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Das Frühlicht

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– Zum Leben ist man doch geboren und nicht um derart zu verrecken!

– Die Männer sollen doch Gatten und Väter sein – Menschen überhaupt! – und nicht Bestien, die einander hetzen, erwürgen und verpesten.

– Und überall, überall sind's Bestien, wilde Bestien oder zertretene Tiere. Schau, schau dich um!

. . . Nie werde ich den Anblick jener grenzenlosen Felder vergessen, deren Farben vom Wasser zerfressen waren, und die Hocker, die, von der Fäulnis angefressen, allenthalben zerbröckelten, überall an den zerschlagenen Gerippen der Pfähle, der Drähte, der Holzgerüste – und über die finstren Endlosigkeiten des Styx die Vision, das Beben einer Vernunft, einer Logik und einer Einfachheit, die jene Menschen urplötzlich wie ein Wahnsinn erschüttert hatte.

Man sah, wie sie der Gedanke quälte: dass nämlich der Versuch, auf Erden sein Leben zu leben und glücklich zu sein, nicht nur ein Recht sei, sondern eine Pflicht – ein Ideal sogar und eine Tugend; dass die Gesellschaft nur dazu da ist, jedem Innenleben mehr Lebensmöglichkeit zu verschaffen.

– Leben! . . .

– Wir! . . . Du . . . Ich . . .

– Keinen Krieg mehr . . . Nein, nie wieder! . . . Es ist zu dumm . . . Schlimmer noch als das, es ist . . .

Da kam ein Wort und antwortete wie ein Widerhall ihrem wirren Gedanken und dem zerstückelten Gemurmel dieser Masse . . . Ich sah eine kotgekrönte Stirne sich erheben, und der Mund sprach am Rande der Erde:

– Zwei Armeen, die sich bekämpfen, sind eine grosse Armee, die Selbstmord an sich übt!

* * *

– Was sind wir denn seit zwei Jahren? Arme, unglaublich unglückliche Menschen, aber wir sind auch Wilde, brutale Banditen, Hunde.

– Noch mehr als das! knurrte einer, der keinen andern Ausdruck mehr fand.

– Ja, ich gestehe es!

In der trostlosen Stille jenes Morgens begannen diese Männer, die die Erschöpfung gefoltert, der Regen gepeitscht und eine ganze Donnernacht erschüttert hatte, diese Ueberlebenden, die dem Feuer und dem Ertrinken entwischt waren, diese Menschen begannen zu verstehn, wie scheusslich der Krieg ist, moralisch und physisch, und dass er nicht nur den Verstand schändet, die grossen Ideen beschmutzt und alle Verbrechen befiehlt – sondern sie erinnerten sich, wie sehr er in ihnen und in ihrer Umgebung die schlechten Triebe ohne Ausnahme entfesselt hatte: die Bösartigkeit bis zum Sadismus, die Ichsucht bis zur tierischen Wut, die Genussucht bis zum Wahnsinn.

Alles das stellen sie sich jetzt vor, wie sie sich vorhin ihr Elend vorgestellt haben. Verwünschungen bersten in ihnen, versuchen auszubrechen und möchten in Worten aufgehn. Sie stöhnen; sie schreien. Es hat den Anschein, als möchten sie sich mit aller Anstrengung vom Irrtum und von der Unwissenheit befreien, die sie wie der Kot beschmutzt, und als mochten sie endlich den Grund ihrer Strafe erkennen.

– Und was dann? rief der eine.

– Was dann? wiederholt der andere noch feierlicher.

Der Wind lässt die überschwemmte Ebene erzittern, und indem er die knienden und liegenden Menschenhaufen aufrüttelt, entreisst er ihnen bebende Worte.

– Es wird keinen Krieg mehr geben, schimpft ein Soldat, wenn's kein Deutschland mehr gibt.

– Nein, so ist es nicht richtig gesagt! schreit ein anderer. Das genügt noch nicht. Erst wenn der Geist des Krieges besiegt sein wird, wird's keinen Krieg mehr geben!

Da aber der tobende Wind seine Worte halb erstickt, hebt er den Kopf und wiederholt, was er gesagt hatte.

– Deutschland und der Militarismus, stottert schnei! die Wut eines andern, das ist dasselbe. Sie haben den Krieg mit Vorbedacht gewollt. Sie sind der Militarismus.

– Der Militarismus . . ., fährt ein Soldat fort.

– Was ist Militarismus? fragt eine Stimme.

– Es ist . . . es ist die brutale Gewalt, die plötzlich und zu einer gewissen Zeit niederfährt. Es heisst ein Bandit sein.

– Jawohl und heute heisst der Militarismus Deutschland.

– Ja, aber morgen, wie wird er morgen heissen?

– Ich weiss es nicht, sagt eine Stimme feierlich wie ein Prophet.

– Solang der Geist des Krieges nicht getötet ist, wird's Keilereien geben, solang die Weltgeschichte geht.

– Man muss . . . Man muss . . .

– Man muss den Krieg auskämpfen! gurgelt die rauhe Stimme eines Körpers, der seit unserm Aufwachen in dem alles verschlingenden Kot zum Steinklotz geworden ist. Man muss! – und der Körper dreht sich schwerfällig um. – Alles was wir haben, müssen wir hergeben, unsre Kraft und unsre Haut, und unsre Herzen und unser ganzes Leben, auch die Freuden, die uns noch übrig blieben! Unser Sklavenleben müssen wir mit beiden Händen annehmen! Alles muss ertragen werden, sogar die Ungerechtigkeit, die jetzt regiert, und der Skandal und alle Schweinereien, die man sieht – alles das, um dem Krieg ein Ende zu setzen, um zu siegen! Aber, wenn ein derartiges Opfer gebracht werden muss, fügt die unförmige Gestalt verzweifelt hinzu, indem sie sich noch mehr umkehrt, so ist das nur, weil man für einen Fortschritt kämpft und nicht für ein Land; gegen einen Irrtum und nicht gegen ein Land.

– Der Krieg muss getötet werden, sagt der erste, der Krieg muss in Deutschlands Bauch getötet werden I

– Jawohl, meint einer, der wie ein Schössling im Boden eingewurzelt dasass, allmählich wird's einem klar, wofür man in den Krieg gezogen ist.

– Und doch, murmelt seinerseits der Jäger, der zusammengekauert sass, es gibt welche, die sich mit einer andern Idee im Schädel schlagen. Ich hab welche gesehn, junge Kerle, die sich nicht schlecht über die Humanitätsgedanken lächerlich machten. Die Hauptsache war für sie die nationale Frage und weiter nichts und der Krieg eine vaterländische Sache: dabei rückt ein jeder das eigne Vaterland ins hellste Licht, und weiter nichts. Und die schlugen sich und schlugen sich tapfer.

– Sie sind noch jung, die kleinen Burschen, die du meinst Jung sind sie, musst ihnen verzeihn.

– Man kann schon seine Pflicht tun, ohne recht zu wissen, was man eigentlich tut.

– Wahr ist es schon, die Menschen sind verrückt. Das wird man nie oft genug wiederholen können!

– Die Chauvinisten, das ist das Ungeziefer . . ., knurrt ein Schatten.

Dann wiederholten sie mehrere Male, als ob sie sich daran vorwärtstasteten:

– Man muss den Krieg töten. Den Krieg, ihn!

Einer von uns, der seinen Kopf im Gerüste seiner Schultern unbeweglich hielt, versteifte sich auf seine Idee:

– Das sind alles leere Sprüche. Ob du dies oder jenes glaubst, ist ganz Wurst! Siegen musst du, weiter nichts.

Aber die andern hatten zu grübeln angefangen. Sie wollten wissen und über die Gegenwart hinausblicken. Sie bebten und versuchten aus sich selbst eine leuchtende Weisheit und einen Willen zu erzeugen. Unzusammenhängende Ueberzeugungen wirbelten ihnen im Kopf herum und über ihre Lippen kamen verworrene Glaubensfragmente.

– Jawohl . . . Ja . . . Aber man muss die Dinge ins Auge fassen . . . Alterchen, musst immer ans Endresultat denken.

– Das Endresultat! In diesem Kriege Sieger sein, versteift sich der Ecksteinmensch, ist das kein Endresultat?

Da antworteten zwei Stimmen miteinander:

– Nein!

* * *

In diesem Augenblick entstand ein dumpfer Lärm. Schreie fuhren auf und ein Schaudern überkam uns.

Eine ganze Lehmwand hatte sich vom Hügel, an dem wir durcheinander angelehnt waren, losgelöst und deckte mitten unter uns eine Leiche auf, die mit gestreckten Beinen auf dem Boden sass.

Vom Erdrutsch barst oben am Hügel eine Erdfalte, in der sich das Wasser angesammelt hatte; ein Wasserfall ergoss sich über die Leiche und spülte sie, während wir herumhockten und zuschauten.

– Er hat ein ganz schwarzes Gesicht! schrie einer.

– Was ist das für ein Gesicht? fragte ein andrer mit bebender Stimme.

Die es noch konnten, krochen wie Kröten im Kreise heran. Das Gesicht stand wie ein Relief an der Wand, die der Erdrutsch blossgelegt hatte, aber man konnte seine Züge nicht mehr erkennen.

– Sein Gesicht! Das ist gar nicht sein Gesicht!

An Stelle des Antlitzes entdeckte man einen Haarschopf.

Dann bemerkte man, dass dieser scheinbar sitzende Leichnam geknickt und im Kreuz gebrochen war.

Wir betrachteten in schrecklichem Schweigen den senkrechten Rücken, den uns diese ausgerenkten Ueberreste zukehrten, diesen hängenden und nach vorn gebogenen Arm und die beiden Beine, die auf dem Boden ausgestreckt waren und ihre Fusspitzen in der weichen Erde stützten.

Dann begann die Diskussion angesichts dieses grauenhaften Schläfers von neuem. Dabei schrien sie wütend, als ob der Tote lauschte.

– Nein! der Sieg ist kein Resultat, nicht sie, sondern den Krieg muss man erwischen.

– Hast du's denn noch nicht verstanden, dass man erst mit diesem Krieg aufräumen muss? Wenn das verschoben werden soll, dann nützt alles, was bis jetzt gemacht worden ist, rein nichts. Schau her, es nützt nichts. Die zwei oder drei oder noch mehr Jahre, die ganze Katastrophe wär für die Katz.

* * *

– Ja, wenn alles, was man erlitten hat, nicht das Ende dieses grossen Unglückes bedeutet, – ich halte am Leben fest: hab Frau und Kinder und 's Haus drum herum; ich hab mir schon für nachher alles zurecht überlegt, ja . . . und doch, möcht ich sonst lieber sterben.

– Ich sterbe, klang es genau in demselben Augenblick neben Paradis wie ein Echo; der Verwundete hatte offenbar seine Bauchwunde angesehn; dann sagte er noch:

– Ich sterbe ungern wegen meiner Kinder.

– Ich, murmelte eine andre Stimme, ich sterbe gern, weil ich Kinder hab. Ich sterbe, also weiss ich, was ich sage, und sag mir: »Sie werden Frieden haben, die Kinder!«

– Ich werde vielleicht nicht sterben, sagte ein andrer mit zitternder Hoffnung, die er selbst angesichts der Verurteilten nicht beherrschen konnte, aber ich werde leiden. Darum sage ich: meinetwegen, ich sage sogar: um so besser; ich werd noch mehr Leiden ertragen können, wenn ich weiss, dass es für etwas nützlich ist!

 

– Ja, wird man sich nach dem Krieg noch weiter rumhauen müssen?

– Vielleicht ja . . .

– Hast du so noch nicht genug!

– Grad weil ich keinen Krieg mehr will! schimpfte einer.

– Und diesmal vielleicht nicht gegen Fremde.

– Kann schon sein . . .

Ein noch wütenderer Windstoss blies uns die Augen zu und erstickte uns. Als er vorbei war und man sah, wie der Sturm über die Ebene jagte, ihre Kotfetzen schüttelte und in die Wassergraben fuhr, die wie das lange Grab eines Heeres klafften, meinte einer:

– Was macht letzten Endes die Grösse und die Schrecken des Krieges aus?

– Die Grösse der Völker.

– Und die Völker, das sind wir!

Der dies sagte, schaute mich fragend an.

– Ja, sagte ich zu ihm, es ist wahr, alter Bruder 1 Mit uns allein macht man die Schlachten. Wir sind der Stoff, aus dem der Krieg gemacht wird. Der Krieg besteht allein aus dem Leib und aus der Seele des einfachen Soldaten. Wir bilden die Totenfelder und die Blutströme, wir alle, die wir als einzelner unsichtbar und stumm in der ungeheuren Zahl aufgehn. Die verlassenen Städte, die zerstörten Dörfer, alles das ist Wüste, weil wir nicht mehr dort sind. Ja, alles sind wir selbst, voll und ganz.

– Ja, es ist wahr. Die Völker sind der Krieg; ohne sie wäre nichts, nichts oder nur ein wenig Lärm, ein Gekreische aus der Ferne. Aber es sind nicht die Völker, die den Krieg entscheiden. Das besorgen die Herren, die ihn führen.

– Die Völker kämpfen heute, um sich frei zu machen von den Herren, die sie führen. Dieser Krieg ist wie die Fortsetzung der französischen Revolution.

– In diesem Falle also arbeiten wir auch für die Preussen?

– Hoffentlich wohl, sagte einer jener Unglücklichen, die in der Ebene lagen.

– Das soll der Teufel holen! knirschte der Jäger.

Aber er nickte mit dem Kopf und schwieg.

– Denken wir an uns! Die fremden Angelegenheiten gehn uns nichts an, murrte der verdriessliche Dickkopf.

– Doch! Die gehn uns wohl was an . . . denn was du die Fremden nennst, das sind eben nicht die Fremden, sondern die sind wie wir!

– Warum sollen wir denn immer für die ganze Welt herhalten!

– Das ist mal so, sagte einer und wiederholte die Worte, die er soeben ausgesprochen hatte: Um so schlimmer oder um so besser!

Die Völker bedeuten nichts und sollten doch alles sein, meinte der, der mich befragt hatte; dabei sprach er, ohne es zu wissen, einen historischen und über hundert Jahre alten Satz aus, verlieh ihm aber endlich seine grosse, universelle Bedeutung.

Der Sprechende, der der Katastrophe entkommen war, hockte auf allen Vieren im öligen Schlamm der Erde, hob sein aussätziges Gesicht und blickte gierig vor sich hin ins Unendliche.

Er schaute und schaute. Er versuchte die Tore des Himmels zu öffnen.

* * *

Die Völker müssten sich verständigen durch die Haut derer und auf dem Bauch jener, die sie auf die eine oder die andere Art ausbeuten. Alle Massen sollten sich verständigen.

– Alle Menschen sollten endlich gleich sein.

Dieses Wort tönte uns wie eine Rettung entgegen.

– Gleich . . . ja . . . ja . . . Es gibt grosse Gedanken der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Es gibt Dinge, an die man glaubt, denen man entgegensieht und an die man sich festklammert wie an eine Lichtquelle. Vor allem die Gleichheit.

– Es gibt auch Freiheit und Brüderlichkeit.

– Vor allen gibt es Gleichheit!

Ich sage ihnen dann, dass die Brüderlichkeit ein Traum sei, ein verschwommenes Gefühl, ohne Bestand; es ist zwar nicht menschlich, einen Unbekannten zu hassen, aber es ist auch nicht menschlich, einen Unbekannten zu lieben. Auf die Brüderlichkeit kann man nichts aufbauen. Ebensowenig auf die Freiheit: sie ist etwas zu Relatives in einer Gesellschaft, in der die Gegenwart eines jeden die Existenz des andern beeinträchtigt.

Aber die Gleichheit bleibt sich ewig gleich. Die Freiheit und die Brüderlichkeit sind Worte. Die Gleichheit (die soziale Gleichheit natürlich, denn die Individuen haben mehr oder weniger Wert; aber jeder soll im gleichen Mass an der Gesellschaft Anteil haben; dies ist gerecht, denn das Leben des einen ist ebenso gross wie das Leben des andern). Die Gleichheit ist die grosse Formel der Menschheit. Ihre Bedeutung ist ungeheuer. Die Gleichheit der Rechte einer jeden Kreatur und die Gleichheit des heiligen Willens der Mehrheit sind unfehlbar und müssen unbesiegbar sein – sie wird alle Fortschritte bringen, alle, mit einer wahrhaft göttlichen Kraft. Vor allem wird dieses Prinzip die grosse, ausgeglichene Basis für jeden Fortschritt schaffen: die Regelung der Streitigkeiten durch die Gerechtigkeit, was dem allgemeinen Interesse genau gleichkommt.

Diese Männer aus dem Volk, die hier beisammen liegen, ahnen eine noch unbestimmte Revolution, die noch grösser sein wird als die andre und deren Quelle sie sind und die ihnen bereits in die Kehle steigt; sie rufen aus:

– Gleichheit! . . .

Es ist, als ob sie das Wort buchstabierten und dann überall klar geschrieben sähen – und als gab es auf der Welt kein Vorurteil, kein Vorrecht und keine Ungerechtigkeit, die davor nicht zu Schanden würde. Das Wort birgt die Losung aller Fragen und ist ein göttliches Wort. Sie betrachten es von allen Seiten und entdecken in ihm eine Art Vollkommenheit. Und sie sehn alle Ungerechtigkeiten in einem blendenden Lichte brennend untergehn.

– Es wäre schön, sagt einer.

– Es ist zu schön, um wahr zu sein! antwortet ein anderer.

Aber ein dritter sagt:

– Es ist schön, weil es wahr ist; das ist seine einzige Schönheit. Und dann . . . nicht weil es schon ist, wird es einmal sein. Die Schönheit ist nicht im Kurs, ebensowenig wie die Liebe. Aber es ist wahr, und ist deshalb unabwendbar.

– Wenn doch die Völker Gerechtigkeit wollen und die Völker die Macht vorstellen, so sollen sie auch die Gerechtigkeit einführen.

– Sie beginnen bereits damit, sagte eine dunkle Stimme.

– So wie alle Dinge ins Rollen kommen, verkündete eine andere Stimme.

– Wenn alle Menschen gleich sein werden, werden sie notgedrungen zusammenstehn.

– Dann werden nicht mehr dreissig Millionen Menschen unter dem Himmel Dinge ausführen, die sie selbst nicht wollen.

Das ist wahr. Dagegen lässt sich nichts sagen. Welchen Schatten eines Argumentes, welchen Schein einer Antwort könnte man, wagte man, diesem Satze entgegenzuhalten: »Dann werden nicht mehr dreissig Millionen Menschen unter dem Himmel Dinge ausführen, die sie selbst nicht wollen.« Ich lausche und folge der Logik jener

Armseligen, die in die Schmerzensebene verschlagen sind und aus deren Wunden und aus deren Schmerzen die Worte quellen, die Worte, die sie blutend von sich geben.

Und jetzt bedeckt sich der Himmel. Dichte, bläuliche Wolken bepanzern ihn nach der Erde zu. Darüber fegen Riesenstreifen feuchten Staubes durch den zinnernen Glanz des schwachen Lichtes. Ein düsteres Wetter steigt auf. Es wird noch regnen. Der Sturm ist noch nicht zu Ende und auch die lange Leidenszeit ist noch nicht vorbei.

– Und das wird man sich fragen, sagte der eine: »Weshalb schliesslich wird Krieg geführt?« Weshalb, man weiss es nicht; aber für wen er geführt wird, das kann man sagen. Schliesslich wird man notgedrungen erkennen, dass, nachdem alle Nationen dem Kriegsgötzen die frischen Leiber von fünfzehnhundert jungen Männern täglich als Schlachtopfer bringen, es nur im Interesse einiger Führer geschieht, die man an den Fingern abzählen kann; dass sich ganze Völker herdenweise zur Schlachtbank führen lassen, damit eine goldbetresste Kaste ihre Prinzennamen ins Buch der Geschichte schreiben kann, und damit die andern, ebenfalls goldgeschmückten Leute, die zur selben Gesellschaft gehören, mehr Geschäfte machen können – aus persönlichen Rücksichten und im Interesse einzelner Krämer also. – Und den sehenden Augen wird es klar werden, dass die Trennung, die zwischen den Menschen besteht, nicht diejenige ist, die man annimmt, und dass jene, an die man bisher glaubte, gar nicht besteht.

– Horch! unterbrach ihn plötzlich einer.

Man verstummt und hört in der Ferne das Donnern der Kanone. Dort erschüttert ihr Rollen die Luft, und das ferne Gewitter schlägt schwach an unsre vergrabenen Ohren; um uns aber dringt die Ueberschwemmung immer tiefer in die Erde und zieht langsam die Höhen mit hinein.

Es geht wieder los . . .

Dann meint einer von uns:

– Herrgott, wogegen werden wir nicht alles noch ankämpfen müssen!

Schon spricht eine Angst, ein Zweifel aus der tragischen Unterredung, die sich unter diesen verlorenen Menschen wie ein ungeheures Meisterwerk des Schicksals verbreitet. Es beginnt nicht nur das endlose Leiden wieder und die Gefahr und die elenden Zeiten, sondern auch die Feindseligkeit der Dinge und der Menschen gegen die Wahrheit, gegen die aufgestapelten Vorrechte, gegen die Unwissenheit, gegen die tauben Ohren und den schlechten Willen, gegen die vorgefassten Meinungen und die Starrköpfigkeit der bestehenden Zustände, die nicht ins Schwanken zu bringen und deren Knoten nicht zu lösen sind.

Und der tastende Traum der Gedanken geht in jene Vision über, in der die ewigen Feinde aus den Schatten der Vergangenheit hervortreten und in die wütenden Schatten der Gegenwart hineinstürmen.

Da sind sie . . . Als fahre am Himmel die Vision über die Kämme des Gewitters, das die Welt in Trauer stürzt; sie kommen, die reitenden Kämpfer, im blendenden Galopp – Schlachtpferde und Rüstungen, Tressen und flatternde Federbüsche, Kronen und Schwerter . . . Man sieht sie deutlich, sie wälzen sich vorüber und blitzen in prunkender Pracht, und hängen voller Waffen. Und die kriegerischen Reiter spalten mit ihren altmodischen Gesten die Wolken, die am Himmel stehn wie auf der Theaterbühne.

Von allen vier Ecken des Horizontes wogt es heran über die fiebernden Blicke hinweg, die von der Erde aufsteigen, über die Leiber, die der gemeinste Kot der Erde und der zertretenen Felder überhäuft, es verdrängt die Unendlichkeit des Himmels und verdeckt die blauen Tiefen.

Und es sind Legionen. Nicht nur die Kaste der Krieger, die zum Kriege brüllen und ihn anbeten, nicht nur die, denen die allgemeine Knechtschaft eine magische Macht verleiht: die erblichen Machthaber, die hier und dort aufrecht stehn über der kniefälligen Menschheit und plötzlich auf die Wage der Gerechtigkeit drücken, weil's gilt, für sie zu einem bedeutenden Schlag auszuholen. Ihnen gesellt sich die grosse Masse, die bewusst oder unbewusst ihren fürchterlichen Privilegien dient.

– Es gibt, schreit in diesem Augenblick einer jener finstern und dramatischen Zwischenredner, und streckt dabei die Hand aus, als ob er's sähe, es gibt solche, die sagen: »Wie ist das alles schön!«

– Und solche, die sagen: »Die Rassen hassen einander!«

– Und solche, die sagen: »Ich werde fett vom Krieg, und mein Bauch wächst dabei!«

– Und solche, die sagen: »Es hat von jeher Kriege gegeben, also wird es auch fürderhin Kriege geben!«

– Dann gibt es solche, die sagen: »Ich sehe nicht weiter als meine Nasenspitze und verbiete den andern, weiter zu sehn!«

– Es gibt solche, die sagen: »Die Kinder kommen zur Welt mit roten oder blauen Hosen am Hintern!«

– Es gibt, fluchte eine heisere Stimme, es gibt solche, die sagen: »Schlagt die Augen nieder und glaubt an Gott!«

* * *

Jawohl! Recht habt ihr, ihr arme, zahllose Handwerker des Krieges, ihr, die ihr den ganzen, grossen Krieg mit euern eignen Händen vollbracht haben werdet, du Allmacht, die der Erfüllung des Guten noch nicht dient, du irdischer Haufe, darunter jedes Antlitz eine Welt voll Schmerzen ist, ihr, die ihr unter dem Himmel, wo lange Wolken zerreissen und wie böse Engel sich wirr entfalten, träumt gebeugt unter dem Joch eines Gedankens! – Ja, ihr habt recht. Alles das ist gegen euch. Alles das ist gegen euch, gegen euer grosses, allgemeines Interesse, das in der Tat eins ist mit der Gerechtigkeit, – und nicht nur die Säbelrassler, die Hamsterer und die, die im Trüben fischen, sind eure Feinde.

Es hat nicht nur die verruchten Anteilhaber, die Geldleute, die grossen und kleinen Geschäftemacher, die eingepanzert in ihren Banken und in ihren Häusern vom Kriege leben und während des Krieges in Frieden davon leben, mit ihrer versteckten Doktrin, die ihre Stirnen vernagelt, mit ihren Gesichtern, die wie ein Geldschrank verschlossen sind.

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