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Geduld

Sie wohnten in meinem Hause, erzählte Ardouin, in einem armseligen Hause, denn ich war damals ein mittelloser Student und hatte noch nicht die glänzende Laufbahn eingeschlagen, die mir das Schicksal später eröffnet hat, um mich für meine mangelnde Begabung zu entschädigen. Die Beiden wohnten oben auf dem Dachboden, neben den Dienerzimmern, in engen und dürftigen Räumen; trotz ihres Alters und der ungezählten Ehejahre, die sie hinter sich hatten, hörten sie nicht auf, miteinander zu zanken.

Sie wurden niemals müde, sie erfüllten das Haus mit ihrer dumpfen Unzufriedenheit. Frühmorgens und spät am Abend hörte man ihre Wutausbrüche, dann polterten sie mühsam über die Treppen, als wollten sie einander verfolgen; sie waren ganz dürr und zusammengeschrumpft, ihre Kleider waren schäbig, die Köpfe kahl, die Augen flammten vor Zorn.

Warum sie einander beständig in den Haaren lagen? Man hätte taub sein müssen, hätte man es nicht im Hause und im ganzen Stadtviertel gewußt: die alte Dame warf dem alten Herrn die Armut vor, in der er sie verkommen ließ, weil er untüchtig war, faul, schwachköpfig und weil er, ohne Zweifel, heimlichen Lastern fröhnte.

Ich kam hie und da hinauf in ihr trübes und gewitterschwüles Heim, das ein einziger Lichtstrahl verklärte, das Lächeln einer niedlichen zehnjährigen Nichte, die Theresine hieß.

Es war schlimm, wenn Theresine nicht zu Hause war und nur diese zwei armen, aufeinander loshackenden Geschöpfe in den zwei Zimmern sich befanden, die trüb genug aussahen mit den schlechten Möbeln, dem feuchten Fußboden und den grauen Fenstern, durch die es eisig zog. Ich war noch in dem Alter, wo man empfindsam ist und es war so entsetzlich traurig, diese beiden alten Leute sich so bitterlich hassen zu sehen, daß ich nur selten hinaufging.

Sie besonders war oft wie rasend. Man mußte diese Megäre hören, wie sie vor Wut weinte und ihren Mann als Elenden und Taugenichts behandelte. Er setzte sich atemlos zur Wehr, stammelte unzusammenhängende Worte ohne Ende, als hätte er zuviel zu sagen, und stieß dumpfe, zornig grollende Laute aus. Er war ersichtlich eine schwache Natur.

Einmal, als sie ausgegangen war, erzählte er mir seine jammervolle Geschichte. Noch sehe ich den gebückten Siebziger in seinem geflickten Schlafrock, aus dem sein Hals jämmerlich dünn herausragte. Er schüttelte beständig sein kleines runzliges Köpfchen, während er mir erklärte, wie diese Frau ihm das Leben vergiftet hatte.

Sie war Wirtschafterin bei seinem Onkel, einem reichen Kaufmann, gewesen, bei dem er erzogen wurde und dessen einziger Verwandter er war. Er kam eben aus dem Gymnasium, verliebte sich in das unschöne Frauenzimmer und schrieb ihr Briefe voller Versprechungen. Aus dieser Unvorsichtigkeit zog sie dann später erbarmungslos ihren Vorteil, als sie die Heirat erzwingen wollte. Umsonst versprach ihr der Oheim eine Rente, wenn sie sich ruhig verhalten würde. Sie mochte nichts davon hören und bestand auf die Heirat, nicht weil sie den Jüngling liebte – man wußte sehr wohl, ohne es mit Sicherheit nachweisen zu können, daß sie vor, neben und nach ihm auch gegen andere nicht spröde gewesen war, – sondern weil sie das ganze Vermögen haben wollte.

Man gab nach, aus Angst vor dem Skandal. Der Alte wollte seine Ruhe haben und der Junge war schon damals nicht sehr mutig.

Gegen alle Erwartungen des Weibes geschah aber das Unverhoffte, daß der Onkel den Neffen enterbte. Von da ab führte das Ehepaar ein Leben der Entbehrung und der Enttäuschungen. Der Mann konnte es immer nur zu kleinen Stellungen bringen, nichts glückte ihm und es wurde beinahe das wirkliche Elend. Aneinandergeschmiedet, schleppten sie zusammen ihre schwere Kette: er, der geschaffen war, um nichts zu tun, sie, die sich nicht darüber trösten konnte, daß ihre üppigen Träume von Wohlstand und Luxus ins Nichts gesunken waren.

Einmal hatte er versucht, ihr zu entfliehen und hatte, in einer plötzlichen Aufwallung von Selbsterhaltungstrieb, die Scheidung einleiten wollen. Es war vergebens, sie hing sich an ihn mit verzweifelter Gewalt. Er kehrte besiegt, mit gebundenen Händen und Füßen, in das häusliche Gefängnis zurück. Nun waren es achtunddreißig Jahre, daß sie an der Seite ihres armen Opfers ein unglückliches Leben lebte.

Im Verlauf der Jahre besuchte ich dieses unselige Ehepaar des öfteren, allerdings einzig in der Absicht, die ich gern gestehe, die junge Theresine wiederzusehen. Die Sache ging noch weiter: als Theresine neunzehn Jahre alt war, entdeckten wir, daß wir einander liebten.

»Du mußt bei meinem Onkel um mich anhalten,« flüsterte mir Theresine an jenem unvergeßlichen Tage ins Ohr, an dem wir die schönsten und wichtigsten Geständnisse ausgetauscht hatten.

Sie wohnten noch immer in dem gleichen Hause, in der gleichen elenden Wohnung. Sie waren sehr alt und gebrechlich geworden und glichen zwei Mumien.

Die alte Dame konnte sich nicht mehr aus ihrem Lehnstuhl erheben. Durch die Türspalte sah ich ihre Augen verzweifelt und haßerfüllt aus dem Dunkel glimmen. Er saß im andern Zimmer, wackelte immerfort mit dem Kopf, wie ein Hampelmann und klapperte vor Frost vor einem leeren Ofen.

Ich eröffnete ihm den Wunsch meines Herzens.

»Ihr Wille geschehe,« meckerte er. »Aber schreckt Sie das nicht, ein Hausstand ohne Geld?«

»Nein,« sagte ich mit großartigem Selbstbewußtsein.

Er blickte sich nach allen Seiten um und als er sah, daß kein Lauscher weit und breit zu fürchten war, zwinkerte er mit den Augen und rückte nahe an mich heran:

»Hören Sie,« flüsterte er, »Theresine wird einmal reich sein, denn ich werde ihr mein Vermögen hinterlassen.«

Ich lächelte nachsichtig zu dieser Mitteilung, die im Munde des armen Schluckers etwas beinahe Erheiterndes hatte.

Er erhob seine zitterige Hand und sagte ganz leise und sehr feierlich:

»Ich bin reich, ich bin es immer gewesen. Aber ich habe es verborgen und habe auch dem Gesetz gegenüber alle Vorsichtsmaßregeln getroffen. Denn ich hasse sie über Alles und ich wollte nicht, daß sie aus meinem Gelde Vorteil ziehe. Lieber habe ich selbst mein lebelang darauf verzichtet, es zu genießen.«

Er lehnte den Kopf zurück, dessen weiße Haare schmutziger Baumwolle glichen, hob die trüben Augen und blickte zur Decke empor.

»Ja, es war hart für mich, der doch gern das gute Leben genossen hätte, der so gern geachtet gewesen wäre, gern ein ehrbares Dasein geführt hätte!«

Er seufzte und schwieg. Ich war verwirrt, aber ich versuchte keine zweifelnden Einwendungen, denn ich fühlte an irgend etwas in seinem Ton, daß er die Wahrheit sprach. Er hatte mit voller Überlegung auf alles Gute im Leben verzichtet, damit seine Gefährtin keinen Anteil daran haben sollte; er hatte sein Dasein in Not und Schmutz verbracht, damit sie mit ihm darin versinken sollte, er hatte für immer die häßliche Krankheit des Armseins auf sich genommen, um sie damit anstecken zu können.

Es war ein starkes Stück, nicht wahr, daß dieses elende Stückchen Mensch, dessen Überrest vor mir zitterte, so hatte hassen können, daß er diese Komödie Stunde um Stunde ein halbes Jahrhundert hindurch gespielt hatte!

Welcher Abgrund ist das Menschenherz und welche Folgerungen hätte ich aus diesem stummen Trauerspiel ziehen können, hätte nicht Theresine drunten auf der Straße auf mich gewartet! Was aber galten mir alle Tragödien der Erde bei dem Gedanken, daß Theresine da war, um mir die Welt zu verschönern und daß sie in der Sonne strahlte wie die Morgenröte!

Das Leben

»Ich würde keinem Würmchen etwas Böses zufügen,« sagte Ascagne. »Ich bin so empfindsam, daß ich zu weinen anfange, so oft ich in die Lage komme, jemandem etwas Gutes zu erweisen,« bemerkte Dolbeau.

»Jawohl,« unterbrach der alte Godard, »wir alle sind erstaunliche Prachtexemplare der Menschheit. Wenn ihr wirklich so seid, wie ihr sagt, so paßt ihr schlecht zu euren Mitbürgern, die nicht aussehen, als ob sie ein so überaus entwickeltes Feingefühl besäßen, noch eine so überströmende Empfindung. Das menschliche Dasein ist heutzutage nicht viel wert, wenn man den wirklich dramatischen Beichten des Lebens glauben darf, nämlich den vermischten Nachrichten in der Zeitung. Für ein Ja oder für ein Nein, ja selbst für viel weniger, – denn Ja und Nein sind am Ende Dinge von außerordentlicher Wichtigkeit – bringt der Mann das Weib um oder umgekehrt.

Hübsche Zeit, in der wir leben . . . Aber, um ehrlich zu sein, man gerät in so leidenschaftliche Gemütszustände doch nur, wenn man jung ist. In einem gewissen Alter ist man dieser Mordwut am stärksten unterworfen, die ich als die traurigste ansteckende Seuche bezeichnen würde. So um das zwanzigste Lebensjahr herum entwickelt das Menschenherz einen ganz neuen, ganz frischen und grausam starken Egoismus, der es hemmungslos zu den äußersten Möglichkeiten treibt. Ob man diese auch zu Taten umsetzt, das hängt vom Augenblick ab und von der Gesinnung des Gerichts, das entscheidet.

Ja, das ist ausschließlich eine Sache der Jugend. Der Beweis ist, daß auch ich in meiner Jugend – die ein wenig vor oder nach der Zeit eurer Geburt fiel, meine Freunde! – in meinem Kopf feststehende, unverrückbare Gedanken über das Recht auf Vernichtung wälzte und daß ich ihnen eines Abends Ausdruck gab . . .

Welcher Abend, Freunde! Er war wundervoll, dieser Abend, der jetzt so fern ist, so verwischt, so staubbedeckt! Ich erbebe noch, wenn ich an ihn denke, mein verschrumpeltes Ledergesicht fängt zu zucken an und auch das alte Mumienherz da drin erzittert!

Es war am Ende der Welt, in Schottland irgendwo, in einer Gegend, die nur aus Meer und Klippen bestand. Unsere Terrasse war an der obersten Stelle der steilen Küste erbaut und die Frau, die ich liebte, hatte beide Arme auf das Geländer gestützt und träumte hinaus. Unten am Strande verzehrten schwarze Felsen den sprühenden Gischt. Oben flohen dunkle Wolken vorüber, wie denkende Wesen, und rings um uns ging der Wind, ein endloser Wind, brausend und wirbelnd in schrecklicher Öde.

 

Ihr feines Profil hob sich wie eine Kamee gegen die Unendlichkeit des Hintergrundes, aber auf dem Geländer bebte ihre weiße kleine Hand wie eine ängstliche Taube.

Wir hatten von Liebe gesprochen an diesem Abend, der mir nicht nur unvergeßlich blieb, weil es unser letzter war, sondern weil eine unendlich trauervolle Süßigkeit über ihm lag. Ich sah sie an und sagte leise:

›Wenn du mich betrügst, töte ich dich.‹

Unter dem seltsamen Klang meiner Stimme neigte sie sich und ihre Augenlider flatterten wie Vögel. Sie fühlte, daß ich die Wahrheit sprach und daß dies nicht nur leere Worte waren.

Seit unsere Liebe bestand, war sie immer größer, immer ernster geworden. Sie hatte sich mit verzweifelter Leidenschaftlichkeit an mich geklammert. Ich hatte für sie alles verlassen, alle Schiffe hinter mir verbrannt, allem entsagt.

Ich hätte es nicht ertragen, daß sie mich verließe. Schon die Worte ›Wenn du mich betrügst‹, die ich ausgesprochen hatte, legten sich wie ein Alpdruck auf mich, meine Blicke wurden drohend und eine Wildheit stieg an diesem Abend in mir auf, die meine Rede erstickte.

Am nächsten Morgen ging ich mit den Matrosen auf einen Fischzug, der seit langem besprochen war. Ein Streifen Sonne hüllte uns ein, als wir die Küste verließen, aber plötzlich erhob sich ein Sturm, ehe wir über die Felsenriffe hinausgekommen waren, die an Gewittertagen aussahen, als stießen sie zusammen und sperrten die Bucht vom freien Meere ab. Der Himmel war bleifarben, das Meer tintenschwarz und bei der ersten Wendung brach unser Mast mitten durch. Wir mußten nach dem Hafen zurückrudern, über dem eine unheimliche schwefelgelbe Beleuchtung lag.

Ich stieg hinauf zu unserem Hause. Was war das? Es schien leer. Wie ein gebrochener Flügel schlug die Tür auf und zu.

Eine furchtbare Ahnung durchzog mein Herz: die Klippe, der Absturz! Bevor ich ins Haus trat, lief ich zu der kleinen Tür, die auf den Abhang hinausführte, unter dem sich schwindelnd der Abgrund dehnt: an einem Ginsterbusch hing ein langer weißer Schleier und flatterte, wie eine Siegesfahne über der schwarzen Tiefe! Mit einem wilden Aufschrei stürzte ich ins Haus zurück. In einer finsteren Ecke fand ich unseren Diener, bleich wie ein Gespenst. Zusammengekauert erwartete er mich.

›Wo ist sie, wo ist sie?‹

Er hob seinen jammervollen Blick und zeigte mir durch das Fenster erst die Klippe und dann den Abgrund.

Ich begriff nur zu gut. Sie ging gern am Rande des Absturzes hin und bei diesem Sturm, der Felsen umwarf, hatte ein falscher Tritt genügt. Die unglückliche Törin!

Ich eilte hinaus und stürzte taumelnd den steilen Weg hinab, während der Diener, der nicht mit zu suchen wagte, sich aufs neue in seiner Ecke verkroch.

Ich begegnete einem alten Weibe, das sich an einen Felsen lehnte. Die Alte erkannte mich, erblaßte und hob die Arme zum Himmel: auch sie wußte von dem Unglück; auch sie hatte es nicht gewagt, Hilfe zu bringen oder mich wenigstens zu verständigen.

Ich lief, ich glitt, ich kam endlich unten an der Küste an und überblickte den Fuß der ungeheuern Felsenmauer. Ich ächzte, ich streckte verzweifelt die Arme aus. Wie habe ich sie geliebt während dieses wahnsinnigen Laufes dem Abgrund zu, wie stieg ihr Bild vor mir auf, das so lieblich war, so reizvoll und so sanft! Das Bild der Frau, die nun vielleicht verloren war! Was habe ich geschluchzt, gejammert, gestöhnt, während ich mich von Fels zu Felsen schleppte!

Endlich war ich beim letzten angelangt. Auf der anderen Seite des schwarzen nassen Steines würde ich sie gewahren!

Eine Schwäche überfiel mich. Aber ich kroch weiter, klammerte mich fest und gelangte rund herum.

Sie stand in einer Höhlung unter den Felsen der Küste und bot mit Hingabe ihre Lippen einem Manne dar, der sie umfaßt hielt.

Ich brüllte auf, ich schrie: ›Du lebst!‹ Und dieser Schrei, dieser erste fast tierische Schrei, der meiner Brust entquoll und den sie nicht hörten, weil der Sturm ihn verwehte oder weil sie zu leidenschaftlich mit ihrer Liebe beschäftigt waren, das war ein Aufschrei der Freude!

Aber es war auch ein Aufschrei der Liebe. Ich hatte es plötzlich begriffen, als ich wie ein Verzweifelter ihren Leichnam zu suchen glaubte, daß meine Liebe groß genug war, um in ihrem Tod das furchtbarste Unglück zu empfinden, das mich treffen konnte. Sie lebte; alles andere war mir gleichgültig, es verschwand neben dieser Erleichterung, diesem Glück!

Das Entsetzen, das ich gefühlt, hatte jeden törichten, bösen und verhängnisvollen Zorn von mir genommen, mich von einem furchtbaren Irrtum bewahrt. Durch einen Zufall begann ich den Wert des Lebens zu begreifen . . . Und doch, meine Freunde, war ich nicht weiter verändert und wußte sehr wohl, wieviel Leid mir die Zukunft bringen würde, als ich mich mit geballten Fäusten und verzerrtem Gesicht geräuschlos entfernte, indem ich vor mich hinmurmelte: ›Du lebst, du lebst!‹

Ich sprach es mit einer Stimme, die immer leiser wurde, immer ferner, die sich in der Luft verlor.«

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