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Der kleine Ritter

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»Warum das?«

»Hat Herr Sagloba dir nichts von ihrer Absicht gesagt?«

»Von welcher Absicht, bei den Wunden Gottes?«

»Sie geht ins Kloster.«

Michael begann mit den Augen zu blinzeln wie ein Mensch, der nicht recht gehört hat, was man ihm gesagt, dann entfärbte sich sein Gesicht; er erhob sich, setzte sich wieder, perlender Schweiß stand auf seiner Stirn, und er griff mit der Hand nach ihr. Im Zimmer herrschte tiefes Schweigen.

»Michael!« rief Frau Truchseß.

Er aber sah mit irrem Blick bald sie, bald Herrn Sagloba an; endlich sagte er mit furchtbarer Stimme:

»Lastet denn ein Fluch auf mir?«

»Lästere nicht!« rief Sagloba.

Bei diesem Ausruf erriet Sagloba und die Frau Truchseß das Herzensgeheimnis des kleinen Ritters, und als er plötzlich aufstand und das Zimmer verließ, sahen sie einander in Erstaunen und Besorgnis an, bis endlich Michaels Schwester sagte:

»Um Gottes willen, folgt ihm, redet ihm zu Herzen, tröstet ihn; wo nicht, will ich gehen.«

»Tut das nicht!« versetzte Sagloba, »keiner von uns darf zu ihm. Ihm ist Christine nötig, und da das nicht sein kann, ist es besser, wir lassen ihn allein, denn Trost zur unrechten Zeit führt zu noch größerer Verzweiflung.«

»Ich sehe klar, er wollte zu Christine; seht, ich habe gewußt, daß er sie gern hat, daß er ihre Gesellschaft aufgesucht. Aber, daß er so ganz und gar in sie vernarrt sei, ist mir gar nicht in den Sinn gekommen.«

»Er ist wohl mit einem fertigen Entschluß hierhergekommen, in dem er seine ganze Seligkeit gesehen hat. Und darum traf es ihn wie ein Donnerschlag.«

»Warum hat er aber niemandem ein Wörtchen gesagt, weder mir, noch Euch, noch Christine selber? Vielleicht hätte das Mädchen das Gelübde nicht getan.«

»Seltsam, sehr seltsam!« antwortete Sagloba. »Mir vertraut er doch alles an, und meinem Kopf vertraut er mehr als seinem eigenen, und er hat mir nicht nur nichts von dieser Zuneigung gesagt, er hat sogar behauptet, es sei Freundschaft, nichts weiter.«

»Er war immer verschlossen.«

»Dann kennt Ihr ihn nicht, wenn Ihr auch seine Schwester seid. Sein Herz ist wie das Auge des Karauschen ganz nach oben gekehrt. Nie habe ich einen offeneren Menschen kennen gelernt; aber ich muß gestehen – diesmal hat er anders gehandelt. – Aber wißt Ihr gewiß, daß er auch Christine nicht gesprochen hat?«

»Du lieber Gott, Christine ist die Herrin ihrer Hand, denn mein Mann, ihr Vormund, hat ihr so oft gesagt: Wenn ein Mann kommt, der würdig ist und aus edlem Blute, so brauchst du nicht auf Vermögen zu achten. – Wenn Michael vor seiner Abreise mit ihr gesprochen hätte, so hätte sie ihm ja oder nein geantwortet, und er hätte gewußt, was er zu erwarten habe.«

»Gewiß, es ist ihm unerwartet gekommen; Eure Erklärungen kommen aus dem Herzen einer Frau und sind durchaus zutreffend.«

»Was nützen die Erklärungen, – hier heißt es Rat schaffen!«

» – Mag er Bärbchen nehmen!«

»Wenn er die andere lieber mag …! Ha, wenn mir das doch je eingefallen wäre!«

»Schade, daß es Euch nicht eingefallen ist!«

»Wie sollte es mir einfallen, wenn es einem solchen Salomon, wie Ihr seid, nicht einfiel.«

»Und woher wißt Ihr das?«

»Weil Ihr sie dem Ketling anhängen wolltet.«

»Ich? – Gott ist mein Zeuge, daß ich sie niemandem anhängen wollte! Ich habe gesagt, daß er ihr geneigt sei, denn das war die Wahrheit; ich habe gesagt, Ketling sei ein würdiger, junger Mann – das ist die Wahrheit; aber das Verheiraten überlasse ich den Frauen, Verehrteste. Ruht nicht auf meinem Haupte die Hälfte der Republik, habe ich denn Zeit, an etwas anderes zu denken als an die öffentlichen Dinge? Oft genug finde ich nicht Zeit, einen Löffel warmer Suppe in den Mund zu nehmen …«

»So ratet doch jetzt, um des Himmels willen. Überall höre ich, daß es keinen gescheiteren Kopf gibt.«

»Daß die Leute doch immer von meinem Kopfe schwatzen! Sie sollen mich in Ruhe lassen! – Was meinen Rat betrifft, so gibt es zwei Wege: entweder nimmt Michael Bärbchen, oder Christine ändert ihren Entschluß. Ein Entschluß ist kein Gelübde.«

Hier kam Makowiezki zurück, und seine Frau sagte ihm alles. Der Edelmann grämte sich sehr, denn er hatte Michael außerordentlich gern, er schätzte ihn hoch und konnte für den Augenblick keinen Ausweg finden.

»Wenn Christine es sich in den Kopf gesetzt hat,« sagte er und rieb sich die Stirn, »wie soll man ihr eine solche Sache ausreden?«

»Christine hat sich's in den Kopf gesetzt,« antwortete die Frau Truchseß, »sie war immer so.«

»Was lag wohl Michael im Sinne, daß er sich nicht vor der Reise Gewißheit verschafft hat? Es hätte ja doch noch schlimmer kommen können: es hätte ja doch auch ein anderer während dieser Zeit das Herz des Mädchens gewinnen können,« antwortete ihr Gatte.

»Dann würde sie nicht ins Kloster wollen,« antwortete die Frau Truchseß, »sie ist ja doch frei.«

»Wohl wahr,« antwortete der Truchseß.

Aber Sagloba begann es bereits im Kopfe zu dämmern. Wäre ihm Christinens und Michaels Geheimnis bekannt gewesen, so wäre ihm auch alles mit einem Schlage klar geworden; doch ohne diese Kenntnis war es in der Tat schwer, etwas zu begreifen. Aber Saglobas Scharfsinn begann den Nebel zu durchdringen und die wahren Ursachen und Absichten Christinens und Wolodyjowskis Verzweiflung zu begreifen. Bald war er fest davon überzeugt, daß Ketling in Verbindung stehe mit dem, was vorgegangen war; seinen Vermutungen fehlte nur die Sicherheit. Er beschloß also, Michael aufzusuchen und ihn genauer auszuforschen.

Auf dem Wege erfaßte ihn die Unruhe, denn er dachte bei sich:

»Das war ein wenig mein Werk; ich hätte gern Honig auf Bärbchens und Michaels Hochzeit genascht, aber ich glaube, ich habe statt des Honigs sauer Bier gebraut, denn was gilt's, Michael kommt jetzt zu seinem alten Entschluß zurück und wird, Christinens Beispiel folgend, das Mönchsgewand nehmen.«

Bei diesem Gedanken überlief es Sagloba eiskalt, er beschleunigte seine Schritte und war bald in Michaels Zimmer.

Der kleine Ritter ging in seinem Zimmer hin und her, wie ein wildes Tier in seinem Käfig; seine Stirn war drohend gerunzelt, seine Augen gläsern. Er litt unermeßlich. Als er Sagloba erblickte, blieb er plötzlich stehen und schrie, die Hände über die Brust gekreuzt:

»So sagt mir doch, was das alles bedeutet!«

»Michael,« antwortete Sagloba, »bedenke doch, wieviel Mädchen alljährlich ins Kloster gehen. Eine alltägliche Sache! Es gibt Mädchen, die gegen den Willen der Eltern ins Kloster gehen, in der Hoffnung, daß Christus mit ihnen sein wird, – und wievielmehr solche, die frei sind! …«

»Nein, länger trage ich das Geheimnis nicht!« rief Michael, »sie ist nicht frei, denn sie hat mir ihre Liebe und ihre Hand vor meiner Abreise zugesagt.«

»Ha,« sagte Sagloba, »das habe ich nicht gewußt!«

»Es ist so« wiederholte der kleine Ritter.

»Vielleicht wird sie sich also raten lassen?«

»O, sie kümmert sich nicht mehr um mich, sie hat mich nicht sehen wollen!« rief Wolodyjowski in tiefstem Schmerz. »Ich habe Tag und Nacht hierhergestrebt, und sie will mich nicht einmal sehen! Was habe ich denn getan? Welche Sünden lasten auf mir, daß mich der Zorn Gottes verfolgt, daß der Wind mich umhertreibt wie ein welkes Blatt? Die eine ist gestorben, die andere geht ins Kloster – beide hat mir Gott genommen, weil ich verflucht bin. Für jeden gibt es Erbarmen, für jeden Gnade, nur für mich nicht!«

Sagloba zitterte in der Seele, daß der kleine Ritter von seinem Schmerz hingerissen, wieder lästern würde, wie dereinst nach dem Tode Ännchens, und um seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben, sprach er:

»Michael, zweifle nicht daran, daß auch über dir die Gnade waltet, denn das ist sündhaft, und du kannst nicht wissen, was morgen deiner harrt. Vielleicht wird Christine bei dem Gedanken an deine Vereinsamung ihren Entschluß noch ändern und dir ihr Wort geben. Und dann, höre mich, Michael, – ist es nicht ein Trost, daß dir Gott selbst, unser allgütiger Vater, diese Taube nimmt, und nicht ein Mensch, der auf Erden wandelt? Sage selbst, wäre es so besser?«

In dem Gesicht des kleinen Ritters zuckte es fürchterlich auf, seine Zähne knirschten, und er stieß mit erstickter Stimme die abgerissenen Worte hervor:

»Wenn es ein lebendiger Mensch wäre? Ha, wenn es doch einer wäre! Ich wünschte es, – so bliebe mir die Rache!«

» – Und so bleibt das Gebet,« sagte Sagloba. »Höre Michael, alter Freund, denn einen besseren Rat gibt dir niemand, vielleicht wendet auch Gott noch alles zum Guten. Ich selbst, das weißt du, habe dir eine andere gewünscht, aber da ich deinen Schmerz sehe, leide ich mit dir und werde mit dir zu Gott flehen, daß er dich tröste und das Herz dieses lieblosen Mädchens dir wieder geneigt mache.«

Und Sagloba wischte sich die Tränen aus den Augen, Tränen aufrichtiger Freundschaft und – des Mitleids. Wenn es in seiner Macht gestanden, hätte er am liebsten in diesem Augenblick alles rückgängig gemacht, was er zwischen Christine und Michael gelegt hatte, und wäre der erste gewesen, der sie ihm in die Arme führte.

»Hör',« sagte er nach einer kleinen Pause, »sprich noch mit Christine, stelle ihr dein Leiden vor, deinen unerträglichen Schmerz, – sie müßte ein Herz von Stein haben, wenn sie sich deiner nicht erbarmen sollte. Aber ich habe das Vertrauen, daß sie gut handeln wird. Löblich ist es, den Schleier zu nehmen, aber nicht, wenn er aus Unrecht gewoben wird. Sag' ihr das, du sollst sehen … Ei, Michael, heute weinst du, und morgen werden wir vielleicht zu deiner Verlobung trinken; ich bin gewiß, es wird so sein. Dem Mädchen ist bange geworden, und darum ist ihr der Schleier eingefallen; sie wird ins Kloster gehen, aber in ein Kloster, in dem du zur Taufe läuten wirst … Vielleicht kränkelt sie auch wirklich ein wenig und hat uns nur vom Kloster gesprochen, um uns irre zu führen. Aus ihrem Munde hast du es doch nicht gehört, und wirst es auch, so Gott will, nicht hören. Ha, ihr habt ein Geheimnis miteinander gehabt, und sie wollte es nicht verraten und hat uns etwas vorgemacht, gewiß, sie hat uns etwas vorgemacht; so wahr ich lebe, es ist nichts anderes als eine Weiberlist!«

 

Saglobas Worte wirkten wie Balsam auf das gramerfüllte Herz des kleinen Ritters; die Hoffnung erfüllte ihn von neuem, die Augen füllten sich mit Tränen, er konnte lange Zeit kein Wort hervorbringen, erst, als er ihrem Strome wehren konnte, warf er sich Sagloba in die Arme und sagte:

»O, daß doch solcher Freunde viele auf Erden wüchsen! Wird es aber auch so sein, wie Ihr sagt?«

»Den Himmel holte ich für dich herunter, – es wird so sein! Oder nimmst du an, daß ich je falsch prophezeit hätte? Traust du meinem Witze, meiner Erfahrung nicht?«

»O, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie ich dies Mädchen liebe! Nicht, daß ich jene Verstorbene vergessen hätte, alltäglich bete ich für sie, – aber auch an dieser hängt das Herz wie die Klette am Baum. Du mein Geliebtes! Wieviel habe ich dort in der Steppe morgens, abends, mittags an sie gedacht; am Ende begann ich gar zu mir selber zu sprechen, da ich keinen anderen Vertrauten hatte. Bei Gott, wenn ich einen Tataren verfolgte, dachte ich noch während der Verfolgung an sie!«

»Ich glaub's wohl! Mir ist vom Weinen über ein Mädchen mein Auge in der Jugend ausgeflossen, und wenn es auch nicht ganz ausgeflossen ist, so blieb doch nur ein Schimmer zurück.«

»Wundert Euch nicht, – ich komme an, ich atme kaum auf, und das erste Wort, das ich höre, ist – Kloster. Aber ich baue noch auf die Überredung und auf ihr Herz und Wort. Wie habt Ihr doch gesagt. Löblich ist es, den Schleier zu nehmen, aber …?«

» – aber nicht, wenn er aus Unrecht gewoben wird.«

»Ein treffliches Wort! – Daß ich noch nie ein solches Sprichwort bilden konnte! Dort in den Grenzmarken wäre es eine schöne Zerstreuung. – Die Unruhe erfüllt mich ganz, und doch habt Ihr mir wieder Mut in die Glieder gegossen. In der Tat haben wir verabredet, daß die Sache ein Geheimnis bleibe; es ist also richtig, das Mädchen hat wohl nur zum Schein vom Schleier gesprochen … Und noch ein wichtiges Argument habt Ihr angeführt, aber ich kann mich nicht mehr erinnern … Nun ist mir bedeutend leichter.«

»So kommt zu mir, oder ich lasse hierher eine Flasche bringen. Das gibt Mut auf den Weg.«

Sie gingen und tranken tüchtig, bis der Morgen anbrach. Am Tage legte Michael gute Kleider an, gab seinem Antlitz Würde, rüstete sich mit allen Argumenten, die ihm selbst eingekommen waren, und die ihm Sagloba eingab, und ging so vorbereitet hinaus in das Speisezimmer, wo alles sich zum Frühstück zu versammeln pflegte. Von der ganzen Gesellschaft fehlte nur Christine, aber auch sie ließ nicht lange auf sich warten, denn kaum hatte der kleine Ritter zwei Löffel Suppe genossen, als durch die offene Tür das Rauschen eines Kleides hörbar wurde und das Mädchen in das Zimmer trat.

Sie kam eilig, fast gerannt, ihre Wangen glühten, ihre Augenlider waren gesenkt, in ihren Zügen lag Verwirrung, Zwang und Furcht. Sie trat an Wolodyjowski heran, reichte ihm beide Hände, aber sie hob die Augen nicht zu ihm auf, und als er mit Eifer ihre Hände zu küssen begann, wurde sie sehr bleich; sie konnte nicht ein Wort der Begrüßung hervorbringen. Sein Herz war ganz erfüllt von Liebe, von Unruhe und Entzücken bei dem Anblick dieses zarten Gesichts, das wie ein wundertätiges Bild seine Farbe beständig wechselte, in der Nähe dieser schlanken, lieben Gestalt, aus der ihm noch die Wärme des Schlafes entgegenströmte. Ja, sogar ihre Verwirrung und die Zaghaftigkeit, die sich in ihrem Antlitz malte, rührte ihn.

»Teuerste Blume,« dachte er in seiner Seele, »was fürchtest du dich? Ich würde ja mein Leben, mein Blut für dich hingeben …«

Aber er sagte das nicht laut, er drückte nur seine Lippen so lange auf ihre atlasweichen Hände, daß rote Spuren auf ihnen zurückblieben.

Bärbchen, die alledem zusah, hatte absichtlich das Köpfchen in die Höhe geworfen, damit niemand ihre Rührung bemerke; aber es schenkte ihr in diesem Augenblick niemand Aufmerksamkeit, alle richteten ihre Augen auf das Paar, und es entstand ein peinliches Schweigen.

Michael war der erste, der es brach.

»Ich habe die Nacht in Trauer und Unruhe hingebracht,« sagte er, »denn alle habe ich gestern gesehen, nur Euch nicht, und man hat mir so schreckliche Dinge von Euch gesagt, daß mir das Weinen näher war als der Schlaf.«

Als Christine diese offene Rede hörte, wurde sie noch bleicher, so daß Michael einen Augenblick glaubte, eine Ohnmacht erfasse sie; darum sagte er schnell:

»Wir müssen noch darüber sprechen, aber jetzt will ich nicht weiter fragen, damit Ihr Euch beruhigen und erholen könnt. Ich bin ja kein Barbarus, kein Wolf, und Gott weiß, wie groß meine Zuneigung zu Euch ist.«

Sagloba, der Truchseß und seine Frau wechselten beständig Blicke miteinander, als wollten sie sich gegenseitig dazu anregen, die gewöhnliche Unterhaltung aufzunehmen; und doch wagte keiner zuerst das Wort zu ergreifen. Endlich begann Sagloba:

»Wir müssen heute,« sagte er, zu den Neuangekommenen gewendet, »in die Stadt fahren. Es schwirrt und summt dort schon vor der Wahl wie in einem Bienenkorb; jeder preist seinen Kandidaten. Unterwegs will ich euch sagen, wem wir nach meiner Ansicht die Stimme geben müssen.«

Da keiner ein Wort sprach, ließ Sagloba sein vereinsamtes Auge umherschweifen und wandte sich endlich an Bärbchen:

»Und du, Käferchen, kommst mit uns?«

»Gewiß, und ginge es nach Reußen!« antwortete Bärbchen schroff.

Und wieder trat Schweigen ein. So, unter immer wieder erneuten Versuchen, das Gespräch fortzuspinnen, das durchaus nicht in Gang kommen wollte, ging das Frühstück hin.

Endlich erhoben sie sich vom Tisch. Michael trat gleich zu Christine heran und sagte:

»Ich muß Euch allein sprechen, Fräulein.«

Dann bot er ihr seinen Arm und führte sie in das benachbarte Zimmer, in dasselbe Zimmer, welches Zeuge ihres ersten Kusses gewesen war.

Er ließ Christine auf das Sofa nieder, setzte sich an ihre Seite und strich kosend mit der Hand über ihr Haar, wie man ein Kind zu streicheln pflegt.

»Christine,« begann er endlich mit weicher Stimme, »ist deine Verwirrung vorüber, kannst du mir ruhig und klar antworten?«

Ihre Verwirrung war vorüber, und überdies rührte sie seine Güte; sie erhob zum erstenmal auf einen Augenblick ihr Gesicht zu ihm.

»Ich kann es,« antwortete sie ruhig.

»Ist es wahr, daß du dich dem Kloster gelobt hast?«

Christine faltete die Hände und begann flehentlich zu flüstern:

»Seid mir drum nicht böse, flucht mir nicht – aber es ist so.«

»Christine!« sagte Michael, »ziemt es sich, so die Glückseligkeit eines Menschen mit Füßen zu treten, wie du die meinige trittst? Wo blieb dein Wort, wo unser Versprechen? Ich vermag es ja nicht, den Kampf mit Gott aufzunehmen; nur das eine will ich dir sagen, was Herr Sagloba mir gestern gesagt hat: der Schleier darf nicht aus Unrecht gewoben sein. Durch das Unrecht, das du mir antust, wirst du Gottes Ruhm nicht mehren, denn der Herr thront über aller Welt, sein sind alle Nationen, sein ist Land und Meer und Strom, der Vogel in der Luft, das Tier im Walde, die Sonne und die Sterne; er hat alles, was du nur sehen und denken kannst, und noch mehr, und ich habe nur dich allein, dich Geliebtes und Teures, du bist mein Glück, du bist mein alles! Und kannst du glauben, daß Gott, er, der so reich ist, es nötig hat, einem armen Kriegsmann seinen einzigen Schatz zu entreißen? … daß er in seiner Güte es annehmen kann, daß es ihn freut, daß es ihn nicht beleidigt … Sieh doch, was du ihm gibst: – dich selbst; aber du bist mein, denn du hast dich selbst mir versprochen, du gibst ihm Fremdes, nicht Eigenes; du gibst ihm meinen Schmerz, meinen Harm, vielleicht meinen Tod. Hast du ein Recht dazu? – Erwäge das in deinem Herzen und in deinem Geiste, und dann endlich frage dein Gewissen … Wenn ich dich gekränkt hätte, wenn ich dir untreu geworden wäre, wenn ich dich vergessen hätte, wenn ich eine Schuld auf mich geladen, ein Verbrechen begangen hätte – ich wollte nichts sagen, nichts; aber ich bin fortgezogen, um der Horde aufzulauern, um die Eindringlinge zu verscheuchen, dem Vaterland mit meinem Blut, meinem Leben, meiner Ruhe zu dienen, und dich habe ich geliebt, an dich ganze Tage und ganze Nächte gedacht, nach dir mich gesehnt wie der Hirsch nach dem Wasser, wie der Vogel nach der Luft, wie das Kind nach der Mutter … und für all dieses hast du mir eine solche Begrüßung, solchen Lohn bereitet? Christine, mein Teuerstes, meine Freundin, mein auserwähltes Lieb, sage mir, wie ist das gekommen? Sprich mit mir so aufrichtig, so offen, wie ich mit dir spreche, wie ich dir mein Recht vorführe; halte mir dein Wort und laß mich nicht allein mit meinem Unglück. Du selbst hast mir das Recht gegeben, – treibe mich nicht in die Verbannung!«

Der unglückselige Mann wußte nicht, daß es ein Recht gibt, größer und älter als alle menschlichen Rechte, auf Grund dessen das Herz nur der Liebe folgen muß und folgt, und wenn es von der Liebe läßt, schon dadurch den herbsten Treubruch begeht, geschehe es auch so unschuldig, wie die Lampe unschuldig erlischt, in der das Öl versiegt ist. Michael wußte das nicht, und er umfaßte Christinens Kniee und bat und flehte, aber sie antwortete ihm nur mit Tränenströmen, denn mit dem Herzen konnte sie ihm nicht mehr antworten.

»Christine,« sagte endlich der Ritter, sich erhebend, »in deinen Tränen kann meine Glückseligkeit versinken, und ich bitte dich nur um eins: um meine Rettung.«

»O fragt mich nicht nach Gründen,« antwortete Christine schluchzend, »fragt mich nicht nach der Ursache! Es muß so sein und kann nicht anders sein. Ich bin nicht würdig eines Mannes wie Ihr und war nie Eurer würdig! … Ich weiß, welches Unrecht ich Euch antue, und das schmerzt mich so unsagbar, daß ich ratlos vor Euch stehe. Ich weiß, daß es ein Unrecht ist … o großer Gott, es schneidet mir tief ins Herz. – Verzeiht mir, Herr, geht nicht von mir im Zorn, vergebt mir, flucht mir nicht!«

Und Christine stürzte vor dem Ritter in die Kniee.

»Ich weiß, daß ich unrecht tue, aber ich bitte um deine Gnade, um dein Erbarmen.«

Hier neigte sich das dunkle Köpfchen des Mädchens bis zur Erde. Michael erhob im Augenblick das arme, weinende Geschöpf mit Gewalt und setzte es wieder aufs Sofa nieder; dann begann er wie verstört im Zimmer auf und nieder zu gehen. Von Zeit zu Zeit blieb er plötzlich stehen und drückte die Fäuste an die Schläfen; dann setzte er seinen Gang fort, und endlich trat er vor Christine hin.

»Nimm dir Zeit und gib mir ein wenig Hoffnung,« sagte er endlich, »denke, daß ich auch nicht von Stein bin! Warum legst du das glühende Eisen erbarmungslos an? Und wäre ich noch so geduldig, sollte mich der Schmerz nicht erfassen bei solcher Qual? Ich kann es ja in Worten gar nicht sagen, wie weh mir zumute ist, bei Gott, ich kann es nicht. Ich bin ein schlichter Mann, siehst du, und mein Leben ist in Krieg und Kampf dahingegangen … Und, mein Gott, in diesem Zimmer haben wir uns geliebt; Christinchen, Christinchen, ich habe geglaubt, du werdest mein ganzes Leben die Meine sein, und nun ist alles hin, alles! Was ist dir geschehen, wer hat dein Herz gewendet, Christine? Ich bin doch derselbe geblieben! Und du weißt auch das nicht, daß diese Wunde für mich herber ist als für einen anderen, denn ich habe schon ein Liebes verloren. – Gott, was soll ich ihr sagen, um ihr Herz zu rühren!.. Gib mir wenigstens Hoffnung, nimm mir nicht alles auf einmal!«

Christine sagte kein Wort, Schluchzen erschütterte ihren Körper. Der kleine Ritter aber stand vor ihr und unterdrückte erst seinen Schmerz, dann einen furchtbaren Zorn, und nun, da er diesen ganz überwunden hatte, wiederholte er.

»Gib mir wenigstens Hoffnung, hörst du?«

»Ich kann nicht, ich kann nicht!« antwortete Christine.

Michael ging an das Fenster und drückte die Stirn an die kalte Scheibe. So stand er eine lange Zeit unbeweglich; endlich wandte er sich zurück, ging Christine einige Schritte entgegen und sagte vollkommen ruhig:

»Lebe wohl; – hier ist kein Ort für mich. – Möge es dir so gut ergehen, wie es mir schlecht ergehen wird. Wisse, daß ich dir mit den Lippen schon heute vergebe, und wenn mir Gott hilft, will ich dir auch mit dem Herzen vergeben … aber habe mehr Erbarmen mit menschlicher Qual und versprich zum zweiten Male nicht. Gewiß, ich nehme kein Glück mit von dieser Stätte! Lebe wohl!«

Er verneigte sich und ging. Im Nebenzimmer traf er Sagloba, den Truchseß und seine Gattin. Sie sprangen auf, als ob sie ihn ausfragen wollten, aber er wehrte ihnen mit der Hand.

 

»Umsonst – « sagte er, »alles! Lasset mich in Frieden!«

Aus diesem Zimmer führte ein schmaler Gang in das seinige; auf diesem Gang an der Treppe zu der Wohnung der Mädchen trat Bärbchen dem kleinen Ritter in den Weg.

»Möge Euch Gott trösten und Christinens Herz wenden!« rief sie mit tränenerstickter Stimme.

Er ging an ihr vorüber, ohne sie anzusehen, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Plötzlich ergriff ihn wahnsinniger Zorn; er wandte sich um und blieb vor dem unschuldigen Bärbchen mit entstellten, von Hohn und Bitterkeit erfüllten Zügen stehen.

»Versprecht nur Ketling Eure Hand,« sagte er rauh, »und wenn er Euch liebt, dann tretet ihn mit Füßen, zerreißt ihm das Herz – und dann geht ins Kloster!«

»Herr Michael!« rief Bärbchen erstaunt.

»Ja, laßt's Euch nur gefallen, laßt Euch küssen, und dann geht hin und büßet … o daß man Euch getötet hätte!«

Das war Bärbchen doch zu viel. Gott allein wußte, wieviel Selbstverleugnung in dem Wunsche war, den sie Michael zugerufen hatte, daß Gott Christinens Herz wenden möge – und dafür traf sie ein ungerechter Verdacht, Hohn, Beleidigung, in demselben Augenblick, in dem sie bereit gewesen wäre, ihr Leben hinzugeben, um den Undankbaren zu trösten. Da loderte ihr Herz in Flammen auf, ihre Wangen glühten, die rosigen Nasenflügel bewegten sich lebhaft, und ohne einen Augenblick des Besinnens rief sie, ihr blondes Köpfchen schüttelnd:

»So wisset denn, ich gehe nicht Ketlings wegen ins Kloster!«

Sie sprang die Treppe hinauf und entschwand den Augen des Ritters. Er stand wie eine Bildsäule da, dann rieb er sich die Augen, wie jemand, der aus dem Schlafe erwacht.

Sein Blut kam in Wallung, er griff nach dem Schwert und rief mit furchtbarer Stimme:

»Wehe dem Verräter!« —

Eine Viertelstunde später jagte er nach Warschau in solcher Eile, daß ihm der Wind um die Ohren heulte und die Schollen unter den Hufen seines Pferdes aufflogen.

Der Truchseß und seine Gattin, auch Sagloba sahen ihn davonreiten, und eine große Unruhe erfaßte ihre Herzen. Sie sagten sich gegenseitig durch Blicke, was geschehen sei, und wohin er wohl reite.

»Großer Gott!« rief die Frau Truchseß, »er zieht noch in die wilden Felder, und ich sehe ihn nicht wieder!«

»Oder er schließt sich ins Kloster ein nach dem Beispiel dieser Närrin drinnen,« sagte der verzweifelte Sagloba.

»Hier heißt es, guten Rat schaffen,« fügte der Truchseß hinzu.

Da öffnete sich die Tür, und Bärbchen stürzte wie ein Sturmwind ins Zimmer, bleich, erregt, die Hände vor den Augen, trampelte mitten im Zimmer wie ein kleines Kind mit den Füßen und begann zu kreischen:

»Hilfe, Rettung! Herr Michael ist fortgeritten, um Ketling zu töten … Wer an Gott glaubt, eile ihm nach, um ihn aufzuhalten, Hilfe, Rettung!«

»Was ist dir, Mädchen?« rief Sagloba und erfaßte ihre Hände.

»Hilfe, Herr Michael tötet den Ketling! Durch meine Schuld wird Blut fließen, und Christine wird sterben, alles durch meine Schuld!«

»So sprich doch!« schrie Sagloba und schüttelte das Mädchen. »Woher weißt du das, warum durch deine Schuld?«

»Weil ich ihm in der Wut gesagt habe, daß sie sich gern haben, daß Christine um Ketlings willen ins Kloster geht. Wer an Gott glaubt, eile ihm nach, halte ihn auf! Fahrt schnell, fahrt alle, fahren wir alle!«

Sagloba, der nicht gewohnt war, in solchen Fällen Zeit zu versäumen, stürzte nach dem Hofe und befahl, sogleich anzuspannen.

Die Frau Truchseß wollte Bärbchen über die verwunderliche Neuigkeit ausfragen, denn sie hatte bisher auch nicht im entferntesten geahnt, daß zwischen Christine und Ketling eine Neigung bestehe. Bärbchen aber war Sagloba eilig gefolgt, um das Anspannen zu überwachen. Sie half die Pferde aus dem Stall führen, sie an die Deichsel spannen; endlich fuhr sie auf dem Bock mit unbedecktem Kopf vor den Hausflur, in welchem die beiden Männer bereits warteten.

»Steige herunter!« sagte Sagloba zu ihr.

»Ich komme nicht herunter.«

»Herunter, sage ich dir!«

»Ich komme nicht! Steigt ein! Ihr sollt einsteigen, wo nicht, fahre ich allein!«

Bei diesen Worten faßte sie die Zügel zusammen, und da sie sahen, daß der Widerstand des Mädchens leicht eine Verzögerung herbeiführen konnte, ließen sie sie gewähren.

Inzwischen war der Knecht mit der Peitsche herangekommen, und die Frau Truchseß hatte noch Zeit gefunden, Bärbchen einen Überwurf und ein Mützchen herauszubringen, denn es war ein kühler Tag.

Dann ging es vorwärts.

Bärbchen blieb auf dem Bock; Sagloba, der gern mit ihr sprechen wollte, forderte sie auf, auf den Vordersitz zu steigen, aber auch das wollte sie nicht, vielleicht aus Furcht, daß man sie schelten werde, und so mußte er von unten herauf die Fragen an sie richten, und sie antwortete ihm, ohne sich umzuwenden.

»Woher weißt du,« fragte er, »was du Michael über die beiden gesagt hast?«

»Ich weiß alles.«

»Hat dir Christine etwas gesagt?«

»Christine hat mir nichts gesagt.«

»Und der Schotte?«

»Auch nichts. Aber ich weiß, daß er aus diesem Grunde nach England reist; alle hat er aufs Glatteis geführt, nur mich nicht.«

»Erstaunlich!« sagte Sagloba.

Und Bärbchen:

»Das ist Euer Werk; man hätte nicht aufeinanderhetzen sollen!«

»Sitze ruhig da oben und stecke dein Näschen nicht in fremde Angelegenheiten!« versetzte Sagloba, den am meisten das verletzte, daß ihn in Gegenwart des Truchseß ein solcher Vorwurf traf.

Darum fügte er nach einer Weile noch hinzu:

»Ich habe gehetzt? Ich aneinandergehetzt? – Das ist schön, solche Kuppeleien habe ich gern!«

Und sie fuhren schweigsam weiter.

Sagloba konnte jedoch dem Gedanken nicht wehren, daß Bärbchen recht habe, und daß er an allem, was vorgegangen war, einen beträchtlichen Teil der Schuld trage. Dieser Gedanke quälte ihn nicht wenig, und da auch der Wagen furchtbar rüttelte, verfiel der Alte in eine grämliche Laune und hörte nicht auf, sich Vorwürfe zu machen.

»Es wäre nur gerecht,« dachte er, »wenn Michael und Ketling mir die Ohren abschnitten. Jemand gegen seinen Willen verheiraten wollen, ist eigentlich so viel, wie jemand auf ein Pferd setzen mit dem Gesicht dem Schwanze zugekehrt. Hat schon recht, der Käfer; wenn die sich schlagen, kommt Ketlings Blut auf mein Haupt. Da habe ich mir auf meine alten Tage was Schönes eingebrockt – pfui Teufel! Schließlich haben sie mich noch aufs Glatteis geführt, denn ich habe kaum geahnt, warum Ketling übers Meer will und diese Eule ins Kloster, während der kleine Heiduck längst alles durchschaut hat.«

Sagloba hielt eine Weile still in seinen Gedanken, dann brummte er auf:

»Ein Teufelskind, dieses Mädchen! Michael muß Krebsaugen haben, um jene Puppe dieser vorzuziehen!«

Inzwischen hatten sie die Stadt erreicht, aber jetzt erst begannen die Schwierigkeiten, denn niemand von ihnen wußte, wo Ketling gegenwärtig wohne, oder wo Michael sich hätte hinbegeben können, und in diesem Menschengedränge suchen, hieß so viel, wie ein Körnchen aus einem Scheffel Mohn herauslesen wollen.

Zunächst begaben sie sich also an den Hof des Großhetmans. Dort wurde ihnen gesagt, Ketling habe an diesem Morgen eine überseeische Reise antreten wollen; Michael sei dagewesen und habe nach ihm gefragt, es wisse aber niemand, wohin er sich begeben habe. Man vermute, zu den Fahnen, die außerhalb der Stadt lagen.

Sagloba ließ den Wagen umkehren, aber auch im Lager konnte man nichts erfahren. Sie fuhren noch in alle Gasthäuser an der Langen Straße, sie waren in Praga – alles vergeblich.

Darüber brach die Nacht herein, und da an ein Unterkommen in der Stadt nicht zu denken war, mußten sie nach Hause zurückkehren.

Sie kehrten in schwerer Sorge heim; Bärbchen weinte ein wenig, der fromme Truchseß betete, Sagloba war wirklich beunruhigt. Er versuchte indessen, sich und die Gesellschaft zu trösten.

»Ha,« sagte er, »wir machen uns hier Sorge, und Michael ist vielleicht schon zu Hause.«