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Der kleine Ritter

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Der Zug blieb nun hinten, und vorn ritt Bärbchen, an der einen Seite ihr Gatte, an der anderen Herr Sagloba. Über dem mit Weißtannenzweigen schön geschmückten Tor waren auf Blasen, die mit Talk bestrichen und innen erleuchtet waren, die schwarzen Zuschriften angebracht: »Möge Cupido euch reichlich glückliche Stunden schenken!« »Crescite, liebe Gäste, multiplicamini!«

»Vivat, floreat!« schrieen die Soldaten, als der kleine Ritter und Bärbchen Halt machten und die Inschrift lasen.

»Um des Himmels willen,« sagte Sagloba, »ich bin ja auch Gast, und wenn der Wunsch der Multiplikation sich auch auf mich bezieht, so sollen mich die Raben fressen, wenn ich weiß, was ich damit anfange.«

Aber Sagloba fand ein besonderes Transparent, das nur für ihn bestimmt war, und las darauf mit nicht geringerer Befriedigung:

 
Es lebe Sagloba Onufrius,
Der ganzen Ritterschaft würdigste Zier!
 

Michael war sehr heiter. Er bat die Offiziere und auch die Mannschaften zu sich zum Abendessen, und für die Soldaten ließ er ein um das andere Tönnchen Branntwein bringen. Einige Ochsen wurden geschlachtet, die man bald an den Feuern zu braten begann. Für alle war reichlich vorhanden. Noch in die Nacht hinein erzitterte die Warte von den Rufen und Schüssen, so daß die Räuberbanden in den Schluchten von Uschyz ein Schrecken erfaßte.

Herr Wolodyjowski war nicht träge gewesen in seiner Warte, und auch seine Leute lebten in beständiger Arbeit. Hundert, bisweilen weniger Leute blieben als Besatzung in Chreptiow zurück, der Rest war auf beständigen Ausflügen.

Die tüchtigsten Abteilungen waren abkommandiert zur Untersuchung der Schluchten von Uschyz, und diese lebten wie in einem beständigen Krieg, denn die häufig sehr zahlreichen Räuberbanden leisteten kräftigen Widerstand, und man mußte ihnen oft förmliche Schlachten liefern. Solche Ausflüge währten einige, oft auch mehr als zehn Tage. Kleinere Abteilungen sandte Michael weit hinaus bis nach Brazlaw nach Neuigkeiten, zur Horde und zu Doroschenko. Die Aufgabe dieser Vorposten war, Spione einzubringen, das hieß, sie in den Steppen aufzufangen; andere wieder gingen den Dniestr hinunter nach Mohylow und Jampol, um die Verbindung mit den Kommandanten, die an diesen Orten standen, aufrecht zu erhalten, andere spionierten auf der Seite der Walachei, noch andere bauten Brücken und stellten die alte Heerstraße wieder her.

Das Land, in dem ein so reges Leben herrschte, beruhigte sich allmählich; die friedlicheren, weniger dem Raub ergebenen Einwohner kehrten nach und nach in die verlassenen Wohnsitze zurück, anfangs zaghaft, dann immer mutiger. Nach Chreptiow selbst zog ein Häuflein jüdischer Handwerker; von Zeit zu Zeit ließ sich auch ein großer armenischer Kaufmann blicken; immer häufiger kamen die Krämer, und so hegte Michael die zuversichtliche Hoffnung, daß, wenn ihm Gott und der Hetman längere Zeit gestatteten im Kommando zu bleiben, jene wilden Gegenden allmählich eine ganz andere Gestalt annehmen würden. Gegenwärtig war nur der Anfang gemacht; es blieb noch viel Arbeit zu tun, noch waren die Wege nicht sicher; das entartete Volk schlug sich lieber zu den Räubern als zu dem Heere und verbarg sich bei jeder Gelegenheit in den felsigen Schluchten. Durch die Furten des Dniestr schlichen sich häufig Banden aus Walachen, Kosaken, Ungarn, Tataren, und Gott weiß wem bestehend; diese sandten Scharen in das Land und überfielen in tatarischer Weise Dörfer und Städte und raubten alles, was sich rauben ließ. Noch konnte man in diesen Landen keinen Augenblick das Schwert aus der Hand legen oder die Muskete an den Nagel hängen. Aber der Anfang war gemacht, und die Zukunft verhieß viel. Am aufmerksamsten mußte man nach Osten hinspähen. Von den Banden Doroschenkos und den Hilfsscharen lösten sich immer wieder größere oder kleinere Züge los, schlichen bis zu den polnischen Kommandos heran und brachten Verwüstung und Brand in die Gegenden. Da es aber nur Einzelscharen waren, die scheinbar wenigstens nur auf eigene Faust auszogen, demütigte sie der kleine Kommandant ohne die Befürchtung, einen größeren Sturm über das Land heraufzubeschwören. Er ließ sich nicht an der bloßen Abwehr genügen, sondern suchte sie selbst in der Steppe auf mit solcher Wirkung, daß er bald auch den kühnsten die Einfälle verleidete.

Inzwischen hatte sich Bärbchen in Chreptiow häuslich eingerichtet.

Sie fand eine unermeßliche Freude an dem soldatischen Leben, das sie bisher doch nie in solcher Nähe kennen gelernt hatte, an diesem Hin- und Herziehen, diesem Aus- und Einmarsch, an dem Anblick der Gefangenen. Sie kündigte Michael auch an, daß sie an einem Zuge wenigstens teilnehmen müsse, vorläufig aber mußte sie sich damit zufrieden geben, bisweilen auf ihrem kleinen Zelter in der Begleitung ihres Mannes und Herrn Saglobas die Umgegenden von Chreptiow zu besuchen. Sie jagten auf solchen Ausflügen Füchse und Trappen; manchmal steckte ein Isegrimm seinen Kopf aus dem Grase und schoß über die Heide dahin – sie jagten ihn dann, und Bärbchen hielt sich so gut sie konnte voran, unmittelbar hinter den Windhunden, um als erste das müde Tier einzuholen und mit ihrer Flinte zwischen die roten Augen zu treffen.

Sagloba jagte am liebsten mit Falken, von welchen einige Paare, ganz ausgezeichnete, sich im Besitz der Offiziere befanden.

Bärbchen leistete ihm Gesellschaft, und hinter ihnen drein sandte Michael im geheimen eine Anzahl von Leuten, die ihr Hilfe bringen sollten bei Zufällen, denn obwohl man in Chreptiow immer wußte, was auf zwanzig Meilen ringsumher in der Wüste vorging, wollte Michael doch nicht alle Vorsicht außer acht lassen.

Die Soldaten gewannen Bärbchen mit jedem Tage lieber. Sie kümmerte sich um ihr Essen und Trinken, sie sah nach den Kranken und Verwundeten. Selbst der düstere Asya, der beständig am Kopfe litt, und dessen Herz härter und wilder war als das der anderen, heiterte sich bei ihrem Anblick auf. Die alten Soldaten vergingen vor Freude über ihre große Kenntnis soldatischer Dinge.

»Wenn der kleine Falke uns fehlen sollte,« sagten sie, »könnte sie das Kommando übernehmen, und es würde uns nicht leid sein, unter einem solchen Regimente den Tod zu finden.«

Es kam auch vor, daß, wenn während Michaels Abwesenheit im Dienst etwas versehen wurde, Bärbchen die Soldaten schalt. Und der Respekt vor ihr war groß. Eine Rüge aus ihrem Munde ging den Grenzsoldaten mehr zu Herzen als die Strafen, die Michael nicht selten wegen Vergehen gegen die Disziplin verhängte.

Es herrschte immer große Zucht im Kommando, denn Michael, in der Schule des Fürsten Jeremias aufgewachsen, verstand die Soldaten mit eiserner Hand zu regieren; aber Bärbchens Anwesenheit milderte noch ein wenig die alten Sitten. Jedermann bemühte sich, ihr zu gefallen, jeder war besorgt um ihre Ruhe. Darum hütete man sich vor allem, was diesen Frieden trüben konnte.

In der leichten Fahne Mikolaj Potozkis gab es eine Anzahl von Offizieren, Männer, die weit herumgekommen waren, und von höfischen Rittern, die, obgleich sie in den ununterbrochenen Kriegen und Abenteuern verwildert waren, doch eine besonders artige Gesellschaft ausmachten. Diese und Offiziere von anderen Fahnen brachten häufig die Abende bei dem Kommandanten zu, wo dann aus alten Zeiten und Kriegszügen erzählt wurde, an denen sie selbst teilgenommen hatten. Den ersten Platz unter ihnen nahm Sagloba ein; er war der älteste, hatte am meisten gesehen, und selbst viel vollbracht; aber wenn er nach dem ersten und zweiten Gläschen in dem bequemen saffianbeschlagenen Bänkchen eingeschlummert war, das man besonders für ihn hergestellt hatte, dann nahmen auch die anderen das Wort, und sie hatten was zu erzählen, denn es gab unter ihnen solche, die Schweden und Moskowien besucht hatten; es gab solche, die die jungen Jahre in der Sitsch noch vor dem großen Aufstand verlebt hatten. Es waren auch solche da, die in der Krim als Sklaven Schafe gehütet, die in Baktschissaraj in der Sklaverei Brunnen gegraben, die Kleinasien besucht hatten, die im Archipel auf türkischen Galeeren gerudert, die in Jerusalem vor dem heiligen Grabe das Knie gebeugt hatten, die alle möglichen Abenteuer und alles denkbare Elend durchgemacht hatten und doch noch heimgekehrt waren zur Fahne, um bis an das Ende ihres Lebens, bis zum letzten Atemzuge, die blutüberströmten Grenzländer zu verteidigen.

Als im November die Abende länger wurden und in der Steppe Frieden herrschte, weil die Gräser welk geworden waren, versammelte man sich Tag für Tag im Hause des Kommandanten. Da kam Herr Motowidlo, Ruthene von Geburt, hager wie ein Stock, und lang wie eine Lanze, nicht mehr jung, seit zwanzig Jahren auf dem Schlachtfelde. Da kam Herr Deyma, der Bruder jenes Deyma, der Herrn Ubysch erschlagen hatte; mit ihnen kam Herr Muschalski, vor Zeiten ein wohlhabender Mann, der in jungen Jahren verwundet in die Gefangenschaft geschleppt worden, auf türkischen Galeeren gerudert, dann aus der Sklaverei entfloh, seinen Besitz fahren ließ und mit dem Schwerte in der Hand die ihm angetane Unbill an den Muhamedanern gerächt hatte. Er war ein unvergleichlicher Bogenschütze, der eine Mütze im Fluge durchbohrte. Es kam ferner Herr Wilga und Herr Nienaschyniez, tüchtige Krieger, Herr Hromyka, Herr Bawdynowitsch und viele andere. Wenn die zu erzählen begannen und ihnen die Worte reichlich strömten, so spiegelte sich in ihren Erzählungen jene ganze Welt des Orients wieder, Baktschissaraj und Stambul, die Minarets und die Tempel des falschen Propheten, die bläulichen Wogen des Bosporus, die Fontänen und der Hof des Sultans, das Menschengetümmel in der steinernen Stadt und die Heere, die Janitscharen und Derwische, die ganze entsetzliche und in Regenbogenfarben schillernde Heuschreckenschar, gegen welche die Republik die reußischen Kirchen und mit ihnen alle Kreuze und Kirchen in ganz Europa mit blutiger Brust zu schützen hatte.

 

Die alten Soldaten setzten sich in der Runde in dem geräumigen Zimmer nieder, wie eine Schar von Störchen, die vom Fluge ermüdet auf einer Anhöhe in der Steppe mit lautem Geklapper sich niederläßt. Im Kamin brannten harzige Kloben, die ihren hellen Glanz über das ganze Zimmer warfen. Moldauer Wein wurde auf Bärbchens Geheiß am Feuer gewärmt, und die Knappen schöpften ihn in zinnerne Gefäße und reichten ihn den Rittern. Von außerhalb hörte man den Anruf; die Heimchen, über die sich Michael beklagt hatte, zirpten im Zimmer; manchmal pfiff in den Sparren, die mit Moos gefüllt waren, der Novemberwind, der von Norden her blies und immer kälter wurde. An solchen Winterabenden war es am schönsten, in dem heimlichen, hellen Zimmer zu sitzen und den Erzählungen der Ritter zu lauschen.

An einem solchen Abend erzählte einmal Herr Muschalski das Folgende:

»Der Allmächtige schütze die ganze Republik, uns alle, und unter uns besonders die hier anwesende würdige Gemahlin unseres Kommandanten, deren Glanz zu schauen unsere Augen kaum würdig sind. Ich will nicht in einen Wettstreit mit Herrn Sagloba eintreten, dessen Abenteuer Dido selber und ihre anmutigen Frauen in die größte Verwunderung versetzen könnten, – aber, da ihr selbst, werte Herrschaften, begehrt, meinen Lebenslauf zu hören, so will ich nicht zögern, um den werten Genossen nicht nahezutreten.

In der Jugend erbte ich in der Ukraine, nicht weit von Taraschtsch, ein bedeutendes Besitztum; ich hatte auch zwei Dörfchen, ein Erbteil der Mutter in ruhigen Landen, nicht weit von Jaslow; aber ich zog es vor, in Vaters Teil zu residieren, weil die Horden näher und die Abenteuer leichter waren. Mein Rittersinn zog mich nach der Sitsch; aber dort gab es nichts mehr für uns. Doch ging ich in die wilden Felder in Gemeinschaft unruhiger Geister und genoß wahrhafte Wonnen. Ich fühlte mich wohl in meinem Besitz; nur eins quälte mich: ich hatte einen schlechten Nachbar. Er war ein gewöhnlicher Bauer aus Bialazerkiew. In seiner Jugend war er in der Sitsch gewesen, hatte dort den Rang eines Atamans erlangt und ging als Abgeordneter der Stämme nach Warschau, wo er auch geadelt wurde. Er hieß Dydiuk. Und ihr müßt wissen, meine Herrschaften, daß wir uns von einem Heerführer der Samniter herleiten, der Muska hieß, was in unserer Sprache »Fliege« bedeutet. Jener Muska kam nach unglücklichen Zügen gegen die Römer an den Hof Siemowits, des Sohnes des Piasten. Dieser nannte ihn zur größeren Bequemlichkeit Muskalski, was die Nachkommen später in Muschalski umwandelten. Von so alter Abstammung und so adligem Blute, sah ich mit großer Verachtung auf jenen Dydiuk herab. Hätte der Kerl die Ehre, die ihn getroffen hatte, zu schätzen gewußt, und die hohe Vortrefflichkeit des Adels über alle anderen Stämme anerkannt, dann hätte ich vielleicht nichts gesagt; aber er, der als Adliger seinen Besitz hatte, spottete noch über seine Würde und sagte häufig: »Ist mein Schatten jetzt größer? Ein Kosak war ich, und ein Kosak bleibe ich, und der Adel und alle Lechenhunde – können mich …« – ich kann euch das nicht sagen, meine Herrschaften, was er an dieser Stelle für häßliche Gebärden machte, denn die Anwesenheit der gnädigen Frau erlaubt mir das nicht, aber mich packte eine wilde Wut, und ich fing an, ihm zuzusetzen. Er fürchtete sich nicht, er war mutig und zahlte mir heim; er hätte sich auf Säbel geschlagen, aber das wollte ich nicht, da ich seine niedrige Herkunft im Auge hatte.

Ich haßte ihn wie die Pest, und auch er verfolgte mich mit Haß. Einmal schoß er auf mich auf dem Markte in Taraschtsch; um ein Haar hätte er mich getötet, und ich ihm mit dem Beile den Kopf gespalten. Zweimal überfiel ich ihn mit ritterlichen Leuten, zweimal er mich mit dem Kosakenpack; er konnte mir nichts anhaben, aber auch ich konnte mit ihm nicht fertig werden. Ich wollte das Gesetz gegen ihn anrufen – bah, Gesetz in der Ukraine, in der noch die Trümmer der Städte dampfen. Wer da das Gesindel zusammenruft, braucht nach der ganzen Republik nicht zu fragen. So tat er und lästerte noch dazu gegen die gemeinsame Mutter, uneingedenk dessen, daß sie es war, die ihn in den Adelsstand erhoben, ihn dadurch an ihre Brust gezogen, ihm Privilegien gegeben, durch welche er Land besaß und diese übermäßige Freiheit, die er unter keiner anderen Herrschaft genossen hätte. Hätten wir uns in nachbarlicher Weise treffen können, so hätte es mir gewiß nicht an Argumenten gefehlt, aber wir sahen uns nicht anders, als mit der Flinte in der einen und mit der Klinge in der anderen Hand. Der Haß wuchs in mir mit jedem Tage, bis ich förmlich gelb wurde; immer und immer dachte ich nur daran, wie ich ihm beikommen könne. Ich fühlte, daß der Haß eine Sünde sei, ich wollte ihm daher nur zuerst wegen der Beschimpfung des Adels mit Stöcken das Fell gerben und dann ihm alle Sünden verzeihen und, wie einem rechten Christenmenschen geziemt, ihn einfach erschießen lassen. Aber Gott hat es anders gefügt.

Ich hatte hinter dem Dorfe einen hübschen Bienengarten, und einmal ging ich hin, ihn anzusehen. Es war gegen Abend. Ich hatte kaum zehn Paternoster lang dort zugebracht, als ein Geschrei zu meinen Ohren drang. Ich sehe mich um – da lagert Rauch wie eine Wolke über dem Dorfe. Gleich darauf kommen Menschen gelaufen. »Die Horde, die Horde!« und hinter den Menschen – ein unabsehbarer Haufen, sage ich euch. Pfeile kommen geflogen, wie der Regen vom Himmel fällt; wo ich hinblicke, Schafsfelle und die teuflischen Fratzen der Horde. Ich auf mein Pferd, – ehe ich noch mit dem Fuß den Steigbügel berühre, haben mich schon fünf oder sechs Schlingen gefangen. Ich zerriß sie zwar – ich war stark … wie Herkules … Drei Monate später befand ich mich hinter Baktschissaraj in einem tatarischen Dörfchen, Suhaidzig genannt, und saß mit anderen gefangen.

Mein Herr hieß Salma-Bey, ein reicher Tatar, aber unmenschlich und gegen seine Sklaven grausam. Wir mußten unter Schlägen Brunnen graben und auf dem Felde arbeiten. Ich wollte mich loskaufen, ich hatte es ja dazu. Durch einen Armenier schickte ich Briefe nach meinen Gütern bei Jaslow. Ich weiß nicht, ob meine Briefe nicht ankamen, ob das Lösegeld unterwegs geraubt wurde – genug, es traf nicht ein. Ich wurde nach Konstantinopel gebracht und auf die Galeeren verkauft.

Ich könnte viel von dieser Stadt erzählen; ich weiß nicht, ob es eine größere und schönere Welt gibt. Menschen gibt es dort wie Gras in der Steppe oder wie Steine im Dniestr … und die Riesenmauern an den Moscheen, Turm an Turm!

In der ganzen Stadt laufen die Hunde herum, den Menschen zwischen die Beine, da die Türken ihnen kein Leids zufügen, offenbar darum, weil sie sich verwandt mit ihnen fühlen, diese Hundebrüder … Es gibt keine anderen Stände bei ihnen als Herren und Sklaven, und es gibt keine schlimmere Sklaverei als bei den Heiden. Gott weiß, ob es wahr ist, aber auf den Galeeren habe ich gehört, daß die dortigen Gewässer, der Bosporus und das Goldene Horn, das tief in die Stadt hineingeht, aus den Tränen der Sklaven entstanden sind; auch ich habe nicht wenige dort vergossen …

Furchtbar ist die Macht der Türken, und keinem Potentaten sind so viele Könige untertan wie dem Sultan. Die Türken selbst aber sagen, wenn Lechistan nicht wäre – so nannten sie unser Mutterland – so wären sie längst die Herren der ganzen Erde. Im Rücken der Lechen, so sagen sie, lebt der Rest der Welt in der Lüge, denn jener, sagen sie, liegt wie der Hund vor dem Kreuze und beißt uns in die Hände, und sie haben recht, denn so war es, und so ist es. Und wir hier in Chreptiow und die weiteren Kommandos in Mohylow, in Jampol, in Raschkow – was tun wir anderes? Es gibt viel Schlimmes in unserer Republik, aber das denke ich doch, daß uns diese Leistung Gott dereinst anrechnet!

Aber ich komme zurück auf mein Abenteuer. Die Sklaven, welche auf dem Lande, in den Städten und Dörfern leben, seufzen nicht unter so schwerer Bedrückung wie die, welche auf den Galeeren rudern müssen, denn die Galeerensklaven, die einmal am Rande des Schiffes an das Ruder geschmiedet sind, werden nie befreit, weder Nacht noch Tag, noch an Festtagen, sondern müssen bis zum Tode in Ketten leben. Und geht ein Schiff unter in pugna-navali, so müssen sie mit ihm untergehen. Alle sind nackt, die Kälte quält sie, der Regen näßt sie, der Hunger peinigt sie, und gegen all dies gibt's kein anderes Mittel als Tränen und entsetzliche Arbeit; denn die Ruder sind so groß und schwer, daß zwei Menschen zur Bedienung eines nötig sind.

Mich hatte man in der Nacht hingebracht und angeschmiedet und hatte mich einem Genossen meines Leides gegenübergesetzt, den ich in der Finsternis nicht erkennen konnte. Als ich die Hammerschläge und das Klirren der Ketten hörte – lieber Gott, da war mir, als schlüge man die Nägel in meinen Sarg, obgleich ich das vorgezogen hätte. Ich betete, aber die Hoffnung in meinem Herzen war wie vom Winde hinweggeweht … Meine Seufzer brachten die Kawassen durch Prügel zum Schweigen; ich saß also stumm die ganze Nacht hindurch, bis der Morgen dämmerte … Da blickte ich hin auf den, der mit mir an einem Ruder sitzt – Jesus Christus – ratet, meine Herrschaften, wer mir gegenüber saß, – Dydiuk!

Ich erkannte ihn sofort, obgleich er nackt und abgemagert war, und sein Bart bis über die Hüften hinabreichte, denn er war schon vor langer Zeit auf die Galeere verkauft worden. Ich begann ihn zu mustern, er mich, er hatte mich auch erkannt. Wir sprachen kein Wort zueinander. Ja, so war es uns beiden ergangen! Aber doch steckte noch eine solche Wut in uns, daß wir uns nicht nur kein »Grüß Gott« zuriefen, sondern der alte Haß in uns wie eine Flamme aufloderte, und förmliche Freude das Herz eines jeden erfüllte, daß auch sein Feind so leiden müsse. An demselben Tage ging das Fahrzeug auf die Reise. Es war seltsam: mit dem ärgsten Feinde ein und dasselbe Ruder führen, aus einer Schüssel einen Fraß essen, den bei uns die Hunde nicht würden verschlucken wollen, – denselben Tyrannen ertragen, dieselbe Luft atmen, zusammen leiden, zusammen weinen … Wir fuhren den Hellespont hin, dann über den Archipelagus. Eine Insel liegt dort neben der anderen, und alles ist in der Hand der Türken. Auch beide Ufer … die ganze Welt! – Es war schaudervoll! Am Tage eine unerträgliche Hitze; die Sonne brennt so, daß das Wasser davon zu glühen scheint, und wenn ihre Strahlen auf den Wogen zittern und hüpfen, möchte man glauben, ein feuriger Regen komme vom Himmel. Der Schweiß lief an unserem Körper herab, die Zunge klebte am Gaumen. In der Nacht biß uns die Kälte ins Fleisch wie ein Wolf … nirgends Trost, nichts als Harm, Sehnsucht nach dem verlorenen Glück, Gram und Qual! das läßt sich in Worten nicht sagen. – In einem Hafen, schon auf griechischem Boden, sahen wir von dort aus jene berühmten Ruinen der Tempel, welche noch die alten Griechen erbaut haben; da steht Säule an Säule wie von Gold, so gelb ist der Marmor vom Alter geworden, und man kann das ganz deutlich sehen, denn er steht auf einem emporragenden Hügel, und der Himmel ist dort so blau wie Türkise. Dann fuhren wir um den Peloponnes herum.

Tag um Tag verging, Woche um Woche; wir sprachen kein Wort zueinander, denn noch wohnte Starrsinn und Wut in unserem Herzen. Aber wir begannen allmählich demütiger zu werden unter der Hand des Herrn. Von Mühsal und der Veränderlichkeit des Wetters fing unser sündiger Körper an abzumagern. Die Wunden, die uns der Kantschu geschlagen hatte, faulten in der Sonnenhitze. In der Nacht beteten wir um den Tod. Kaum wollte ich einschlummern, so hörte ich, wie Dydiuk sagte: »Christus, erbarme dich, Heilige Jungfrau habe Erbarmen, laß mich sterben!« Und auch er hörte und sah, wie ich die Hand ausstreckte zur Mutter Gottes und ihrem Kindlein. Es war, als hätte der Seewind den Haß aus dem Herzen weggeweht. Immer weniger, immer weniger ward er, und endlich, wenn ich über mich weinte, weinte ich auch über ihn. Schon sahen wir auch ganz anders einander an, ja, wir begannen einander auszuhelfen. Wenn mich der Schweiß und die Todesmattigkeit ergriffen, so ruderte er allein; traf es ihn, so ruderte ich; brachte man eine Schüssel, so achtete jeder darauf, daß auch der andere habe – seht, Herrschaften, das ist die menschliche Natur. Kurz gesagt, wir liebten einander schon, aber keiner wollte das zuerst aussprechen. In ihm steckte ein Schelm, eine ukrainische Seele. Es kam erst, als uns furchtbar elend und schwer war, und als die Leute sagten, daß wir am anderen Tage mit der venetianischen Flotte zusammentreffen würden. An Lebensmitteln war auch Mangel; in allem hielten sie uns karg, außer im Prügeln. Da kam die Nacht. Wir seufzten leise und beteten noch eifriger, er in seiner, ich in meiner Sprache. Ich sehe beim Lichte des Mondes, wie ihm die Tränen stromweis in den Bart fließen. Da schwoll mir das Herz und ich sage: »Dydiuk, wir sind doch aus einem Lande, vergeben wir uns unsere Schuld.« Wie er das hörte – lieber Gott – brüllte der Mensch los, springt auf, daß die Ketten klirren, und wir fielen uns über das Ruder in die Arme, küßten uns und weinten. Ich vermag nicht zu sagen, wie lange wir uns so umfangen hielten, denn das Gedächtnis schwand uns, so zitterten wir vor Schluchzen.«

 

Hier unterbrach sich Herr Muschalski und fuhr mit den Fingern nach den Augen; ein Augenblick der Stille trat ein; nur der kalte Nordwind pfiff durch die Sparren, im Zimmer knisterte das Feuer, und sangen die Heimchen. Herr Muschalski atmete auf und erzählte weiter:

»Gott der Herr segnete uns und erwies uns, wie sich bald zeigen wird, seine Gnade; aber zunächst mußten wir dieses brüderliche Gefühl bitter bezahlen. Da wir uns umarmten, hatten wir die Ketten so durcheinander geworfen, daß wir sie nicht wieder freibekommen konnten. Die Aufseher kamen und brachten uns auseinander, aber der Kantschu pfiff länger als eine Stunde über unserem Nacken. Wir wurden geschlagen, ohne daß man beachtete, wohin es traf. Das Blut floß von mir herab, auch von Dydiuk floß Blut, und beide Ströme vereinten sich und gingen zusammen ins Meer. Nun ist es schon lange her … Gott sei Dank!

Seit dieser Zeit ist es mir nicht eingefallen, daß ich von den Samnitern abstamme, und daß er ein Bauer aus Bialazerkiew sei, der erst vor kurzem geadelt war. Meinen leiblichen Bruder hätte ich nicht mehr lieben können, als ich ihn geliebt habe. Wäre er auch nicht geadelt gewesen, mir war es gleich – wenn es mir auch so lieber war; und er, wie er einst in alter Zeit mir den Haß verdoppelt heimzahlte, so jetzt die Liebe – das lag in seiner Natur.

Am folgenden Tage war eine Schlacht; die Venetianer streuten unsere Flotte in alle vier Winde auseinander. Unsere Galeere, furchtbar von den Geschossen zugerichtet, war an einem öden Inselchen hängen geblieben, an einem Felsen, der aus dem Meere hervorragte. Man mußte sie reparieren, und da die Soldaten umgekommen waren, und es an Händen fehlte, mußte man uns losschmieden und uns Äxte geben. Wir waren kaum ans Land gestiegen, als ich Dydiuk anblickte; er hatte schon denselben Gedanken im Kopfe, wie ich – »sofort?« fragte er mich – »sofort!« sage ich, und ohne langes Besinnen versetze ich dem Aufseher einen Hieb, er dem Kapitän; die anderen Sträflinge folgten uns wie ein Lauffeuer. In einer Stunde hatten wir den Türken den Garaus gemacht; dann brachten wir die Galeere so gut es ging in Ordnung, setzten uns ohne Ketten darauf, und Gott der Erbarmer gebot den Winden, uns nach Venedig zu führen.

Am Bettelstab kamen wir in die Republik. Ich teilte mit Dydiuk das Bettelbrot, und beide traten wir wieder in den Kriegsdienst, um für unsere Tränen und unser Blut heimzuzahlen. In der Zeit von Podhaize ging Dydiuk nach der Sitsch zu Sirko und mit ihm in die Krim. Was sie dort gemacht und alles angerichtet haben, das ist euch bekannt, meine Herrschaften.

Auf der Rückkehr fiel Dydiuk, nachdem seine Rache gesättigt war, von einem Pfeil. Ich blieb übrig, und so oft ich jetzt einen Bogen anziehe, tue ich das mit dem Gedanken an ihn; und daß ich auf diese Weise seine Seele oft erfreut habe, das bezeugen viele in dieser werten Gesellschaft.«

Wieder verstummte Muschalski, und wieder hörte man nur das Pfeifen des Nordwindes und das Knistern des Feuers. Der alte Krieger heftete den Blick auf die brennenden Scheite und schloß nach einem längeren Schweigen so:

»Nalewajko und Loboda haben gelebt, Chmielnizki hat gelebt, und Dorosch lebt heute noch; der Boden wird nicht trocken von Blut; wir zanken und schlagen uns, und doch hat Gott in unsere Herzen Saaten der Liebe gestreut; aber sie liegen dort gleichsam in fruchtbarer Scholle, und erst unter dem Druck und unter dem Kantschu der Heiden, erst in der Sklaverei der Tataren geben sie unerwartet Früchte.« —

»Bauernlümmel bleibt Bauernlümmel!« sagte plötzlich Sagloba und erwachte aus seinem Schlafe.