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Das Frühlicht

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Es hat solche, die die Blitze der gekreuzten Klingen bewundern, und wie die Frauen von dem bunten Tuch der Uniformen träumen und schreien. Solche, die sich berauschen an der Militärmusik oder an Liedern, die man dem Volk einschenkt wie Schnaps, die Geblendeten, die Schwachen an Geist, die Fetischisten, die Wilden.

Die, die von der Vergangenheit leben und deren Wort im Munde führen, die Traditionellen, für die eine Vergewaltigung Gesetzeskraft hat, weil sie von jeher besteht; die, die sich von den Taten regieren lassen und die Zukunft und den leidenschaftlichen, bebenden Fortschritt den Geistern der Verstorbenen und den Ammenmärchen unterwerfen.

Zu ihnen gehören alle Priester, die euch aufreizen und mit dem Morphium ihres Paradieses einlullen möchten, damit alles beim Alten bleibe. Dazu die Advokaten – Nationalökonomen, Historiker und weiss ich noch was alles! – die euch mit theoretischen Phrasen verwirren, die den Kampf der nationalen Rassen unter sich proklamieren, wobei doch die geographische Einheit der modernen Nationen nur willkürlich durch die abstrakten Linien ihrer Grenzen bestimmt ist, und aus künstlich zusammengewürfelten Rassen besteht; und die zweifelhaften Genealogen, die der Eroberungssucht und der Raubgier falsche, philosophische Atteste und erfundene Adelsbriefe ausstellen. Die Gelehrten sind vielfach in einer Hinsicht Unwissende, die die Einfachheit der Dinge aus dem Auge verlieren und sie auswischen und durch Formeln und Einzelheiten verdunkeln. In den Büchern lernt man die kleinen Dinge, nicht die grossen.

Und wenn sie auch sagen, dass sie den Krieg nicht wollen, so machen sie doch alles, um ihn am Leben zu erhalten. Sie nähren die nationale Eitelkeit und die Vorliebe für das Machtprinzip. »Wir allein«, schreit ein jeder hinter seinem Gitter, »wir allein haben den Mut, die Ehrlichkeit, das Talent und den guten Geschmack für uns gepachtet!« Unter ihnen wird die Grösse und der Reichtum eines Landes zu einer gefrässigen Krankheit. Aus der Vaterlandsliebe, die wohl recht und gut ist, solange sie die Grenzen des Gefühlsmässigen und Künstlerischen nicht überschreitet, genau wie der ebenso heilige Familiensinn und die Vorliebe für die Provinz, aus all dem machen sie einen utopistischen und unmöglichen Begriff, der das Gleichgewicht der Welt stört, eine Art Krebsschaden, der alle Lebenskräfte aufsaugt, alles für sich in Anspruch nimmt und das Leben würgt und schliesslich durch Ansteckung den Krieg heraufbeschwört, oder einen gewappneten Frieden, der zur Erschöpfung und zur Lähmung führt.

Sie fälschen die anbetungswürdige Moral: Wie viele Verbrechen haben sie mit einem Wort zu Tugenden gemacht, indem sie sie nationale nannten! Selbst die Wahrheit gestalten sie um. An Stelle der ewigen Wahrheit setzt ein jeder seine nationale Wahrheit. Soviel Völker, soviel Wahrheiten, die einander nicht gelten lassen und die Wahrheit fälschen und sie verzerren.

Alle die Leute, die jene kindischen, ekelhaft lächerlichen Reden führen und die sich über eure Köpfe hinweg herumzanken: »Ich hab nicht angefangen, du hast angefangen! – Nein, ich bin's nicht gewesen, du warst es! – Fang doch du an! Nein, fang du an!«; alle diese Kindereien, die die ungeheure Weltwunde offen halten; denn nicht die eigentlichen Beteiligten haben das Wort, im Gegenteil; somit fehlt aber auch der rechte Wille, der Geschichte ein Ende zu machen; alle die Leute, die auf Erden keinen Frieden machen können oder wollen; alle die Leute, die sich aus dem einen oder andern Grund an die frühere Weltordnung anklammern, sie begründen und zu ihren Gunsten Beweise erfinden, diese Leute sind eure Feinde!

Sie sind eure Feinde wie heute die deutschen Soldaten, die hier bei euch liegen, eure Feinde und nur arme Leute sind, die man schnöde betrogen und abgestumpft hat, und die zu zahmen Tieren geworden sind . . . Jene sind eure Feinde, wo sie auch geboren sind, ganz gleich, wie man ihren Namen ausspricht, ganz gleich, in welcher Sprache sie lügen. Schaut sie euch an im Himmel und auf Erden. Schaut sie euch überall an! Und merkt sie euch ein für allemal, damit ihr sie nie wieder vergesst!

* * *

– Sagen werden sie, schimpfte einer, der schief auf den Knien lag, die beiden Hände in der Erde hatte und seine Schultern wie eine Dogge schüttelte: »Mein Lieber, ein Held bist du gewesen, wunderbar!« Ich will nicht, dass mir einer so was sagt!

»Helden, ausserordentliche Wesen, Götzen? Dummes Zeug! Henker sind wir gewesen. Wir haben ehrlich das Henkerhandwerk ausgeübt. Und wir werden's noch weiter betreiben und sogar gründlich, weil es gross und wichtig ist, dieses Handwerk auszuführen, um den Krieg zu rächen und zu ersticken. Die Hand, die zum Töten ausholt, ist immer gemein – manchmal muss sie es, aber sie ist immer gemein. Jawohl, rohe und unermüdliche Schlächter sind wir gewesen, weiter nichts. Aber es soll mir keiner kommen und von Soldatentugenden sprechen, weil ich Deutsche getötet habe.

Mir auch nicht, rief eine andre Stimme so laut, dass ihr niemand hätte antworten können, selbst wenn es einer gewagt hätte, auch mir nicht, weil ich Franzosen das Leben gerettet habe) Denn sonst lasst uns die Feuersbrunst verherrlichen, weil sie uns Gelegenheit gibt, uns als edle Retter zu zeigen!

– Es wäre ein Verbrechen, die schönen Seiten des Krieges zu zeigen, murmelte einer jener düstren Soldaten, selbst wenn es welche gäbe!

– Und man wird dir's doch sagen, fuhr der erste fort, als Ruhmeslohn und auch als Lohn für das, was man nicht getan hat. Aber der Kriegerruhm selbst ist nicht für uns einfache Soldaten. Der gehört einigen wenigen; sonst aber, abgesehn von diesen Auserwählten, ist der Soldatenruhm eine Lüge wie alles, was im Kriege nach Schönheit riecht. In Wirklichkeit ist das Opfer des Soldaten ein dunkles Verschwinden. Die, die in Haufen die Angriffswellen bilden, tragen keinen Lohn davon. Nie wird man ihre Namen, ihre kleinen winzigen Namen zusammenbringen können.

– Geht uns 'n Dreck an, antwortete einer. Wir haben an anderes zu denken.

– Aber darfst du das laut sagen? meinte ein verdecktes Gesicht, das der Kot wie eine hässliche Hand versteckte. Verdammen, auf den Scheiterhaufen brachten sie dich! Um den Helmbusch haben sie eine Religion gedichtet, die ebenso bös, ebenso dumm und verbrecherisch ist wie die andere!

Dann richtete sich der Soldat auf, stürzte zusammen und richtete sich abermals auf. Unter dem schmutzigen Kotpanzer trug er eine Wunde und befleckte den Boden; als er aber seinen Satz ausgesprochen hatte, starrte er mit weitgeöffnetem Auge sein ganzes Blut an, das er zur Genesung der Welt geopfert hatte.

* * *

Die andern richten sich nacheinander auf. Das Gewitter verdichtet sich und senkt sich auf die weiten, zerschundenen und gefolterten Felder. Der Tag ist mit Nacht geschwängert. Und es ist, als ob unaufhörlich feindliche Menschengestalten und Männerbanden auf den Gipfeln der Wolken neu erständen, geschart um die barbarischen Silhouetten der Kreuze, der Adler, der Kirchen, der Herrscherpaläste und der Heerestempel, als ob sie ungeheuerlich anwüchsen und die Sterne verdunkelten, die Sterne, deren Zahl kleiner ist als die der Menschen. Es ist sogar, als ob sich jene Geister überall in allen Erdlöchern rührten, hier und dort zwischen den wirklichen Lebewesen, die über die Ebene zerstreut sind und wie Samenkörner halb in der Erde stecken.

Meine überlebenden Gefährten sind endlich aufgestanden; sie stehn nur mühsam aufrecht auf dem eingestürzten Boden, eingeschlossen in ihren schmutzigen Kleidern, in ihren engen, seltsamen Kotsärgern, und sie ragen in ungeheuerlicher Einfachheit aus der Erde, die so tief ist wie die Unwissenheit sie bewegen sich, schreien, starren den Himmel an und strecken Arme und Fäuste gegen ihn, der den Tag und das Unwetter auf die Erde schickt. Sie wehren sich gegen siegreiche Phantome wie Cyranos und Don Quichottes, die sie noch immer sind. Man sieht, wie sich ihre Schatten auf dem grossen, traurigen, glänzenden Boden bewegen und wie sie die fahle, starre Fläche der alten Gräber wieder spiegelt, die alten, bleichen Gräben, in denen einzig die unendliche Leere wohnt, mitten in der Polarwüste mit ihrem dunstigen Horizont.

Aber die Augen sind ihnen aufgegangen. Sie verstehn allmählich die grenzenlose Einfachheit der Dinge. Und die Wahrheit weckt in ihnen ein hoffnungsvolles Morgenrot und richtet Kraft und Mut wieder frisch auf.

– Jetzt haben wir genug über die andern gesprochen, befiehlt einer von ihnen. Lassen wir die andern jetzt! . . . Wir! wir alle! . . .

Die Verständigung der Demokratien, die Verständigung der Massen, das Aufstehn des Weltvolkes, der Glaube an seine brutale Einfachheit. Alles andere, alles andere in der Gegenwart und der Zukunft ist vollständig gleichgültig.

Und ein Soldat wagte es, diesen Satz hinzuzufügen, den er dennoch mit fast leiser Stimme begann:

– Wenn dieser Krieg den Fortschritt um eine Stufe weiter gebracht hat, so wird sein Unglück und wird seine Schlächterei wenig zu bedeuten haben.

Und während wir uns aufmachen, die andern einzuholen und den Krieg wieder aufs neue aufzunehmen, spaltet sich der schwarze Wolkenhimmel leise über unsern Häuptern. Zwischen zwei finstre Wolkenmassen dringt ein ruhiges Licht; dieser Lichtstreifen aber, so dünn er auch ist, so trauerschwer und so armselig, dass er nachdenklich erscheint, verkündet uns, dass es dennoch eine Sonne gibt.

Dezember 1915.

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