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Morgen

Eines Tages erfuhr Norbert, daß er sterben müsse und daß sein Reichtum und selbst seine Jugend ihm nichts mehr helfen konnten. Es war zu Ende. Noch ein paar Tage vielleicht, ein paar Monate, wenn er mit seinen Kräften sehr Haus hielt, dann würde er erlöschen wie ein müder Greis, erschöpft, vernichtet von der Zwecklosigkeit seines Lebens, von seinen Millionärslaunen, die ihn über den ganzen Erdball gejagt hatten, erdrückt von seinen Reichtümern. Als er erfuhr, wie wenig Zeit ihm blieb, versuchte er alle Mittel, um sich Haltung zu geben; er trachtete zu leben, wie alle andern Menschen; aber er war jetzt nur eine Art provisorisches Wesen und konnte die frühere Existenz nicht von neuem beginnen.

In dieser grenzenlosen Traurigkeit des Abschieds vom Leben ergriff ihn dennoch ein Brief seines Freundes Michael aufs Tiefste.

Im Grunde war das leidenschaftliche Bekenntnis, das Michael aus seiner romantischen Musikerseele heraus ablegte, von rührender Banalität.

Michael war arm und die Eltern der schönen Jacqueline von Granval hatten ihn endgültig abgewiesen. Sie selbst waren verarmte Adelige, auf der Lauer nach einem reichen Mann für ihre Tochter und der demütige Verliebte, von dessen Werken noch so wenig die Rede war, wurde so schroff von ihnen abgelehnt, daß Michael in seiner Verzweiflung an Selbstmord dachte. Inzwischen wollte er sich amtlich nach Tibet schicken lassen, nach seiner Rückkunft würde er dann seine definitive Ruhe wohl auf dem Friedhof Pére-Lachaise bei den Seinen zu finden wissen.

Norbert schloß die Augen, sein blasses Gesicht, das auch im Verfall noch Reiz bewahrt hatte, rötete sich ein wenig und er dachte darüber nach, was man wohl beginnen könnte, damit Michael nach seiner Rückkehr sein Schicksal gänzlich verändert finde.

Endlich hatte er es gefunden. Er saß lange wach und als er sich wankend erhob, sagte er sich: sein Leben sei vielleicht nutzlos gewesen, sein Tod aber werde es nicht sein; und seine Zärtlichkeit für Michael wuchs immer tiefer.

Sein Plan bestand darin, daß er, der Sterbende, Jacqueline von Granval heiraten wollte. Es sollte eine bloße Zeremonie werden. Wenn Michael zurückkam, würde das junge Mädchen schon Witwe sein, frei zu handeln und zu wählen. Die Einfachheit und Selbstverständlichkeit dieses Einfalls entzückte ihn und gab seinen letzten Schritten ein Ziel.

Alles ging vor sich wie im Traum. Er vermählte sich mit der schönen Jacqueline. Die Eltern, die in einer dürftigen grauen Wohnung dumpf dahinlebten, mit der Schönheit der Tochter als einzigem Besitz, hatten sofort ihre Zustimmung gegeben, stammelnd, erstickt vor Freude. Als man ihm das junge Mädchen zuführte, warf sie ihm einen Blick des Hasses zu: er begriff, wie sehr sie Michael liebte. Aber sie senkte hierauf die Augen und bemühte sich aus allen ihren Kräften, sich zu beherrschen, demütig und fügsam zu bleiben. Er fand es wundervoll, mit welch nobler und stolzer Geste sie sich dem Eigennutz der Ihren zum Opfer brachte.

Die Hochzeitsfeier fand in strengster Zurückgezogenheit statt. Norbert war so reich, daß er sogar das bewerkstelligen konnte. Dann führte der junge Ehemann Jacqueline auf eines seiner Schlösser.

Jeder bewohnte einen Flügel für sich, sie sahen sich selten und begegneten einander, als seien sie beide Gäste eines unsichtbaren Hausherrn. Unwillkürlich rückte sie immer ein wenig ab, wenn sie mit ihm beisammen war; aber unwillkürlich erstaunte sie auch, daß er dann so gar keinen Versuch machte, sich ihr zu nähern.

Einmal sah er sie schreiben und erzitterte. Sie merkte das und ohne ein Wort zu sagen, stand sie auf und ließ den Brief offen liegen. Er beugte sich darüber: es war nicht Michael, an den sie geschrieben hatte. Dieser kleine Auftritt war der einzige, der die Vergangenheit lebendig machte und er beruhigte Norbert darüber, daß Jacqueline ehrlich war, daß sie sich wirklich aufgeopfert hatte und daß Michael nicht eher etwas erfahren würde, als bis die Dinge reif dafür waren.

Eines Abends erkältete sie sich und wurde schwer krank. Er pflegte sie mit verzweifelter Hingabe und wachte bei ihr wie eine Mutter. Er war nicht einmal ihr Gatte, aber es schien ihm, als ob er eigentlich viel mehr sei. Seine Energie erwachte und tat Wunder, um sie dem Tode wieder aus den Fängen zu reißen, sie, die jung und schön war und die eine wunderbare Aufgabe vor sich hatte: sich eines Tages dem Manne darzubringen, den sie liebte.

Die Krankheit war schwer und währte lange. Es war Ende Januar, als die Gefahr endlich vorüber war und er sie ein paar Schritte in den Park geleiten durfte. Sie gingen auf der Terrasse auf und ab und die großen Schloßfenster sahen ihnen zu. Sie war sehr schmal geworden und ihre Tritte waren leicht wie windverwehte Blätter auf dem Kies. Aber ihr Arm drückte schwer auf dem seinen, weil er sich selbst so schwach fühlte.

Am nächsten Morgen war das Wetter trüb, aber es ging ihr schon ein wenig besser und so war der Spaziergang wieder um einiges schöner.

Mit Besorgnis und Hoffnung sah er die Genesung Jacquelines langsam fortschreiten. Nach und nach kamen ihre blühenden Farben wieder, ihre Schönheit fing wieder an zu leuchten, aber sie blieb hinfällig und konnte nicht ohne Stütze gehen.

Einmal kündigte sich noch mitten im Winter der Frühling an, durch irgendeinen geheimnisvollen Duft, durch einen Windhauch, einen Lichtstrahl.

»Das ist der Frühling des Frühlings,« sagte sie.

»Ja,« erwiderte er, »oft steigen mitten in einer Jahreszeit Tage empor, die uns die nächste verkünden. Diese Tage sind fast menschlich: sie sind erfüllt von Versprechungen.«

»Man sollte nie etwas versprechen,« sagte Jacqueline und ihre Stimme wurde plötzlich sehr ernst.

»Doch,« sagte Norbert und seine Augen blitzten auf.

Die Zeit verging und er lebte dahin, er dachte nicht mehr in bestimmten Formen, wußte aber doch, daß plötzlich irgend etwas geschehen würde.

Als sie eines Tages nebeneinander durch den Park gingen, wandte sie sich ihm zu: »Du hast mich gepflegt, du hast mich gerettet,« sagte sie. »Warum liebst du mich nicht?«

Er wollte irgend etwas Törichtes antworten, aber sie schnitt ihm die Rede ab. Sie, die einst fromm und steif wie ein Heiligenbild gewesen war, lächelte jetzt tief und zärtlich wie ein Kind.

»Weißt du,« sagte sie, »daß du dich sehr verändert hast? Als wir hier ankamen, warst du blaß und elend, sicherlich warst du viel kränker, als du wußtest. Jetzt bist du voll Kraft . . .«

Er blieb stehen, sah sie an und beschwor sie mit seinen Blicken. »Ich?« stammelte er, »ich?«

Sie trat näher, vertrauensvoll, wie ein kleines Mädchen.

»Während du für mich sorgtest, habe ich auch für dich gesorgt. Ich hatte Angst, du würdest nach Paris zurückkehren und das wäre schlecht für dich gewesen. So habe ich getan, als ob ich die Stütze deines Armes brauchte, recht lange, um dich zu halten . . .«  Ihre Stimme wurde leiser und ihr weißes Rosengesicht wurde rosig: » . . . um dich festzuhalten . . .« Sie stockte, aber sie wagte es nicht, ein Schweigen eintreten zu lassen: »Du bist aber doch noch schwach, das hast du vergessen.«

»Vergessen,« stammelte er, »vergessen . . .«

Mitten in der Sonne blieb er stehen und er sah mit großen Augen auf die Frau, die da blühend vor ihm stand, für ihn bereit; er sah das sieghafte und festliche Grün, das der Frühling über die Welt streute und in dem jedes Besinnen versank.

Ein Schauer lief über ihn hin und er fühlte, daß er durch irgend ein Wunder gerettet war, daß die Ärzte sich geirrt hatten; er empfand, daß die Menschen wahnsinnig sind, die glauben, über ihre Gedanken Herrschaft zu besitzen, ebenso wahnsinnig wie die, welche denken, daß sie für ihre Handlungen einstehen können. Voller Angst und Entsetzen fühlte er, wie berauschend glücklich er war, weil er lebte, und vor allem: weil sie lebte . . .

Der Idiot

Als ich von zu Hause fortging, erzählte Vandor, war ich der Dorftrottel. Jawohl, in diesem Nest, das Sankt Honors heißt, brachte ich meine Eltern zur Verzweiflung und meine Mitmenschen zum Lachen durch meine blödsinnige Keuschheit, meine unendliche Schüchternheit und meine grenzenlose Empfindsamkeit: besonders durch meine Empfindsamkeit, die das Ergebnis und sozusagen der Höhepunkt meiner allgemeinen Dummheit war.

Ich stand ergriffen – und wie tief ergriffen! – vor einer alten schäbigen Katze, vor einem ausgemergelten und knochigen Pferd, dessen elender Leib schon dem Fleischer verfallen war; an der Schwelle des Schlachthauses legte ich meine Arme um den Hals der Kälbchen, die hineingeführt werden sollten; oft blieb ich auf der Straße stehen, um ein verkrüppeltes Kind vorbeizulassen, das mir dann natürlich die Zunge heraussteckte; und oft genug bin ich zu spät zu Tische gekommen, weil ich in einer Art schmerzhafter und endloser Entrückung auf das Tor oder auch nur auf die Mauer des Krankenhauses gestarrt hatte.

Die Dinge, die wirklich das Leben ausmachen, Ereignisse, Ideen, Erfindungen, berühmte Männer, lehnte ich leidenschaftlich ab. Das war mir durch meine ganze Natur unzugänglich. Wie oft habe ich, im Salon, im Kaffeehause, wichtigen Gesprächen zugehört, ohne sie zu erfassen! Wie oft habe ich die Zeitung unberührt auf dem Tisch liegen lassen, weil sie ein gedruckter Reflex großer Tatsachen und menschlicher Schaffenskraft war! Wie oft vergessen, den neuen psychologischen Roman eines berühmten Autors fertig zu lesen! Alles, was die Menschen beschäftigt, was ihren Geist anregt, darum kümmerte ich mich nicht und hatte kein Interesse daran. Ich hielt die Augen nach innen gerichtet, betete zu meinen eigenen Mächten auf eine unaufhörliche und unverständliche Art, wie ein hundertjähriger Priester und ließ die Erde sich außer mir bewegen. Ich glich niemandem. Ich war wie das Gespenst eines andern. Ich begrub mich in einer trüben und melancholischen Beschränktheit.

 

Und später? Freilich, später ging ich nach Paris oder vielmehr ich wurde ohne Übergang und ohne Schonung mitten in seinen Trubel geworfen. Plötzlich änderte sich alles. Nach vielen Widerlichkeiten, unendlichen Demütigungen und zahllosen Schlappen ging die Keuschheit verloren, die mein Gesicht jeden Augenblick mit einem rosigen Schleier überzogen hatte und auch die Empfindsamkeit, die in mir rumorte.

Diese Veränderung griff in die Tiefe. Sie übertraf die Erwartungen der größten Optimisten. Kennt ihr die Geschichte von dem Feigling, der, um seinen Fehler zu besiegen, ein Wagehals wird? Genau so ging es mir.

In wenigen Jahren war aus dem stammelnden Provinzler mit der armen schüchternen Seele ein gerissener und rühriger Großstädter geworden. Ich ging überall hin, ich wußte von allem, nichts entging mir. Es gab kein Thema, über das ich nicht geläufig reden konnte. Klatsch und Sensationsnachrichten kamen wie von selbst zu mir. Ich war ein nie versagender Born von Neuigkeiten.

Ihr erinnert euch meiner Erfolge aus der Zeit, da meine Laufbahn begann. Ihr wißt, als welch glänzender Weltmann ich mich entpuppte. Mein Leben war erleuchtet von der Bewunderung, dem Lächeln der glänzendsten Salons. Ich machte sensationelle Erfindungen, so führte ich den vier- und fünfschrittigen Boston ein; diese wundervolle Errungenschaft, die ich zwischen dem Golf und dem Tennis erdacht, ist mir allein zu danken.

Aber ich blieb dabei nicht stehen, der Verkehr in der großen Welt genügte mir eines Tages nicht mehr.

Ich entwickelte mich; die gesellschaftlichen Erfolge ermüdeten und langweilten mich. Ich strebte zu höheren und ernsteren Dingen. Ich begann, mich für geistige Bewegungen zu interessieren, für Fortschritt, Literatur, Weltgeschichte. Ich steckte meiner Regsamkeit höhere Ziele und wieder war mir das Schicksal günstig, indem ich Abgeordneter wurde und mir sechs Stimmen bei den Wahlen in der Akademie zufielen, für die mich meine Freunde vorschlugen. Meine Arbeiten über soziologische, ethnographische und philosophische Themen wurden beachtet und, unter uns gesagt, wird man sie mir nicht sobald nachmachen.

Zu dieser Zeit erinnerte ich mich zuweilen der seltsamen Dumpfheit des Geistes, in der ich einmal gelebt hatte und zuckte ein wenig verächtlich die Schultern darüber. Natürlich vermied ich es sorgsam, in meine Heimat zurückzukehren, die mich so grausam verkannt hatte, obgleich ich damals ja wirklich ein unbedeutendes Lebewesen gewesen war.

Die Reize jenes Landes bestanden für mich aus öden, endlosen Landstraßen, die in Rauch- und Staubwolken gehüllt waren; oder ich sah die kunstvollen Hasenfallen jener Gegend vor mir, aus denen die Tiere direkt vor die Flintenläufe der Jäger getrieben werden.

Dieses Leben der Arbeit, des Fiebers, der großen Unternehmungen währte Jahre.

Allmählich aber endete es, wie alles endet, was man auf Erden unternimmt. Langsam begann ich es weniger zu lieben und endlich wendete ich mich ganz von ihm.

Eines schönen Tages kam ich lorbeerbedeckt nach Sankt Honoré zurück, um dort wieder Wurzel zu fassen, bis zum Ende.

Ich war noch nicht alt, das heißt, ich fühlte mich keineswegs abgenützt, aber ich war nicht mehr der gleiche wie früher.

Statt des linkischen Knaben mit dem törichten und reinen Blick, der das Dorf verlassen hatte, war ein Mann zurückgekehrt, dessen Antlitz von den Erfahrungen des Lebens gebleicht, dessen Stirn faltig geworden war, dessen Blick einen ernsten und durchdringenden Ausdruck bekommen hatte. Meine Unwissenheit war dahin, meiner Unschuld war ich gründlichst beraubt, war mit beinahe wissenschaftlicher Gründlichkeit um alle spontanen Empfindungen gekommen.

Ich wurde gut aufgenommen und darf mich nicht über meine Mitbürger beklagen, die gut machen wollten, daß sie mich einst verkannt hatten. Aber statt mir zu schmeicheln, erschreckte und verwirrte mich ihr Empfang. Er schüchterte mich ein und vom ersten Augenblick an ersann ich Vorwände, um den Festlichkeiten mir zu Ehren nicht beiwohnen zu müssen.

Ich zog mich zurück, löschte mich aus, und da geschah es, teure Freunde, daß ich, der Abgott der Menge, mich vom Schatten angezogen fühlte, von dunklen Zimmerecken, als seien da wesenlose Geschöpfe, als fühlte ich im Dunkel Herzen schlagen. Ich fing an, leise Rührung zu empfinden beim Anblick zitternder Greise und kleiner Kinder. Ich ging Tieren nach, die man zum Tode führte und legte meine Arme um ihren Hals, um die Frist noch ein klein wenig zu verlängern, die sie von der Schlachtbank trennte. Ihr versteht mich wohl: ich wurde, wie ich früher gewesen. Aber nicht mehr, weil ich nichts vom Leben wußte, sondern weil ich alles wußte.

Mit Bewußtsein, mit Glaubenskraft fange ich jetzt aufs neue an, das Mitleid zu üben, das ich dereinst nur dumpf empfand. Dieses Mitleid hat mich einmal im Dunkel geführt, nun beschließt es in Klarheit mein Leben. Ich gebe mich ihm hin im vollen Besitz meiner Erfahrungen und ich finde keine Freude mehr an dem Wirbeltanz der Bestrebungen und des Fortschritts. Aufs neue bin ich taub für den Lärm der Gespräche und das Geschrei der Versammlungen, und ein Schrecken schüttelt mich im voraus, wenn ich mich genötigt sehe, politische Artikel, Reden, Bücher zu lesen.

Rings um mich herrscht das Mitleid, es hüllt mich ein, es schenkt mir milde Offenbarungen, die einzigen, die echt sind, und die würdig sind, zu herrschen.

Wenn ich tief in die trüben leeren Augen eines Bettlers oder eines Karrengaules blicke, so fühle ich, viel mehr als in den Tagen meiner tätigen Regsamkeit, wie ich an dem tiefen und geheimnisvollen Leben rings um mich Anteil habe. Bis ans Herz versinke ich in die Größe der Natur und der Wahrheit und werde abermals, und diesmal rettungslos, zum Idioten.

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