Food Code

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Über das Buch

Digitalisierung und künstliche Intelligenz revolutionieren die Art, wie wir Lebensmittel erzeugen, verteilen, kaufen und genießen. Ein faszinierender Blick in eine neue Esskultur und die Zukunft auf unseren Tellern. Die digitale Revolution ist auf unseren Tellern angekommen. Egal ob Lieferapps, selbstfahrende Erntemaschinen oder unser Abendessen auf Instagram – digitale Technologie bestimmt heute nicht nur, wie wir zu unserem Essen finden, sondern auch wie Lebensmittel angebaut, geliefert und gekocht werden. Arbeitet der Bauer in Zukunft noch auf dem Feld, kochen wir noch selbst, oder erledigen Roboter das für uns? Olaf Deininger und Hendrik Haase recherchieren in den Laboren der Industrie, den Thinktanks der Hochschulen und in den Garagen von Food-Startups, sie schauen durch die Hintertüren der Tech-Giganten und in die Geister-Küchen der neuen Lieferdienste. Sie kaufen im voll vernetzten Supermarkt der Zukunft ein und lassen mit der Landwirtin von morgen autonome Drohnen über dem Acker steigen. Sie zeigen, wie die digitale Technologie unsere Lebensmittelwelt verändern, und stellen die Chancen, aber auch die Gefahren dieser tiefgreifenden Veränderung dar.

Die Autoren

Olaf Deininger, geb. 1963, ist Wirtschaftsjournalist, Digitalexperte und schreibt für führende Tageszeitungen, Wirtschaftsmagazine sowie Fachmedien über Food, Medien, neue Technologien und Künstliche Intelligenz. Er lebt am Bodensee.

Hendrik Haase, geb. 1984, ist Publizist, Kommunikationsdesigner, Berater, Keynote-Speaker und leidenschaftlicher Genießer. Er gilt als einer der bekanntesten Foodaktivisten des Landes und lebt in Berlin.

Olaf Deininger | Hendrik Haase

FOODCODE

Wie wir in der digitalen Welt die Kontrolle

über unser Essen behalten


INHALT

Vorwort

Kapitel 1 – Am Tisch

Abendessen mit Alexa

Satt machende Pulver aus dem Web

Wenn die DNA-App den Speiseplan bestimmt

Das Internet der Körper

Eine neue digitale Esskultur

Die kulinarische Kirche namens Instagram

Kapitel 2 – In der Küche

Die neuen vernetzten Küchengeräte

Der Mixer macht Data-Mining

Die Pod-People und ihre Do-it-yourself-Machines

Künstliche kulinarische Intelligenz

Kapitel 3 – Auf dem Acker

Mit Terminator auf Schneckenjagd

Acker-Tipps aus dem Weltall

Autonome Ernte: Wenn Roboter besser pflücken können

Das Fitness-Halsband für die Kuh

Ein Mehltau aus Daten

Kapitel 4 – Lebensmittelproduktion

Die New-Food-Economy

Das Steak aus dem 3-D-Drucker und die neue Welt der Proteine

Schmeckende Maschinen

Der Traum vom Ende des Einheitsbreis

Die Lebensmittelhandwerker 2.0 – Teamwork mit Kollege Roboter

Kapitel 5 – Im Restaurant

Social-Media-Licht am Blogger-Tisch

Der Food-Truck in der Cloud

Das Restaurant am Ende der Industrialisierung

Ghost-Kitchens – wenn das Restaurant zu mir kommt

Restaurant-KI und die Wahrheit der Bilder

Kapitel 6 – Handel und Logistik / Im Lieferwagen / Unterwegs

Der Online-Bauernmarkt per Lichtgeschwindigkeit zum Kunden

Zu Besuch im Messie-Lager der Roboter

Prekäre Pizza-Boten und das Problem der letzten Meile

Wenn die Drohne Kuchen bringt

Blockchain und das neue Transparenz-Versprechen der Lieferkette

Wenn IBM weiß, wann dein Magen knurren wird

Kapitel 7 – Im Einkaufswagen

Personalisiert und kuratiert – Der Supermarkt als dritter Ort

Virtual Reality im Einkaufswagen

Wenn der Supermarkt wie Netflix funktioniert

Der Wochenmarkt auf dem Smartphone

Der Barcode schlägt zurück

Kapitel 8 – Die digital-globale Ess-Gesellschaft

Welternährung per App: Die neue Weltordnung der Kalorien

FoodTech for Africa

Die Versprechen hungriger Datensammler

Brauchen wir Big Brother, um die Welt zu retten?

Kapitel 9 – Der Weg in eine genießbare Zukunft

New Food Work: Die Chance auf kulinarische Kreativität

Wie wir in der digitalen Welt den Spaß am Essen nicht verlieren

Wie wir die Kontrolle über unsere Lebensmittel bekommen und behalten

Regulierungsbedarf im Internet of Food

Großer Dank

Bücher

VORWORT

Es war eine 10er-Packung Kaugummi: Geschmacksrichtung »fruchtig-süß«. Am 26. Juni 1974 um 8:01 Uhr scannte die Supermarktkassiererin Sharon Buchanan in der Kleinstadt Troy im US-Bundesstaat Ohio den ersten Strichcode auf einem Lebensmittelprodukt. In der Nacht zuvor hatten Techniker und Ingenieure den ersten Prototypen eines Barcode-Scanners in ihre Kasse eingebaut. Nach dem ersten Kassen-Piepton der Geschichte erschien der Preis: 69 Cent.

Heute, fast fünfzig Jahre später, erscheint vielen die Verbindung von Essen und digitaler Technologie auf den ersten Blick immer noch fremd. Dabei tauchen inzwischen selbst auf unverpackten Lebensmitteln kleine Codes auf, sei es auf den Eiern am Frühstückstisch oder auf den Bananen im Obstregal. Nach dem Smartphone-Scan versprechen uns kleine QR-Codes, mehr über die Herkunft und den Anbau unserer Lebensmittel zu verraten. Ganz selbstverständlich posten wir abends die vollen Teller in unserem Lieblingsrestaurant bei Instagram oder teilen an Weihnachten stolz das Festessen per Messenger in der größeren Familiengruppe.

Überall dort, wo heute die Technologie entwickelt wird, die viele Teile unserer Lebenswelt prägt – in den Konzernzentralen von IBM, Amazon, Google oder Alibaba –, interessiert man sich brennend für die digitale Zukunft unserer Lebensmittelwelt. Genauso wie in den Innovationsabteilungen großer Supermarkt- und Handelsketten. Tausende von Food-Start-ups, haben sich in den letzten zehn Jahren rund um den Globus gegründet – auch sie wollen die Food-Welt neu gestalten. Wir müssen uns fragen: Interessieren wir uns genauso brennend dafür, was dieser technologische Wandel mit unserem Essen macht?

 

Während wir diese Zeilen im Dezember 2020 schreiben, beginnt in Deutschland der zweite Lockdown. Und dieses Ausnahmejahr hat uns allen deutlich gemacht, wie eng die beiden Welten Lebensmittel und Technologie bereits miteinander verflochten sind. Millionen Bundesbürger stehen wieder öfter in der eigenen Küche und lernen Kochen mit den Tutorials auf YouTube. Die Zeit, die Menschen mit der Online-Suche nach Hofläden oder Lebensmittel-Lieferdiensten verbringen, ist sprunghaft angestiegen. Landwirte entwickelten in kürzester Zeit Onlineplattformen zur Erntehelfersuche. Gastronom* innen kreierten digital konfigurierbare Kochboxen, stiegen ins Online-Liefergeschäft ein und boten Unterstützung beim Kochen via Livestream. Viele von uns stellten fest, wie praktisch und einfach es ist, sich mithilfe von App und Laptop gut und nachhaltig zu versorgen.

Wir haben aber auch überlastete digitale Strukturen erlebt, die mit einer veränderten Nachfrage nicht mehr zurechtkamen. Wir sehen digital Benachteiligte, die an dieser »schönen neuen Welt« nicht teilhaben können, und Menschen, die im Liefergeschäft für unseren Komfort unverhältnismäßig schuften müssen. Viele Bürger*innen, aber auch Unternehmer*innen mussten feststellen, wie abhängig sie bereits von digitalen Giganten geworden sind, die als die Gewinner aus dieser Krise hervorgehen werden.

Es lohnt sich also, in den Motorraum der digitalen Maschinerie zu schauen, die den Wandel auf unseren Tellern antreibt. Der erste Computer der Welt, den Konrad Zuse 1941 in Berlin-Kreuzberg zum Laufen brachte, nahm mit seinen Schaltkreisen und Kabeln noch ein ganzes Zimmer seines Elternhauses ein. Damals war es noch offensichtlich, wenn man »im Computer« war. Er war begehbar. Im heutigen Smartphone-Zeitalter sind wir ständig online, umgeben von Daten, die permanent und überall erzeugt, verarbeitet, mit anderen Daten ergänzt und angereichert, zusammengesammelt und analysiert werden. Die Geräte verschmelzen mit unserem Alltag. Die Rechenoperationen dahinter werden dagegen immer unsichtbarer, passieren im Verborgenen und außerhalb unserer Wahrnehmung. Die Ergebnisse dieser mathematischen Berechnungen erscheinen auf den ersten Blick neutral. Doch sie bestimmen in Wahrheit unser Leben immer stärker.

Wir haben uns für dieses Buch umgeschaut: Wo sind entlang der Lebensmittelkette vom Acker bis auf unsere Teller schon heute künftige Technologien im Einsatz und wo werden sie erprobt? Wo stehen die Garagen, in denen Gründer*innen und Tüftler*innen an Zukunftstechnologien unserer Lebensmittelwelt arbeiten? Wie funktionieren diese neuen Algorithmen, wie arbeitet die künstliche Intelligenz der New-Food-Economy, und wie beeinflusst sie unseren Appetit und unsere Esskultur?

Was wir gesehen haben, ist ein grundlegender Wandel – in der Art, wie wir uns ernähren, wie wir Lebensmittel herstellen, verarbeiten, vertreiben und konsumieren. Neue Technologien, Digitalisierung, eine Gründungswelle und eine Generation von jungen Konsument*innen und Gründer*innen, die sich nicht mehr um alte Denkmuster scheren, prägen diesen Wandel. Vieles mag noch fern oder wie Scien ce-Fiction erscheinen – obwohl es längst Realität ist. Anderes ist bereits unbemerkt in unseren Alltag gesickert und bedarf dringend unserer Aufmerksamkeit.

Es gibt viele Gründe zur Hoffnung: Wir sehen neue Technologien, neue Möglichkeiten, Chancen, unser Lebensmittelsystem nachhaltiger, fairer und leckerer zu machen.

Es gibt aber auch Gründe zur Sorge: Wir sehen neue Herausforderungen und Probleme, die wahrgenommen, besprochen, angegangen und gelöst werden müssen.

Wir glauben, dass man den tief greifenden Wandel, der in unserer Lebensmittelwelt geschieht, nur dann verstehen kann, wenn man im wahrsten Sinne des Wortes über den Tellerrand hinausschaut, die technologischen ›Zutaten‹ hinterfragt und mit denen spricht, die am bunten Zukunftsmenü mitkochen. Denn es betrifft uns am Ende alle.

Die tief greifenden Veränderungen können schneller auf unserer Gabel ankommen, als wir denken. Deshalb sehen wir jetzt den richtigen – und im ungünstigsten Fall vielleicht den letzten – Zeitpunkt, um über wegweisende Richtungsentscheidungen dieser Entwicklungen zu sprechen. Geht es um eine Dystopie vom Untergang? Geht es um die Utopie eines Schlaraffenlandes, das sich von selbst einstellt? Oder geht es um einen gemeinsamen, demokratischen Prozess? Vielerorts herrscht Sprachlosigkeit: Viele Institutionen wollen nicht aus ihren tradierten Denkmustern heraus, unterschätzen oder verkennen die neuen Möglichkeiten. Damit droht, dass wir in Deutschland vom internationalen Diskurs abgehängt werden und am Ende die Kontrolle über unser Essen verlieren. Dieses Buch ist daher ein Anfang. Für eine bessere und genießbare Zukunft, in der wir souverän bleiben und »gutes, nachhaltiges und faires Essen für alle« möglich wird.

Wir wünschen guten Appetit und eine anregende Lektüre.

Berlin, Bodensee, 15. Dezember 2020

HENDRIK HAASE | OLAF DEININGER

KAPITEL 1
AM TISCH

# Abendessen mit Alexa # Satt machende Pulver aus dem Web # Wenn die DNA-App den Speiseplan bestimmt # Das Internet der Körper # Eine neue digitale Esskultur # Die kulinarische Kirche namens Instagram

»Bier vor vier« ist ein Skill von Alexa Echo. Man kann ihn auf der Website von Amazon aktivieren. Dann beantwortet der intelligente Lautsprecher die Frage, ob man heute schon ein Bier trinken kann. Das darf man – wenn es nach vier Uhr ist. Etwas komplexer ist dagegen der Skill »Noblego Zigarrenmatching«. Wer diesen Skill aktiviert, kann sich am Tisch sagen lassen, welche Zigarre zum jeweiligen Getränk im Glas passt. Auch »Superfood« ist ein Skill, den man laden kann. Dann erklärt Alexa die Vorzüge von Chia-Samen, Açaí-Beeren oder Moringa-Pulver. Vorausgesetzt man fragt. Wer dagegen wissen möchte, welcher Wein zum Essen vor einem auf dem Teller passt, kann sich ebenfalls bei Alexa erkundigen. Vorausgesetzt, er hat den Skill »Weinbegleitung« geladen.

Abendessen mit Alexa

Nicht nur die Entwickler von Apps für Sportlerernährung oder Rotwein arbeiten gerade daran, ihre Inhalte und Services auf digitalen und akustischen Plattformen wie Alexa Echo oder Siri von Apple verfügbar zu machen. Wer etwa auf der Suche nach dem perfekten Abendbrot ist, kann Alexa auch nach dem »besten Bäcker in der Nähe« fragen. Die Stimme aus der schwarzen Säule nennt dann drei Bäckereien zur Auswahl und fragt, ob sie einen »hinbringen« darf. Wer antwortet, bekommt die genaue Wegbeschreibung zum gewünschten Bäcker auf sein Smartphone gesendet. Für diese Vorschläge greift Alexa auf die Daten des Empfehlungsportals Yelp zu und auf Bing, die Suchmaschine von Microsoft.

Auch die Lebensmittelindustrie, der Lebensmitteleinzelhandel, die Systemgastronomie, Restaurantketten und viele einzelne Gastronomen möchten auf Alexa verfügbar sein.

Noch nie haben wir so viel über unsere Nahrungsmittel gewusst. Und noch nie war es so einfach, mehr über das zu erfahren, was bei uns auf den Tellern liegt. Und diese Entwicklung hat erst begonnen. Denn künftig werden wir noch mehr über unser Essen wissen – und wissen können: Herkunft, Eigenschaften, Haltbarkeit, Herstellung, Zusatzstoffe, Verarbeitung, Transportwege, Transportmittel und deren Energieverbrauch. Diese Informationen stehen dann nicht etwa erst nach langwieriger und aufwendiger Recherche zur Verfügung, son dern praktisch sofort: per Alexa, Siri, mit dem Smartphone und einer Vielzahl von Apps.

Und auch unsere Lebensmittel selbst kommunizieren heute schon zunehmend untereinander, wie wir in diesem Buch zeigen werden. Auf dem Weg vom Acker bis zum Teller, in der Lebensmittelindustrie und in der Weiterverarbeitung, auf dem Laster oder Lieferwagen, im Laden, Kühlschrank und auf dem heimischen Esstisch hinterlassen die Lebensmittel digitale Spuren, geben Daten ab, nehmen Daten auf und verarbeiten Signale. Per RFID- oder mit anderen Funk-Chips, mit digitalisierter DNA, gesteuert und überwacht von Rechenverfahren wie etwa der sogenannten Blockchain, die heute schon viele Prozesse in der Herstellungs-, Verarbeitungs- und Lieferkette begleiten, und mit Systemen, welche den Verkauf mittlerweile erstaunlich präzise vorhersagen können.

Noch nie waren Essen und Ernährung aber auch so starken »Moden« unterworfen wie heutzutage. Vegetarisch, vegan oder doch lieber Fleisch? Und noch nie war die Ernährung ein so starkes Distink tionsmerkmal, wie die Soziologen sagen.

Auch das Wissen über unseren Körper, wie er funktioniert, was ihm guttut und was nicht, welche Folgen unsere Wahl der Nahrungsmittel und Ernährungsstile für ihn haben – all dieses Wissen stand den Menschen noch nie in so großem Umfang zur Verfügung. Und: Es war noch nie so allgemein verbreitet. Know-how über richtige oder falsche Ernährung ist heute Allgemeinwissen. Und auch dafür schufen digitale Hilfsmittel die Grundlage.

Was auf den Tisch kommt, was wann gegessen und wie es bewertet wird, was sich zum Trend entwickelt und was nicht, darüber lassen heute immer mehr Menschen elektronische Hilfsmittel entscheiden: Fitness-Apps regeln den Tagesablauf und die Essenszeiten, die Wahl der Lebensmittel und die Mengen auf dem Teller. Food- Tracker entscheiden, welches Nahrungsmittel gerade am besten zur aktuellen Lebens- und Leistungsphase passt. Instagram-Kanäle von Influencern präsentieren schicke Gerichte oder kulinarische Neuentdeckungen. Und Food-Blogs erklären, wo man außerhalb der eigenen vier Wände unbedingt gegessen haben muss.

Im Jahr 2018 kaufte Amazon die Online-Apotheke PillPack. Im Sommer 2020 brachte der eCommerce-Riese das Armband Halo auf den Markt, das seine Träger rund um die Uhr beobachtet. Wie die Konkurrenzprodukte von Xiaomi, Fitbit oder die Apple-Watch misst das Armband, das zur Produktgruppe der sogenannten Wearables (steht für »kann am Körper getragen werden«) zählt, Herzfrequenz, Hauttemperatur und Schritte. Wer einen Account erstellt und nicht widerspricht, dessen Daten werden automatisch ausgewertet.

Zusätzlich soll Halo den Körperfettanteil berechnen können. Für diese Bodyscan-Funktion muss man mit der Halo-App auf seinem Handy ein Ganzkörperbild in Unterwäsche oder ganz ohne aufnehmen, das die App dann auswertet. Dazu lädt das Programm die Bilder für die Körperfettanalyse auf den Server von Amazon hoch, wo sie aber nach Angaben des Unternehmens nach der Verarbeitung gleich wieder gelöscht werden. Inzwischen simuliert das Programm, wie man mit fünf oder zehn Kilogramm Körperfett weniger aussähe.

Ein Mikrofon erfasst außerdem die Stimme, eine Software analy siert beim Sprechen, in welcher Stimmung sich der Träger gerade befindet. Das kann entscheidend dafür sein, wann man etwa für Werbung empfänglich ist. Oder wann bestimmte Werbung besonders wirksam ist. Es lässt Rückschlüsse zu, ob man beim Genuss am Tisch wirklich Freude hat. Bisher gibt es Halo noch nicht frei zu kaufen. In ter essierte müssen das Armband per E-Mail beantragen und einge laden werden. Das geht bisher nur in den USA.

Über 368 Millionen Wearables sollen laut Statista, dem Onlineportal für Wirtschafts- und Marktdaten, im Jahr 2020 weltweit verkauft worden sein. Für das Jahr 2024 sagt das Portal einen Absatz von 527 Millionen Stück voraus. Der größte Umsatz wird in China erwartet. Ein Massengeschäft.

Als Fitness-Apps gelten dagegen kleine Programme, die entweder auf dem Smartphone oder eben auf dem Wearable installiert sind und Körperdaten einlesen und verarbeiten. Auch ohne direkten Kontakt zum Körper erkennen Fitness-Apps auf dem Handy etwa, ob gegangen, gerannt oder geradelt wird, ob der Nutzer gerade eine Treppe steigt oder im Wohnzimmer sitzt. Viele Wearables übertragen mit dem Mini-Funknetz Bluetooth ihre gemessenen Daten an die App auf dem Smartphone. Im Jahr 2019 nutzten in Europa laut Statista bereits rund 126 Millionen Menschen eine Fitness-App. In China waren es im gleichen Zeitraum 280 Millionen Menschen. In den USA, der Nation mit den weltweit meisten Übergewichtigen, immerhin 92 Millionen. Bis 2024 soll die Zahl der Nutzer in den USA auf 100 Millionen, in Europa auf 154 Millionen und in China auf 323 Millionen steigen, berichtet das Onlineportal für Wirtschafts- und Marktdaten Statista im Januar 2020.

 

»Studien haben gezeigt, dass Apps zur Ernährung und Gewichtsabnahme zusammen mit Fitnesstracking-Apps bei denjenigen, die Gesundheits-Apps verwenden, am beliebtesten sind. Ein Nielsen-Marktforschungsbericht über die Verwendung tragbarer Geräte zur Selbstkontrolle in den USA ergab, dass Frauen häufiger als Männer Diät- und Kalorienzähl-Apps verwenden«, schreibt die australische Soziologin Deborah Lupton in ihrer Veröffentlichung »›I Just Want It to Be Done, Done, Done!‹ Food-Tracking-Apps, Affects, and Agential Capacities«.

Die kleinen digitalen Helfer übernehmen immer mehr die Regie und versprechen mit dem richtigen Lebensmittel zur richtigen Zeit mehr Gesundheit, mehr Fitness, mehr Leistungsfähigkeit, besseres Aussehen, attraktivere Erscheinung, ein glücklicheres Leben.

Lebensmittelindustrie und Lebensmitteleinzelhandel haben erkannt, dass diese Programme künftig für ihr Geschäft wichtig werden können. Wenn die App schon sagt, was man essen sollte, warum Lebensmittel nicht gleich in der App an Ort und Stelle verkaufen? Wenn Ernährungs-Apps zum Massenmarkt werden, dann auch das Einkaufen im Fitness-Programm. Oder mit Alexa oder Siri. Denn die digitale Verarbeitung von gesprochenem Wort ist relativ simpel: eine Spracherkennung verwandelt die Töne in geschriebenen Text. Der wird verarbeitet. Als Ergebnis entsteht ebenfalls ein schriftlicher Text. Eine Sprachgenerierung liest diesen Text vor. Schon bald verfügt Alexa über alle Fähigkeiten und den gesamten Wortschatz, den sie braucht, um eine umfassend gebildete, wissende und vielleicht auch kluge, in jedem Fall aber geschäftstüchtige Gesprächspartnerin oder Assistentin abzugeben – mit einer hohen kommerziellen Eigeninitiative: »Soll ich das optimale Gemüse für dein Trainingsprogramm bestellen?«

Und da die Programme ein gutes Gedächtnis haben und praktisch kein Detail vergessen, fallen ihnen ganz automatisch Regelmäßigkeiten auf, die sie dann einfach in gut gemeinte Vorschläge umsetzen: »Soll ich dir eine Pizza bestellen? Du bekommst um 18:00 Uhr doch immer Hunger. Und ich habe mir gemerkt, dass ich dir in den letzten drei Jahren meistens am Dienstag eine Pizza bestellen durfte. Und heute ist Dienstag und es ist gleich 18:00 Uhr …« Wer kann so ein Angebot schon abschlagen? Und je länger man das Werkzeug nutzt, desto besser kann es auch vorhersagen, was geschehen wird: »Deinen Daten nach zu urteilen, wirst du heute um 18:10 Uhr Hunger bekommen – also in zwei Stunden. Soll ich schon mal …?«