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Der kleine Ritter

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Darum legte ich nach der Schlacht bei Berestetsch diese geistlichen Gewänder an, um mit größerer Würde das Wort und den Willen Gottes zu verkünden. Seit zwanzig Jahren und darüber tue ich es ohne Rast und Ruhe. Meine Haare sind gebleicht … Gott der Allerbarmer wird mich nicht dafür strafen, daß meine Stimme bis jetzt die Stimme des Predigers in der Wüste gewesen.

Meine Herren, liebet eure Feinde! Strafet sie, wie der Vater straft, rüget sie, wie der ältere Bruder rügt, sonst wird ihnen wehe sein, aber wehe auch euch, wehe der ganzen Republik!

Seht, was ist der Nutzen dieses Krieges, dieses Hasses des Bruders gegen den Bruder? Wüst ist das ganze Land, nur Leichenhügel sind mir in Uschyz als Pfarrkinder geblieben, in Trümmern liegen Kirchen, Städte, Dörfer; die Macht der Heiden wächst und schlägt über uns zusammen wie das Meer, das auch dich, du Fels von Kamieniez, zu verschlingen droht.«

Herr Nienaschyniez hatte mit großer Rührung der Rede des Priesters Kaminski gelauscht, so daß der Schweiß auf seine Stirn trat, und er ergriff das Wort, als alles um ihn her in Schweigen versunken war.

»Daß es hier unter dem Kosakenvolk würdige Männer gibt, da ist uns ein Beweis der hier anwesende Herr Motowidlo, den wir alle lieben und ehren. Was aber die allgemeine Liebe betrifft, über welche Priester Kaminski so beredt gesprochen hat, muß ich gestehen, daß ich in schwerer Sünde bis heute gelebt, denn ich habe sie nicht in mir und habe mich nicht bemüht, sie zu besitzen. Jetzt hat mir der würdige Priester die Augen geöffnet. Ohne besondere Gnade des Himmels werde ich diese Liebe im Herzen nicht finden, denn ich trage die Erinnerung eines entsetzlichen Unrechts in ihm, das ich hier kurz erzählen will.«

»Trinken wir etwas Warmes!« fiel Sagloba ein.

»Schürt das Feuer,« sagte Bärbchen zu den Knechten.

Bald erglänzte das geräumige Gemach von neuem in hellem Licht, und ein Knecht stellte vor jeden der Ritter ein Quart Warmbier hin. Alle tauchten gern die Lippen hinein, und als sie ein und das anderemal getrunken hatten, nahm Herr Nienaschyniez das Wort wieder und sprach, wie wenn ein Wagen rasselt:

»Meine Mutter empfahl sterbend meinem Schutze die Schwester. Halschka hieß sie. Ich hatte keine Frau, kein Kind, darum liebte ich dieses Mädchen wie meinen Augapfel. Sie war zwanzig Jahre jünger als ich, und ich trug sie auf meinen Händen, kurz, ich betrachtete sie als mein eigen Kind. Dann zog ich in den Krieg, und die Horde nahm sie in ihre Gefangenschaft. Als ich heimkehrte, rannte ich mit dem Kopf gegen die Wand. Mein Besitz war während des Überfalles verloren; aber ich verkaufte, was ich hatte; für das letzte erwarb ich ein Pferd und ritt hinaus mit den Armeniern, um sie auszulösen. Ich fand sie in Baktschissaraj beim Harem, nicht im Harem, denn sie war erst zwölf Jahre alt. – Nie vergeß' ich, Halschka, den Augenblick, da ich dich wiederfand, wie du mich liebend umhalstest, wie du mich auf die Augen küßtest! Doch ach, zu wenig war, was ich mitgebracht hatte. Das Mädchen war schön; Jehu-Aga, der sie entführt hatte, forderte dreimal soviel. Ich wollte mich als Zugabe ausliefern – auch das half nicht. Vor meinen Augen erstand sie auf dem Markte Tuhaj-Bey, unser berühmter Feind, der sie drei Jahre lang beim Harem halten und sie dann zu seiner Gattin machen wollte. Ich kehrte ins Land zurück und raufte mir die Haare. Unterwegs erfuhr ich, daß in einer Seestadt eine von Tuhaj-Beys Gattinnen mit ihrem Lieblingssöhnchen Asya wohne – Tuhaj-Bey hatte in allen Städten und Dörfern Frauen, um überall Ruhe unter eigenem Dache zu haben. Da ich von jenem Lieblingssohn hörte, war mir's, als zeige mir Gott das letzte Rettungsmittel für Halschka, und sogleich beschloß ich, Asya zu entführen und ihn dann für mein Mädchen einzutauschen. Aber ich allein konnte das nicht vollführen. Ich mußte in der Ukraine oder in den wilden Feldern die Banden zusammenrufen, und das war nicht leicht, denn erstens war der Name Tuhaj-Bey gefürchtet in ganz Reußen, und dann hatte er den Kosaken gegen uns geholfen. Aber in den Steppen haust eine Menge Kosaken, welche nur den eigenen Gewinn im Auge haben und um der Beute willen zu allem bereit sind. Solcher sammelte ich eine bedeutende Zahl. Was wir alles durchgemacht, ehe wir die Tschaiken sämtlich ins Meer hinausbrachten, das kann keine Zunge sagen, denn auch vor den Kosaken-Ältesten mußten wir uns verbergen. Aber Gott gab uns Segen. Asya entführte ich und mit ihm köstliche Beute. Die Verfolger holten uns nicht ein, und wir kamen glücklich in die wilden Felder. Von hier wollte ich nach Kamieniez, um sogleich durch die dortigen Kaufleute die Verhandlungen zu beginnen. Ich teilte alle Beute unter die Kosaken und behielt mir selbst nur Tuhaj-Beys Jungen. Und weil ich so freigebig und redlich mit den Leuten verfahren war, weil ich soviel mit ihnen zusammen erduldet hatte, weil ich mit ihnen Hunger gelitten und für sie mein Leben gewagt hatte, meinte ich, jeder von ihnen werde für mich ins Feuer gehen, ich hatte mir ihr Herz für immer gewonnen. Bitter sollte ich enttäuscht werden!

Es war mir nicht eingefallen, daß sie ihre eigenen Atamans in Stücke reißen, um ihre Beute zu teilen. Ich hatte vergessen, daß es unter diesen Leuten keinen Glauben, keine Tugend, keine Dankbarkeit, kein Gewissen gibt … Schon in der Nähe von Kamieniez reizte sie die Hoffnung reichen Lösegeldes für Asya. In der Nacht fielen sie über mich her wie die Wölfe, würgten mich mit einer Schnur um den Hals, zerstachen meinen Körper mit Messern und ließen mich endlich, da sie mich für tot hielten, in der Wüste liegen und gingen selbst mit dem Kinde davon.

Gott sandte mir Rettung und gab mir die Gesundheit wieder – aber meine Halschka war für immer verloren. Vielleicht lebt sie noch dort irgendwo; vielleicht hat sie nach dem Tode Tuhaj-Beys irgend ein anderer Heide genommen; vielleicht ist sie zu Mohammed übergetreten, hat vielleicht den Bruder ganz und gar vergessen – vielleicht wird dereinst ihr Sohn mein Blut vergießen … Das ist meine Geschichte.«

Hier verstummte Herr Nienaschyniez und blickte finster zu Boden.

»Wieviel Blut und Tränen der Unseren sind für diese Lande schon geflossen!« sagte Herr Muschalski.

»Liebe deine Feinde!« warf Priester Kaminski ein.

»Und als Ihr wieder gesund waret – habt Ihr Tuhaj-Beys Jungen nicht wieder gesucht?« fragte Sagloba.

»Wie ich später erfuhr,« antwortete Nienaschyniez, »hat eine andere Bande meine Räuber überfallen, die sie bis auf den letzten Mann niedermetzelte; die schleppten Beute und Kind mit sich fort. Ich habe überall gesucht – wie ein Stein, der ins Meer gefallen, war's verloren.«

»Vielleicht habt Ihr es später einmal getroffen und habt es nicht erkannt,« sagte Frau Bärbchen.

»Das Kind – ich weiß nicht, ob es schon drei Jahre zählte – wußte kaum, daß es Asya heiße, aber ich würde es erkennen, denn es hat über jeder Brust ein Fischchen in blauer Farbe ausgestochen.«

Plötzlich sagte Mellechowitsch, der bisher ruhig im Winkel gesessen hatte, mit auffallend veränderter Stimme:

»An den Fischen würdet Ihr es nicht erkennen; viele Tataren können ein solches Zeichen haben, besonders unter denen, die an den Ufern der Flüsse wohnen.«

»Nein,« versetzte der ehrwürdige Hromyka, »nach der Schlacht von Berestetsch haben wir Tuhaj-Beys Leichnam betrachtet; er war auf dem Platze geblieben, und ich weiß, er hatte Fische auf der Brust, und alle Gefangenen trugen andere Zeichen.«

»Und ich sage Euch, viele tragen solche Fische!«

»Ja, aber aus dem feindlichen Geschlecht Tuhajs.«

Das Gespräch wurde durch den Eintritt des Herrn Leltschyz unterbrochen, der am frühen Morgen von Herrn Michael auf Vorposten ausgesandt war und eben jetzt zurückkehrte.

»Herr Kommandant,« sagte er noch in der Tür, »an der Sieroz-Furt auf der moldauischen Seite lagert ein Haufen Gesindel, der es auf uns abgesehen hat.«

»Was für Leute sind es?« fragte Herr Michael.

»Strolche, Walachen, Ungarn, von beiden ein bißchen, und am meisten von der Horde; im ganzen an zweihundert Mann.«

»Das sind dieselben, von welchen ich Kunde hatte, daß sie auf der walachischen Seite geplündert haben,« sagte Wolodyjowski. »Perkula muß sie dort bedrängen, sie fliehen zu uns. Aber dort sind allein zweihundert von der Horde; in der Nacht werden sie übersetzen, und mit der Morgendämmerung treten wir ihnen in den Weg. Herr Motowidlo und Asya werden sich von Mitternacht an in Bereitschaft halten; eine Herde Ochsen wird ihnen zur Anreizung entgegengejagt. Und jetzt in die Quartiere!«

Die Soldaten begannen auseinanderzugehen, aber noch hatten nicht alle das Zimmer verlassen, als Bärbchen zu ihrem Gatten eilte, ihre Hände um seinen Hals legte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Er lächelte und schüttelte verneinend den Kopf; sie aber drängte offenbar in ihn und schlang ihre Arme immer fester um seinen Nacken. Als Sagloba das sah, sagte er:

»Tu ihr doch einmal den Gefallen, dann mach' auch ich Alter mit euch mit.«

Die lockeren Banden, die sich an beiden Ufern des Dniestr mit Raub beschäftigten, bestanden aus Leuten der verschiedenen Nationalitäten, welche die Nachbarländer bewohnten. Den überwiegenden Teil machten immer die tatarischen Überläufer von den Horden der Dobrudscha und von Bialogrod aus, die noch wilder und kriegerischer waren als ihre Stammesbrüder in der Krim. Aber es fehlte auch nicht an Walachen, an Kosaken und Ungarn, an polnischen Kriegsknechten, welche aus den Grenzwarten entflohen waren, die am Ufer des Dniestr entlang lagen. Sie lauerten bald auf der polnischen, bald auf der walachischen Seite in Büschen auf, von Zeit zu Zeit den Grenzfluß überschreitend, je nachdem die Perkulabischen oder die Kommandanten der Republik sie bedrängten. In Schluchten und Wäldern, in Höhlen hatten sie ihre unzugänglichen Schlupfwinkel. Das Hauptziel ihrer Überfälle waren die Ochsen- und Pferdeherden der Grenzwarten, die auch im Winter die Steppen nicht verließen, da sie sich selbst ihre Nahrung unter dem Schnee hervorsuchten. Außerdem aber überfielen sie die Dörfer, Städtchen, Flecken, kleinere Kommandos, polnische, ja auch türkische Kaufleute und die Vermittler, die mit dem Lösegeld nach der Krim zogen. Diese Haufen hatten ihre Ordnung und ihre Führer, aber sie verbanden sich selten. Oft geschah es sogar, daß minder zahlreiche durch stärkere niedergemetzelt wurden. Sie hatten sich überall in den reußischen Landen sehr vermehrt, besonders seit der Zeit der kosakisch-polnischen Kriege, da jede Sicherheit in jenen Gegenden geschwunden war. Die Banden am Ufer des Dniestr, welche beständig durch Überläufer aus der Horde ergänzt wurden, waren besonders drohend. Manche von ihnen zählten bis zu fünfhundert Köpfe; ihre Führer nahmen den Titel von Beys an. Sie verwüsteten das Land auf ganz tatarische Weise, und oft wußten die Kommandanten selbst wirklich nicht, ob sie es mit Räubern zu tun hatten oder mit dem Vortrab einer ganzen Horde. Den regulären Truppen, besonders der Reiterei der Republik, vermochten jene Haufen im Felde nicht standzuhalten. Waren sie aber einmal in die Falle gelockt, so schlugen sie sich verzweifelt, denn sie wußten wohl, daß ihrer in der Republik der Galgen harre. Ihre Waffen waren verschieden; Bogen und Flinte fehlten ihnen; sie wären ihnen auch zu ihren nächtlichen Überfällen von geringem Nutzen gewesen. Der größte Teil war mit türkischen Handscharen und Yataganen ausgerüstet – mit tatarischen Säbeln und mit Pferdekinnbacken, die sie auf junge Eichstöcke setzten und mit Stricken befestigten. Diese letztere Waffe leistete in fester Faust furchtbare Dienste, denn sie zerschmetterte jeden Säbel. Einzelne hatten Heugabeln, die sehr lang und stark mit Eisen beschlagen waren; einzelne führten Lanzen. Diese leisteten in Notfällen der Reiterei Widerstand.

 

Die Bande, welche an der Sieroz-Furt Halt gemacht hatte, mußte sehr stark an Zahl sein oder aber sich in der äußersten Not auf der moldauischen Seite befinden, wenn sie es wagte, gegen das Kommando von Chreptiow anzurücken, trotz der Furcht, welche Herrn Michaels Name allein in allen Räuberbanden beider Ufer weckte. Und so brachten auch die zweiten Vorposten die Mitteilung, daß sie aus vierhundert Köpfen bestehe unter Führung Asba-Beys, des berühmten Rottenführers, der seit einigen Jahren die polnische und moldauische Seite in Furcht und Schrecken erhielt.

Wolodyjowski war voller Freude, als er erfuhr, mit wem er es zu tun haben werde, und gab sogleich seine Befehle. Außer Mellechowitsch und Motowidlo zog noch die Fahne des Herrn Generals von Podolien und des Herrn Truchseß von Prschemysl. Noch in der Nacht brachen sie auf, und wie es hieß, nach verschiedenen Seiten. Aber wie die Fischer das große Zuggarn weithin ausbreiten, um nachher bei einer Wuhne zusammenzukommen, so sollten auch diese Fahnen, die in einem weiten Kreise herumgingen, beim Anbruch des Tages an der Sieroz-Furt zusammentreffen.

Bärbchen sah mit klopfendem Herzen dem Auszug der Truppen zu. Es sollte dies ihr erster Kriegszug sein, und das Herz schwoll ihr bei dem Anblick der Behendigkeit dieser alten Steppenwölfe. Sie gingen in solcher Stille davon, daß man im Blockhaus selbst sie kaum hätte hören können. Kein Zügel klirrte, kein Steigbügel, kein Säbel schlug an den anderen, kein Pferd wieherte. Die Nacht war hell und schön, denn es war die Zeit des Vollmondes; er beleuchtete den Hügel der Grenzwarte und die Steppe, die von allen Seiten leicht abfiel. Und doch, kaum war eine Fahne über das Pfahlwerk hinausgekommen, kaum leuchtete es auf im silbernen Feuerschein, den der Mond den Schwertern entlockte, so war sie auch schon den Augen entschwunden wie ein Volk Rebhühner, das im wogenden Grase untertaucht. Es lag etwas Geheimnisvolles in diesem Auszug. Bärbchen war es, als zögen Jäger auf eine Jagd, die mit Anbruch des Tages beginnen sollte, und als gingen sie so still und vorsichtig, um das Wild nicht aufzuscheuchen. Und so erfüllte ihr Herz eine mächtige Lust, an dieser Jagd teilzunehmen.

Herr Michael widersprach dem nicht, denn Sagloba hatte ihm seine Zustimmung abgerungen. Überdies wußte er auch, daß er doch einmal Bärbchens Willen werde Genüge tun müssen, er zog also vor, es bald zu tun, um so mehr, als diese Freibeuter Bogen und Feuergewehr nicht zu gebrauchen pflegten.

Sie brachen aber erst drei Stunden nach dem Auszug der ersten Fahne auf, denn so hatte Michael es angeordnet. Mit ihnen ging Herr Muschalski und zwanzig Linkhausensche Dragoner nebst dem Wachtmeister, alles Masuren, ausgezeichnete Leute, hinter deren Säbel die anmutige Kommandantin so sicher war wie in ihrem Ehezimmer.

Sie selbst war, da sie auf einem Männersattel reiten sollte, entsprechend gekleidet. Sie trug perlfarbige, sammetne und weite Pluderhöschen, die einem Unterrock glichen und in gelben Saffianstiefelchen steckten, ferner einen Überrock von ebenfalls grauer Farbe mit weißem Krimmer gefüttert und an den Nähten schön besetzt, dann eine silberne Patronentasche von vorzüglicher Arbeit, ein leichtes, türkisches Säbelchen an seidenen Schnüren, und Pistolen im Holster. Ihr Kopf steckte in einem kleinen Kalpak, oben von venetianischem Sammet, mit einer Reiherfeder geschmückt und ringsum mit wilder Katze besetzt. Unter dem Kalpak sah ihr helles, rosiges, fast kindliches Gesichtchen und ihre zwei neugierigen Augen, die wie glühende Kohlen leuchteten, hervor.

In dieser seltsamen Tracht, auf dem kleinen, schnellen und gleich einem Reh zahmen Pferdchen, schien sie ein Hetmanskind zu sein, das unter dem Schutze alter Krieger zum ersten Unterricht ausreitet. Sie bewunderten auch ihre Gestalt; Sagloba und Muschalski stießen einander mit den Ellbogen und küßten jeder seine Faust zum Zeichen besonderer Verehrung für Bärbchen. Beide beschwichtigten ihre Sorge um den verspäteten Aufbruch.

»Du verstehst den Krieg nicht,« sagte der kleine Ritter, »darum verdächtigst du uns, daß wir dich erst, wenn alles vorbei ist, an Ort und Stelle bringen wollen. Die einen Fahnen gehen wie ein Pfeilschuß, die anderen müssen Umwege machen, um die Stege abzuschneiden, und werden sich dann erst ganz leise vereinigen und den Feind umzingeln. Wir aber kommen zur rechten Zeit, und ohne uns wird nichts begonnen, denn jede Stunde dort ist berechnet.«

»Und wenn der Feind zur rechten Zeit aufmerksam wird und zwischen den Fahnen hindurchhuscht?«

»Schlau ist er und wachsam, aber auch uns ist ein solcher Krieg nicht neu.«

»Dem Michael kannst du glauben,« rief Sagloba, »denn es gibt keinen größeren Praktiker als ihn. Ein böser Stern hat dieses Lumpengesindel hierhergeführt.«

»In Lubnie war ich noch jung,« antwortete Michael, »und schon dort hat man mir ähnliche Funktionen aufgetragen; jetzt aber habe ich, um dir dies Schauspiel zu bieten, alles noch sorgfältiger disponiert. Die Fahnen werden sich dem Feinde gleichzeitig zeigen, gleichzeitig losschreien und gleichzeitig vorrücken – wie wenn man mit der Peitsche knallt.«

»Und! Und!« rief Bärbchen aus, richtete sich vor Freude in den Steigbügeln auf und fiel dem kleinen Ritter um den Hals. »Und werde ich auch vorrücken dürfen, wie, Michael, ja?« fragte sie mit blitzenden Augen.

»Im Getümmel gestatte ich es dir nicht, denn da gibt es leicht Unglück, kommt leicht das Pferd zum Straucheln; aber ich habe Weisung gegeben, daß sie beim Losschlagen einen Haufen auf uns zujagen; dann geben wir den Pferden die Sporen, und du kannst zwei oder drei niederhauen. Aber halte dich immer von links, denn auf diese Weise kann der Verfolgte nicht leicht über das Pferd hinüberlangen, und du hast ihn auf der entgegengesetzten Seite.«

Bärbchen sagte: »Hoho, ich fürchte mich nicht; du hast doch selbst gesagt, daß ich den Säbel weit besser führe als Onkelchen Makowiezki. Mit mir wird keiner fertig!«

»Achte nur darauf, die Zügel festzuhalten,« warf Sogloba ein. »Sie haben so ihre Kniffe, und es kann leicht kommen: du verfolgst ihn, und er wendet plötzlich sein Pferd und wirft dich zurück, und ehe du an ihm vorüberkommst, hat er dich schon erreicht. – Ein alter Praktikus läßt das Pferd nicht zu scharf gehen, sondern zügelt es je nach Bedürfnis.«

»Und den Säbel nicht zu hoch heben, um leicht zum Stich übergehen zu können,« sagte Muschalski.

»Ich werde bei ihr sein für alle Fälle,« sagte der kleine Ritter. »Siehst du, in der Schlacht ist die Hauptschwierigkeit die, daß man an alles denken muß: an sein Pferd, und an den Feind, an die Zügel, an den Säbel, an Hieb und Stich und alles zu gleicher Zeit. Wer Übung hat, der macht das ganz von selbst, aber zu Anfang pflegen selbst vortreffliche Kämpfer ungeschickt zu sein, und irgend ein Wicht, der Übung hat, wirft den Anfänger ab … darum werde ich an deiner Seite sein.«

»Aber tritt nur nicht für mich ein und befiehl auch den Leuten, daß niemand ohne Not für mich eintrete.«

»Nun, nun, wir werden ja sehen, ob dein Mut vorhält, wenn es ernst wird,« versetzte lächelnd der kleine Ritter.

»Oder ob du dich nicht einem von uns an den Schoß hängen wirst,« schloß Sagloba.

»Wir wollen sehen,« sagte Bärbchen entrüstet.

Unter solchen Gesprächen waren sie in eine Gegend gekommen, die hier und da mit Gestrüpp bedeckt war. Die Morgendämmerung war nahe, aber es hatte sich inzwischen doch verfinstert, denn der Mond war untergegangen. Von der Erde hob sich ein leichter Dunst und umschleierte die entfernteren Gegenstände. In diesem leichten Nebel und Zwielicht nahm das Dickicht, das in der Nähe hin und her schwankte, in Bärbchens erregter Phantasie Gestalten lebender Wesen an. Manchmal schien es ihr, als sähe sie deutlich Menschen und Pferde.

»Michael, was ist das?« fragte sie flüsternd und zeigte mit dem Finger auf einen Seitenpfad.

»Nichts, – Buschwerk.«

»Ich glaubte, es seien Reiter. Sind wir bald an Ort und Stelle?«

»In etwa anderthalb Stunden geht es los.«

»Ha!«

»Fürchtest du dich?«

»Nein, das Herz pocht mir vor Freude. Wie sollt' ich mich fürchten? Ganz und gar nicht! – Sieh', was für ein Reif hier liegt; man sieht's, obwohl es dunkel ist.«

Sie waren in der Tat auf einen Strich der Steppe gelangt, auf welchem die langen Stengel des Steppengrases mit Reif bedeckt waren. Michael sah hin und sagte:

»Hier diesen Weg hat Motowidlo genommen. Nicht weiter als eine halbe Meile von hier muß er versteckt liegen. Es dämmert schon.«

Der erste Lichtschimmer wurde wahrnehmbar, die Dämmerung wich, Himmel und Erde wurden grau, die Luft blasser, die Spitzen der Bäume und Sträucher überzogen sich wie mit Silber. Die fernen Gruppen Buschwerk traten aus dem Dunkel hervor, als hebe jemand langsam den Vorhang von ihnen hinweg.

Da tauchte plötzlich vor dem nächsten Busch ein Reiter auf.

»Von Herrn Motowidlo?« fragte Michael, als der Mann in seiner nächsten Nähe vom Pferde gestiegen war.

»So ist es, Ew. Liebden.«

»Was gibt's?«

»Sie haben die Sieroz-Furt überschritten, dann sind sie, dem Brüllen der Rinder folgend, nach Kalusik gegangen. Die Rinder haben sie genommen und stehen auf dem Jurgow-Feld.«

»Und wo ist Herr Motowidlo?«

»Er lagert auf der Hügelseite, und Herr Mellechowitsch bei Kalusik. Die anderen Fahnen weiß ich nicht.«

»Gut,« sagte Michael, »das weiß ich; mach' dich auf zu Herrn Motowidlo und befiehl, den Ring zu schließen; die einzelnen Leute soll er bis auf den halben Weg von Herrn Mellechowitsch zerstreuen. Sitz' auf!«

Der Mann legte sich fast auf seine Satteldecke und stob dahin, daß dem Pferde die Milz schwoll. Im Nu war er aus dem Gesichtskreis.

Sie aber ritten weiter, noch stiller, noch vorsichtiger. Inzwischen war es vollkommen Tag geworden. Der Nebel, der sich bei Tagesanbruch vom Boden erhoben hatte, war ganz gesunken, und am östlichen Horizont zeigte sich ein langer, heller Streifen, dessen leuchtender, rosiger Glanz Luft, Berge, die Abhänge ferner Schluchten und Gipfel färbte. Da schlug an die Ohren der Reiter von der Dniestr-Seite her wirres Gekrächz, und in der Höhe vor ihnen zeigte sich eine ungeheure Schar von Raben, die dem Morgenrot zuflogen. Einzelne Vögel lösten sich von Zeit zu Zeit von der Hauptmasse los und flogen über die Steppe in weitem Kreise herum, wie es die Dohlen und Habichte machen, wenn sie Beute erspähen.

Sagloba hob den Säbel in die Höhe, zeigte auf die Raben und sagte zu Bärbchen:

»Bewundere die Klugheit dieser Vögel. Wenn es irgendwo zu einer Schlacht kommt, so ziehen sie bald von allen Seiten heran, als wenn sie jemand aus einem Sacke schüttete. Wenn nur ein Heer marschiert oder Freundesheere sich treffen sollen, ist das nicht der Fall; so können diese Tiere die Absichten der Menschen erraten, wenn sie ihnen auch niemand kundtut. Der bloße Geruchssinn erklärt das nicht, deshalb hat man alle Ursache, sich höchlichst darüber zu verwundern.«

 

Mittlerweile waren die Vögel unter immer lauterem Krächzen näher herangekommen, und Herr Muschalski wandte sich zu dem kleinen Ritter und sagte, indem er mit der flachen Hand auf seinen Bogen schlug:

»Herr Kommandant, ist es gestattet, einen davon zur Freude der Frau Kommandantin herunterzuholen? Lärm wird es nicht machen.«

»Holt ihn herunter, holt auch zwei herunter,« sagte Herr Michael, denn er wußte, wie gern sich der alte Soldat wegen der Sicherheit seiner Geschosse bewundern ließ.

Da griff der unvergleichliche Bogenschütze nach dem Rücken, zog einen befiederten Pfeil hervor, legte ihn auf die Sehne, hob Bogen und Kopf empor und wartete.

Die Schar kam immer näher. Alle hielten die Pferde an und blickten erwartungsvoll in die Höhe. Plötzlich erklang der klagende Ton der Sehne wie das Zwitschern der Schwalbe; der Pfeil flog auf und verschwand in der Schar.

Einen Augenblick konnte man glauben, Muschalski habe gefehlt; aber siehe da, bald schoß ein Rabe einen Purzelbaum und stürzte, sich beständig überschlagend, gerade über den Köpfen der Reiter herab, um bald mit ausgebreiteten Flügeln, wie ein Blatt, welchem die Luft Widerstand leistet, langsam herniederzusinken.

Er fiel wenige Schritte vor Bärbchens Pferde zu Boden. Der Pfeil hatte ihn so durchbohrt, daß die Spitze über dem Rücken hervorleuchtete.

»Es ist ein glückliches Vorzeichen,« sagte Muschalski, sich vor Bärbchen verneigend. »Ich werde von fern auf die Frau Kommandantin, meine große Wohltäterin, ein Auge haben und im Falle der Not wieder mit Gottes Hilfe ein Pfeilchen losschnellen. Wenn es auch ganz in der Nähe schwirrt, so versichere ich doch, daß es nicht verwunden wird.«

»Ich möchte nicht der Tatar sein, den Ihr aufs Korn nehmt,« sagte Bärbchen.

Da unterbrach Wolodyjowski die Unterhaltung. Er wies auf eine ziemlich bedeutende Anhöhe in einiger Entfernung und sagte: »Dort machen wir Halt.«

Nach diesen Worten ritten sie im Galopp weiter; als sie die halbe Anhöhe erreicht hatten, befahl der kleine Ritter, langsameren Schrittes vorwärts zu rücken und endlich, nicht weit vom Gipfel, die Pferde anzuhalten.

»Wir werden nicht bis an die äußerste Spitze reiten,« sagte er, »denn an einem so hellen Morgen kann man uns aus der Ferne leicht aufs Korn nehmen. Wir werden vom Pferde steigen und uns so dem Abhang nähern, daß unsere Köpfe nicht hervorragen.«

Bei diesen Worten sprang er vom Pferd und mit ihm Bärbchen, Muschalski und die anderen. Die Dragoner blieben unterhalb des Gipfels und hielten die Pferde. Sie aber gingen langsam bis an die Stelle, wo die Anhöhe fast wie eine Wand abfiel. Am Fuße dieser etliche zehn Ellen hohen Wand stand dicht verwachsen eine Kette von Gestrüpp, weiter unten zog sich die tiefe, ebene Steppe hin, die man von dieser Höhe herab weithin überblicken konnte.

Die Ebene, die ein kleiner Fluß, der nach der Richtung von Kalusik strömte, durchschnitt, war ebenso wie der Fuß des Felsens mit schilfbewachsenen Flußinseln bedeckt; von der größten stiegen dünne Rauchstreifen zum Himmel empor.

»Siehst du,« sagte Michael zu Bärbchen, »dort hält sich der Feind versteckt.«

»Ich sehe den Rauch, aber ich sehe weder Menschen noch Pferde,« antwortete Bärbchen mit pochendem Herzen.

»Weil das Schilf sie verdeckt, obwohl ein geübtes Auge sie erreicht. Sieh' dorthin: zwei, drei, vier, eine ganze Anzahl von Pferden sieht man. Das eine ist scheckig, das andere ganz weiß, und von hier sieht es wie blau aus.«

»Werden wir bald zu ihnen hinunterreiten?«

»Man wird sie uns hierherjagen, aber wir haben Zeit, denn bis zu jener Stelle kann es eine Viertelmeile sein.«

»Wo sind die Unsrigen?«

»Siehst du dort unten in weiter Ferne den Waldstreifen? Des Herrn Kämmerers Fahne muß gerade jetzt seinen Rand erreichen. Mellechowitsch kann auf jener Seite jede Minute auftauchen. Die zweite Fahne der Genossen wird sie von diesem Felsen aus fassen. Wenn sie die Leute erblicken, werden sie von selbst auf uns losrücken, denn hier herum kann man bequem zum Fluß unterhalb des Abhanges; von der anderen Seite aber ist ein gähnender Abgrund, den niemand zu Pferde passieren kann.«

»So sind sie in der Falle?«

»Wie du siehst.«

»O Gott, ich halt' es kaum noch aus!« rief Bärbchen.

Und nach einer Weile sagte sie:

»Michael, wenn sie klug wären, was würden sie tun?«

»Sie würden sich dann wie ein Feuer auf die Fahne des Kämmerers stürzen und es aufreiben. Dann wären sie frei; aber das tun sie nicht, denn erstens kommen sie nicht gern der regulären Reiterei in die Quere, und zweitens werden sie fürchten, daß ein größeres Heer im Walde lauert, und darum werden sie hierher entwischen wollen.«

»Ja, aber wir werden sie nicht aufhalten können, wir haben nur zwanzig Mann.«

»Und Motowidlo?«

»Ach ja, wo ist er denn?«

Statt zu antworten schrie Wolodyjowski plötzlich, ganz wie der Habicht oder Falke schreit.

Alsbald antworteten ihm zahlreiche Rufe vom Fuße der Anhöhe her. Es waren Motowidlos Scharen, die sich in dem Gestrüpp so gut untergeduckt hatten, daß Bärbchen, die unmittelbar über ihnen stand, sie nicht bemerkt hatte.

Sie sah mit Erstaunen bald hinunter, bald auf den kleinen Ritter, ihre Wangen erglühten, und sie umfaßte den Hals ihres Gatten.

»Michael, du bist der größte Feldherr unter der Sonne!«

»Nicht doch, ich habe nur einige Übung,« antwortete er lächelnd. »Aber du plappere mir hier nicht vor lauter Freude und bedenke, daß ein folgsamer Soldat still sein muß.« Aber die Mahnung half nichts, Bärbchen war wie im Fieber. Sie hatte Lust, sofort das Pferd zu besteigen und den Hügel hinabzureiten, um sich mit Motowidlos Abteilung zu vereinigen. Aber Wolodyjowski hielt sie noch zurück, denn er wollte, daß sie den Beginn des Kampfes gut beobachte.

Inzwischen war die Morgensonne über der Steppe aufgestiegen und übergoß die ganze Ebene mit kühlem, blaßgoldenen Licht. Die nahen Flußinseln erstrahlten heiter, die ferneren zeigten deutlicher ihre Umrisse. Der Reif, der stellenweise in den Tälern lag, fing an schimmernd zu zerstieben, die Luft wurde sehr durchsichtig, und der Blick konnte fast grenzenlos in die Ferne schweifen.

»Des Kämmerers Fahne kommt aus dem Wäldchen hervor,« sagte Herr Michael, »ich sehe Menschen und Pferde.«

In der Tat kamen die Reiter allmählich aus der Waldbiegung hervor und hoben sich in langer Kette von der dicht mit Reif bedeckten Waldwiese ab. Der weiße Zwischenraum zwischen ihnen und dem Walde wurde immer größer, sie eilten offenbar nicht allzusehr, um den anderen Fahnen Zeit zu lassen; Herr Michael wandte sich jetzt nach links.

»Auch Mellechowitsch ist da,« sagte er. Und dann nach einer Weile: »Auch des Herrn Jägermeisters Leute kommen heran. Keiner von ihnen ist auch nur zwei Paternoster zu spät gekommen.« Und sein Schnauzbart bewegte sich lebhaft.

»Auch nicht einer darf entgehen! – Aufs Pferd!«

Sie wandten sich schnell zu den Dragonern um, sprangen in die Sattel und ritten die Anhöhe entlang unter dem am Fuße wachsenden Gestrüpp, wo sie sich mitten unter der Mannschaft Motowidlos befanden.

So näherten sie sich schon vollzählig der Schilfkette und machten Halt, um vorwärts zu spähen.

Der Feind mußte wohl die herankommende Fahne des Kämmerers bemerkt haben, denn in diesem Augenblick strömten aus dem Dickicht, das inmitten der Ebene wuchs, große Haufen Berittener hervor, als ob jemand eine Herde Rehe aufgescheucht habe; mit jedem Augenblick kamen ihrer mehr hervor. Sie bildeten eine Kette und ritten anfangs im Schritt den Saum des Dickichts entlang; die Reiter legten sich auf den Rumpf der Pferde, so daß man aus der Ferne glauben konnte, eine hirtenlose Herde von Pferden ziehe in langer Linie den Fluß entlang. Offenbar hatten sie noch nicht die Gewißheit, ob jene Fahne auf sie losrücke und sie schon bemerkt habe, oder ob es eine Abteilung sei, die nur die Umgebung durchsuche. In diesem letzteren Falle konnten sie hoffen, daß das Schilf sie noch vor den Augen der Herankommenden verbergen werde. Von der Stelle aus, wo Michael an der Spitze von Motowidlos Leuten stand, konnte man vorzüglich die unsicheren, schwankenden Bewegungen jener Schar sehen, die vollkommen den Bewegungen wilder Tiere glichen, die eine Gefahr wittern. Nachdem die Reiter die zu durchmessende Entfernung etwa bis zur Hälfte zurückgelegt hatten, beschleunigten sie ihren Ritt zu einem leichten Galopp; plötzlich, als die erste Reihe die offene Steppe erreicht hatte, hielten sie die Pferde an, und die ganze Schar machte Halt.