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Der kleine Ritter

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Bei diesen Worten verneigte er sich vor Wolodyjowski – vor Bärbchen so tief, daß er mit seinem Kopfe beinahe ihre Kniee berührte; sonst blickte er niemand an, nahm seinen Degen unter den Arm und ging hinaus.

Noch eine Weile dauerte das Schweigen; Sagloba ergriff zuerst das Wort:

»Ha, wo ist Herr Snitko? Habe ich nicht gesagt, daß dieser Asya wie ein Wolf dreinschaut, und daß er ein Wolfssohn ist?«

»Ein Löwensohn,« antwortete Wolodyjowski, »und wer weiß, ob er nicht dem Vater nachgeartet ist!«

»Bei Gott, habt Ihr nicht bemerkt, wie ihm die Zähne leuchteten, ganz wie dem alten Tuhaj, wenn er im Zorne war,« sagte Herr Muschalski, »daran allein hätte ich ihn erkannt, denn ich habe auch den alten Tuhaj oft gesehen.«

»Nicht so oft wie ich,« antwortete Sagloba.

»Jetzt begreife ich,« warf Bogusch ein, »warum er unter den Lipkern und Tscheremissen solche Achtung genießt. Verehren sie doch Tuhajs Namen wie den eines Heiligen. Beim lebendigen Gott, wenn dieser Mensch wollte, er könnte sie alle bis auf den letzten Mann in den Dienst des Sultans hinüberführen und uns furchtbare Niederlagen bereiten.«

»Das tut er nimmer,« versetzte Michael, »denn was er gesagt hat, daß er dieses Vaterland und den Hetman liebe, ist Wahrheit, sonst würde er nicht unter uns dienen, während ihm freisteht, nach der Krim zu gehen und dort im Überfluß zu leben. Überfluß hat er wahrlich bei uns nicht gehabt.«

»Das tut er nimmer!« wiederholte Bogusch, »denn wollte er es, so hätte er's längst getan. Nichts hätte ihn hindern können.«

»Im Gegenteil,« fügte Nienaschyniez hinzu, »jetzt glaube ich, daß er der Republik jene verräterischen Hauptleute wieder zurückgewinnt.«

»Herr Nowowiejski,« sagte plötzlich Sagloba, »wenn Ihr nur gewußt hättet, daß er Tuhaj-Beys Sohn ist – Ihr hättet vielleicht … hättet vielleicht sein … was?«

»Ich hätte ihm statt dreihundert dreizehnhundert Knutenhiebe geben lassen. Ein Donnerschlag treffe mich, wenn ich anders gehandelt hätte! Meine Herren, es ist mir verwunderlich, daß er, Tuhaj-Beys Junge, nicht in die Krim entlaufen ist. Ich meine, er hat das erst vor kurzem erfahren, denn bei mir hat er nichts davon gewußt. Es ist mir verwunderlich, sage ich; aber beim Himmel, traut ihm nicht, kenne ich ihn doch länger als Ihr, und ich sage nur so viel: Der Teufel ist nicht so ränkevoll, ein toller Hund ist nicht so wütig, der Wolf nicht so bissig und grausam wie dieser Mensch. Er wird noch allen hier furchtbar mitspielen.«

»Was sprecht Ihr,« sagte Muschalski; »wir haben ihn in der Schlacht bei Kalnik, bei Human, bei Brazlaw und in hundert anderen Gefechten erprobt.«

»Er wird nichts schuldig bleiben, er wird sich rächen.«

»Und wie hat er heut' Asbas Horden im Nacken gesessen – was sprecht Ihr!« —

Bärbchen glühte vor Erregung, so hatte sie der ganze Auftritt mit Asya beschäftigt. Aber sie wollte, daß auch das Ende des Anfangs würdig sei, sie schüttelte Eva und flüsterte ihr ins Ohr:

»Evchen, du hast ihn geliebt, gesteh' mir's, leugne nicht, du hast ihn geliebt? He, liebst ihn noch, wie? Ich bin dessen gewiß, sei aufrichtig gegen mich; wem wolltest du dich anvertrauen, wenn nicht mir, der Frau? Fast königliches Blut rollt in seinen Adern, der Herr Hetman wird ihm zehn Bürgerrechte für eins auswirken; Herr Nowowiejski wird nicht widersprechen. Unzweifelhaft liebt auch Asya dich noch; ich weiß schon, ich weiß, fürchte dich nicht, er hat Vertrauen zu mir, ich will ihn sofort ins Gebet nehmen; er sagte mir ohne Drängen, du habest ihn sehr geliebt, – liebst du ihn noch?«

Evchen war wie betäubt. Als Asya ihr zum ersten Male seine Neigung gestanden hatte, war sie fast noch ein Kind gewesen; dann hatte sie ihn viele Jahre nicht gesehen und nicht mehr an ihn gedacht, es war ihr nur die Erinnerung an einen heißblütigen Knaben geblieben, der halb ein Spielgenosse ihres Bruders, halb ein Diener gewesen war. Jetzt aber, da sie ihn wiederfand, stand ein Heldenjüngling vor ihr, ein schöner, kühner Offizier, ein berühmter Streifzügler und zudem der Sohn eines fremden, aber doch fürstlichen Geschlechts. So hatte auch in ihrer Erinnerung der junge Asya ganz anders gelebt, und sein Anblick hatte sie betäubt, zugleich aber bezaubert und berauscht. Die Erinnerungen erwachten aus ihrem Schlummer; ihr Herz vermochte den Heldenjüngling nicht in einem Augenblick zu lieben, aber sie fühlte in einem Augenblick die süße Fähigkeit, zu lieben.

Da Bärbchen keine Antwort von ihr bekommen konnte, nahm sie Eva samt Sophiechen in den Alkoven und begann von neuem in sie zu dringen:

»Evchen, sprich schnell, furchtbar schnell, liebst du ihn?«

Eva schlug Flammenröte ins Gesicht. Das Mädchen mit dem schwarzen Haar und den schwarzen Augen hatte heißes Blut, und bei jeder Erwähnung der Liebe schlugen seine Wellen in ihre Wangen.

»Evchen,« wiederholte Bärbchen zum zehntenmal, »liebst du ihn?«

»Ich weiß nicht,« antwortete Evchen nach einem Augenblick des Zögerns.

»Aber du sagst nicht nein, oho, so weiß ich's schon! Nun, sträube dich nicht, ich habe Michael zuerst gesagt, daß ich ihn liebe – und 's tat mir gar nichts, es war gut! Ihr habt euch auch wohl früher sehr geliebt? Ha, jetzt begreife ich, so ist er aus Sehnsucht nach dir immer so düster wie ein Wolf, er ist ja beinahe eingegangen. Was war's zwischen euch? Erzähle!«

»In der Laube hat er gesagt, daß er mich liebe,« flüsterte Eva.

»In der Laube! Ei, und dann?«

»Dann umfaßte er mich und küßte mich!« fuhr das Mädchen leiser fort.

»O dieser Mellechowitsch! Und du?«

»Ich fürchtete mich zu schreien.«

»Fürchtetest dich zu schreien! Sophiechen, hörst du? Wann ist denn eure Liebe an den Tag gekommen?«

»Der Vater kam und versetzte ihm einen Schlag mit dem Beil; dann schlug er mich, und ihn ließ er peitschen, daß er zwei Wochen krank lag.«

Hier brach Evchen in Tränen aus, zum Teil aus Schmerz, zum Teil aus Verlegenheit. Bei ihrem Anblick feuchteten sich auch bald die Augen der gefühlvollen Sophie; Bärbchen aber tröstete Eva.

»Alles wird gut enden, laß' mich nur machen! Michael muß ans Werk, und Herrn Sagloba will ich schon zureden. Fürchte dich nicht, vor Herrn Saglobas Witz hält nichts stand, du kennst ihn noch nicht. Weine nicht, Evchen, es ist Zeit zum Nachtmahl.«

Mellechowitsch war zum Nachtmahl nicht erschienen; er saß in seinem Zimmer und wärmte sich am Feuer bei Branntwein mit Met, den er dann in einen kleineren Blechbecher goß und zu dem er Zwieback aß. Herr Bogusch kam zu ihm noch in später Nacht, um mit ihm über Neuigkeiten zu plaudern.

Der Tatar wies ihm sogleich einen Platz auf der schaffellbeschlagenen Bank an, setzte ihm einen vollen Becher heißen Getränkes vor und fragte:

»Will Herr Nowowiejski noch immer mich zu seinem Knechte machen?«

»Davon ist gar nicht mehr die Rede,« versetzte der Truchseß von Nowogrod; »eher noch hätte Nienaschyniez ein Anrecht an dich, aber auch er denkt nicht daran, denn seine Schwester ist wohl schon längst gestorben oder wünscht gar keine Veränderung ihres Schicksals. Herr Nowowiejski wußte nicht, wer du warst, als er dich für die Vertraulichkeiten mit seiner Tochter strafte, und geht jetzt wie betäubt umher, denn wenn auch dein Vater unserem Lande viel Böses getan hat, so war er doch ein berühmter Kriegsmann, und Geburt ist Geburt. Bei Gott, niemand wird dir ein Haar krümmen, solange du diesem Vaterlande treu dienst, um so mehr, als du überall Freunde hast.«

»Warum sollte ich ihm nicht treu dienen?« versetzte Asya, »mein Vater war euer Feind, er war ein Heide – ich aber bekenne Christum.«

»Das eben ist's, das ist's. Du kannst nicht mehr nach der Krim zurück, du müßtest denn deinen Glauben aufgeben; da du damit auch dein Seelenheil aufgäbest, so könnte dich kein irdisches Glück, keine Würde dafür entschädigen. Eigentlich bist du sowohl Herrn Nienaschyniez wie Herrn Nowowiejski Dankbarkeit schuldig, denn der eine hat dich unter den Heiden aufgelesen, und der andere hat dich im wahren Glauben erzogen.«

Darauf versetzte Asya: »Ich weiß, daß ich ihnen Dankbarkeit schulde, und ich will mich bemühen, ihnen zu vergelten. Ihr habt recht, wenn Ihr sagt, daß ich viele Wohltäter hier gefunden habe.«

»Du sprichst das so, als ob du es bitterböse meintest, zähle doch selbst einmal diejenigen, die dir geneigt sind.«

»Der Hetman und Ihr in erster Reihe, das werde ich bis in den Tod wiederholen; wer sonst noch, das weiß ich nicht …«

»Der hiesige Kommandant! Glaubst du, er würde dich in irgend jemands Hände ausliefern, auch wenn du nicht Tuhaj-Beys Sohn wärest? Und sie, die Herrin! Ich habe doch gehört, was sie beim Nachtmahl von dir sagte … bah, und noch vorher, als Nowowiejski dich erkannte, trat sie alsbald für dich ein. Für sie tut Michael alles, und eine Schwester kann ihren Bruder nicht mehr lieben als sie dich. Während der ganzen Abendmahlzeit war dein Name beständig in ihrem Munde.«

Der junge Tatar senkte plötzlich den Kopf und blies in den Becher seines heißen Getränks. Dabei nahm sein Gesicht, da er die bläulichen Lippen aufblies, einen so tatarischen Ausdruck an, daß selbst Bogusch sagte:

»Bei Gott, wie bist du doch in diesem Augenblick dem alten Tuhaj-Bey ähnlich, das übersteigt alle Vorstellungen! Ich habe ihn doch sehr gut gekannt, ich habe ihn oft gesehen am Hofe des Khans und im Felde, an die zwanzigmal wohl war ich in seiner Residenz.«

»Segne Gott die Gerechten, und treffe die Pest die Verräter!« antwortete Asya, »es lebe der Hetman!«

Bogusch stürzte seinen Becher hinunter und sagte:

»Er lebe! Wir sind zwar nur ein kleines Häuflein, die wir auf seiner Seite stehen, aber echte Krieger. Mit Gottes Hilfe werden wir es mit den Tagedieben, die nur raten und schwatzen können und den Hetman des Verrats gegen den König beschuldigen, noch aufnehmen. Die Schurken! Tag und Nacht bieten wir dem Feinde die Stirn, und sie sitzen an den vollen Fleischtöpfen und machen mit ihren Löffeln Musik. Ja, das ist ihre ganze Arbeit. Der Hetman schickt Boten über Boten aus, bittet um Hilfe für Kamieniez, sagt wie Kassandra den Fall von Ilium und Priamos Stamme voraus, und jene kümmern sich nicht darum und suchen und forschen, wer irgend was gegen den König getan hat.«

 

»Wovon sprecht Ihr?«

»O, nichts, ich habe nur einen Vergleich unseres Kamieniez mit Troja gemacht; aber du hast gewiß nie von Troja gehört. Wenn es nur erst ruhiger wird, so wird der Herr Hetman dir das Bürgerrecht auswirken. Mein Leben dafür! Es kommen Zeiten, in denen es an Gelegenheit nicht fehlen wird. Wenn du nur willst, kannst du dich mit Ruhm bedecken.«

»Entweder bedecke ich mich mit Ruhm, oder die Erde bedeckt mich. Ihr sollt von mir hören, so wahr ein Gott im Himmel ist!«

»Und jene dort? Was tut Krytschynski – kehrt er zurück, kehrt er nicht zurück? Was machen sie jetzt?«

»Sie stehen in den Lagern, die einen hier, die anderen dort; sie können sich schwer miteinander verständigen, denn die Entfernungen zwischen ihnen sind zu groß. Sie haben den Befehl, zum Frühling alle nach Adrianopel aufzubrechen und soviel Lebensmittel als möglich mitzunehmen.«

»Beim Himmel, das ist wichtig! Wenn in Adrianopel eine große Heeresversammlung stattfindet, so ist der Krieg mit uns gewiß. Man muß sogleich den Herrn Hetman davon benachrichtigen; auch er glaubt, daß der Krieg bevorsteht, – aber das wäre ein unfehlbares Anzeichen.«

»Halim hat mir gesagt, es heiße dort, der Sultan selbst wolle nach Adrianopel kommen.«

»Nun Gott sei Dank, und hier bei uns ist kaum ein kleines Häuflein. Unsere ganze Hoffnung ruht in dem Felsen von Kamieniez. Stellt Krytschynski etwa neue Bedingungen?«

»Sie schreiben mehr Klagen aus, als sie Bedingungen stellen: allgemeine Amnestie, Gewährung der Rechte und Privilegien des Adels, wie sie sie in alten Zeiten hatten, Beibehaltung des Ranges für die Hauptleute – das ist's, was sie wollen. Da ihnen der Sultan aber schon mehr zuerkannt hat, zögern sie.«

»Was sagst du, wie kann der Sultan ihnen mehr zuerkennen, als die Republik! In der Türkei ist absolutum dominium, und alle Rechte hängen einzig und allein von der Laune des Sultans ab. Hält auch der, der jetzt lebt und regiert, alle Versprechungen, so bricht sie sein Nachfolger, tritt sie mit Füßen, wenn er will. Bei uns aber ist ein Privileg geheiligt, und wer dem Adel angehört, dem kann der König selbst nichts nehmen.«

»Sie aber sagen, sie seien adlig gewesen, und doch habe man sie wie die Dragoner behandelt. Und die Starosten haben ihnen oft genug Dienstpflichten auferlegt, von denen nicht nur der Adel frei ist, sondern sogar die Freisassen.

Wenn ihnen der Hetman verspricht … Keiner von ihnen zweifelt an der Großmut des Hetmans, und alle lieben ihn heimlich in ihrem Herzen; aber sie denken so: den Hetman selber hat der Adel zum Verräter gemacht; am königlichen Hofe haßt man ihn, die Konföderation droht ihm mit dem Gericht, wie sollte er etwas erwirken können?«

Bogusch rieb sich den Kopf.

»Was also wird geschehen?«

»Sie wissen selbst nicht, was sie tun sollen …«

»… Und bleiben beim Sultan.«

»Nein.«

»Hm, wer wird ihnen befehlen, zur Republik zurückzukehren?«

»Ich.«

» – Wie?«

»Ich bin der Sohn des Tuhaj-Bey.«

»Lieber Asya,« sagte Bogusch nach einer Weile, »ich will nicht leugnen, daß sie deine Herkunft und deinen Ruhm achten können, obwohl es unsere Tataren sind, und Tuhaj-Bey unser Feind war; solche Dinge begreife ich, denn auch unter uns gibt es Edelleute, die mit einem gewissen Stolze erzählen, daß Chmiel von Adel war, und nicht von den Kosaken, sondern von unserem Volk abstammte, von den Masuren … Nun, er war doch gewiß ein Schurke, wie es in der Hölle keinen größeren gibt, aber da er ein berühmter Krieger war, so erkennen sie ihn gern an. So ist die menschliche Natur. Daß aber deine Herkunft von Tuhaj-Bey dir ein Recht geben sollte, allen Tataren zu befehlen, dafür sehe ich keinen vernünftigen Grund.«

Asya schwieg eine Weile, dann stemmte er die Ellbogen gegen die Schenkel und sagte:

»So will ich Euch sagen, Herr Truchseß, warum Krytschynski mir gehorcht, und warum die anderen mir gehorchen. Nicht allein, daß sie einfache, glückliche Tataren sind, und ich ein Fürst, es ist noch anders: in mir wohnt Klugheit und Macht … das wißt Ihr nicht, das weiß auch der Herr Hetman nicht.«

»Welche Klugheit, welche Macht?«

»Das kann ich nicht sagen,« antwortete Asya in ruthenischer Mundart. »Warum bin ich zu Dingen bereit, zu welchen kein anderer sich erkühnen würde? Warum habe ich Pläne gefaßt, die kein anderer fassen würde?«

»Was sagst du, was für Pläne?«

»Wenn mir der Hetman den Willen ließe und das Recht dazu gäbe, ich würde nicht nur die Hauptleute zurückführen, ich würde die Hälfte der Horde in den Dienst des Hetmans stellen. Gibt es wenig wüsten Boden in der Ukraine und in den wilden Feldern? Mag der Hetman nur verkündigen, daß jeder Tatar, der in die Republik kommt, ein Edelmann wird, und daß er in seinem Glauben nicht bedrückt werden, daß er unter seiner eigenen Fahne dienen solle, daß sie alle ihren eigenen Hetman haben sollen, wie ihn die Kosaken haben – meinen Kopf gäbe ich dafür, daß in kürzester Frist die ganze Ukraine von ihnen wimmeln wird. Die Lipker werden kommen und die Tscheremissen, aus der Dobrudscha, aus Bialogrod, ebenso aus der Krim werden sie kommen, ihre Herden werden sie hertreiben, ihre Frauen und Kinder werden sie herfahren. Schüttelt nicht mit dem Kopfe, sie werden kommen, wie sie in früheren Zeiten gekommen sind, und der Republik jahrhundertelang treu gedient haben. In der Krim und überall bedrücken sie der Khan und die Mirzen, und hier sollen sie Edelleute werden und Schwerter tragen und unter ihrem eigenen Hetman ins Feld rücken. Ich schwöre es Euch, daß sie kommen, denn dort sterben sie Hungers. Und wenn es unter den Stämmen bekannt wird, daß ich im Namen des Hetmans rufe, daß Tuhaj-Beys Sohn ruft, so werden Tausende hierherkommen.«

Bogusch griff sich mit der Hand nach dem Kopfe.

»Bei den Wundern Gottes, Asya, wie kommen dir solche Gedanken? Was würde das geben!«

»Es gäbe in der Ukraine ein Volk der Tataren, wie es ein Volk der Kosaken gibt. Den Kosaken habt ihr Privilegien und einen Hetman zugestanden, warum solltet ihr das für uns nicht zugestehen? Ihr sagt, was das geben würde? Einen zweiten Chmielnizki würde es nicht geben, denn wir würden den Kosaken den Fuß auf den Nacken setzen; Bauernaufstände würde es nicht geben, Gemetzel und Verwüstungen auch nicht – Doroschenko würde nicht hier sein, denn wenn er es wagte, sich zu erheben, wäre ich der erste, der ihn zu den Füßen des Hetmans hinführt, damit er ihn peitsche. Und wollte die ganze Macht der Türken gegen euch ziehen, wir würden den Sultan bekriegen, wollte der Khan seine Scharen gegen euch loslassen, wir schlügen den Khan. Haben die Lipker und Tscheremissen nicht in früheren Zeiten so getan, obwohl sie den Glauben Mohammeds bekannten? Warum sollten wir anders handeln, wir, die Tataren der Republik, wir Edelleute … Und nun erwägt: Die Ukraine wird Frieden haben, die Kosaken werden niedergehalten, gegen die Türken habt ihr einen Schutz und etliche zehntausend Mann mehr – das ist mein Plan, das ist's, worüber ich brüte, das ist's, weshalb Krytschynski, Adurowitsch, Morawski, Tworkowski mir folgen, das ist's, weshalb die halbe Krim auf meinen Ruf diese Steppen überfluten wird.«

Bogusch war so erstaunt und so überwältigt von Asyas Worten, daß es ihm war, als seien die Wände des Zimmers plötzlich auseinander gerückt, und als hätten sich seinen Augen plötzlich neue Länder gezeigt. Lange Zeit konnte er kein Wort sprechen; er starrte nur den jungen Tataren an, der mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder ging. Endlich sagte dieser:

»Ohne mich könnte sich das nicht vollziehen, denn ich bin der Sohn des Tuhaj-Bey. Vom Dniepr bis zur Donau gibt es keinen ruhmreicheren Namen unter den Tataren.«

Dann fügte er nach einer Weile hinzu:

»Was gilt mir Krytschynski, Tworkowski und die anderen! Nicht um jene ist es mir zu tun, nicht um einige tausend Lipker und Tscheremissen, sondern um die ganze Republik. Es heißt, wenn der Frühling kommt, steht ein großer Krieg mit der ganzen Macht des Sultans bevor; aber lasset mich nahen, und ich will unter den Tataren ein Feuer entzünden, daß der Sultan selbst sich die Hände verbrennen soll.«

»Bei Gott, wer bist du, Asya!« rief Bogusch aus.

Und er warf den Kopf zurück und sprach:

»Der zukünftige Hetman der Tataren.«

Der Glanz des Feuerscheins fiel in diesem Augenblick auf Asya und beleuchtete sein furchtbares und zugleich schönes Gesicht. Und Bogusch war's, als stände ein anderer Mensch vor ihm, eine solche Größe, ein solcher Stolz umgab die Gestalt des jungen Tataren. Und Bogusch empfand auch, daß Asya die Wahrheit spreche. Wenn der Hetman einen solchen Aufruf erließ, unzweifelhaft würden alle Lipker und Tscheremissen zurückkehren, und viele der wilden Tataren würden sie mit sich ziehen. Der alte Edelmann kannte die Krim sehr gut, in der er zweimal als Sklave und dann, vom Hetman ausgelöst, als Gesandter gewesen war; er kannte den Hof von Baktschissaraj, er kannte die Horden, die vom Don bis zur Dobrudscha saßen, er wußte, daß im Winter zahlreiche Stämme Hungers starben, er wußte, daß den Mirzen der Despotismus und die Habgier der Basken unerträglich geworden, daß es in der Krim selber häufig zu Empörungen komme; darum begriff er sofort, daß der fruchtreiche Boden und die Privilegien unzweifelhaft alle diejenigen anziehen würden, welchen es in den alten Wohnsitzen schlecht erging, welchen sie zu eng oder unsicher geworden waren.

Er begriff auch, daß sie um so schneller dem Rufe folgen würden, wenn es Tuhaj-Beys Sohn war, der sie rief. Er allein konnte es vollbringen, kein anderer; er konnte mit dem Ruhme seines Vaters die Stämme zur Empörung bringen, die eine Hälfte der Krim gegen die andere unter die Waffen rufen, die wilden Horden von Bialogrod aufrütteln und die ganze Macht des Khans, ja selbst die des Sultans erschüttern.

Wenn der Hetman die Gelegenheit wahrnehmen wollte, so konnte er den Sohn des Tuhaj-Bey als einen Mann betrachten, den ihm die Vorsehung gesandt hatte.

Bogusch begann also Asya mit anderen Augen zu betrachten, und erstaunte immer mehr, wie solche Gedanken in seinem Kopfe entstehen mochten. Der Schweiß lief dem Ritter in Perlen über die Stirn, so ungeheuer erschienen ihm Asyas Pläne. Und doch blieben ihm immer noch Zweifel in der Seele. Darum sagte er nach einer Weile:

»Und weißt du auch, daß um solcher Dinge willen Krieg mit der Türkei kommen müßte?«

»Der Krieg kommt auch so; warum ist den Horden befohlen, nach Adrianopel zu ziehen? Nur dann gibt es keinen Krieg, wenn im Reiche des Sultans selber Zwistigkeiten entstehen. Wenn es aber dazu kommt, ins Feld zu rücken, so wird die Hälfte der Horde auf unserer Seite sein.«

Für alles hat der Schlaukopf ein Argument – dachte Bogusch.

»Es wirbelt mir im Kopfe,« sagte er nach einer Weile; »siehst du, Asya, in jedem Falle ist das kein leichtes Ding. Was würde der König sagen, der Kanzler, die Stände, der ganze Adel, der zum größten Teil dem Hetman unfreundlich gesinnt ist?«

»Ich brauche nur die Erlaubnis des Hetmans schriftlich, und wenn wir erst hier sitzen, mögen sie uns dann herausdrängen, – wer wird uns herausdrängen, und auf welche Weise? Gern möchtet ihr die Saporoger aus der Sitsch verjagen, aber ihr könnt es nicht.«

»Der Hetman wird die Verantwortlichkeit fürchten.«

»Hinter dem Hetman werden zehntausend tatarische Schwerter stehen, außer dem Heere, das er jetzt befehligt.«

»Und die Kosaken? Die Kosaken vergißt du, diese werden sofort Widerspruch erheben.«

»Dazu eben sind wir hier nötig, damit das Schwert über dem Haupte der Kosaken hänge. Was gibt Dorosch die Kraft? Die Tataren. Die Tataren in meiner Hand, und Dorosch muß vor dem Hetman die Kniee beugen.«

Bei diesen Worten streckte Asya die Hände von sich und breitete die Finger wie Adlerkrallen aus; dann erfaßte er den Griff seines Schwertes.

»So werden wir den Kosaken ihre Rechte anweisen; zu Bauern sollen sie werden, und wir werden die Ukraine beherrschen. Hört, Bogusch, Ihr glaubt, ich sei ein kleiner Mensch, und ich sage Euch, ich bin nicht so klein, wie Herr Nowowiejski, der hiesige Kommandant, die Offiziere und Ihr, Herr Bogusch, glaubt. Seht, ich habe Tag und Nacht darüber nachgedacht, daß ich hager wurde, daß mir die Wangen einfielen, daß sie sich dunkler färbten; aber was ich ersonnen habe, habe ich klug ersonnen, und darum habe ich Euch gesagt, daß Klugheit und Macht in mir wohnen. Ihr seht selbst, daß es sich um große Dinge handelt; fahrt zum Hetman, hurtig, stellt ihm vor, er soll es mir schriftlich geben, und ich will mich um die Stände nicht kümmern. Der Hetman hat eine große Seele, der Hetman wird wissen, daß dies Macht und Klugheit ist. Sagt dem Hetman, daß ich Tuhaj-Beys Sohn bin, daß ich allein es machen kann; stellt es ihm vor, fordert seine Zustimmung, aber um Gottes willen, solange es Zeit ist, solange der Schnee in der Steppe liegt, ehe der Frühling kommt, denn mit dem Frühling kommt der Krieg. Eilt sofort hin und kehrt sofort zurück, damit ich bald wisse, was mir zu tun bleibt.«

 

Bogusch bemerkte kaum, daß Asya in befehlendem Tone sprach, als sei er schon Hetman, und als gebe er seinem Offizier Weisungen.

»Morgen will ich ruhen,« sagte er, »und übermorgen gehe ich fort. Gebe Gott, daß ich den Hetman in Jaworowo finde. Er ist schnell im Entschluß, und du sollst bald Antwort haben.«

»Glaubt Ihr, daß der Hetman zustimmen wird?«

»Vielleicht befiehlt er dir, zu ihm zu kommen; verlasse deshalb Raschkow nicht, von hier kommst du schneller nach Jaworowo. Ob er zustimmt? Ich weiß es nicht, aber er wird die Sache reiflich erwägen, denn du führst gewichtige Gründe an. Bei dem lebendigen Gott, das hätte ich nicht von dir erwartet; aber jetzt sehe ich, daß du kein gewöhnlicher Mensch bist, und daß dich Gott zu großen Dingen bestimmt hat. Nun, nun – Asya, Asya, Statthalter in der Lipkischen Fahne, nicht mehr, und solche Dinge im Kopfe, daß man hier erschrecken muß! Jetzt würde ich mich nicht mehr wundern, wenn ich die Reiherfeder auf deinem Kalpak und den Roßschweif über dir sehen würde; auch das glaube ich, was du sagst, daß dir diese Gedanken deine Nachtruhe aufgezehrt … Gleich übermorgen gehe ich fort, ich will nur ein wenig ruhen, und jetzt will ich gehen, denn es ist spät und es geht mir wie ein Mühlrad im Kopfe herum. – Lebe wohl, Asya … In den Schläfen pocht's mir, als wäre ich berauscht … Behüte dich Gott, Asya, Sohn des Tuhaj-Bey!«

Hier drückte Bogusch die hagere Hand des Tataren und wandte sich zur Tür. Aber noch an der Schwelle blieb er stehen und sagte:

»Wie war's … neue Heere für die Republik … ein Schwert über dem Haupte der Kosaken … Dorosch gedemütigt … Zwist in der Krim … die Macht der Türken geschwächt … keine Überflutung der reußischen Lande mehr – bei Gott!«

Mit diesen Worten ging er hinaus, Asya blickte ihm noch eine Weile nach, dann sprach er leise:

»Und für mich der Roßschweif, das Szepter und … willig oder mit Gewalt – sie! – sonst wehe euch!«

Dann trank er den Rest seines Branntweins und warf sich auf die mit Fellen bedeckte Pritsche, die im Winkel des Zimmers stand. Das Feuer im Kamin war erloschen, aber durch die Fenster fielen die hellen Strahlen des Mondes, der hoch am klaren Winterhimmel stand. Asya lag eine Zeitlang ruhig, aber er konnte nicht einschlafen. Endlich erhob er sich, trat ans Fenster und betrachtete den Mond, der wie ein einsamer Nachen durch die unermeßliche Einsamkeit des Himmels dahinglitt.

Der junge Tatar blickte lange hinaus; endlich drückte er die Fäuste über seine Brust zusammen, hob beide Daumen in die Höhe, und aus seinem Munde, der vor kaum einer Stunde sich zu Christo bekannt hatte, kam halb singend, halb sprechend ein melancholischer Ton: Allah il Allah, Allah il Allah – Mohammed Rossulah! …