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Der kleine Ritter

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13. Kapitel

Bärbchen hielt am folgenden Morgen mit ihrem Gatten und Herrn Sagloba Rat, wie man die beiden Herzen, die sich liebten und litten, vereinigen könnte. Beide lachten über ihren Eifer und hörten nicht auf, sie zu necken. Endlich aber gaben sie ihr, wie sie gewohnt waren, wie einem verhätschelten Kinde nach, und versprachen ihr beizustehen.

»Das beste ist,« sagte Sagloba, »wir überreden Nowowiejski, das Mädchen nicht nach Raschkow mitzunehmen, weil die Kälte herankommt, und die Wege nicht ganz sicher sind; dann werden sich die jungen Leute hier sehen und sich vollends ineinander verlieben.«

»Das ist ein vortrefflicher Gedanke!« rief Bärbchen.

»Vortrefflich oder nicht,« versetzte Sagloba, »gelt, laß' sie dann nicht aus den Augen! Du bist ein Weib, und so denke ich, du wirst sie am Ende doch zusammenkoppeln, denn die Weiber setzen alles durch. Gib nur acht, daß der Teufel dabei nicht sein Spiel habe. Du würdest dich schämen, daß du ihm nachgeholfen hast.«

Bärbchen fauchte Herrn Sagloba an wie ein Kätzchen, dann sagte sie:

»Ihr rühmt Euch, daß Ihr in Euren Jugendjahren ein Türke waret und glaubt, ein jeder müsse so sein. Asya ist nicht so wie Ihr!«

»Nein, er ist kein Türke, er ist ein Tatar. Schönes Püppchen, sie will für tatarische Gefühle bürgen!«

»Ans Weinen denken sie beide in ihrem furchtbaren Schmerz … und Evchen ist das bravste Mädchen.«

»Aber sie hat ein Gesicht, als stünde ihr auf der Stirn geschrieben: Gib's Mäulchen! Hu, das ist eine Dohle! Gestern hab' ich's wohl beobachtet: wenn sie bei Tische einem hübschen Burschen gegenübersitzt, dann überkommt sie's schwül, daß sie den Teller bald fort- und bald heranrückt. Eine Dohle, sag' ich dir!«

»Wollt Ihr, daß ich gehen soll?«

»Du wirst nicht gehen, wenn es sich ums Verheiraten handelt; wir kennen dich, du gehst nicht fort. Oder ist es dir noch zu früh, die Leute zu verheiraten, weil es das Handwerk würdiger Matronen ist? Frau Boska sagte mir gestern, als sie dich in den Höschen sah, wie du aus der Schlacht zurückkamst, sie habe geglaubt, ein Söhnchen der Frau Kommandantin zu sehen, wie er am Zaune Krieg spielt. Du liebst die Würde nicht, aber die Würde liebt auch dich nicht, und das sieht man bald aus deiner zierlichen Figur. Bei Gott, der reine Schulbube! Wie sich die Weiber heute verändert haben! In meiner Zeit, wenn so ein Weibsbild sich auf eine Bank setzte, dann quietschte die Bank, als wenn jemand einem Hunde auf den Schwanz getreten habe. Und du könntest auf einer Katze reiten, ohne daß es der Bestie Beschwerde machte … Es heißt auch, daß Frauen, die anfangen, andere zu verheiraten, keine Nachkommenschaft haben.«

»Sagt man das wirklich?« fragte der kleine Ritter beunruhigt.

Sagloba aber lachte, und Bärbchen legte ihr rosiges Gesicht an das Gesicht ihres Gatten und sagte mit halber Stimme:

»Weißt du, Michael, zu gelegener Zeit gehen wir nach Tschenstochau zur heiligen Mutter Gottes.«

»Das ist wirklich das beste Mittel,« sagte Sagloba.

Sie umarmten sich, und Bärbchen sagte: »Und jetzt laß' uns von Asya und von Evchen sprechen, wie wir ihnen helfen; uns ist wohl, so soll auch ihnen wohl sein!«

»Wenn Nowowiejski fortgeht, wird ihnen besser werden,« sagte der kleine Ritter, »denn in seiner Gegenwart haben sie sich nicht sehen können, besonders da Asya den Alten haßt; aber wenn der Alte ihm Evchen gibt, vielleicht vergessen sie, was gewesen und gewinnen einander lieb, wie ein Schwiegervater seinen Schwiegersohn. Ich meine, die Hauptsache ist nicht, die Jungen aneinander zu bringen, denn die lieben sich ohnehin – sondern den Alten zu versöhnen.«

»Er ist ein ungeschlachter Mensch,« sagte Bärbchen.

»Bärbchen,« entgegnete Sagloba, »stell' dir vor, du habest eine Tochter und du solltest sie einem Tataren geben.«

»Asya ist ein Fürst,« antwortete Bärbchen.

»Ich leugne nicht, daß Tuhaj-Bey von hoher Herkunft ist, aber auch Ketling[typo: 'Haßling'??? must be: Ketling!!!] war ein Edelmann, und doch hätte Christine ihn nicht genommen, wenn er nicht Bürgerrecht bei uns besessen hätte.«

»So erwirket dem Asya das Bürgerrecht.«

»Leicht gesagt. Wenn ihn jemand in sein Wappen aufnehmen wollte, so müßte der Reichstag das bestätigen, und dazu bedarf es der Zeit und der Protektion.«

»Das höre ich nicht gern, daß es der Zeit bedarf; die Protektion würde sich schon finden. Der Herr Hetman würde sie Asya sicherlich nicht verweigern, denn er liebt die Krieger. Michael, schreibe an den Herrn Hetman! Willst du Tinte, Feder, Papier? Schreibe bald, ich bring' dir alles, Licht und Petschaft, und du setzest dich hin und schreibst unverzüglich.«

Michael lachte.

»Allmächtiger Gott,« sagte er, »ich habe dich um ein ruhiges, verständiges Weib gebeten, und du hast mir einen Sausewind gegeben.«

»Sprich nur so, sprich nur so, dann sterbe ich!«

»Pfui, pfui!« rief der kleine Ritter und spie dabei aus, »verrufe es nicht!«

Jetzt wandte er sich um zu Sagloba.

»Wißt Ihr nicht einen Spruch?«

»Ob ich einen weiß! Ich habe ihn schon gesagt,« antwortete Sagloba.

»Schreibe,« rief Bärbchen, »ich fahre sonst aus der Haut.«

»Ich schreibe ja zwanzig Briefe, wenn du es wünschest, obgleich ich nicht weiß, wozu es nutzen soll. Hier kann der Hetman selbst nichts erwirken, und mit seiner Protektion kommt er erst hervor, wenn es Zeit dazu ist. Liebes Bärbchen, Fräulein Eva hat dir ihr Geheimnis anvertraut, gut, aber mit Asya hast du noch kein Wort gesprochen, und du weißt noch gar nicht, ob er für das Mädchen Gegenliebe hat.«

»Oho, keine Gegenliebe! Wie sollte er sie nicht lieben? Er hat sie doch in der Laube geküßt, oho!«

»Goldenes Herz!« sagte Sagloba lachend, »wie ein neugeborenes Kind, nur daß sie mit der Zunge schneller ist. Liebes Kind, wenn wir, Michael und ich, alle, die wir einmal geküßt haben, hätten heiraten sollen, da hätten wir gleich zu Mohammed schwören müssen, und ich hätte Padischah und er Khan der Krim werden müssen – was, Michael, was?«

»Auf Michael hatte ich einmal Verdacht, noch ehe ich die seine war,« sagte Bärbchen. Und sie fuhr ihm mit dem kleinen Finger vor dem Auge hin und her und neckte ihn:

»Drehe nur den Schnurrbart, dreh' ihn nur: du kannst es nicht leugnen. O ich weiß, und du weißt's auch … bei Ketling! …«.

Der kleine Ritter drehte wirklich an seinem Schnurrbart, um seine Verlegenheit zu verbergen. Endlich sagte er, um dem Gespräche eine andere Wendung zu geben:

»Du weißt also nicht, ob Asya das Mädchen liebt?«

»Laßt's mich machen, ich will ihn unter vier Augen ausfragen; aber er ist verliebt, er muß verliebt sein, sonst mag ich ihn nicht leiden.«

»Wahrhaftig, sie redet's ihm noch ein,« sagte Sagloba.

»Ich red' es ihm ein, und wenn ich mich täglich mit ihm einschließen sollte.«

»Erst forsche ihn aus,« sagte der kleine Ritter. »Vielleicht wird er es nicht gleich gestehen, denn er ist ein seltsamer Mensch. Aber das tut nichts; allmählich wird er vertraulich werden, du wirst ihn näher kennen lernen, wirst klar sehen, und dann erst wirst du wissen, was geschehen muß.«

Hier wandte sich der kleine Ritter an Sagloba:

»Sie scheint oberflächlich zu sein und ist doch scharfsinnig.«

»Ziegen pflegen immer scharfsinnig zu sein,« sagte Sagloba.

Das weitere Gespräch wurde durch Herrn Bogusch unterbrochen. Er stürzte wie ein Geschoß ins Zimmer, küßte Bärbchens Hände und schrie:

»Daß in diesen Asya ein Donnerwetter fahre! Die ganze Nacht habe ich kein Auge schließen können.«

»Was hat Herr Asya Euch getan?« fragte Bärbchen.

»Wißt ihr, Herrschaften, was wir gestern gemacht haben?«

Und Bogusch riß die Augen auf und ließ sie über die Anwesenden hinschweifen.

»Geschichte, so wahr ich lebe, ich lüge nicht, Geschichte!«

»Was für Geschichte?«

»Die Geschichte der Republik. Er ist einfach ein großer Mann. Herr Sobieski selbst wird Augen machen, wenn ich ihm Asyas Gedanken vorstelle. Ein großer Mann, sage ich euch, und ich bedaure nur, daß ich nicht mehr sagen kann, denn ich bin überzeugt, ihr würdet so erstaunt sein, wie ich es war. Ich sage nur soviel, wenn das gelingt, was er vor hat – weiß Gott, wohin er es noch bringt!«

»Zum Beispiel,« sagte Sagloba, »er wird Hetman?«

Bogusch stemmte die Hände in die Seiten.

»So ist es, er wird Hetman! Ich bedaure, daß ich nicht mehr sagen kann … er wird Hetman und damit basta!«

»Vielleicht bei den Hunden? Oder er wird hinter den Viehherden herlaufen, die Tatarenhaufen haben auch ihre Hetmans. Pfui, was schwatzt Ihr, Herr Truchseß! Er ist der Sohn des Tuhaj-Bey, schön; aber wenn er Hetman werden soll, was soll ich werden, was sollte Michael, was solltet Ihr selbst werden? Wohl gar die drei Könige nach Weihnachten, wenn Kaspar, Melchior und Balthasar abdanken? Mich wenigstens hat der Adel zum Regimentar erwählt; ich habe nur aus Freundschaft Herrn Paul Sapieha die Würde abgetreten, aber von Euren Prophezeiungen verstehe ich bei Gott nicht ein Sterbenswörtchen!«

»Und ich sage euch, Asya ist ein großer Mann.«

»Habe ich's euch nicht gesagt,« fiel Bärbchen ein, indem sie sich zur Tür wandte, durch welche die anderen Gäste der Grenzwarte einzutreten begannen.

Frau Boska kam zuerst mit der blauäugigen Sophie, Herr Nowowiejski mit Evchen, die nach einer schlecht durchschlafenen Nacht noch reizvoller als gewöhnlich aussah. Sie hatte schlecht geschlafen, denn seltsame Träume hatten sie beunruhigt; sie hatte im Traume Asya gesehen, nur war er schöner und zudringlicher als früher. Evchen schlug die Röte ins Gesicht bei der Erinnerung an diesen Traum, denn ihr war, als müsse ihn jedermann aus ihrem Gesichte lesen. Aber es beachtete sie niemand, denn es begrüßten alle die Frau Kommandantin mit einem »Guten Morgen«; dann nahm Bogusch wieder seine Erzählung auf von der Größe und der hohen Mission Asyas, und Bärbchen freute sich, daß auch Eva und ihr Vater es anhören mußten. Der Alte hatte sich seit dem Augenblick der ersten Begegnung mit dem Tataren ausgetobt und war bedeutend ruhiger; er forderte ihn nicht mehr als seinen Knecht zurück. Die Wahrheit zu sagen: die Entdeckung, daß Asya ein tatarischer Fürst und der Sohn Tuhaj-Beys sei, hatte auch auf ihn tiefen Eindruck gemacht. Mit Bewunderung hatte er auch von seinem außerordentlichen Mut vernommen, und daß der Hetman selbst ihm einen so hervorragenden Auftrag, wie die Heranziehung aller Lipker und Tscheremissen in den alten Dienst der Republik war, anvertraut habe. Manchmal aber schien es Herrn Nowowiejski sogar, als sei von einem anderen die Rede; zu einem so ungewöhnlichen Manne war Asya in seinen Augen emporgewachsen.

 

Und Bogusch wiederholte immer wieder mit sehr geheimnisvoller Miene: »Das ist noch gar nichts gegen das, was ihm in Zukunft offen steht; aber ich darf darüber nicht sprechen.«

Als die anderen zweifelnd den Kopf schüttelten, rief er: »Die zwei größten Männer in der Republik sind Herr Sobieski und Tuhaj-Beys Sohn.«

»Bei Gott,« sagte endlich Nowowiejski in seiner Ungeduld, »ob er ein Fürstensohn oder kein Fürstensohn – was kann er in unserer Republik werden, da er kein Edelmann ist. Bisher hat er doch das Bürgerrecht nicht.«

»Der Hetman wird es ihm zehnmal auswirken!« rief Bärbchen.

Evchen hörte diesen Lobeserhebungen mit geschlossenen Augen und pochendem Herzen zu. Wer weiß, ob es ebenso heiß geschlagen hätte für den armen, unbekannten Asya, wie für Asya, den Ritter, den großen Mann der Zukunft? Aber dieser Glanz hatte sie überwältigt, und die Erinnerung an die Küsse, und die Träume der jüngsten Nacht durchrieselten ihren jungfräulichen Körper mit einem Schauer der Wonne.

»So groß ist er, so ausgezeichnet!« dachte Eva. »Ist es da ein Wunder, daß er glüht wie Feuer?«

Bärbchen nahm noch an demselben Tage den Tataren »ins Gebet«; sie folgte aber dem Rate ihres Gatten, der sie vor Asyas Wildheit gewarnt hatte, und beschloß, nicht gar zu plötzlich vorzugehen. Trotzdem platzte sie, da sie kaum vor ihn hingetreten war, mit den Worten heraus:

»Herr Bogusch sagt, daß Ihr ein tüchtiger Mensch seid, aber ich glaube, auch der Hervorragendste kann der Liebe nicht entgehen.«

Asya schloß die Augen und neigte das Haupt.

»Ew. Liebden haben recht,« sagte er.

»Denn seht, mit dem Herzen ist es so: plauz perdauz! – da stolpert's hin.«

Bei diesen Worten schüttelte Bärbchen ihren blonden Kopf und zwinkerte mit den Augen, als ob sie andeuten wollte, daß sie selbst ganz genau Bescheid wisse mit derlei Dingen, und daß sie gleichzeitig die Hoffnung hege, sie spreche mit keinem Unkundigen. Asya aber erhob den Kopf und umfaßte ihre anmutvolle Gestalt mit seinen Blicken. Noch nie war sie ihm so wunderschön erschienen wie jetzt, da ihre Äuglein vor Neugier lebhaft funkelten, und ihr rosiges Kindergesicht sich lächelnd zu ihm erhob. Aber gerade je mehr Unschuld sie umgab, desto größer war der Reiz für Asya, desto mehr Begierde erwuchs in seiner Seele, desto mächtiger ergriff ihn die Liebe, berauschte ihn wie starker Wein und nahm ihm jedes Wollen außer dem einen, sie ihrem Gatten zu entreißen, für sich zu gewinnen, sie für ewig an seine Brust zu drücken, die Lippen auf ihren Mund zu pressen, ihre Hände um seinen Hals geschlungen zu sehen – zu lieben, zu lieben ohne Ende und Maß, gelte es auch seinen Tod, gelte es ihrer beider Tod.

Bei dem Gedanken daran drehte sich alles um ihn her; immer neue Leidenschaften brachen aus der Höhle seiner Seele wie Schlangen aus Felsgeklüft; aber dieser Mann verfügte zugleich über eine ungeheure Kraft über sich selbst; er sagte also in seiner Seele: Noch ist's zu früh – und hielt sein wildes Herz an seinem festen Willen, wie ein scheu gewordenes Pferd an der Schlinge. So stand er vor ihr scheinbar kühl, obwohl es auf seinen Lippen und in seinen Augen glühend brannte, seine tiefliegenden Augen sagten alles, was die aufeinandergepreßten Lippen verschwiegen.

Bärbchen aber, deren Seele so rein wie das Wasser der Quelle war, und deren Gedanken mit ganz anderen Dingen beschäftigt waren, verstand diese Sprache nicht. Sie dachte in diesem Augenblick nur, was sie dem Tataren noch zu sagen habe, und begann endlich, indem sie den Finger erhob:

»So mancher trägt im Herzen verborgene Liebe und wagt nicht, mit einem anderen darüber zu sprechen; wenn er aber aufrichtig sich ausspräche, würde er vielleicht etwas Gutes erfahren.«

Asyas Gesicht verdüsterte sich einen Augenblick, eine wahnsinnige Hoffnung zuckte wie ein Blitz durch seinen Kopf; aber er beherrschte sich und sagte:

»Wovon wollen Ew. Liebden sprechen?«

Und Bärbchen antwortete:

»Manche andere würde Umwege machen, wie die Frauen ungeduldig und unbesonnen zu sein pflegen, ich aber bin anders, helfen möchte ich gern, aber ich verlange nicht sofort ein Bekenntnis, ich sage Euch nur das: Verbergt Euch nicht und kommt zu mir, sei es auch täglich, denn ich habe darüber schon mit meinem Gatten gesprochen. Allmählich werdet Ihr Euch daran gewöhnen und meine Freundlichkeit erkennen; Ihr werdet auch erkennen, daß ich nicht aus leichtfertiger Neugier frage, sondern aus Teilnahme, und da ich doch, wenn ich helfen soll, Eurer Gegenliebe sicher sein muß. Ziemt es doch übrigens Euch, sie zuerst zu bezeigen; wenn Ihr mir bekennt – vielleicht werde auch ich Euch dann etwas sagen.«

Tuhaj-Beys Sohn begriff sofort, wie töricht die Hoffnung gewesen, die ihm einen Augenblick durch den Kopf geschossen war. Ja, er erriet auf der Stelle, daß es sich um Eva handle, und alle Flüche auf ihre ganze Familie, welche die Zeit in seiner rachsüchtigen Seele angesammelt hatte, kamen ihm auf die Lippen. Der Haß tobte in ihm wie eine Flamme, um so mächtiger, als er einen Augenblick vorher sich in ganz andere Gefühle eingewiegt hatte. Aber wieder beherrschte er sich. Er besaß nicht nur Macht über sich selbst, sondern auch die Verschlagenheit der Leute aus dem Osten. In einem Augenblick begriff er, daß, wenn er auf die Nowowiejskis seinen Geifer spritzen wollte, er Bärbchens Gunst und die Möglichkeit, sie täglich zu sehen, für immer verlieren würde; andererseits fühlte er, daß er sich nicht – wenigstens im Augenblick nicht – bis zu dem Grade überwinden könne, um dem geliebten Weibe gegenüber mit Bestimmtheit in Abrede zu stellen, daß es eine andere sei, die er liebe.

Und so warf er sich in dem Zwiespalt seiner Seele und in unverhohlener Qual plötzlich zu Bärbchens Füßen nieder, berührte ihre Füße mit den Lippen und sprach:

»Ew. Liebden Huld empfehle ich meine Seele, in Ew. Liebden Hand lege ich mein Schicksal! Nichts anderes will ich tun, als was Ew. Liebden befehlen, keinen anderen Willen will ich kennen; tun Ew. Liebden mit mir ganz nach Wunsch. In Qualen lebe ich und in Harm, ich Unglückseliger! Erbarmt Euch meiner Seele, – o daß sich die Erde öffnete, um mich zu verschlingen!«

Er stöhnte schwer, denn er empfand einen unsagbaren Schmerz, und die niedergehaltenen Leidenschaften loderten in lebendiger Flamme auf. Bärbchen aber hielt diese seine Worte für einen Ausbruch der lang und schmerzlich verborgen gehaltenen Liebe für Evchen; sie war von Mitleid mit dem ritterlichen Jüngling ergriffen, und zwei Tränen erglänzten in ihren Augen.

»Steht auf, Asya,« sagte sie zu dem knieenden Tataren, »ich war Euch immer geneigt und will Euch aufrichtig helfen. Ihr stammt aus edlem Blut, und um Eurer Verdienste willen wird man Euch das Bürgerrecht nicht versagen können; Herr Nowowiejski wird sich erbitten lassen, denn er sieht Euch schon mit anderen Augen an, und Evchen …« hier erhob sich Bärbchen von der Bank, richtete ihr rosiges, lächelndes Gesicht empor, stellte sich auf die Zehen und flüsterte Asya ins Ohr: »Evchen liebt Euch.«

Dieser aber runzelte, von Wut erfaßt, die Stirn, griff mit beiden Händen nach seinem Schopf, und ohne zu denken, welche Wirkung seine Worte haben könnten, rief er mit heiserer Stimme: »Allah, Allah – Allah!«

Dann stürzte er aus dem Zimmer.

Bärbchen sah ihm eine Weile nach; der Ausruf setzte sie nicht allzusehr in Erstaunen, denn selbst die polnischen Soldaten gebrauchten ihn häufig, und bei der beispiellosen Erregung des jungen Lipkers sagte sie sich:

»Ein Feuerkopf! Er liebt sie wahnsinnig.«

Dann lief sie wie ein Sturmwind davon, um so schnell wie möglich ihrem Gatten, Sagloba und Evchen Rechenschaft zu geben. Sie traf Michael in der Kanzlei mit den Registern der Fahnen beschäftigt, die im Blockhaus von Chreptiow lagen. Er saß und schrieb; sie aber stürzte auf ihn zu und rief:

»Weißt du, ich habe mit ihm gesprochen. Er ist mir zu Füßen gefallen – er liebt sie wahnsinnig!«

Der kleine Ritter legte die Feder aus der Hand und sah sein Weibchen an. Sie war so belebt, so frisch, daß seine Augen strahlten und ihr entgegenlachten. Dann streckte er die Hände nach ihr aus; sie aber wehrte ihm und wiederholte noch einmal:

»Asya liebt Evchen wahnsinnig.«

»Wie ich dich!« versetzte der kleine Ritter und umschlang sie fester. —

Noch an demselben Tage erfuhren auch Sagloba und Evchen ganz genau das ganze Gespräch mit Asya. Das Mädchenherz ergab sich jetzt ganz dem süßen Gefühl und pochte wie ein Hammer bei dem Gedanken an ein erstes Zusammentreffen, und noch heftiger, wenn sie sich ausmalte, was kommen werde, wenn sie einmal unter vier Augen sich gegenüberständen. Und sie sah schon Asyas braunes Antlitz an ihren Knieen, fühlte seine Küsse auf ihren Händen und empfand jene Hingebung, in der sich das jungfräuliche Haupt auf den Arm des Geliebten senkt, und ihre Lippen stammeln: Auch ich liebe dich! Indessen küßte sie voll Rührung, Unruhe und großer Erregung Bärbchens Hände und schaute immer von neuem nach der Tür, ob dort nicht das düstere, aber schöne Bild des Tataren auftauchte.

Asya aber ließ sich in dem Blockhaus nicht sehen. Halim war zu ihm gekommen, der alte Diener des väterlichen Hauses, jetzt selbst ein angesehener Mirza unter den Tataren der Dobrudscha. Er trat ganz offen auf, denn man wußte in Chreptiow bereits, daß er der Vermittler zwischen Asya und den Hauptleuten der Lipker und Tscheremissen sei, die in den Dienst des Sultans übergetreten waren. Beide schlossen sich in Asyas Quartier ein, und Halim machte vor dem Sohne Tuhaj-Beys die schuldigen Verbeugungen, kreuzte die Hände über der Brust und harrte gesenkten Hauptes der Fragen, die ihm vorgelegt werden würden.

»Hast du Briefe?« fragte Asya.

»Nein, Effendi, man hieß mich alles mündlich sagen.«

»Nun denn, so sprich.«

»Krieg ist gewiß; zum Frühling sollen wir alle nach Adrianopel; Heu und Gerste sollen die Bulgaren dorthin bringen.«

»Und wo wird der Khan sein?«

»Durch die wilden Felder wird er geradeswegs nach der Ukraine und zu Dorosch ziehen.«

»Was hast du aus den Lagern gehört?«

»Sie brennen auf den Krieg und sehen erwartungsvoll dem Frühling entgegen, denn es herrscht Not bei ihnen, obwohl der Winter erst begonnen hat.«

»Ist die Not groß?«

»Viele Pferde sind gefallen, in Bialogrod hat sich so mancher schon selbst als Sklave verkauft, um nur bis zum Frühling das Leben zu fristen. Viele Pferde sind gefallen, Effendi, denn im Herbst gab es wenig Gras in den Steppen … die Sonne hat es niedergebrannt.«

»Und haben sie von Tuhaj-Beys Sohne vernommen?«

»Was du mir zu sagen gestattetest, habe ich ausgerichtet; das Gerücht ging von den Lipkern zu den Tscheremissen. Aber niemand kennt die volle Wahrheit. Auch das ist bekannt, daß ihnen die Republik ihre Bedingungen erfüllen, daß sie ihnen Land geben will und sie zum Dienste unter deiner Führung aufruft. Auf das bloße Gerücht hin haben sich die ärmeren Stämme empört, sie wollen, Effendi, sie wollen, aber die anderen sagen ihnen, daß das alles nicht wahr sei, daß man in der Republik Heere gegen sie ausschicken wird, und daß es einen Sohn des Tuhaj-Bey nicht gebe. Es waren Kaufleute aus der Krim bei uns; die einen behaupteten dort, es gäbe einen Sohn des Tuhaj-Bey, die anderen, es gäbe keinen, und diese halten sie nieder; wenn es aber allgemein bekannt würde, daß du sie aufrufest, so würden sie in hellen Scharen heranströmen … wenn ich nur sprechen dürfte.«

Asyas Gesicht strahlte vor Zufriedenheit; er ging mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder, dann sagte er:

»Sei mir gegrüßt, Halim, unter meinem Dache; laß dich nieder und iß!«

»Dein Hund und dein Diener bin ich, Effendi,« sagte der alte Tatar.

Asya schlug in die Hände; auf dieses Zeichen trat ein Lipker ein, nahm den Befehl entgegen und brachte einen Imbiß: Branntwein, geräuchertes Fleisch, Brot, etwas Südfrüchte und eine Handvoll getrockneter Kürbiskörner, eines Gerichts, das wie die Körner der Sonnenblume bei allen Tataren sehr beliebt war.

 

»Du bist mir Freund, nicht Diener,« sagte Asya, nachdem sich die Ordonnanz entfernt hatte, »sei mir gegrüßt, denn du bringst gute Nachrichten. Laß dich nieder und iß!«

Halim begann zu essen, und sie sprachen kein Wort miteinander, bis er sich gesättigt hatte. Aber das war bald geschehen, und er richtete wieder seine Blicke auf Asya, seinen Worten entgegenharrend.

»Man weiß hier schon, wer ich bin,« sagte dieser endlich.

»Und nun, Effendi? …«

»Nichts, man schätzt mich um so höher. Wenn es ernst wird, werde ich es doch sagen müssen; ich habe es nur verzögert, weil ich die Nachricht von den Horden abwarten wollte, und weil ich wünschte, daß der Hetman der erste sei, der es wisse. Aber Nowowiejski ist hierhergekommen, und er hat mich erkannt.«

»Der junge?« fragte Halim erschrocken.

»Der alte, nicht der junge. Allah hat sie mir alle hierhergeschickt, auch das Mädchen ist dabei. Daß sie der böse Geist regiere! Laß mich nur erst Hetman werden, ich will's ihnen schon zeigen! Das Mädchen wollen sie mir an den Hals hängen, gut, im Harem braucht man Sklavinnen!«

»Der Alte?«

»Nein: sie, sie glaubt, daß ich nicht sie, sondern jene liebe.«

»Effendi,« sagte Halim mit tiefer Verbeugung, »ich bin der Sklave deines Hauses und habe kein Recht, vor deinem Angesichte zu reden. Aber ich habe dich unter den Lipkern erkannt, ich habe dir bei Brazlaw gesagt, wer du bist und diene dir von stundan treu; ich habe den anderen gesagt, daß sie dich als ihren Herrn ansehen sollen; aber obgleich sie dich alle lieben, niemand liebt dich wie ich. Ist es gestattet, zu reden?«

»Rede!«

»Hüte dich vor dem kleinen Ritter, er ist furchtbar, er ist berühmt in der Krim und in der Dobrudscha.«

»Und hast du, Halim, von Chmielnizki gehört?«

»Wohl habe ich gehört, und ich habe Tuhaj-Bey gedient, der mit Chmielnizki gegen die Lechen in den Krieg zog, die Schlösser erstürmte und Beute fortschleppte.«

»Und weißt du auch, daß Chmielnizki dem Tschaplinski die Frau entführt hat, daß er sie zu sich genommen und Kinder von ihr hatte, wie? Krieg hat es gegeben, und alle Heere des Hetmans und des Königs und der Republik haben sie ihm nicht entrissen. Er hat die Hetmans, die Könige und die Republik geschlagen, denn mein Vater hat ihm geholfen, und überdies war er der Hetman der Kosaken. Und wer werde ich sein? Der Hetman der Tataren! Land müssen sie mir geben, reich und viel, und eine Burg zur Residenz, und rings um die Stadt werden die Stämme lagern auf reichem Boden, und bei den Stämmen die guten Mannen der Horden mit ihren Bogen und Schwertern in großer Zahl. Und wenn ich sie dann auf meine Burg entführe, und sie, die liebliche, zum Weibe nehme und zur Hetmansgattin mache – wer wird die Macht haben? Ich! Wer wird sie von mir fordern – der kleine Ritter? Wenn er am Leben sein wird! Und wenn er auch lebte, und wenn er auch heulte wie ein Wolf, und wenn er vor den König selbst seine Klage trüge – glaubst du, daß sie mit mir einen Krieg führen werden um einen blonden Zopf? Einen solchen Krieg haben sie schon gehabt: die halbe Republik ging in Flammen auf. Wer wird sie mir rauben! Der Hetman? Dann verbünde ich mich mit den Kosaken, schließe mit Dorosch Bruderschaft und gebe das Land dem Sultan? Ich, der zweite Chmielnizki, ich, besser als Chmielnizki. Ein Löwe wohnt in mir. Wenn sie mir gestatten, sie zu nehmen, so will ich ihnen dienen, will ich gegen die Kosaken kämpfen, gegen den Khan, gegen den Sultan, wenn nicht, so will ich ganz Polen mit den Hufen zertreten, die Hetmane in das Joch nehmen, die Heere vernichten, die Schlösser in Flammen stecken, die Menschen niedermachen, ich, Tuhaj-Beys Sohn, ich, der Löwe.«

Hier glühten Asyas Augen in rotem Licht. Die weißen Eckzähne leuchteten wie dereinst die Tuhaj-Beys, er hob die Hand empor und schüttelte sie drohend nach Norden; er war groß, furchtbar und schön, so daß Halim sich schnell verbeugte und mit leiser Stimme wiederholte: »Allah Kerim, Allah Kerim!«

Ein langes Schweigen trat ein, allmählich wurde Asya ruhig, endlich sagte er:

»Bogusch war hier, ihm habe ich meine Macht und meinen Plan entdeckt, daß in der Ukraine neben dem Volk der Kosaken ein Volk der Tataren sein solle, und neben einem Hetman der Kosaken ein Hetman der Tataren.«

»Und er hat zugestimmt?«

»Er fuhr sich nach dem Kopf und lag fast zu meinen Füßen, und am folgenden Tage eilte er zum Hetman mit der glückverheißenden Neuigkeit.«

»Effendi,« sagte Halim zaghaft, »und wenn der große Löwe nicht zustimmt?«

»Sobieski?«

»So ist's.«

Wieder blitzte ein roter Schein in Asyas Augen auf, aber es dauerte nur einen Augenblick. Sein Gesicht beruhigte sich sofort wieder, dann ließ er sich auf der Bank nieder, stützte sein Haupt auf die Ellenbogen und versank in tiefes Sinnen.

»Ich habe in meinem Verstande erwogen,« sagte er endlich, »was der große Hetman sagen kann, wenn ihm Bogusch die glückliche Neuigkeit verkündet. Der Hetman ist weise und wird zustimmen, der Hetman weiß, daß es bis zum Frühling Krieg mit dem Sultan gibt, und hier in der Republik gibt es weder Geld noch Menschen zu diesem Krieg. Und wenn auch Doroschenko mit den Kosaken auf der Seite des Sultans steht, so kann für ganz Polen das Ende kommen, um so eher, als weder der König noch die Stände an den Krieg glauben und sich rüsten. Ich habe hier ein scharfes Ohr für alles, ich weiß alles, was an dem Hofe des Hetmans gesprochen wird, und Bogusch hat vor mir kein Geheimnis. Herr Sobieski ist ein großer Mann, er wird zustimmen, denn er weiß, wenn die Tataren hier Freiheit und Land bekommen, so kann auch in der Krim und in der Steppe der Dobrudscha der Bürgerkrieg beginnen. Die Macht der Horden wird schwach, und der Sultan selbst muß zunächst daran denken, jenen Sturm niederzuhalten … Inzwischen wird der Hetman Zeit haben, sich besser vorzubereiten, inzwischen werden die Kosaken und Dorosch in ihrer Treue gegen den Sultan schwankend werden. Dies ist das einzige Mittel für die Republik, die so schwach ist, daß schon die Rückkehr einiger tausend Lipker für sie eine Bedeutung hat. Der Hetman weiß das, der Hetman ist klug, der Hetman wird beistimmen.«

»Ich demütige mich vor deinem Verstande, Effendi,« antwortete Halim. »Was aber wird sein, wenn Allah dem großen Löwen das Licht nimmt, oder wenn der Satan ihn so verblenden wird in seinem Dünkel, daß er deine Pläne von sich weist?«

Asya näherte sein wildes Gesicht dem Ohre Halims und flüsterte ihm zu:

»Du bleibe jetzt hier, bis die Antwort vom Hetman kommt, und auch ich will nicht eher nach Raschkow. Wenn er dort meine Pläne verwirft, so schicke ich dich zu Krytschynski und den anderen. Du wirst ihnen den Befehl überbringen, an jener Seite des Flusses bis an Chreptiow heranzurücken und bereit zu sein, und ich will hier in der ersten besten Nacht mit meinen Lipkern das Kommando überfallen und ihnen den Garaus machen.«

Asya machte eine Gebärde mit dem Finger über den Hals und fügte nach einer Weile hinzu: »Wir wollen sie hängen, hängen, hängen!«

Halim zog den Kopf zwischen die Schultern ein, und auf seinem tierischen Gesicht lag ein unheilverkündendes Lachen.

»Allah! Und der kleine Falke … auch?«

»Auch er – zuerst.«

»Und dann in Sultans Lande?«

»Ja, mit ihr.«