt dir, daß jenes Schwert nicht auch im polnischen Fleische wühlen würde? Ich habe diesen Asya bisher nicht gekannt, jetzt aber sehe ich, daß in seinem Busen der Drache des Hochmuts und des Ehrgeizes wohnt, und darum sage ich noch einmal: wer bürgt dir dafür, daß nicht ein zweiter Chmielnizki in ihm steckt? Er wird die Kosaken bändigen, gut; aber wenn die Republik ihn in irgend etwas nicht befriedigt oder für irgend eine Gewalttat mit Gesetz und Strafe bedroht, dann wird er sich mit den Kosaken verbünden und neue Scharen von Osten herbeirufen, wie einst Chmielnizki den Tuhaj-Bey hereinrief. Dann wird er sich dem Sultan selbst botmäßig machen, wie es Doroschenko getan hat, und anstatt unsere Macht erhöht zu sehen, wird neues Blutvergießen, werden neue Niederlagen auf unser Haupt fallen.«

»Gnädiger Herr, wenn die Tataren Edelleute geworden sind, werden sie treu zur Republik stehen.«

»Waren die Lipker und Tscheremissen gering an Zahl? Von alters her waren sie Edelleute und sind doch zum Sultan übergetreten.«

»Den Lipkern wurden die Privilegien nicht gehalten.«

»Und wie, wenn der Adel, wie sicher ist, von vornherein einer solchen Ausbreitung der Adelsrechte widersprechen wird? Mit welcher Stirn willst du diesen wilden, räuberischen Massen, die bisher ununterbochen dieses unser Vaterland zertreten, die Macht und das Recht geben, jetzt über ihr Los zu bestimmen, Könige zu wählen und Boten in den Reichstag zu senden? Wofür ihnen solche Belohnung? Welcher Wahnsinn ist diesem Lipker in den Kopf gestiegen, und welcher böse Geist hat dich alten Krieger erfaßt, daß du dich so verführen und hintergehen lässest, solche Unredlichkeit und solche Unmöglichkeit zu glauben?«

Bogusch senkte die Augen und antwortete mit unsicherer Stimme:

»Gnädiger Herr, das wußte ich vorher, daß die Stände widersprechen werden, aber Asya sagt doch, daß die Tataren, wenn sie erst mit Euerer Erlaubnis, gnädiger Herr, Fuß gefaßt haben, sich nicht vertreiben lassen.«

»Mensch, – er hat also schon gedroht, schon das Schwert gegen die Republik erhoben, und du hast das nicht erkannt?«

»Gnädiger Herr,« antwortete Bogusch in Verzweiflung, »man könnte doch schließlich nicht alle Tataren adeln, sondern nur die bedeutendsten, und die anderen zu Freisassen machen. Auch so kommen sie, wenn Tuhaj-Beys Sohn sie ruft.«

»Warum dann nicht lieber alle Kosaken frei erklären? Bekreuzige dich, alter Krieger, denn ich sage dir, ein böser Geist hat dich erfaßt.«

»Und noch eines sage ich dir« – hier runzelte Sobieski seine Löwenstirn, und seine Augen leuchteten – »wenn auch alles so wäre, wie du sagst, wenn selbst unsere Macht dadurch wachsen sollte, wenn selbst der Krieg mit den Türken dadurch abgewendet werden sollte, wenn selbst der Adel es verlangen sollte – solange diese Hand das Schwert führen und das Zeichen des Kreuzes mit ihm machen kann – nimmermehr! So helfe mir Gott, wie ich das nie dulden werde!«

»Gnädiger Herr, warum?« wiederholte Bogusch, die Hände ringend.

»Weil ich nicht nur der Hetman Polens, sondern der Hetman der Christenheit bin, weil ich auf der Wacht des Kreuzes stehe, und wenn die Kosaken noch blutiger im Innern der Republik wühlen, so werde ich den Nacken des verblendeten aber christlichen Volkes nicht mit heidnischem Schwerte bedrohen. Wenn ich das täte, so würde ich zu unseren Vätern und unseren Ahnen, zu meinen eigenen Ahnen, ihrem Staube, ihrem Blute, ihren Tränen und der ganzen, alten Republik sprechen: Morsch und tot! Beim Himmel, wenn uns der Untergang droht, wenn unser Name der Name von Toten, Vernichteten sein muß, so soll der Ruhm uns bleiben und das Gedenken jenes Dienstes, den uns Gott bestimmt hat. Mögen die Nachkommen, wenn sie jene Kreuze und Hügel sehen, sagen: Sie haben das Christentum, sie haben das Kreuz gegen Mohammeds Unzucht verteidigt, solange Atem in ihrer Brust, solange Blut in ihren Adern war, und sind für die anderen Nationen in den Tod gegangen. – Das ist unser Dienst, Bogusch; wir sind die Festung, auf welcher Christus seine Leiden als Flagge gepflanzt hat. Und du willst mir sagen, ich, der Krieger des Herrn, ich, der Kommandant, sollte zuerst das Tor öffnen, die Heiden wie die Wölfe in den Schafstall hineinlassen, und die Lämmer Christi ihrer Wut ausliefern? Uns ist besser, unter den Überfällen zu leiden, die Empörungen zu erdulden, besser in jenen blutigen Krieg zu ziehen, in den Tod zu gehen, als die ganze Republik dem Untergang zu weihen, als den Namen zu schänden, den Ruhm zu verlieren und jene Wacht, jenen heiligen Dienst Gottes zu verraten.«

Bei diesen Worten richtete sich Sobieski in seiner ganzen Größe auf, und sein Gesicht erstrahlte wie dereinst das Antlitz Gottfrieds von Bouillon, als er die Mauer Jerusalems erstieg mit dem Rufe: Gott will es! Bogusch erschien sich selbst wie ein Nichts, und Asya erschien ihm Sobieski gegenüber wie ein Nichts; die feurigen Pläne des jungen Tataren wurden plötzlich vor Buguschs Augen schwarz und dünkten ihm unredlich und niederträchtig. Was hätte er auch sagen können auf die Worte des Hetmans, daß es besser sei, in den Tod zu gehen, als den Dienst Gottes zu verraten, welche Gründe hätte er noch anführen können? Und so wußte der arme Rittersmann nicht, ob er dem Hetman zu Füßen sinken, ob er sich an die Brust schlagen und sprechen sollte: Meine Schuld, meine große Schuld!

Da ertönte aus dem nahen Dominikanerkloster der Ton der Glocken.

Als Sobieski sie hörte, sagte er:

»Man ruft zur Vesper, komm, Bogusch, wir wollen uns in Gottes Hand empfehlen.«

So sehr sich Bogusch auf dem Wege von Chreptiow zum Hetman beeilt hatte, so langsam machte er jetzt die Heimreise. In jeder größeren Stadt hielt er eine oder zwei Wochen, die Feiertage verlebte er in Lemberg, und dort traf ihn auch das Neujahr. Er führte zwar Instruktionen des Hetmans für Asya mit sich; da diese aber nur den Auftrag schneller Erledigung der Angelegenheit mit den lipkischen Hauptleuten und einen trockenen, aber drohenden Befehl, die großen Pläne aufzugeben, enthielten, so hatte er keine Veranlassung, sich zu eilen, denn ohnehin konnte Asya unter den Tataren nichts beginnen ohne das Dokument des Hetmans.

So zog er säumig seines Weges, besuchte häufig die Kirchen und tat Buße für seine Zustimmung zu Asyas Plänen. Chreptiow war inzwischen unmittelbar nach Neujahr von Gästen angefüllt; Nawiragh, der Delegat des Patriarchen von Usmiadsin, war aus Kamieniez gekommen, mit ihm zwei Anardraten, treffliche Theologen aus Jaffa, und reichliche Dienerschaft. Die Soldaten waren sehr verwundert über ihre seltsame Tracht, über die violetten und roten Krimmer, die langen Sammet- und Atlas-Shawls, die gebräunten Gesichter, und die große Würde, mit der sie sich in der Grenzwacht von Chreptiow bewegten wie Trappen oder Kraniche. Auch Herr Zacharias Piotrowitsch war gekommen, berühmt durch seine wiederholten Reisen nach der Krim, ja nach Stambul selbst, berühmter noch durch den Eifer, mit dem er die Gefangenen ausfindig machte und auf den orientalischen Märkten verkaufte, als Führer Nawiraghs und der Anardraten Begleiter. Herr Michael zahlte ihm sogleich die Summe, die zur Einlösung Boskis nötig war, aus, da aber die Witwe nicht Geld genug hatte, legte er von seinem zu, und Bärbchen gab ihre Ohrgehänge mit Perlen her, um der abgehärmten Witwe und dem lieben Sophiechen desto wirksamer zu helfen. Auch Herr Seferowitsch, der Prätor von Kamieniez, war gekommen, ein reicher Armenier, dessen Bruder in tatarischen Ketten schmachtete, und zwei Frauen, jung und von großer Schönheit trotz ihrer dunklen Gesichtsfarbe, Frau Neresowitsch und Kieremowitsch; beide weinten um ihre Gatten, die in die tatarische Gefangenschaft geschleppt waren. Das waren traurige Gäste, aber es fehlte auch nicht an heiteren, denn der Priester Kaminski hatte zur Fastenzeit seine Nichte, Fräulein Kaminska, unter Bärbchens Schutz nach Chreptiow geschickt, und außerdem war eines Tages der junge Nowowiejski ganz unerwartet gekommen. Er hatte von der Ankunft seines Vaters in Chreptiow erfahren, sofort Urlaub von Herrn Ruschtschyz genommen und war ihm entgegengeeilt. Der junge Nowowiejski hatte sich in den letzten Jahren sehr verändert. Seine Oberlippe beschattete ein kurzer Schnurrbart, der zwar die weißen Wolfszähne noch nicht verdeckte, dem Jüngling aber schön zu Gesichte stand. Dann war er, der immer kräftigen Körperbau gezeigt hatte, zu förmlicher Riesengröße erwachsen. Die dichte, wirre Haarfülle schien nur einem so ungeheuren Kopfe anzustehen, und dieser ungeheure Kopf schien nur zwischen den unglaublich kräftigen Schultern die nötige Stütze zu finden. Sein Gesicht war dunkel, von den Wüstenstürmen gebräunt, seine Augen glühten wie Kohlen, die Unternehmungslust stand ihm auf der Stirne geschrieben. Einen großen Apfel verbarg er ohne Mühe in seiner mächtigen Faust, so daß er damit »Rate – rate!« hätte spielen können, und wenn er eine Handvoll Nüsse an seinen Schenkel legte und mit der Hand darauf drückte, so brachte er sie als Staub wieder ans Licht. Alles an ihm ging über das Maß hinaus; im übrigen war er hager, sein Leib, über dem indes sich die Brust wie eine Kapelle wölbte, eingefallen. Hufeisen zerbrach er ohne sonderliche Anstrengung; er band den Soldaten Eisendrähte um den Hals und erschien dabei noch größer, als er in Wirklichkeit war. Wenn er auftrat, knarrten die Dielen unter seinen Füßen, und wenn er zufällig an die Bank stieß, sprang die Rinde von ihr ab.

Mit einem Wort, es war ein stämmiger Bursche, in dem Leben und Gesundheit, Mut und Kraft überschäumten wie brodelndes Wasser über den Rand des Gefäßes, da sie selbst in diesem mächtigen Körper nicht Raum fand. Er schien in Brust und Kopf glühendes Feuer zu tragen, und unwillkürlich erwartete man, daß sein Schopf dampfen müsse. Und auch das kam vor, denn er war auch bei der Flasche ein Riese. In die Schlacht ging er mit einem Lachen, das an das Wiehern der Pferde erinnerte, und seine Hiebe waren derart, daß die Soldaten nach jedem Treffen alle seine Leichen beschauten, um die ungewöhnlichen Streiche zu bewundern. Von Kind auf an die Steppe, an die Wachten und den Krieg gewöhnt, war er trotz seines lebhaften Wesens wachsam und besonnen. Er kannte alle Kriegslisten der Tataren und galt neben Michael und Ruschtschyz für den besten Streifzügler.

Der alte Nowowiejski empfing den Sohn trotz seiner Drohungen nicht allzu streng, denn er fürchtete, jener könnte abgeschreckt wieder davongehen und weitere elf Jahre sich nicht blicken lassen. Im Grunde war der Edelmann voll Eigenliebe und Stolz auf diesen Sohn, der kein Geld von Hause brauchte, der sich selbst ausgezeichnet durch die Welt half, unter den Genossen Ruhm erworben, die Gunst des Hetmans und den Rang eines Offiziers erlangt hatte, den mancher trotz der Protektion nicht erreichen konnte. Der Vater mußte sich auch sagen, daß dieser Jüngling, in der Steppe und im Kriege verwildert, sich der väterlichen Autorität nicht beugen konnte, und darum war es besser, ihn nicht auf die Probe zu stellen. Der Sohn fiel ihm zwar zu Füßen, wie es sich ziemte, sah ihm aber mutig in die Augen und antwortete ohne Umschweife auf den ersten Vorwurf:

 

»Vater, den Vorwurf führt Ihr im Munde, und doch freut Ihr Euch im Herzen über mich, denn ich bin ohne Tadel, und daß ich zur Fahne entfloh – nun, ich bin ja ein Edelmann.«

»Aber wohl gar ein Heide,« antwortete der Alte, »da du dich elf Jahre hindurch nicht hast sehen lassen?«

»Ich habe mich nicht sehen lassen aus Furcht vor Strafe, die meinem Offiziersrang nicht entsprochen hätte; ich habe einen Brief erwartet, in dem Ihr mir meine Schuld vergabt. Der Brief kam nicht, und so kam auch ich nicht.«

»Und jetzt fürchtest du dich nicht?«

Der Jüngling zeigte lachend seine weißen Zähne.

»Hier herrscht die militärische Autorität, vor der die väterliche weichen muß. Wißt Ihr was, umarmt mich lieber, denn Ihr habt doch große Lust dazu.«

Damit öffnete er die Arme, und Nowowiejski der Vater wußte selbst nicht, was er tun sollte. Er konnte nicht fertig werden mit diesem Sohne, der als Bube von Hause davongelaufen war und jetzt zurückkehrte als ein reifer Mann und Offizier, der sich mit Kriegsruhm bedeckt hatte. Eines wie das andere schmeichelte dem väterlichen Stolze, und darum hätte er ihn gern an seine Brust gedrückt; er zögerte nur noch aus Rücksicht auf seine Autorität.

Aber der Sohn riß ihn an sich; in seiner Bärenumarmung knackten dem Edelmann die Knochen, und das rührte ihn vollends.

»Was tun?« rief er schweratmend, »der Schelm fühlt, daß er auf seinem eigenen Pferde sitzt und kümmert sich den Teufel um mich! Bitte, wäre es bei mir im Hause, ich würde sicherlich nicht so weich geworden sein, – aber hier, was tun! Nun so komm doch!«

Und sie umarmten sich zum zweiten Male. Dann fragte der Junge nach der Schwester.

»Ich habe ihr befohlen, sich zurückzuziehen, bis ich sie rufe,« antwortete der Vater; »das Mädchen hält es drinnen kaum aus.«

»Wo ist sie denn, bei Gott!« rief der Sohn. Er öffnete die Tür und schrie so laut, daß ihm von den Wänden ein Echo entgegentönte:

»Evchen, Evchen!«

Evchen, die im Nebenzimmer gewartet hatte, stürzte sofort herein, aber sie vermochte kaum »Adam!« zu rufen, da hatten sie seine mächtigen Arme schon gefaßt und in die Höhe gehoben. Der Bruder war ihr immer in Liebe zugetan gewesen. Oft hatte er, um sie vor der Tyrannei des Vaters zu schützen, ihre Schuld auf sich genommen und für sie die Strafe erlitten. Herr Nowowiejski war im Hause ein grausamer Despot gewesen, und das Mädchen bewillkommnete in ihrem heldenhaften Bruder nicht nur den Bruder, sondern auch ihre Zuflucht und ihren Schutz für die Zukunft. Er aber küßte sie auf den Kopf, auf die Augen, auf die Arme, hielt sie vor sich hin, schaute ihr ins Gesicht und rief fröhlich ein über das anderemal: »Ein prächtiges Mädel, so wahr Gott lebt!« Und dann wieder: »Wie sie gewachsen ist! Eine Hopfenstange, das Mädchen!«

Und ihre Augen lachten ihm entgegen. Dann sprachen sie über die lange Trennung, über die Heimat, über den Krieg. Der alte Nowowiejski ging um sie herum und blinzelte mit den Augen; sein Sohn imponierte ihm gewaltig. Aber von Zeit zu Zeit erfaßte ihn eine Unruhe um die zukünftige Herrschaft; es war schon die Zeit der großen väterlichen Macht, die in der Folge bis zur grenzenlosen Übermacht anwuchs. Aber dieser Sohn war ein Krieger, ein Soldat, von den wilden Grenzwachten, der, wie der Vater gleich richtig bemerkt hatte, auf seinem eigenen Pferde saß. Nowowiejski war eifersüchtig auf seine Herrschaft; er hatte zwar die Gewißheit, daß der Sohn ihn stets achten werde, daß er ihm geben werde, was ihm zukam; ob er sich aber wie Wachs werde kneten lassen, ob er alles ertragen werde, wie er es als Knabe ertrug? – Bah! – dachte der alte Edelmann – werde ich selbst es denn wagen, ihn wie einen Knaben zu behandeln? Der Strick von Hauptmann macht Eindruck auf mich, so wahr ich lebe – Zum Überfluß empfand Nowowiejski auch, daß seine Liebe zu seinem Sohn mit jeder Minute wuchs, und daß er gegen den riesigen Sprößling schwach sein werde.

Evchen plauderte inzwischen wie ein Vögelchen und überschüttete den Bruder mit Fragen, wann er zurückkomme, und ob er sich nicht seßhaft machen, ob er nicht heiraten werde. Sie zwar wisse das nicht, aber sie habe doch gehört, daß die Soldaten sich leicht verliebten. Sie erinnerte sich sogar, daß die Frau Wolodyjowska ihr das gesagt habe; sie sei hübsch und so gut, die Frau Wolodyjowska. Eine schönere und bessere könne man mit Licht in ganz Polen suchen. Nur Sophie Boska halte einen Vergleich mit ihr aus.

»Was für eine Sophie Boska?« fragte Adam.

»Die mit der Mutter hier ist, und deren Vater die Horde fortgeschleppt hat. Du wirst sie ja selbst sehen und lieb gewinnen.«

»Bringt Sophie Boska her!« rief der junge Offizier.

Der Vater und Evchen lachten über die Schnellfertigkeit des Sohnes; er aber sagte:

»Was denkt ihr; der Liebe entgeht keiner wie dem Tode. Ich war noch ein Milchbart, und Frau Wolodyjowska ein Mädchen, als ich mich furchtbar in sie verliebte. Du lieber Gott, wie ich dies Bärbchen geliebt habe! Und was geschieht? Ich sag' es ihr einmal – schwapp, hab' ich meine Maulschelle weg: die Milch war nicht für die Katze. Ja, sie liebte Herrn Wolodyjowski schon, und das läßt sich wohl sagen – sie hatte recht!«

»Warum?« fragte der alte Nowowiejski.

»Warum? Nun weil ich, ohne Ruhmredigkeit, jedem standhalten würde, er aber hätte mit mir kurzen Prozeß gemacht. Und dann ist er ein unvergleichlicher Streifzügler, vor dem selbst Herr Ruschtschyz den Hut ziehen muß. Was ist Herr Ruschtschyz gegen ihn? Die Tataren sogar lieben ihn, er ist der erste Krieger in der Republik.«

»Und wie sich die beiden lieben, ei, ei, die Augen tun einem weh, wenn man es mit ansieht,« warf Evchen ein.

»Du bekommst Appetit, nicht, du bekommst Appetit? Es ist ja auch Zeit!« rief Adam, und er stemmte die Hände in die Seiten, warf den Kopf zurück wie ein Füllen und lachte. Sie aber antwortete bescheiden:

»Das liegt mir nicht im Sinn.«

»Fehlt es hier doch nicht an artigen Offizieren und Edelleuten.«

»Nicht doch,« rief Evchen; »ich weiß nicht, ob dir der Vater gesagt hat, daß Asya hier ist.«

»Asya Mellechowitsch, der Lipker? Ich kenne ihn wohl, ein trefflicher Soldat!«

»Du weißt aber nicht,« sagte der alte Nowowiejski, »daß er nicht Mellechowitsch heißt, sondern unser Asya ist, der mit uns aufwuchs.«

»Bei Gott, was hör' ich? Seht einmal, es war mir oft durch den Kopf gegangen, aber man sagte mir, der hier hieße Mellechowitsch, und so dachte ich mir, dann ist es eben ein anderer, denn Asya ist bei ihnen ein weitverbreiteter Name. Hatte ich ihn doch so viele Jahre nicht gesehen, kein Wunder also, daß ich zweifelte. Unser Asya war ziemlich häßlich, und der hier ist stattlich.«

»Unser Asya ist es, unserer,« sagte der Alte, »oder eigentlich nicht mehr unserer, denn weißt du, was sich herausgestellt hat, wessen Sohn er ist?«

»Wie soll ich das wissen!«

»Des großen Tuhaj-Bey!«

Der Jüngling schlug mit den Händen so kräftig auf die Kniee, daß es widerhallte.

»Ich traue meinen Ohren nicht, des großen Tuhaj-Bey? So ist er ein Fürst und mit den Khanen verwandt? Es gibt kein edleres Blut in der ganzen Krim, als Tuhaj-Beys.«

»Feindesblut!«

»Feind war uns der Vater, aber der Sohn dient uns, ich habe ihn wohl selbst an die zwanzigmal in Schlachten gesehen; ha, jetzt begreife ich den Teufelsmut, der in ihm steckt. Herr Sobieski hat ihn vor dem ganzen Heere gerühmt und zum Hauptmann ernannt. Aus ganzer Seele froh begrüße ich ihn, ein tüchtiger Krieger, von ganzem Herzen sei er mir willkommen!«

8Paschalik = Provinz, die unter einem Pascha steht.