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Der kleine Ritter

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10. Kapitel

Asya genas allmählich; da er aber an den Streifzügen keinen Anteil nahm und eingeschlossen im Zimmer saß, beschäftigte sich niemand mit ihm, als plötzlich ein Ereignis eintrat, das die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte.

Die Kosaken des Herrn Motowidlo hatten einen Tataren ergriffen, der auffällig um die Grenzwacht herumspionierte, und hatten ihn nach Chreptiow gebracht. Nach einem scharfen Verhör ergab sich, daß er ein Lipker war, aber von denen, die jüngst Dienst und Wohnsitz in der Republik verlassen hatten und zum Sultan übergetreten waren. Er war von jenseits des Dniestr gekommen und hatte Briefe von Krytschynski an Asya Mellechowitsch bei sich. Herr Wolodyjowski ward dadurch sehr beunruhigt und berief sofort die Ältesten zur Beratung.

»Meine Herren,« sagte er, »ihr wißt sehr gut, wie viele Lipker, selbst von denen, die vor undenkbaren Zeiten her in Litauen und hier in Reußen gesessen haben, jetzt zur Horde übergegangen sind, und der Republik ihre Wohltaten mit Verrat heimzahlen. Darum ist es recht, ihnen allen nicht zu sehr zu vertrauen und mit aufmerksamem Auge ihr Tun zu beobachten. Wir haben auch hier eine Fahne Lipker, hundertundfünfzig tüchtige Pferde stark, die Asya Mellechowitsch führt. Diesen Asya kenne ich noch nicht von lange her, ich weiß nur, daß der Hetman ihn für ausgezeichnete Dienste zum Hauptmann gemacht und ihn mir mit den Leuten hierhergeschickt hat. Es war mir schon auffällig, daß ihn niemand von euch, meine Herren, aus der Zeit vor seinem Eintritt in den Dienst gekannt oder von ihm gehört hat. Daß ihn unsere Lipker über die Maßen lieben und ihm blindlings gehorchen, das habe ich mir mit seinem Mut und seinen berühmten Taten erklärt, aber auch sie scheinen nicht zu wissen, woher er ist, und wer er ist. Ich habe ihm bisher in nichts mißtraut, ich habe ihn nicht ausgefragt, und mir an der Empfehlung des Hetmans genügen lassen, obgleich er sich mit einem gewissen Geheimnis umgab. Die Menschen haben verschiedene Launen, ich kümmere mich um keines Art, wenn nur jeder seine Pflicht tut. Nun haben aber die Leute Motowidlos einen Tataren eingebracht, der Briefe von Krytschynski an Asya mit sich führte, und ich weiß nicht, ob euch, meine Herren, bekannt ist, wer Krytschynski ist.«

»Wie,« sagte Herr Nienaschyniez, »Krytschynski habe ich persönlich gekannt, und heute kennen ihn alle wegen seines schlechten Rufes.«

»Wir sind zusammen in die Schule …« begann Sagloba, aber er brach plötzlich ab, da ihm einfiel, daß Krytschynski alsdann neunzig Jahre alt sein müsse, und in diesem Alter pflegen die Menschen sich nicht an Kriegszügen zu beteiligen.

»Kurz gesagt,« fuhr der kleine Ritter fort, »Krytschynski ist ein polnischer Tatar; er war Hauptmann einer von unseren Lipkischen Fahnen, bevor er das Vaterland verriet und zur Horde überging, wo er, wie ich gehört habe, eine große Bedeutung hat. Sie hoffen dort offenbar, daß er auch den Rest der Lipker zu den Heiden hinüberziehen werde. Mit einem solchen Menschen tritt Asya in Verhandlungen, und der beste Beweis ist dieser Brief, dessen Wortlaut der folgende ist.«

Hier entfaltete der kleine Kommandant die Blätter des Briefes, schlug mit der flachen Hand darauf und begann zu lesen:

»Sehr geliebter Herzensbruder! Dein Bote ist zu uns gelangt und hat Deinen Brief abgegeben.«

»Schreibt er polnisch?« unterbrach Sagloba.

»Krytschynski hat, wie alle unsere Tataren, nur ruthenisch und polnisch verstanden« – antwortete der kleine Ritter – »und Asya wird wohl auch das Tatarische nicht überwunden haben. Hört, meine Herren, und unterbrecht nicht.«

»… Deinen Brief abgegeben. Gott wird geben, daß alles gut werde, und daß Du durchführst, was Du vorhast. Wir halten hier oft Rat. Morawski, Alexandrowitsch, Tarasowski, Grocholski und ich schreiben fleißig an die anderen Brüder, holen ihren Rat ein über die Möglichkeit, das, was Du, Teuerster, willst, schnellstens zu erreichen. Da Du aber, wie ein Gerücht, das zu uns gelangt ist, besagt, Schaden an Deiner Gesundheit genommen hast, so sende ich einen anderen, damit er Dich, Teuerster, mit eigenen Augen sehe und uns Trost bringe. Wahre das Geheimnis gut, denn behüte uns Gott, daß es vor der Zeit bekannt werde. Gott vermehre Dein Geschlecht, wie die Sterne am Himmel. – Krytschynski.«

Michael schloß und ließ den Blick in die Runde schweifen; und da alle Anwesenden schwiegen und mit Aufmerksamkeit den Inhalt des Briefes erwogen, sagte er:

»Tarasowski, Morawski, Grocholski und Alexandrowitsch – das sind alles frühere tatarische Hauptleute und Verräter.«

»Ebenso Potuschynski, Tworkowski und Adurowitsch,« fügte Herr Sagloba hinzu.

»Was denkt ihr über diesen Brief?«

»Offenbar Verrat, hier braucht es keiner langen Überlegung,« sagte Muschalski. »Ganz einfach, sie strecken die Fühlhörner nach Asya aus, um auch unsere Lipker auf ihre Seite zu ziehen, und er ist einverstanden.«

»Um Gottes willen, welche Gefahr für unser Kommando!« riefen einige Stimmen. »Die Lipker sind bereit, ihr Leben für Asya Mellechowitsch hinzugeben, und wenn er befiehlt, überfallen sie uns in der Nacht.«

»Der schwärzeste Verrat unter der Sonne!« rief Herr Deyma.

»Und der Hetman selber hat diesen Mellechowitsch zum Hauptmann gemacht,« sagte Muschalski.

»Herr Snitko,« sagte Sagloba, »was habe ich gesagt, als ich Asya sah? Habe ich nicht gesagt, daß aus den Augen dieses Menschen ein Renegat und Verräter blickt? Ha, ich brauchte ihn bloß anzusehen! Alle hat er betrügen können, nur mich nicht. Wiederholt, bitte, meine Worte, Herr Snitko, aber entstellt sie nicht! Habe ich nicht gesagt, daß er ein Verräter ist?«

Snitko schob die Füße unter die Bank und senkte den Kopf. »In der Tat, Euer Scharfsinn ist zu bewundern, obgleich ich, was wahr ist, mich nicht erinnere, daß Ihr ihn einen Verräter genannt habt. Ihr habt nur gesagt, daß ihm der Wolf aus den Augen schaue.«

»Ha, Ihr wollt also meinen, der Hund sei ein Verräter, aber der Wolf nicht, der Wolf beißt nicht in die Hand, die ihn streichelt, die ihm zu fressen gibt? Also der Hund ist ein Verräter? Ihr möchtet wohl gar den Asya noch verteidigen und uns alle zu Verrätern machen?!«

Herr Snitko war so verwirrt, daß er die Augen und den Mund weit aufriß und so erstaunt dreinschaute, daß er eine Zeitlang kein Wort hervorbringen konnte.

Herr Muschalski aber, der ein schnelles Urteil hatte, sagte sogleich:

»Zunächst müssen wir Gott danken, daß so schändliche Machenschaften aufgedeckt wurden, und dann sechs Dragoner zu Asya abkommandieren und ihm eine Kugel durch den Kopf schießen lassen.«

»Dann nur einen anderen Hauptmann ernennen,« fügte Herr Nienaschyniez hinzu. »Der Verrat ist so offenbar, daß gar kein Irrtum möglich ist.«

Hier setzte Wolodyjowski hinzu:

»Zunächst müssen wir Asya ausforschen, dann will ich dem Herrn Hetman von diesen Ränken Kenntnis geben, denn wie mir Herr Bogusch von Siembiz gesagt hat, liegen die Lipker dem Kronmarschall sehr am Herzen.«

»Aber Euch,« sagte Motowidlo zu dem kleinen Ritter gewandt, »steht die ganze Gerichtsbarkeit Asya gegenüber zu, denn er war nie ein Adelsgenosse.«

»Mein Recht kenne ich,« versetzte Wolodyjowski, »Ihr braucht es mir nicht in Erinnerung zu bringen.«

Da begannen die anderen: »Er soll uns vor die Augen geführt werden, dieser Kuppler, dieser Verräter!«

Die lauten Rufe weckten Herrn Sagloba, der ein wenig eingeschlummert war, was ihm jetzt sehr häufig begegnete; er erinnerte sich schnell, wovon die Rede war und sagte:

»Nein, Herr Snitko, der Mond in Eurem Wappen hat sich verborgen, aber Euer Witz hat sich noch mehr verborgen, denn auch mit Licht wird ihn niemand finden. Zu sagen, daß ein Hund, canis fidelis, ein Verräter sei, und ein Wolf kein Verräter – ich bitt' Euch, Ihr seid schon ganz um Euren Verstand gekommen!«

Herr Snitko erhob die Augen zum Himmel, zum Zeichen dessen, wie unschuldig er leide; aber er wollte nicht durch Widerspruch den Alten reizen, und Herr Michael hatte ihm inzwischen befohlen, Asya zu holen. Er ging eilig hinaus, erfreut darüber, daß er auf diese Weise davonkomme. Bald kehrte er zurück und führte den jungen Tataren mit sich, der offenbar noch nichts von der Einbringung des Lipkers wußte, denn er trat kühn herein. Sein ausdrucksvolles, schönes Gesicht war auffallend bleich, aber er war schon genesen, und verband den Kopf nicht mehr mit Tüchern. Er hatte ihn nur mit einer rotsamtnen Mütze bedeckt.

Aller Augen waren auf ihn gerichtet, wie auf ein gemeinsames Ziel. Er aber verneigte sich vor dem kleinen Ritter ziemlich tief, vor dem Rest der Gesellschaft aber mit einem gewissen Trotz.

»Mellechowitsch,« sagte Herr Wolodyjowski, indem er seine scharfen Augensterne auf den Tataren heftete, »kennst du den Hauptmann Krytschynski.«

Über Asyas Gesicht flog plötzlich ein drohender Schatten. »Ich kenne ihn,« sagte er.

»Lies,« sagte der kleine Ritter und reichte ihm den Brief, den man bei dem Lipker gefunden hatte.

Asya begann zu lesen, und ehe er fertig war, kehrte die Ruhe wieder auf seine Züge zurück.

»Ich harre deines Befehls,« sagte er und gab den Brief zurück.

»Wie lange planst du den Verrat, und welche Mitwisser hast du hier in Chreptiow?«

»So bin ich des Verrats angeklagt?«

»Antworte und frage nicht,« sagte drohend der kleine Ritter.

»So gebe ich folgende Antwort: Verrat habe ich nicht geplant, Mitwisser habe ich nicht gehabt, und wenn ich welche hatte, so sind es solche, die ihr, meine Herren, nicht richten werdet.«

Bei diesen Worten knirschten die Soldaten mit den Zähnen, und einige drohende Stimmen wurden laut.

Demütiger, du Hundesohn, demütiger! Du stehst vor Männern, die würdiger sind als du!

Asya sah sie mit einem Blick an, aus dem kalter Haß leuchtete.

»Ich weiß, was ich dem Herrn Kommandanten schuldig bin, als meinem Vorgesetzten,« antwortete er und verneigte sich zum zweiten Male vor Wolodyjowski, »ich weiß auch, daß ich leichter wiege als die Herren, darum suche ich ihre Gemeinschaft nicht. Ew. Liebden« – hier wandte er sich zu dem kleinen Ritter – »haben mich nach Mitwissern gefragt; zwei habe ich bei meiner Arbeit: der eine ist der Herr Truchseß von Nowogrod, Bogusch, und der zweite ist der Groß-Hetman.«

 

Bei diesen Worten gerieten alle in großes Erstaunen, und eine Weile herrschte Schweigen.

Endlich sagte Wolodyjowski: »Wie kommt das?«

»Das kommt daher,« antwortete Asya, »daß zwar Krytschynski, Morawski, Tworowski, Alexandrowitsch und alle anderen zur Horde übergegangen sind und dem Vaterlande viel Böses getan, vielleicht auch, daß sich ihr Gewissen geregt hat. Genug, der Name Verräter ist ihnen lästig geworden. Der Herr Hetman weiß darum und hat dem Herrn Bogusch, auch Herrn Myslischewski aufgetragen, sie wiederum unter die Fahnen der Republik zurückzuführen. Bogusch aber hat mich dazu ausersehen und mir befohlen, mich mit Krytschynski ins Einvernehmen zu setzen. Ich habe im Quartier Briefe von Herrn Bogusch, die ich vorzeigen kann, und welchen Ew. Liebden mehr Glauben schenken werden als meinen Worten.«

»Gehe mit Herrn Snitko nach jenen Briefen und bringe sie sofort.«

»Meine Herren,« sagte der kleine Ritter schnell, »wir haben vielleicht diesem Ritter durch allzu frühen Verdacht unrecht getan, denn wenn er diese Briefe hat und die Wahrheit spricht – und ich fange an zu glauben, daß es so ist – so ist er nicht nur ein Ritter, den Kriegstaten berühmt gemacht haben, sondern auch ein Mann, dem das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt, und der Belohnung und nicht Mißtrauen verdient. Bei Gott, wir werden das bald gutmachen müssen.«

Die anderen waren in Schweigen versunken und wußten nicht, was sie sagen sollten; Sagloba aber hielt die Augen geschlossen und tat diesmal so, als schlummere er.

Inzwischen war Asya zurückgekommen und reichte Wolodyjowski Boguschs Brief.

Der kleine Ritter las:

»Von allen Seiten höre ich, daß es niemand gibt, der zu diesem Dienst tauglicher wäre als Du, wegen der wunderbaren Liebe, mit der sie alle an Dir hängen. Der Herr Hetman ist bereit, ihnen zu verzeihen, und nimmt die Verzeihung der Republik auf sich. Setze Dich so schnell wie möglich mit Krytschynski in Verbindung durch sichere Männer und versprich ihm eine Belohnung; das Geheimnis wahre sorgfältig, denn bei Gott, Du könntest sie alle zugrunde richten. Herrn Wolodyjowski kannst Du das Geheimnis aufdecken, denn er ist Dein Vorgesetzter und kann Dir vieles erleichtern. Scheue Schwierigkeiten und Mühen nicht, und denke daran: der Erfolg krönt das Werk. Sei überzeugt, daß für Deine Zuneigung unser Mutterland Dir mit gleicher Liebe lohnt.«

»Das nenne ich lohnen!« murmelte düster der junge Tatar.

»Bei Gott, warum hast du niemand ein Wort davon gesagt?« rief Wolodyjowski.

»Ew. Liebden wollt' ich alles sagen, aber ich hatte noch keine Gelegenheit, da ich nach jenem Unfall krank lag. Vor den Herren,« hier wandte sich Asya zu den Offizieren, »war mir Geheimnis anbefohlen, und diesen Befehl, zu schweigen, wollen Ew. Liebden jetzt wiederum den Herren aufs ernsteste geben, um jene dort nicht ins Verderben zu stürzen.«

»Die Beweise deiner Tugend sind so offenbar, daß auch ein Blinder sie nicht ableugnen könnte,« sagte der kleine Ritter. »Führe das Werk mit Krytschynski weiter, du sollst kein Hindernis finden, vielmehr Hilfe, worauf ich dir meine Hand gebe, als einem braven Rittersmann. Komme heute zur Abendmahlzeit zu mir.«

Asya drückte die Hand, die ihm Herr Michael reichte, und verneigte sich zum dritten Male. Auch die anderen Offiziere kamen zu ihm heran und sagten: »Wir haben uns in dir getäuscht, aber niemand, der die Tugend liebt, wird dir jetzt den Händedruck versagen.«

Aber der junge Lipker richtete sich plötzlich auf, warf den Kopf in den Nacken wie ein Raubvogel, der im Begriff ist, auf seine Beute zu stoßen.

»Ich stehe vor Männern, die würdiger sind,« sagte er.

Dann verließ er das Zimmer.

Es wurde schwül, als er gegangen war. »Kein Wunder,« sagten die Offiziere zueinander, »das Herz schwillt ihm noch wegen des Verdachts, aber das wird vorübergehen; wir müssen ihn anders behandeln, er hat wahrhaft ritterlichen Mut. Der Hetman wußte, was er tat; es geschehen Zeichen und Wunder.«

Herr Snitko triumphierte im stillen und konnte es schließlich nicht mehr aushalten. Er trat an Herrn Sagloba heran, neigte sich zu ihm herab, und sagte:

»Verzeiht, Herr, so ist jener Wolf doch kein Verräter?«

»Kein Verräter?« versetzte Sagloba, »gewiß ein Verräter, ein tugendhafter Verräter, denn er verrät nicht uns, sondern die Horde … Verliert die Hoffnung nicht, Herr Snitko, ich will täglich beten für unseren Verstand, vielleicht wird sich der heilige Geist erbarmen.«

Bärbchen freute sich sehr, als Herr Sagloba ihr den ganzen Vorgang erzählte, denn sie hatte für Asya Wohlwollen und Mitleid.

»Michael und ich, wir müssen beide zur ersten gefährlichen Expedition absichtlich mit ihm hinausziehen; auf diese Weise zeigen wir ihm unser Vertrauen.«

Aber der kleine Ritter streichelte Bärbchens rosiges Gesicht und erwiderte:

»O, du kleines Mäuschen, wir kennen dich! Nicht um Asya ist dir's zu tun: du möchtest gern in die Steppe hinaus und dich am Kampf erfreuen. Daraus wird nichts.«

Und er küßte sie ein über das anderemal auf den Mund.

»Die Mehrzahl ist maßgebend,« sagte Sagloba mit Würde.

Inzwischen saß Asya mit dem Lipkischen Boten in seinem Quartier; sie sprachen leise. Sie saßen so nahe nebeneinander, daß ihre Stirnen sich fast berührten. Eine Kerze von Schafstalg brannte auf dem Tische und warf ihr gelbes Licht auf Asyas Gesicht, das trotz seiner Schönheit geradezu schrecklich war, denn es malte sich in ihm Haß, Grausamkeit und wilde Freude.

»Halim, höre,« flüsterte Asya.

»Effendi!« antwortete der Bote.

»Sage Krytschynski, daß er klug ist, denn im Briefe war nichts, was mich hätte vernichten können. Sag' ihm, daß er klug ist, daß er nie deutlicher schreibe! Sie werden mir jetzt noch mehr vertrauen – alle … der Hetman selbst, Bogusch, Myslischewski, das ganze Kommando hier – alle! Hörst du? – Daß sie die Pest erwürge!«

»Ich höre, Effendi!«

»Aber erst muß ich nach Raschkow und dann hierher zurückkommen.«

»Effendi, der junge Nowowiejski wird dich erkennen.«

»Er wird mich nicht erkennen; er hat mich schon bei Kalnik gesehen, bei Brazlaw, und hat mich nicht erkannt. Er sieht mich an, runzelt die Brauen, aber erkennt mich nicht. Er war fünfzehn Jahre alt, als er von Hause entfloh; achtmal hat der Winter seit jener Zeit die Steppen mit Schnee bedeckt, ich habe mich verändert. Der Alte würde mich erkennen, aber der Junge nicht … Aus Raschkow geb' ich dir Nachricht. Krytschynski soll bereit sein und sich in der Nähe halten; mit den Perkulaben müßt Ihr im Einverständnis sein; in Jampol ist auch eine Fahne von uns voraus. Dem Bogusch werde ich einreden, daß er beim Hetman für mich eine Ordonnanz erwirke, damit es mir von dort aus leichter sei, den Krytschynski herüberzubringen. Aber hierher muß ich zurückkommen … ich muß. Ich weiß nicht, was geschehen wird, wie es sich machen wird … Ein Feuer glüht in mir, in der Nacht flieht mich der Schlaf … Wäre sie nicht, ich wäre gestorben.«

»Gesegnet seien ihre Hände!«

Asyas Lippen begannen zu beben und sie flüsterten, zu dem Lipker hingeneigt, wie in Fieberglut:

»Halim, gesegnet seien ihre Hände, gesegnet ihr Haupt, gesegnet der Boden, auf den sie tritt. Hörst du, Halim, sage ihnen dort, daß ich schon genesen bin – durch sie …«

11. Kapitel

Der Priester Kaminski, der in jungen Jahren Soldat und ein Herr von ritterlichen Sitten gewesen war, saß in Uschyz, um die Pfarre wieder instand zu setzen. Da aber die Kirche in Trümmern lag, und es an Pfarrkindern fehlte, fuhr dieser Seelenhirt ohne Herde häufig nach Chreptiow hinüber, saß dort ganze Wochen lang und erbaute die Ritterschaft mit frommen Lehren. Er hatte aufmerksam die Erzählungen des Herrn Muschalski mit angehört und begann einige Abende später zu den Versammelten:

»Ich habe immer gern solchen Erzählungen gelauscht, in welchen traurige Abenteuer ein glückliches Ende nehmen, weil aus ihnen hervorgeht, daß Gott den, welchen er unter seine Fittiche genommen hat, immer aus den Schlingen des Bösen befreit, und, sei es selbst aus der Krim, unter ein schützend Dach zurückzuführen vermag.

Darum möge jeder von den Herren ein für allemal sich merken, daß es für Gott den Herrn nichts Unmögliches gibt; er möge selbst in den schwersten Nöten das Vertrauen zu seinem Erbarmen nicht verlieren. – Hört mich an:

Löblich ist es von Herrn Muschalski, daß er einen einfachen Mann mit brüderlicher Liebe geliebt. Der Erlöser hat uns davon ein Beispiel gegeben; er, der aus königlichem Blute war, hat doch die Männer aus dem Volke geliebt, viele von ihnen zu Aposteln gemacht und ihnen zu einem hohen Rang verholfen, so daß sie jetzt im himmlischen Rate sitzen.

Aber ein anderes ist die persönliche Liebe, ein anderes die allgemeine, die Liebe einer Nation zu einer anderen, welche allgemeine Liebe unser Herr und Heiland nicht minder streng beobachtet hat. Und wo ist sie? Wenn du dich in der Welt umsiehst, Erdensohn, so ist in allen Herzen ein solcher Haß, als folgten die Menschen den Geboten des Teufels und nicht Gottes.«

»Verehrter Herr,« antwortete Sagloba, »Ihr werdet uns schwerlich davon überzeugen, daß wir den Türken, den Tataren oder die anderen lieben sollten, die der Herrgott selber verachten muß.«

»Ich will Euch auch nicht dazu überreden, ich behaupte nur, daß die Kinder einer Mutter sich lieben sollten. Und was geschieht statt dessen? Seit den Zeiten Chmielnizkis, seit dreißig Jahren, waren diese Lande nicht einen Augenblick trocken von Blut.«

»Und durch wessen Schuld?«

»Wer sich zuerst zu ihr bekennt, dem wird Gott zuerst verzeihen.«

»Ihr tragt heute geistliche Gewänder, und in jungen Jahren, so sagt man, habt Ihr die Rebellen als ein tüchtiger Rittersmann zu Paaren getrieben.«

»Das tat ich, weil ich mußte; ich war Soldat, und das ist keine Sünde, sondern das, daß ich sie dabei wie die Pest haßte. Ich hatte meine persönlichen Gründe, die ich nicht erwähnen will, denn die Zeiten sind lange vergangen und jene Wunden längst verharscht. Aber das bereue ich demütig, daß ich über meine Pflicht hinausgegangen bin. Ich hatte bei meinem Kommando hundert Leute von der Fahne des Herrn Niewodowski, und oft, wenn ich mit ihnen herumstreifte, sengte ich, hängte ich, hieb ich die Leute zusammen … Ihr wißt, was das für Zeiten waren! Die Tataren, von Chmielnizki zu Hilfe gerufen, brannten und metzelten alles nieder, und so taten auch wir. Die Kosaken ließen überall nur Wasser und Land und begingen noch schlimmere Grausamkeiten als wir und die Tataren. O, nichts Entsetzlicheres als der Bürgerkrieg! Was das für Zeiten waren, wer kann es in Worten sagen? Genug, wir und sie waren tollen Hunden ähnlicher als Menschen … Einst wurde unserem Kommando gemeldet, daß das Gesindel Herrn Rusiezki in seiner Feste belagere. Ich und meine Leute wurden ihm zur Hilfe gesandt. Ich kam zu spät, die Feste war bereits vom Erdboden verschwunden. Nun überfiel ich das betrunkene Bauernvolk und hieb eine Menge von ihnen nieder; aber ein Teil versteckte sich im Getreide. Diese ließ ich lebend fortführen, um sie zum Exempel aufzuknüpfen. Aber wo? Das war leichter gedacht als getan; im ganzen Dorf war nicht ein Baum geblieben. Selbst die Birnbäume, die einsam an den Beeten am Rain gestanden hatten, waren umgehauen. Ich hatte keine Zeit, einen Galgen aufzurichten, auch einen Wald gab es nirgend in der Nähe, wir waren im Steppenland. Was tun? Ich nehme meine Gefangenen und gehe weiter. Irgendwo werde ich doch einen gabelförmigen Baumstamm finden. Ich gehe eine Meile, ich gehe zwei Meilen – nichts als Steppe – man hätte kegeln können. Endlich stoßen wir auf die Spuren eines Dörfchens. Es war gegen Abend. Ich sehe, ich schaue mich um: hier und da einen Haufen Kohlen und sonst nichts als graue Asche. Wieder nichts. Und doch! Auf einem winzigen Hügel war ein Kreuz geblieben, denn das Holz war noch nicht schwarz geworden und leuchtete im Abendschein, als sei es von Feuer; ein Christus, aus Blech geschnitten und so bemalt, daß man erst von der Seite kommen und das dünne Blech sehen mußte, um zu erkennen, daß nicht wirklich ein Körper dort hänge; von vorn betrachtet war sein Gesicht wie lebend, ein wenig bleich von Schmerzen, die Dornenkrone und die Augen nach oben gerichtet mit entsetzlichem Leiden und Klagen. Als ich das Kreuz bemerkte, schoß mir ein Gedanke durch den Kopf: Das ist der Galgen, einen anderen gibt es nicht! Aber ich erschrak zugleich. Im Namen des Vaters und des Sohnes, – an das Kreuz werde ich sie nicht knüpfen. Doch ich sagte mir, daß ich Christi Augen erfreuen werde, wenn ich in seiner Gegenwart diese, die so viel unschuldiges Blut vergossen hatten, köpfen lasse, und ich sagte: »Herr Gott, glaube, daß diese die Juden seien, die dich ans Kreuz schlugen, denn sie sind nicht besser als jene.« Und ich ließ einen nach dem anderen heranschleppen, auf den Hügel bis zum Kreuze führen und köpfen. Es waren unter ihnen alte, grauköpfige Bauern und junge Burschen. Der erste, den man heraufführte, sagte: »Bei den Leiden des Herrn, um Christi willen erbarme dich!« Und ich: »Den Kopf ihm ab!« Der Dragoner hieb, sein Kopf fiel. Man brachte den anderen heran, er sagte dasselbe: »Bei Christi Erbarmen, habe Mitleid!« Und ich: »Den Kopf ihm ab!« So ging es mit dem dritten, dem vierten, dem fünften. Vierzehn waren ihrer, und ein jeder beschwor mich bei Christo …

 

Die Abendröte war schon verloschen, als wir fertig waren. Ich ließ sie im Kreis um den Fuß des Kreuzes herumlegen … ich Tor! Ich wähnte, mit diesem Anblick den eingeborenen Sohn zu erfreuen. Sie aber bewegten sich eine Zeitlang bald mit den Händen, bald mit den Füßen, der eine und der andere wälzte sich umher wie ein Fisch, den man aus dem Wasser genommen; aber das dauerte nicht lange. Bald verließen die Kräfte ihren Körper, und sie lagen da im Kranze herum, still und stumm.

Da schon vollkommene Dunkelheit eingetreten war, beschloß ich zu übernachten, obwohl wir kein Holz zu Wachtfeuern hatten. Die Nacht war warm, und so legten sich meine Leute auf ihre Pferdedecken. Ich ging zum Kreuze hin, um zu Christi Füßen die üblichen Paternoster zu sprechen und mich in seine Hand zu empfehlen, und ich glaubte, mein Gebet werde um so gnädiger aufgenommen werden, als mir der Tag in Arbeit und in Taten hingegangen war, die ich mir zum Verdienst anrechnete.

Es begegnet dem ermatteten Soldaten oft, daß er während des Abendgebetes einschlummert. Auch mir ging es so. Die Dragoner, welche sahen, daß ich mit dem Kopf an das Kreuz gelehnt kniete, meinten, ich sei in fromme Andacht versunken, und keiner von ihnen wollte mich unterbrechen. Meine Augen aber hatten sich gleich geschlossen, und ein seltsamer Traum kam über mich von diesem Kreuze herab. Ich sage nicht, daß ich Gesichte hatte, denn ich bin und war dessen nicht würdig, – aber ich sah im tiefsten Schlafe, als sei ich wach, die ganze Passion des Herrn … Beim Anblick der Qual des unschuldigen Lammes war mein Herz zerknirscht, die Schleusen meiner Augen öffneten sich, und mich ergriff ein unendliches Weh. »Herr,« sagte ich, »ich habe hier ein Häuflein guter Knechte, – willst du sehen, was unsere Reiterei vermag, so nicke mit dem Haupte, und ich will diese Heidensöhne, diese deine Henker im Augenblick mit den Schwertern köpfen lassen.« Kaum hatte ich ausgesprochen, so schwand alles vor meinen Augen, nur das Kreuz war geblieben, und Christus, der blutige Tränen weinte … und ich umfasse den Fuß des heiligen Stammes und schluchze auch. Wie lange das gewährt hat, weiß ich nicht, aber da es vorbei war, und ich mich ein wenig beruhigt hatte, sagte ich wieder: »Herr, Herr, hast du nicht unter den verstockten Juden deine heilige Lehre kundgetan? Wärest du von Palästina in unsere Republik gekommen, wir hätten dich gewiß nicht ans Kreuz geschlagen, wir hätten dich freundlich aufgenommen, mit allen Gütern dich beschenkt, wir hätten dir das Bürgerrecht gegeben zur Vermehrung deines göttlichen Ruhmes. Warum hast du nicht so getan, Herr?«

Ich sprach's und hob die Augen gen Himmel – im Traume war es, vergeßt das nicht – und was sehe ich? Unser Herr blickt streng auf mich nieder, runzelt die Brauen und antwortet plötzlich mit mächtiger Stimme: »Wohlfeil ist jetzt Euer Adel, denn in Kriegszeiten kann ihn jeder Bube erwerben; aber das ist das geringste! Wert seid Ihr einander, Ihr und das Barbarengesindel; Ihr und die anderen seid schlimmer als die Juden, denn Ihr schlaget mich täglich hier ans Kreuz … Habe ich nicht Liebe gelehrt und Vergebung der Sünden auch für den Feind, und Ihr zerfleischet einander wie die wütenden Tiere. Das muß ich sehen und leide unendliche Qual. Du selbst aber, der du mich hattest befreien wollen, und mich dann in die Republik zu kommen einludest, was hast du getan? Siehe, menschliche Leichname liegen rings um mein Kreuz, und Blut bespritzt seinen Fuß, und doch waren unter ihnen unschuldige Knaben oder Verblendete, die, da sie keine Einsicht hatten, den anderen folgten, wie die vernunftlosen Schafe. Hattest du Mitleid mit ihnen, hast du sie gerichtet vor dem Tode? Nein, du ließest sie alle töten und wähntest noch, mir damit eine Freude zu bereiten. Fürwahr, ein anderes ist Rügen und Strafen, wie der Vater den Sohn straft, und der ältere Bruder den jüngeren rügt, und ein anderes Rache nehmen, als Gericht halten und kein Maß in Strafe und Grausamkeit kennen. Dahin ist es gekommen, daß auf dieser Erde die Wölfe mehr Erbarmen haben, denn die Menschen, daß hier das Gras blutigen Tau schwitzt, daß die Winde nicht wehen, sondern heulen, daß die Flüsse Tränenströme wälzen, und die Menschen bis zum Tode die Hände ringen und jammern: »Unsere Zuversicht!«

»Herr,« rief ich, »sind jene besser als wir? Wer hat die größten Grausamkeiten begangen, wer hat die Heiden hierhergeführt?«

»Liebet sie, auch wenn ihr sie straft,« antwortete der Herr, »dann werden die Schuppen von ihren Augen fallen, die Verstocktheit wird sich lösen, und meine Barmherzigkeit wird über euch sein. Wo nicht, wird die Flut der Tataren kommen und euch ihr Joch auferlegen, euch und ihnen – und ihr werdet dem Feinde dienen müssen in Verzweiflung, in Verachtung, in Tränen – bis zu jenem Tage, da ihr euch gegenseitig lieben gelernt. Wenn ihr aber im Haß das Maß überschreitet, dann wird es weder für sie noch für euch Erbarmen geben, und der Heide wird diesen Boden innehaben in alle Ewigkeit!«

Die Kräfte verließen mich, da ich diese Seherworte hörte, und ich konnte lange nicht sprechen; dann warf ich mich auf mein Antlitz und fragte:

»Herr, was soll ich tun, um meine Sünden zu tilgen?«

Darauf sagte der Herr:

»Gehe hin, wiederhole meine Worte, predige Liebe.«

Nach dieser Antwort wichen meine Gesichte. Da die Nacht im Sommer kurz ist, erwachte ich, ganz von Tau bedeckt, mit der Morgendämmerung. Ich sehe hin, die Köpfe liegen im Kranz um das Kreuz herum, aber sie sind schon ganz blau geworden. Seltsam, gestern hatte mich dieser Anblick erfreut, heute ergriff mich das Entsetzen, besonders da ich den Kopf eines Knaben erblickte, der etwa siebzehn Jahre zählen mochte und der über alle Maßen schön war. Ich befahl, die Körper geziemend unter demselben Kreuz zu begraben, und von nun an – war ich nicht mehr derselbe.

Anfangs sagte ich mir: Träume – Schäume! Aber sie hafteten in meinem Gedächtnis und umfingen mein ganzes Sein immer mehr. Ich wagte nicht zu vermuten, daß der Herr selbst mit mir gesprochen habe, denn, wie ich schon sagte, ich fühlte mich nicht würdig. Es konnte doch das Gewissen gewesen sein, welches sich im Kriege in der Seele untergeduckt hatte, wie der Tatar im Grase, daß Gott plötzlich gesprochen und mir seinen Willen kundgetan hatte. Ich ging zur Beichte, und der Priester bestätigte meine Meinung. »Offenbar,« sagte er, »ist es Gottes Wille und Gottes Mahnung. Gehorche ihr, damit es dir nicht übel ergehe.«

Und nun begann ich Liebe zu predigen.

Aber die Genossen und Offiziere lachten mir ins Gesicht. »Was,« sagten sie, »bist du ein Priester, daß du uns Lehren geben willst? Haben jene Hundesöhne Gott nicht beleidigt, haben sie wenig Kirchen in Brand gesteckt, wenig Kreuze geschändet? Sollen wir sie darum lieben?« – mit einem Worte, niemand wollte auf mich hören.